ABSOLUTE BEGINNERS
Sie nennen sich Absolute Beginners:
Erwachsene, die nie eine Beziehung hatten.
Single-Coaches erklären, wie es dazu kommt
Klaus Schorn
hatte erst sehr spät seine erste Freundin. Heute hilft
er Singles Ein bis zwei Millionen
Absolute Beginner (ABs) gibt es in Deutschland. Zwei
Coaches haben sich auf diese Zielgruppe spezialisiert.
Monika Büchner, 59, betreibt ihre Praxis in Frankfurt.
Klaus Schorn, 47, arbeitet in Offenburg und kennt die
Problematik aus eigener Erfahrung. VON SARAH MARIA BRECH DIE WELT: Herr Schorn, sie waren selbst
ein Absoluter Beginner. Ihre erste Freundin hatten
Sie mit 25. KLAUS SCHORN: Ja. Inzwischen lebe ich
in einer Beziehung, aber als junger Mann habe ich
keine Partnerin gefunden. Nicht, weil ich keine
wollte. Ich habe Mädchen oft aus der Ferne
angeschwärmt. Aber ich habe mich nie getraut, sie
anzuflirten. Die Welt: Wie haben Sie die Kurve
gekriegt? SCHORN: Ich habe wirklich viel
probiert. Zum Beispiel Zeitungsannoncen aufgegeben.
Und ich habe geschaut, dass ich unter Leute komme, und
habe auch versucht zu flirten. Aber ich bin immer in
der Kumpelschiene stecken geblieben. Wenn das mehrmals
passiert, wird es immer schwieriger, sich zu trauen,
eine Frau anzusprechen. Ich bin dann mit 23 zu einer
Prostituierten gegangen. Das war also offiziell mein
Erstes Mal. Obwohl ich es lieber anders gehabt hätte,
war es im Nachhinein eine gute Entscheidung. So wusste
ich: Am Körperlichen wird es nicht scheitern. Ein Jahr
später rief dann tatsächlich eine Frau auf meine
Anzeige hin an. Wir haben uns getroffen. Als ich ihr
gestanden habe, dass ich noch keine Erfahrung habe,
ist sie gegangen. Das war der Wendepunkt. Ich habe
einen Blumenstrauß gekauft, bin zu ihrer Wohnung
gefahren und habe mir nur gedacht, irgendwie versuche
ich sie zu küssen. Wenn sie noch mal Nein gesagt
hätte - ich weiß nicht, ob ich mich so etwas noch mal
getraut hätte. Aber sie hat ja gesagt und wurde meine
erste Freundin. Frau Büchner, ist das ein typischer
Werdegang eines Absoluten Beginners?
MONIKA BÜCHNER: Angst vor dem Flirten
erlebe ich bei meinen Klienten tatsächlich häufig.
Viele haben im Elternhaus gelernt, dass Sex etwas
Schmutziges, Schlechtes ist. Das Thema war in der
Familie absolut tabu. Das haben sie so sehr
verinnerlicht, dass sie sich nicht trauen, sich einer
Frau zu nähern. SCHORN: Ja, sie wollen der Frau auf
keinen Fall zu nahe treten. Gibt es denn so viel mehr Männer als
Frauen ohne Erfahrung? BÜCHNER: Belastbare Statistiken gibt
es dazu nicht. Die meisten Absoluten Beginner leben ja
ein ganz normales, unauffälliges Leben. Aber in meine
Praxis kommen deutlich mehr Männer als Frauen. Ich
könnte mir vorstellen, dass Frauen ihr Bedürfnis nach
Zuneigung anders stillen. Sie haben vielleicht ein
dichteres soziales Netz, zum Beispiel eine beste
Freundin. SCHORN: Für Männer ist es schwieriger
mit ihrer sozialen Rolle zu vereinbaren, Jungfrau zu
sein. Sex ist für sie in unserer Gesellschaft eine Art
Initiationsritus. Darum leidet ihr Selbstbild mehr
darunter, wenn sie keinen haben. Von Männern wird
außerdem erwartet, dass sie den ersten Schritt tun.
Vielleicht machen sie darum eher ein Coaching.
Wie läuft so ein Coaching ab? BÜCHNER: Die Analyse beginnt schon,
wenn der Klient zur Tür hereinkommt. Wie sieht
derjenige aus, wie ist die Körperspannung, die
Kleidung? Wie begrüßt er mich? Kommuniziert er gut
oder ist er extrem schüchtern? Ich arbeite dann mit
ihm erst einmal an der Kommunikation. Manchen ist ihr
Sin-gle-Sein so peinlich, dass sie sich überhaupt
nicht mehr trauen, jemanden anzusprechen. Wir üben
auch, mit dem Frust umzugehen, wenn man einen Korb
bekommt. Und ich gebe Tipps zu Kleidung und Styling.
SCHORN: Viele Menschen glauben, wer
keinen Partner hat, muss extrem unattraktiv aussehen.
