DESIGNERKIND (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

DESIGNERKIND ist die Bezeichnung für eine Art “modernes Wunschkind”, für das sich die Eltern Keimzellen anderer Menschen “aus dem Katalog” auswählen, um ein besonders schönes oder gesundes Kind zu erhalten. Möglicherweise können wir irgendwann in der Zukunft auch eigenes “genetisches Material” so manipulieren, daß ein eigenes Kind wunschgemäß verändert werden kann.

Die Probleme dabei sind so vielfältig und kompliziert, daß hier nur einige kurz angedeutet werden können:

1.   Ist es wirklich ein Gewinn, wenn irgendwann einmal nur blonde und blauäugige Menschen mit Einheitspuppengesicht herumlaufen, weil das alles gerade "in Mode” ist?

2.   Wie kommen Eltern, die vielleicht “klein und mickrig” sind, mit solchen besonders wohlgestalteten Designerkindern zurecht? Haben sie überhaupt die Fähigkeiten, diese der entsprechend für sie selbst ungewohnten Fragestellungen auch angemessen zu erziehen? Oder werden sie nicht dauernd damit überfordert sein?

3.   Vermutlich werden sich nicht viele Menschen dazu hergeben, ihre Keimzellen “zu verkaufen” oder sonstwie weiterzugeben. Und wenn die “Nachfrage” größer als das “Angebot” ist, kann es kommen, daß wenige Eltern in der Wirklichkeit viele, ja sogar sehr viele Kinder haben. Es könnte also geschehen, daß viele Menschen mit demselben Erbgut herumlaufen. Damit ist - zumindest mit der Zeit - die Gefahr einer ungewollten Inzucht gegeben.

Auf der anderen Seite hätte das auch Vorteile, wenn etwa Eltern, die die Träger von Erbkrankheiten sind oder die gar keine Kinder bekommen können, gesunde Kinder bekommen könnten.

Aus der Unterrichtserfahrung ergibt sich zur Zeit eine etwas andere, jedoch mit dem Thema “Designerkind” durchaus zusammenhängende Frage nach der Abtreibung voraussichtlich behinderter Kinder (festgestellt über die PID, die Präimplatationsdiagnostik): Soll die Frau, die schwanger ist und feststellt, daß sie aller Wahrscheinlichkeit nach ein behindertes Kind zur Welt bringen wird, dieses Kind auch tatsächlich zur Welt bringen oder soll sie abtreiben?

Ein heikles Thema: Welcher Ausweg bietet sich aus dem Dilemma, mit dem Lebenlassen kranker (ungeborener) Kinder, einerseits die Genetik zu zerstören, andererseits mit dem Töten Ungeborener, unsere Menschlichkeit möglicherweise nachhaltig zu untergraben.

