10. Nerven behalten! Cool werden!

Martina: Alles schön und gut, aber wenn du dich in den Richtigen verknallst, dann sind alle guten Vorsätze vorbei. Da kann man gar nichts machen – habe ich gehört. Das ist eben Schicksal...

Beatrix: Wenn uns schon die Natur die Möglichkeit gegeben hat, die Gemeinschaft ohne die berühmten vollendeten Tatsachen zu testen, sollten wir nicht dann auch die Fähigkeit dazu mitbekommen haben?

Martina: Und warum vertun sich da so viele Leute?

Beatrix: Es sieht so aus, als ob das ein Problem unserer Kultur ist – oder überhaupt der Kulturen. Die Menschen scheinen da kollektiv etwas falsch zu machen, also “alle” scheinen da unter einem merkwürdigen gemeinsamen Zwang zu stehen, etwas falsch zu machen. Irgendwie ist da doch der Wurm drin. Da wird zwar von Moral geredet, aber in Wirklichkeit wird an die jungen Menschen immer nur eine Scheinmoral weiter gegeben, etwas, was eben nur nach Moral aussieht, was in Wirklichkeit aber nichts damit zu tun hat. Und diese Scheinmoral hindert uns dann auch daran, hinter die Masken unserer lieben Mitmenschen zu blicken. Dadurch fallen wir dann auch so oft auf die Falschen herein. Es sieht so aus, als ob die Alten absichtlich oder unabsichtlich nicht ruhen, bis sie uns so weit haben, daß wir genauso frustriert sind wie sie selbst.

Martina: Das glaube ich aber nicht, daß da irgend etwas beabsichtigt ist.

Beatrix: Also mal das ganze von der anderen Seite: Hast du schon einmal überlegt, wozu die Sexualscham gut ist, also daß wir etwa auch im Sommer am Strand – wo es doch gar nicht nötig wäre - immer zumindest irgendeine Badebekleidung anhaben müssen?

Martina: Das ist doch einfach so ekelhaft, daß man darüber gar nicht zu reden braucht. Und wer das dann noch anzweifelt, der ist eben nicht normal.

Beatrix: Eben, das meinen viele. Wer hat dir so etwas beigebracht? Gerade die vermeintlich normalen Selbstverständlichkeiten sollte man mal näher unter die Lupe nehmen! Beim näheren Hinsehen entpuppen die sich nämlich in diesem Fall als ein Indiz für eine verheerende Leibfeindlichkeit.

Martina: Und wozu soll das gut sein bitte?

Beatrix: Wir wissen heute, daß das, wobei ein Kind und überhaupt ein junger Mensch Ekel und Scham empfindet, sich in der Pubertät und vor allem, wenn man dann zum ersten Mal in jemanden verknallt ist, total umkehrt: Gerade auf das wird man dann sozusagen scharf und süchtig. Und dabei ist man dann kaum noch zu bremsen.

Martina: Aber es wird doch gesagt, daß die Scham eine natürliche Schutzfunktion ist, daß die Scham geradezu Kennzeichen von Moral ist.

Beatrix: Ich garantiere dir, daß vielmehr das Gegenteil der Fall ist! Die Scham ist geradezu eine Verhöhnung unserer Schutzbedürftigkeit, um die es doch angeblich immer geht. Jedenfalls schafft man wirkliche Moral einfach auf diesem Weg nicht, das hat noch nie funktioniert und das wird auch nie funktionieren. Je mehr irgendwelche Gesellschaften bei ihren Versuchen, Moral durchzusetzen, auf Scham und sonstige Verklemmtheiten setzten, desto schlimmer wurde es schließlich nur.

Martina: Aber wenn man so frei ist, das kann doch erst recht nicht gut gehen? 

Beatrix: Frage doch die Erwachsenen mal, die so reden, wie das bei ihnen selbst war. Wenn die ehrlich sind, dann geben die doch zu, daß das auf diese Weise mit der Moral nämlich auch bei ihnen nie geklappt hat. Es gibt dazu ja noch nicht einmal wissenschaftliche Untersuchungen, wenigstens keine, wenn der Scham eine echte Alternative gegenübergestellt wird. Das ist so wie bei dem bekannten Märchen “Des Kaisers neue Kleider”, alle tun so, als ob sie moralisch sind und sagen, sie würden etwas sehen, aber sie sehen in Wirklichkeit gar nichts. Aber das können sie ja nicht zugeben, irgendwie müssen sie ja moralisch tun, damit gerade du als junger Mensch vor ihnen Achtung hast.

Martina: Wirklich?

Beatrix: Oder sie haben auf diese Weise selbst nicht den richtigen Partner bekommen – und sie träumen insgeheim von einem anderen und machen sich was vor....

Martina: Du bist aber hart...

Beatrix: Wenn einem in den wichtigsten Dingen des Lebens etwas vorgespielt wird, daß man schließlich gar nicht mehr weiß, was man glauben und machen soll, darf man dann nicht hart sein?

Martina: Wenn das stimmt, was du da sagst...

Beatrix: Es kommt eigentlich noch schlimmer. Wenn du nämlich dann einmal deine Enttäuschungen hinter dir hast, kriegst du irgendwann dann doch den Moralischen und du kuscht und siehst ein, daß Du was falsch gemacht hast. Doch daß du diese Fehler der blöden Scham zu verdanken hast, das kannst du natürlich nicht sehen. Und dann glaubst du auch noch, daß diejenigen, die dir mal die Moral gepredigt hatten, doch recht hatten – und dann kuscht du und bist einer von ihnen... Du blickst ja nicht durch, daß die Fehler ja gar nicht bei dir lagen!

Martina: Und wie soll man sich anders verhalten? Soll man deswegen denn immer nackt herumlaufen, das ist doch Blödsinn!

