Schülergerecht: Jesus ist für die Liebe und gegen die Sünde und provoziert die Heuchler. Haben Sie nicht auch die Erfahrung, daß Ihnen in einer neuen Klasse, die Sie fragen, was sie im Religionsunterricht machen wollen, spontan entgegenschallt: "Aber bloß nichts mit der Bibel", oder "Bloß nichts von Jesus", wobei diese Ausrufe bisweilen auch noch mit nicht wiederzugebenden und im Grunde blasphemischen Beiworten ausgeschmückt werden. Da fragt man sich als Religionslehrer natürlich nicht nur, was da bisher wohl falsch gelaufen ist, sondern man fühlt sich geradezu provoziert, den jungen Leuten ein Jesusbild vorzuführen, das sie mal so richtig satt macht. In solchen Fällen pflege ich den jungen Leuten also zu sagen, daß ihnen ja wohl immer die härtesten und realistischsten Stellen der Bibel verschwiegen wurden, die auch sie etwas angingen, weil vermutlich dieselben Probleme, die es zur Zeit der Bibel gab, auch heute noch aktuell sind und die Leute von der Kirche lieber diese Probleme ausklammern, weil sie sich ansonsten auch selbst an den Pranger gestellt fühlen könnten. Und ich komme dann auf den kriminologischen Ansatz! Nach ganz alter Lehrertradition lese ich den jungen Leuten dann einmal „eine Geschichte“ aus der Bibel vor – und zwar die wohl "älteste Kriminalgeschichte der Weltliteratur", nämlich die früher nur in katholischen Bibeln enthaltene Susannageschichte aus dem Anhang des Buches Daniel. Gerade in unserer heutigen Zeit, in der wir erfahren, wie in Afghanistan unter den Taliban, aber auch in anderen vor allem moslemischen Ländern mit den Frauen umgegangen wird, hat diese Geschichte nämlich eine bedrückende Aktualität. Und bei der Diskussion, ob diese Erzählung tatsächlich auf einer wahren Begebenheit beruht (immer kritisch!), kommen die jungen Leute durchaus darauf, daß diese Geschichte wohl zu gut ausgegangen ist, daß sich eine "versiffte Gesellschaft" wohl nicht so leicht von einem "dahergelaufenen jungen Mann" aufs Kreuz legen läßt. Und daß die Gesellschaft "versifft" war, steht ja ganz deutlich in dieser Erzählung, wenn "Daniel" zum "zweiten" der beiden Ältesten sagt: "So seid ihr <schon immer> mit den Töchtern Israels umgegangen, sie fürchteten sich und waren euch zu Willen" (oder deutlicher "sie waren intim mit euch aus Angst", wie ich es so in englischen und spanischen Bibeln gefunden habe.). Ich meine doch, daß die jungen Leute das Problem der Susannageschichte verstehen und ihnen auch klar wird, daß sie wohl nicht historisch ist, weil sie einfach zu gut ausgegangen ist, so eine Sache geht einfach nicht so gut aus. So kommen die jungen Leute von selbst darauf, daß wohl diesem Daniel eher die Geschichte mit der Susanna angehängt wird, als daß ihn die Ältesten auch noch zum Vorsitzenden des Gerichts macht. Jedoch kann diese Kriminalgeschichte durchaus als ein zeitgenössisches Sittenbild angesehen werden und als pädagogische Lehrgeschichte, um die Heuchelei in der damaligen Zeit zu entlarven und wieder Gespür für wirkliche Moral zu schaffen. Wir kommen natürlich auch auf die Frage, wie so eine Geschichte normalerweise ausgehen dürfte und ob die jungen Leute nicht eine ähnliche Geschichte in der Bibel kennen, die realistischer ist. Und dann sind wir bei Jesus (manche kommen auch von allein auf ihn!). Ja, das könnte stimmen, daß es ihm gelingt, die Frau, die wegen Ehebruchs gesteinigt werden soll, "rauszuhauen", weil er auch den Überraschungsmoment nutzt, die Ankläger zu entlarven. Nur ist das Ende hier wohl realistischer, schließlich rächen sich die Ankläger so fürchterlich an ihm selbst und betreiben mit den windigsten Argumenten nicht nur so gerade seine Steinigung (was eher normal gewesen wäre), sondern seine Kreuzigung durch die Römer. Ausgehend von diesen beiden Berichten aus dem Alten und aus dem Neuen Testament kann man übrigens viel den jungen Leuten erzählen, was sie verstehen und was sie direkt angeht, daß es nämlich damals in diesen Gesellschaften der Minderachtung der Frau keine wirkliche Liebe und Partnerschaft zwischen Mnn und Frau gab (klar, wenn da nur die primitive Gier und die Ausnutzung der Frauen im Vordergrund steht und die Ältesten und sonstigen Hochgestellten da mitten drin stecken), doch daß Jesus diese Liebe wieder bringen wollte, daß er gegen die Sünde und gegen die Heuchler geredet hat. Hier dürften einmal dieser Jesus von damals und die jungen Leute von heute unter Sünde "dasselbe" verstehen und verabscheuen – und das, obwohl es sich um etwas Sexuelles handelt, wo angeblich heute alles so problemlos ist und keine Tabus mehr da sind!) Mein Ansatz: Wenn etwas nicht in Ordnung ist, dann muß man da ansetzen – und wenn man dabei auf Widerstand stößt und sogar die Lehrerlaubnis entzogen bekommt ohne wirklich plausible Begründungen, dann erst recht! Und es könnte ja sein, daß ich bei dieser Thematik sehr wohl auf der Spur des historischen Jesus wandle...? Wenn ich so denke, wie ich damit bei jungen Leuten recht gut ankomme und gleichzeitig bei den vielen der heutigen „Ältesten“ auf Beton stoße – dann überkommt mich natürlich fürchterlicher Argwohn: Ob das Problem dieser „Ältesten“ vielleicht sogar dasselbe ist wie da vor 2000 Jahren und mehr und sie daher so grantig reagieren auf meinen Ansatz? Wenn sie ein wirklich reines Gewissen hätten, dann würden sie jedenfalls aufgeschlossener und wohlwollender reagieren – schließlich ist mein Ansatz doch gar nicht so schlecht und nun wirklich naheliegend? Doch es gibt auch immer wieder „Älteste“, die mir sehr wohlwollend sind und mich sogar unterstützen. Und ich meine, daß es doch verständlich ist, wenn ich schließlich aus diesem Jesusbild heraus ein Gesamtkonzept entwickle – und mich dabei über manches von unseren heutigen „Ältesten“ so hartnäckig Verteidigte hinwegsetze, selbst wenn es sich um noch so heilige Traditionen handelt? Vielleicht lenken die mit irgendwelchen hohen geistvollen Theorien nur vom Wirklichen ab im Sinn von „Dienst nach Vorschrift“? (Wörterbuch von basisreligion und basisdrama) |