MATERIALISMUS (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

Der Begriff MATERIALISMUS hat wie auch der ihm entgegengesetzte Begriff Idealismus völlig unterschiedliche Bedeutungen, die allerdings oft genug völlig unkritisch und vielleicht auch ein wenig böswillig durcheinander gebracht werden. Wenn einem Menschen abschätzig Materialismus nachgesagt wird, so ist damit eigentlich immer eine Art praktischer Materialismus gemeint, weil dieser Mensch sein Leben nach niederen Motiven ausrichtet, daß es ihm vor allem etwa um Geld und vordergründiges Vergnügen geht (siehe auch Hedonismus).

In der Philosophie dagegen bedeutet Materialismus, daß alles, was existiert, entweder Materie oder Funktion von Materie ist. Mit Geld und vordergründigem Vergnügen hat diese Auffassung nun genauso wenig zwingend etwas zu tun wie daß jeder Idealist auch automatisch ein guter und vergeistigter Mensch ist.

Es besteht auch kein Grund zur Annahme, daß der philosophische Materialismus eine besondere geistige Vorstufe zum praktischen ist, weil er alle verstandesmäßig nicht erklärbaren Vorstellungen von Geist ablehnt. Denn die Verbindungen von Geist und Gutem (und Gott) einerseits und von Materie und Bösem (und Teufel) andererseits gehören zum Repertoire des Dualismus und der Gnosis, deren menschenverachtende Auswirkungen ja längst offensichtlich sind.

Nach Ansicht philosophischer Materialisten mögen die geistigen Funktionen zwar bisweilen sehr kompliziert und auch oft genug kaum nachvollziehbar sein, doch bleiben sie dennoch an chemische, mechanische oder elektrische Vorgänge gebunden. Wie sehr selbst geistige Auseinandersetzungen auf Funktion von Materie zurückgeführt werden können, wird uns immer mehr durch die maschinelle Intelligenz bewußt, die unser Leben inzwischen umgibt: Manche "Maschinen", also nun wirklich materielle Gebilde, können intelligente Lösungen finden, auf die Menschen gar nicht oder nicht so schnell gekommen wären. Ja, Computer verschiedener Hersteller können sich sogar Schachturniere liefern mit durchaus neuen Zügen, die den Konstrukteuren unbekannt waren. Unterstützt werden die Vorstellungen der Materialisten inzwischen von den Erkenntnissen über unsere Hormone und deren Einflüsse auf unser leibseelisches Verhalten. (Und daß intelligenter Materialismus keineswegs zu Gottlosigkeit führen muß, siehe unter Strategie und Spieltheorie!)

Damit gibt der Materialismus eine plausiblere Antwort auf die Frage nach der Ursache vieler Ängste, mit denen vor allem die Religionen die Menschheit seit jeher infiziert haben: Es gibt einfach keine Geister, Teufel oder sonstigen überweltlichen Wesen, die uns unsere guten oder bösen Gedanken oder Begierden eingeben; geistige Vorgänge kommen aus unserer materiellen Bedingtheit heraus und sind immer an Materie gebunden. Über die Frage nach Gott siehe dort!

Natürlich können Menschen durch Information solche Vorgänge beeinflussen, sie können sich gegenseitig damit geistig anstecken, sie können sie bei sich gegenseitig auslösen, doch es ist immer ein konkreter geistiger Fluß oder ein Anstoß durch ein natürliches Ereignis etwa durch ein Gespräch oder eine Lektüre oder durch einen hormonell bedingten Vorgang notwendig.

Materialistische Auffassungen vertrat schon im griechischen Altertum der griechische Philosoph Demokrit (460 - 370 v. Chr.), auch den noch viel früher entstandenen jüdischen Glauben müssen wir vom philosophischen Ansatz her als materialistisch ansehen. Der Marxismus unserer Zeit gab zwar vor, materialistisch zu sein, doch wurde der Materialismus hier auf die eher vom Haß getragenen klassenkämpferischen Ideen des Begründers Karl Marx hingebogen und zu einer letztlich doch wieder dualistischen Ideologie entstellt. Und so sind hier die typisch dualistischen Zuordnungen auf Karl Marx' Grundeinstellung neu formuliert: Marktwirtschaftliche Wirtschaftskraft mit Kapital und Kapitalisten gehören zum Reich des Bösen, gemeinschaftliche Bemühungen ohne Kapital und Kapitalisten zum Reich des Guten. Mit derartigen Rationalisierungen versuchen Marxisten dann seit jeher zu begründen, warum Menschen in marktwirtschaftlichen Verhältnissen keine hohen Lebensideale haben oder entwickeln können. Und das ist nun gewiß so nicht richtig, denn vor allem die höchsten geistigen Sehnsüchte nach gelungener Einheit von Leib und Seele können auch unter schwierigsten und widrigsten wirtschaftlichen Verhältnissen aufkommen und sie können da sogar gelingen und schließlich auch noch die materiellen Verhältnisse beeinflussen. Der Mensch muß nur erst einmal von der Möglichkeit solcher Einheit wissen und auch Strategien kennen, wie er zu ihr hin gelangen kann. Und es wird wohl immer sinnlos bleiben zu streiten, wie es letztlich zu Erkenntnis und Information darüber kommen kann.

Anmerkung: Eine Auseinandersetzung zwischen Materialismus und christlichem Glauben nach der Interpretation von basisreligion siehe in dem Buch Glaube ohne Aberlaube. Dass gerade ein materialistisches Menschenbild sehr wohl die Seele des Menschen ernst nehmen kann, siehe unter Kybernetik.

(Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)