Dabei sehen die meisten Absoluten Beginner ganz normal
oder sogar gut aus. BÜCHNER: Ja, und sie sind oft
beruflich sehr erfolgreich. Eigentlich attraktive
Männer oder Frauen. Nur wissen sie das nicht? SCHORN: Sie fühlen sich nicht
attraktiv. Sie schämen sich dafür, dass sie noch keine
Beziehung hatten. BÜCHNER: Das drückt das
Selbstwertgefühl enorm. Das Gefühl, niemand will mich.
SCHORN: Mit 25 Jahren merken viele,
dass sich das Problem nicht einfach so löst. Mit den
Jahren wird es immer schwieriger, da rauszukommen. So
ab 50 haben viele dann resigniert. Manche versuchen
eine Psychotherapie, aber die meisten Therapeuten sind
da völlig hilflos. Einsamkeit gilt eben nicht als
Störung. Die entlassen die Leute mit banalen Tipps
wie: Gehen Sie doch mal mehr unter Leute. Ist das denn keine gute Strategie? SCHORN: Doch. Aber wenn jemand noch
nie ein positives Erlebnis hatte, nie Bestätigung
bekommt von anderen -dann läuft bei ihm ein Muster ab,
das er nicht einfach so stoppen kann. Wenn Sie sich
vorstellen, Sie wären selbst in dieser Situation, und
Sie fänden sich plötzlich in einem Raum mit 100
potenziellen Partnerinnen wieder. Würden Sie eher eine
dieser Frauen ansprechen oder doch eher durchs
Klofenster flüchten? Das ist genau der entscheidende
Gedankengang, der bei vielen Therapeuten und Freunden
von ABs ausbleibt. BÜCHNER: Darum ist es unwahrscheinlich
wichtig, dass wir als Coach das Kommunizieren üben. Es
geht dabei erst einmal nicht ums Flirten. Einfach Spaß
daran haben, sich mit anderen Leuten zu treffen. Das
ist das Wichtigste. Es nützt nichts, sich zu
Aktivitäten zu zwingen, die einem nicht gefallen.
Was raten Sie beim Flirten - gleich offen
erzählen, dass man noch AB ist? BÜCHNER: Ich empfehle, das nicht
direkt zu verraten. Das Gegenüber denkt dann: Mit dem
stimmt irgendwas nicht, der muss doch irgendein
Problem haben. Aber wie kommt ein AB an Erfahrung, wenn
nicht durch erste Flirts? BÜCHNER: Man kann das Thema beim
Flirten ja erst einmal umschiffen und später
besprechen, wenn man sich besser kennt. Viele AB haben
aber auch Angst, eine Frau zu berühren. Sie fürchten,
dass es peinlich werden könnte. Dass sie irgendwie
unangenehm aussehen oder riechen. Oder sie haben ganz
hohe Erwartungen, dass sie zum Beispiel gleich
Erregung spüren, sobald sie eine Frau anfassen.
Was raten Sie solchen Klienten?
SCHORN: Die genaue Situation der ABs
kann sich trotz des gemeinsamen Themas sehr
unterscheiden. Ich höre erst einmal zu und komme ins
Gespräch. Wir erarbeiten, wie richtig guter Kontakt
funktioniert. Wer das weiß und regelmäßig übt, der
verbessert sein Standing enorm! Wenn der AB sich
wünscht, körperliche Nähe auszuprobieren, lade ich ihn
zum Beispiel zu einer Kuschelparty ein. Da umarmen
sich die Teilnehmer, können Nähe erleben, ohne
Leistungsdruck und ohne dass es gleich zu Sex kommt.
Manchmal empfehle ich auch eine Tantramassage oder den
Besuch bei einer Prostituierten. Klar ist, dass Sex
mit einer Prostituierten kein Ersatz für eine
Beziehung ist. Außerdem stellt sich die moralische
Frage: Will ich Prostitution unterstützen? Für einige
Männer kann es aber hilfreich sein, wenn sie Sex in
einem solchen Rahmen ausprobieren können.
BÜCHNER: Ich übe mit den Klienten das
Berühren. Den Körper aufwecken, nenne ich das. Zum
Beispiel durch Massage. Das kann sich auch langsam
dahin entwickeln, dass ich irgendwann den nackten
Körper massiere. Die Klienten können so spüren, dass
es sich gut anfühlt. Und was sich gut anfühlt, will
man wieder haben. Am besten mit Partner und jeden Tag.
Das ist das Ziel. Da geht es um die Entwicklung von
der vielleicht negativ besetzten Vorstellung zur
positiven körperlichen Erfahrung. Das ist eine ganz
allmähliche, behutsame und spannende Arbeit, die viel
Einfühlung braucht. Denn es geht ja gerade darum,
Angst zu nehmen und Vertrauen zu geben.