  1. Durch die medizinischen Fortschritte kann heute im Grunde jedes Kind, das gezeugt wird, seinerseits irgendwann wieder Kinder zeugen. Diese Situation hat es so in der Menschheit noch nie gegeben. Bisher war es doch immer so, daß von vielen Kindern, die in einer Familie geboren wurden, einige immer an verschiedenen Krankheiten starben. Und es gab auch Seuchen und andere epidemische Krankheiten, die immer wieder viele Menschen hinweggerafft haben vor allem auch in jungen Jahren. Und gerade wenn die Menschen jung oder sehr jung sterben, kommt es auch nicht mehr zur Fortpflanzung, und das bedeutet nach den Darwinschen Vorstellungen von Mutation und Selektion, daß die eher Kranken und Schwachen “eliminiert” werden und sich vor allem die Gesunden erhalten und damit auch ihr Erbgut weitergeben. Das alles mag für den einzelnen Betroffenen zwar immer sehr traurig und tragisch sein, doch für das “Gesamt” bedeutet das immer eine Erhaltung und vor allem Förderung des gesunden Erbguts, dadurch sind - solange diese Spielregeln “funktionieren” - etwa verschiedene Krankheiten, denken wir etwa an die Diabetes, früher fast unbekannt. Und genau diese Krankheiten nehmen heute sehr oft in solchem Ausmaß zu, daß wir voraussagen können, daß unser Erbgut mit der Zeit deutlich verschlechtert wird. So kann es  kommen, daß in einigen Generationen die Menschen uns heute wegen unserer Einstellungen verwünschen, nicht nur weil wir die Umwelt so mit allen möglichen Giften und mit Raubbau geschädigt haben, sondern weil wir auch das menschliche Erbgut verdorben haben.
    Ein Ausweg hier ist nur über die Veränderung unserer Einstellung möglich: Wenn wir alle Menschen am Leben erhalten und vor allem zur Zeugung bringen, auch die, die die Natur eigentlich nicht dafür vorgesehen hat, dann müssen wir eben an anderer Stelle etwas unternehmen, um mögliche Katastrophen abzuwenden, die immer dann kommen, wenn eben der Natur ins Handwerk gepfuscht wird. Bei der Fortpflanzung könnte das heißen, daß wir da sozusagen eine Art “Vorauswahl” treffen müßten, und manche Kinder gar nicht erst zur Welt kommen lassen dürften. Das ist zwar schmerzlich, doch wir haben im Grunde nur die Wahl, wann schmerzliche Entscheidungen getroffen werden müssen und nicht, daß sie getroffen werden müssen.
  2. Und wenn wir das nun so machen, stehen wir in der Gefahr, unsere “Menschlichkeit” zu verderben. Denn etwa während einer Schwangerschaft zu untersuchen, ob ein Kind gesund ist oder nicht, und dann zu entscheiden, ob man es zur Welt bringen will oder es eben abtreibt (es gibt auch die Auffassung, daß Eltern bis zu vier Wochen nach der Geburt das Recht haben sollten, das Kind anzunehmen oder sterben zu lassen), funktioniert vielleicht nur bei denjenigen Menschen, die eine gewisse “seelische Hornhaut” besitzen.
    Deutlicher ausgedrückt bedeutet das, daß diese Menschen ihre Menschlichkeit verstandesmäßigen Aufwand-Nutzen-Vorstellungen unterordnen. Und das hätte nämlich auch weitere Auswirkungen: Wir lernen gar nicht mehr, wie wir mit Behinderten umgehen, wir verlieren damit zumindest mit der Zeit eine ganze wesentliche Seite unseres Menschseins, vielleicht unser Menschsein überhaupt. Und dann ist es ja auch möglich, daß es nicht bei der seelischen Hornhaut und dem Aufwand-Nutzen-Denken gegenüber behinderten ungeborenen Kindern bleibt, sondern daß hier eine Lawine losgetreten wird und irgendwann ganz allgemein Behinderte, unheilbar Kranke, alte Menschen unter denselben Gesichtspunkten gesehen werden.


Wir haben eine ähnliche Problematik auch in anderen Lebensbereichen, daß durch gewaltsame Lösungen “mit Messer und ohne Geist” grundlegende menschliche Lösungen verhindert oder gar nicht erst in Angriff genommen werden:

-     Mit der Todesstrafe <und nicht nur mit der, das gilt in gewisser Weise für alle Strafen> werden kurzerhand diejenigen Menschen “beseitigt”, die in einer Gesellschaft die Toleranzgrenzen “in nicht mehr akzeptabler Weise” durchbrochen haben. Damit spart man sich im Grunde die Fehlersuche, was in der Gesellschaft falsch gemacht wurde, daß Menschen überhaupt derart entgleisten. Und man spart sich auch eine Änderung des Erziehungssystems. Es ist eine geradezu groteske Situation, daß dieselbe Organisation, die das Erziehungssystem gestaltet oder zumindest beaufsichtigt, auch die Todesstrafe verhängen kann, daß also “jemand” nicht zu den Fehlern, die er selbst angerichtet hat, zu stehen braucht...

