DA-VINCI-CODE (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

DA-VINCI-CODE (auch Da Vinci Code).

Wir sollten uns nicht wundern über die Irrationalität arabischer Selbstmordattentäter: Nach Harry Potter nun ein weiterer irrationaler Renner (nach dem Motto: "Sage mir, was du liest und ich sage dir, wer du bist...")

In unseren Tagen profitiert Dan Browns Welterfolg "Sakrileg" ("The Da Vinci Code") von der ungebrochenen Popularität der Gralsthematik. Browns Helden gehören zu den ersten Menschen, die den Heiligen Gral bewusst mit eigenen Augen gesehen haben: Leonardo soll den Gral auf seinem "Letzten Abendmahl" ganz unverhüllt dargestellt haben. (Ulrich Baron in der WELT vom 18. Sept. 2004 - Vollständige Url des Artikels: http://www.welt.de/data/2004/09/18/333949.html)

und weiter:

"Sakrileg" ist einer jener 600-Seiten-Thriller, deren Handlung mit einem ebenso grässlichen wie rätselhaften Mord beginnt, um sich von Rätsel zu Rätsel dann immer weiter zuzuspitzen, bis sich die Leserschaft in Gläubige und Ungläubige scheidet.

Der amerikanische Symbolforscher Robert Langdon und die attraktive, kryptologisch versierte Enkelin des Mordopfers spielen die Hauptrollen. Ein Bischof und dessen unbekannter Meister sind ihre Widersacher, denn der Tote war nicht nur Direktor des Louvre und Experte für heidnische Symbole und deren christliche Umdeutungen. Nicht nur ein Kenner von Schlüsseln und Codes, von unterdrückten Weiblichkeitskulten und den in den Bildern Leonardo da Vincis verborgenen Botschaften, sondern auch Mitglied der ominösen "Bruderschaft von Sion", die seit dem Elften Jahrhundert ein Geheimnis hütet, das die Fundamente der katholischen Kirche in Frage stellt. Das im Jahre 325 von Kaiser Konstantin einberufene Konzil von Nizäa nämlich soll nicht nur die Beweise für die Menschennatur Christi, sondern auch die bedeutsame Rolle seines weiblichen Gegenstücks Maria Magdalena zu Gunsten der Lehre vom Gottessohn und einer männlichen Dominanz in Glaubensfragen brutal unterdrückt haben.

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Mit seinen Verschwörungstheorien, Geheimwissenschaften und unsichtbaren Wahrheiten und indem er die Welt als ein Geflecht von mythischen und magischen Symbolen auffasst, macht sich Browns Roman Praktiken zu Eigen, die die Kirche selbst Jahrhunderte lang erfolgreich gegenüber ihren Schäflein und ihren Gegnern angewandt hat. Hinter der publikumswirksamen Dämonisierung von Vatikan und Opus Dei verbirgt sich eine fundamentalere und wahrscheinlich überhaupt nicht beabsichtigte Kritik. Die Feststellung nämlich, dass die Kirche jenes Feld, das sie so lange erfolgreich bestellt hat - das irrationale Potenzial menschlicher Ängste und Hoffnungen, die Fragen nach den letzten Dingen und den Wahrheiten hinter dem Spiegel - längst den modernen Esoterikern, den Schamanen und Thriller-Autoren überlassen hat. Wen wundert es da, wenn Bibelromane besser laufen als Bibelfreizeiten? (Ulrich Baron in der Literarischen Welt vom 13. März 2004 - vollständige Url des Artikels: http://www.welt.de/data/2004/03/13/250122.html.)

Hier der Kommentar von basisreligion: Und die Theologie ist typisch amerikanisch-fundamentalistisch*)!

Da auf die Handlung des Romans bereits eingegangen wurde, sollen jetzt die Hintergründe angesprochen werden, die Dan Burstein in seinem Buch „Die Wahrheit über den Da-Vinci-Code – Das „Sakrileg“ (Goldmann 15330) entschlüsselt“ beschrieben hat:

-     Die Verfasser nehmen alles in der Bibel in fundamentalistischer Manier absolut wörtlich, suchen hinter "allem" irgendeine Magie (wie auch schon im Zusammenhang mit dem Bibelcode) und haben von der Problematik des „historischen Jesus“ und vom "Christus des Glaubens" (und damit also vom religionshistorischen Ansatz und von der Thematik Kerygma) überhaupt keine Ahnung! Nichts wird hinterfragt, die Auferstehung wird für bare Münze genommen, so auch das Abendmahl, die Wunder, die Gottessohnschaft Jesu…Dass vermutlich nur 5 % der Worte Jesu in der Bibel auch tatsächlich von Jesus selbst stammen, dass die übrigen 95 % entweder gar nicht von ihm sind oder zumindest in einem anderen Zusammenhang gesagt wurden (und damit sehr oft einen völlig anderen Sinn ergeben), davon haben Brown/Burnstein noch nie etwas gehört... (Ach ja, zum Thema "Sinn und Zusammenhang": Wir witzelten als Studenten schon mal über unseren Professor Rupert Lay S.J., dass er selbst gesagt hätte, dass er nicht gläubig sei. Ja, er hatte tatsächlich gesagt: "Ich glaube nicht, dass morgen schönes Wetter ist...") 

-     Was wäre bei Dan Brown und bei Dan Burstein eigentlich noch revolutionär an Jesus? Wo war ein Ansporn, sich für Frauen einzusetzen? Den damaligen Frauen ging es doch im Wesentlichen wie unseren heutigen Frauen… Und ob das eine Revolution ist, wenn eine Frau mal Priesterin werden darf?

-     Und wo soll hier bitte ein besonderer pädagogischer Sinn der Botschaft Jesu liegen? Wodurch soll die Welt nun besser werden? Wenn es Jesus nicht darum ginge, dann unterschieden sich Dan Brown und Dan Burstein ja auch gar nicht von den etablierten Kirchen, wozu also der ganze Aufruhr?

-     Die eigentlichen Probleme der Frauen in der Zeit Jesu – wie sie etwa hier bei basisreligion im Stichwort „kriminologischer Ansatz“ dargestellt werden, sehen weder Dan Brown noch Dan Burstein, sie ziehen sie noch nicht einmal in Erwägung.

Natürlich bringen Leute, die sich mit einer Sache intensiv beschäftigen, immer Anregungen, die natürlich auch von basisreligion aufgegriffen werden, etwa die Hinweise auf die Dag-Hammadi-Texte oder die Mysterienspiele.

Fazit: Aus kommerzieller Sicht gut gemacht, theologisch recht oberflächlich, eben amerikanisch!

Doch wir sollten uns nicht wundern und schon gar nicht die Kirchen! Denn man erntet immer nur, was man gesät hat. Und wenn in einer religiösen Pädagogik immer nur Irrationales (also glaubensorientiertes Wissen) gelehrt wird, woher soll dann die kritische Distanz gegenüber all diesen irrationalen Machwerken kommen?

Siehe hierzu auch die Beiträge in der WELT vom 15. Mai 2006:

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*) Allerdings hätte ein anderes Buch als eines mit fundamentalistischem Hintergrund in Amerika vermutlich keine Chance, etwa überhaupt einen Verlag zu finden. Aber vielleicht sind viele Amerikaner diesen Fundamentalismus auch wieder inzwischen leid?

(Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)