Monika Büchner: Für die Liebe ist es nie
zu spät. J. Kamphausen, 200 Seiten, 16,95 Euro KOMMENTAR VON BASISRELIGION Dieses Interview kann so nicht stehen
bleiben! Denn hier wird etwas völlig Natürliches und
durchaus auch Moralisches einfach nur schlecht gemacht
und als unnormal hingestellt! Natürlich: Es könnte
auch sein, dass alles nur bittere Ironie ist, doch
kann ich das nicht glauben, daher hier eine ernsthafte
Kritik. Zunächst einmal: Es ist gewiss nicht
jedermanns (und natürlich auch jederfrau)
Sache, zum Einstieg in die Sexualität zu einer Prostituierten zu gehen
oder ein Mädchen oder eine Frau als Übungsmatratze
zu benutzen - gleichgültig ob vorsätzlich oder aus
Dummheit oder Unwissenheit. Denn damit missbraucht man
doch andere Menschen - und das ist nun wirklich gegen
jede Moral! Es ist doch nun wirklich völlig normal, wenn
jemand eine Scheu vor der Sexualität
hat und damit auch vor Menschen des anderen
Geschlechts. Ganz abgesehen davon, dass vor- und
außerehelicher Sex in vielen Religionen Sünde ist, ist es doch auch
ein Zeichen von hohem Niveau und von hoher Moral, wenn dieser jemand ohne
Ehe keinen Sex haben möchte. Denn allein von der Natur
her gehört Geschlechtsverkehr
nun einmal in die Ehe - es ist nun einmal so, dass die
Natur das Vergnügen beim Eindringen und die
Fruchtbarkeit miteinander gekoppelt hat. Wir sind doch
heute ansonsten so für Natürlichkeit - nur hier wollen
wir nichts mit der reinen Natur zu tun haben und
meinen sie verbessern zu müssen. Ganz offensichtlich
geht es uns also gar nicht um ein Leben im Einklang
mit der Natur, sondern die Natur ist immer nur ein
Vorwand je nachdem, wie es uns passt. In den meisten
Fällen ist der Grund mancher Menschen für die
Abneigung gegen außerehelichen Sex doch nicht, weil
sie Sex ganz grundsätzlich für etwas Schmutziges und
Schlechtes ablehnen, sondern weil sie ihren eigenen
Körper und den eines anderen Menschen nicht
missbrauchen möchten - einfach nur
für eine Abreaktion beziehungsweise für eine
Triebbefriedigung. Auch wenn etwa
ein junger Mensch mehr oder weniger zufällig Pornografie sieht oder
versaute Witze hört, dann kann doch durchaus bei ihm
der Eindruck entstehen: "Ich habe ja nichts gegen
Geschlechtsverkehr an sich, ja, ich wünsche ihn mir
sogar sehnlichst, doch bitte nicht in dieser Weise,
sondern in einer schönen harmonischen Liebe und Partnerschaft - wo er
nun einmal hingehört!" Den Menschen, die diese Einstellung haben,
sei hier dringendst empfohlen, bei ihrer Einstellung
zu bleiben und sich keine Komplexe
einreden zu lassen. Sie brauchen nun wirklich keinen
Psychologen und sonstigen Ratgeber, um ihre
Einstellung über Bord zu werfen. Doch was tun? Stehe (oder stehen Sie) doch zu
Deiner (oder zu Ihrer) Einstellung, mache (oder machen
Sie) selbstbewusst Werbung
für die. Allerdings empfehle ich, die Leibfeindlichkeit
(bitte beachten: in dem Sinn dieses Stichworts) zu
überwinden, um erst einmal eine Phase der Ästhetik zu erleben und Paradieserlebnisse
zu genießen bis hin etwa zu Tantramassagen. Was
glaubst Du (bzw. glauben Sie), wie gut es bei anderen
ankommt, wenn sich eine solche Einstellung
herumspricht: "Natürlich gehe ich nackt am Strand, wo
es passt, ich bin doch emanzipiert und brauche also
auch keine Verklemmtheitsfetzen, doch Sex vor der Ehe
auf keinen Fall - ich bin doch nicht dumm und notgeil!" Alles andere ergibt
sich dann von alleine. Und wenn einer über Deine (oder
Ihre) Einstellung lacht - oh wie gut - , dann weißt Du
(oder wissen Sie) wenigstens, woran Du bei demjenigen
bist (bzw. Sie sind)! Der Arbeiterschriftsteller Max von der Grün
hatte in seiner Kurzgeschichte "Friseuse"
diese Friseuse einmal verächtlich über ihre
Mitmenschen sagen lassen: "Zusammengevögelte
Gesellschaft". Seht (bzw. sehen Sie) das einmal so,
dass es ein elitäres Gefühl bringen kann, die in
unserer Gesellschaft übliche Leibfeindlichkeit zu
überwinden (die doch auf ein Kollektivtrauma
hinweist), doch bei dieser "Vögelei" nicht
mitzumachen. (Wörterbuch von basisreligion und basisdrama) |