-     Mit der Beschneidung der Mädchen <aber auch mit der Verschleierung, ja sogar mit jeglicher Verhüllung bis hin zur Badekleidung> wird sozusagen eine Moral erzwungen oder soll wenigstens erzwungen werden. Auf die Dauer verlieren wir damit allerdings jegliche Fähigkeiten, wie gerade junge Menschen motiviert werden können, daß sie aus sich heraus und aus freien Stücken an der Moral von vornherein Gefallen finden und sie auch gern lebenslang leben <können>. Ja, es ist inzwischen sogar so, daß wir die damit verbundene “echte” Monogamie weitgehend aus dem Blickwinkel verloren haben und sie uns daher oftmals gar nicht mehr vorstellen können. Und wenn irgendwann “jemand” gangbare Wege sucht, wieder dahin zu gelangen, dann wird er gar nicht mehr verstanden. Dabei würden diese Wege vermutlich auch die Probleme vieler Abartigkeiten, die Folge nichtgelungener Partnerschaften sind, positiv “lösen”, d.h. daß es diese Probleme gar nicht mehr gibt.

-     Ähnlich ist es mit der Erziehung zur Sexualscham und zu Tabus. Diese Erziehung gaukelt uns einen Weg der moralischen Erziehung vor, die sie jedoch nicht leistet. Es wird im Gegenteil nachhaltig eine sinnvolle Moral erhindert, die nur durch das Bewusstsein erreicht werden kann.

-     Die Prügelstrafe ist ein weiteres Beispiel für die Verhinderung geeigneter Erziehung. Zum Glück ist die Problematik hier erkannt. Lehrer werden etwa erst dann auf die jungen Menschen “losgelassen”, wenn sie fähig sind, ihren Lehrstoff auch ohne solche Gewalttätigkeiten “an die jungen Menschen zu bringen”. Vermutlich hat gerade die Abschaffung der Prügelstrafe völlig neue pädagogische Ideen und Fähigkeiten aufgetan und überhaupt erst ermöglicht.

Ich weiß da keinen Ausweg – und auch unsere christliche Religion weiß ihn letztlich nicht. Vor allem hat Jesus diesen Fall nach unseren Erkenntnissen nicht gekannt, er konnte ihn sich vermutlich noch nicht einmal vorstellen.

Die Lösung, die ich “meinen” jungen Leuten anbiete, ist folgende: Die jungen Leute sollen derart stabile persönliche Beziehungen anstreben, innerhalb derer sie die Problematik für sich selbst lösen können, gleichwie sie sie nun lösen. Im Klartext: Bevor die Mädchen, die ja letztlich doch die vollen Konsequenzen von alledem zu tragen haben, sich auf eine Beziehung – und da vor allem eine intime Beziehung – einlassen, sollten sie sich zumindest erkundigen, wie der Partner zu dieser Problematik steht. Dabei können sie – unauffällig-auffällig – etwa einen Film, den sie gesehen haben, einen Unterricht, den sie mitbekommen haben, ein Gespräch, das sie sonstwo geführt haben  - , zum Anlaß für ein Gespräch nehmen. Sie können sich dabei sogar über meinen Unterricht lustig machen – Hauptsache, es kommt zum Gespräch! Und wenn sie dabei dann erkennen, daß dem Partner das alles gleichgültig ist, ja, daß er darauf sogar mit Unverständnis bis hin zur Ablehnung des Gesprächs reagiert, dann wissen sie wenigstens, woran sie sind. Dieser Partner wird sie auch später in den wichtigsten Dingen des Lebens nicht unterstützen, der wird sie mit ihren seelischen Problemen auch sonst allein lassen, der wird also kein wirklicher Partner sein. Und wenn sie jetzt trotz dieses Wissens immer noch mit dem Partner intime Beziehungen beginnen – ja, dann kann ich ihnen auch nicht helfen...

Die Frage nach den Abtreibung behinderter Kinder also als Testmöglichkeit bei der Partnersuche? Warum nicht?

