VORURTEILE (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

VORURTEILE sind Ansichten, die absolut klar, wahr und realistisch erscheinen, ohne daß eine besondere Überprüfung überhaupt in Erwägung gezogen wird. Dabei würde eine genauere Überprüfung ergeben, daß diese Ansichten alles andere als klar, wahr und realistisch sind. Doch wehren wir uns zumeist fanatisch gegen solches Nachdenken, denn wir haben es hier mit Mauern in den Köpfen zu tun, die wir üblicherweise um so mehr verteidigen, je mehr wir merken, daß sie uns eigentlich schaden und vor allem geschadet haben. Typische heute noch selten hinterfragte Vorurteile sind:

-       Der Glaube an Gott und an ein Leben nach dem Tod ist notwendig, damit die Menschen nicht allzusehr über die Stränge schlagen, damit nicht jegliche Moral vollends zerbricht. Das Gegenteil ist wohl wahr, die schlimmsten Verbrechen wurden vermutlich sogar im Namen einer Gottheit oder einer anderen überzeitlichen Idee begangen. Nicht nur die Kreuzfahrer und die Hexenverbrenner beriefen sich auf den Dienst an einer Gottheit, auch Hitler fühlte sich als Schwert Gottes, um das Böse zu bekämpfen. (Das sagt natürlich nun auch wieder nicht, daß Gottesglaube automatisch zu Verbrechen führen muß!)

-       Die (Sexual-)Scham sei Vorbedingung für jegliche (Sexual- )Moral. Auch hier ist das Gegenteil wohl eher richtig, wir erziehen damit eher zu Un-Moral und Heuchelei. Siehe auch unter Nacktheit und Enthaltsamkeit.

-      Aufreizend oder freizügig angezogene Mädchen und Frauen provozieren geradezu Vergewaltigungen. Untersuchungen haben jedoch ergeben, daß eher weniger auffällige Frauen und Mädchen Opfer von Gewalttaten werden.

-       Die Grundeinstellungen der Menschen in allen wichtigen Dingen bilden sich in den ersten (drei) Lebensjahren, später ist da nicht mehr viel zu machen. Siehe unter Tiefenpsychologie.

-       Man darf Kindern nicht klaren Wein einschenken über die problematischen Dinge des Lebens, damit sie erst einmal eine unbeschwerte, glückliche Kindheit haben, die dann das Fundament für ein glückliches späteres Leben sei. Abgesehen davon, daß die Begriffe "unbeschwert" und "glücklich", wie sie hier gebraucht werden, schwammig sind, hat es das noch nie gegeben, daß eine Falschdarstellung der Realität, also eine Unterdrückung der Wahrheit (also eine Lüge) auf Dauer zu etwas Positivem geführt hat. Wir legen damit nur die Grundlagen für Lebenslügen.

Wir haben hier das Kant´sche Problem vor uns: Nicht die Gegenstände bestimmen unsere Wahrnehmung (und damit unser Urteil), sondern wir sind es, die der Außenwelt unsere Sicht der Dinge aufzwingen! Wir sehen also nicht die Welt, wie sie wirklich ist, sondern wie wir sie sehen wollen.

"Es bleibt beim Bild vom Fischer uns seinem Netz, mit dem ein englischer Physiker das Dilemma der Naturwissenschaften   umschrieb. Er verglich den Naturforscher mit einem Fischer, der zum Fang seine Netze auswirft. Ob er etwas fängt und was der fängt, hängt dann nicht nur vom Zustand des Gewässers ab, sondern auch von dem seines Netzes. Die großen Fische werden es zerreißen und entkommen, die kleinen entgehen ihm ebenfalls, weil sie durch die Maschen schlüpfen, so dass er zwar nichts Falsches, aber doch immer nur etwas Vorläufiges und Bedingtes sagt, wenn er von dem, was im Netz hängen geblieben ist, auf die gesamte Fischwelt schließt. Das "Ding an sich" bleibt ihm und uns verborgen..." Dies ist aus dem Beitrag von Konrad Adam "Immanuel Kants Prozess gegen die Anmaßungen des Verstandes" in der WELT vom 12. Februar 2004 entnommen. Vollständige URL des Beitrags: http://www.welt.de/data/2004/02/12/236131.html.
 

Erkenntnis ist also Glückssache! Und gegen Vorurteile von anderen gegen einen selbst kann man auch nicht viel machen. Man kann ja mal versuchen, sie zu bestätigen, jedoch mit etwas Positivem!

Bei einer meiner Reisen durch China wurde ich einmal von einem Chinesen gefragt, warum ich nicht verheiratet sei, ich würde doch langsam alt, und da brauchte man doch jemanden, der für einen sorgt. Nein, meinte ich, das wäre doch so eine Art Prostitution, wenn ich mir eine Frau nehmen würde, nur damit ich jemanden für so etwas hätte. Das hätte doch nichts mit Partnerschaft zu tun. Und außerdem: Was wäre, wenn dann doch die Frau käme, auf die ich immer gewartet habe? Dann wäre doch alles noch viel schlimmer. Also, meinte der Chinese, dann würde ich lieber gar nicht heiraten. Genau, entgegnete ich, "ganz oder gar nicht!" Und seine Antwort: "Typisch deutsch!" (Was mochte der über uns Deutsche wohl für Vorurteile haben? Doch hier sah er mal eine andere Seite...und die wird er jetzt weiter erzählen...)

Ansonsten scheint bei der Beurteilung anderer Menschen der Begriff Vorurteil inzwischen derart abgegriffen, daß sich niemand von ihm angesprochen fühlt, wer glaubt schon von sich selbst, daß er Vorurteile hätte? Vorurteile haben doch nur immer die anderen. Es wird daher in dieser Website auf den Begriff Unterstellungen ausgewichen.

Siehe auch zum Thema "Auslöser von Vorurteilen" das Stichwort "Reizworte".

(Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)