(Anmerkung: Ich habe mich einmal in einer Mädchen Berufsschulklasse so recht und schlecht mit dieser Problematik durchgeschlagen. Irgendwann zog ein Mädchen da über mich her, daß ich ja wohl völlig falsch liege, wie ich die Vorstellung haben könnte, daß sie beim Beginn einer Affäre <sie nannte das natürlich anders> über so etwas nachdenke. Da gab ich dann ganz schnell auf, denn schließlich bin ich nicht dazu da, meine Schüler zu beleidigen, und nur so etwas wäre mir da eingefallen. Doch als nach dem Unterricht die jungen Damen den Klassenraum schon verlassen hatten und ich da saß und meine Klassenbucheintragungen machte, da kam noch eine der jungen Damen zu mir und meinte: “Ich sag´s Ihnen ja, mit dem Pack können Sie sich nicht unterhalten...” Das war zwar etwas derb und ich war auch “platt”, aber es hat mich doch getröstet: Es gibt eben noch andere Auffassungen und junge Menschen sind durchaus fähig, die menschliche Problematik zu erkennen und vermutlich auch willens, an Lösungen zu arbeiten. Es gibt für Lehrer also immer noch Chancen...

Ausblick: Es sieht so aus, als ob sich durch „technische Schwierigkeiten und von finanziellen Gesichtspunkten her" zumindest auf absehbare Zeit das Problem weitgehend von alleine löst:

-     Beim Wunsch etwa nach einer bestimmten Augenfarbe des Menschen, der da entstehen soll, dürfte es sehr kompliziert sein, die passenden Gene zu finden und zu „manipulieren“. Es ist nie auszuschließen, daß von solchen Manipulationen noch andere Eigenschaften des Menschen außer der Augenfarbe beeinflusst werden, und daß diese Beeinflussungen sich dann ungünstig auf den Menschen auswirken.

-     Die Kosten sind derart immens, daß allein sie schon eine Schranke bilden, zumindest wenn es sich um im Grunde unwichtige Veränderungen handelt. Anders dagegen ist es bei genetischen Veranlagungen zu Krankheiten, die für einen Menschen lebenslang Erschwernisse und bisweilen auch hohe Kosten bedeuten. Einerseits lassen sich die für solche Krankheiten verantwortlichen Gene wohl leichter finden und beeinflussen, andererseits dürften sich sehr oft schon allein von der Kostenseite Vorteile ergeben: die  Kosten der genetischen Manipulation dürften nun wirklich geringer sein als die spätere lebenslange Behandlung des kranken Menschen. Wichtiger ist natürlich die Gesundheit des Menschen, doch die Realität ist ja auch hier, daß alles bezahlt werden muß. Siehe auch Gentechnologie und besonders den Beitrag aus der WELT vom 17. 09. 2003 "Spermien aus Stammzellen" http://www.welt.de/data/2003/09/17/169551.html. Es geht hierbei auch um die Möglichkeit, Spermien aus zuvor gentechnisch veränderten Stammzellen zu schaffen.

Siehe auch den Beitrag in der WELT vom 16. 11. 2006: "Selektion im Reagenzglas": In Großbritannien haben Forscher eine neue Methode entwickelt, Erbkrankheiten bei Kindern auszuschalten. Bald werden die ersten Babys geboren, die im Embryonalstadium einer völlig neuartigen genetischen Untersuchung unterzogen. An ihnen entzündet sich eine ethische Debatte. Vollständige Url des Artikels: http://www.welt.de/data/2006/11/16/1112103.html .

Ich schließe mich hier einem Leserbrief zu diesem Beitrag an. Welch unsägliche Heuchelei bei uns in Deutschland: Wir töten jährlich 100 000 völlig gesunde Kinder im Mutterleib, aber haben moralische Skrupel, Embryonen auf Krankheiten zu untersuchen, damit gesunde Kinder zur Welt kommen! Wenn solches Verhalten nicht Kennzeichen für Dekadenz ist!

(Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)