Beatrix: Da redet doch auch keiner davon – das ist doch völliger Unsinn, was du da folgerst. Die Theorie ist die eine Sache und die Praxis die andere. Wenn es auch klar ist, daß die Nacktheit etwas Normales und auch von unserer christlichen Religion Akzeptiertes ist oder wenigstens sein sollte, so ist doch die Umsetzung in die Praxis etwas anderes.

Erstens leben wir hier nicht im warmen Afrika und eine dauernde und allgemeine Nacktheit steht genauso wenig zur Diskussion, wie ja wohl auch nicht zur Diskussion steht, daß wir schon bisher zu unterschiedlichen Anlässen unterschiedliche Kleidung tragen, ob zur Arbeit oder in Oper und Theater, ob in der Kirche oder bei festlichen Anlässen, ob in der Freizeit, beim Sport oder im Bett. Vielleicht ist für manche Menschen Nacktheit auch aus ästhetischen Gründen gar nicht empfehlenswert, das gilt dann aber auch für die “Fastnacktheit” in irgendeinem komischen Bikini etwa am Swimmingpool. Und zweitens dürfen wir auch sogar aus moralischen Gründen oft gar nicht nackt sein, wenn darauf Menschen, die uns dabei sehen können, nicht vorbereitet sind und daher uns mißverstehen.

Martina: Ich habe da sowieso keine Probleme, ich kann doch in unserem Badezimmer sehr gut nackt sein – und zu was soll das gut sein, in aller Öffentlichkeit?

Beatrix: Das ist es ja, erst im Kontakt mit der Öffentlichkeit wird dein Gehirn überhaupt motiviert, deine Umwelt zu “sortieren”, mit wem du nackt sein kannst, auf wen du dich dabei verlassen kannst, wer ein Beschützer oder wer ein Spanner ist. Und du bekommst dabei ein Gefühl von Freiheit und auch ein Gefühl dafür, wer dich in dieser Freiheit unterstützt, bei wem du Mensch sein kannst oder vor wem du dich ängstigst und wer dich also dabei behindert.

Martina: Und das soll helfen?

Beatrix: Du mußt das regelrecht einüben, ja, du mußt geradezu süchtig werden nach der Freiheit und der Nacktheit. Dir muß es einfach verdächtig vorkommen, wenn jemand da seine Schwierigkeiten hat. Angenommen du bist frei und bereit zu geben. Was mag der wohl für Probleme haben, der das verweigert? Und wenn das schlimmere Probleme sind, ist dir klar, daß du die irgendwann dann doch ausbaden mußt, wenn du mit dem etwas “anfängst”? Du mußt dir immer vor Augen halten: Wer in Ordnung ist, hat an einer solchen Freiheit und Offenheit genauso Interesse wie du.

Martina: Aber ich käme mir trotzdem dabei komisch vor.

Beatrix: Überlege doch mal, wer da eigentlich die Schwierigkeiten hat! Wir Mädchen doch nicht – bei uns sieht man doch gar nichts! Die Jungen haben doch viel mehr Schwierigkeiten – und dann ist bei denen auch die Möglichkeit der Erektion, daran kann man ja erkennen, was die denken... Hast du einmal nachgedacht, daß diese Scheiß-Moral, die wir da leben, gar nicht eine weibliche Moral ist, sondern eine männliche? Die Männer brauchen die doch, weil sie sich nicht in ihre Karten sehen lassen wollen! Wir brauchen die doch nicht und haben daher an der doch auch gar kein Interesse – wir werden durch die doch nur so blöd, wie es die blöden Männer haben wollen! Mensch, wann sehen das die blöden Weiber endlich mal ein!

Martina: Aber ist das nicht verständlich, wenn die Jungen da eine Erektion bekommen und sich schämen?

Beatrix: Darüber kann man doch reden! Und wir Mädchen sind doch die letzten, die den Jungen etwas Böses nachsagen, wenn die für etwas nicht können, weil sie es wegen unserer blöden Natur nicht gewöhnt sind!

Martina: Und wenn die nicht reden wollen?

Beatrix: Immer dieselbe Leier, die verbergen etwas, also Finger davon lassen, denn das geht dann immer so weiter...

Martina: Das geht aber alles sowieso nicht, so offen zu sein, was sagen dazu meine Eltern, da hätten die aber sicher was dagegen.

Beatrix: Du meinst das so. Die einzigen, die da wirkliches Interesse haben an einer Moral, die auch so funktioniert, daß dir nichts passiert, sind nämlich deine Eltern. Nur wissen sie´s oft einfach nicht besser. Die sind einerseits sehr oft aus eigener Erfahrung unsicher und dann wird ihnen auch noch die ganze kaputte Scheinmoral von denen eingeredet, die es eigentlich besser wissen müßten, die aber ihre Vorteile davon haben, daß es eben nicht besser wird. Und sie haben sich ja auch nie getraut, die andere Seite auszuprobieren. Frag sie doch einmal, wie die darüber denken.

Martina: Da brauche ich die gar nicht zu fragen, das kann ich dir auch so sagen.

Beatrix: Du wirst dich wundern – du mußt denen das natürlich alles erklären und manchmal auch Zeit lassen. Klar, daß das nicht so schnell geht. Die meinen ja zunächst einmal, das alles sei wieder mal so ein typischer neuer Trick von jungen Leuten, den sie nicht verstehen... Ich sage dir, die machen dir am Ende noch Mut! Eigentlich sollte ja die Familie sogar die Umwelt sein,  in der man das alles einüben kann, in der man die Menschen findet, die einem helfen, hier “normal” zu werden.

Martina: Und wo soll das alles gehen, bitteschön, daß man da nicht am Schluß doch wieder angemacht wird?

Beatrix: Das bleibt deiner Findigkeit und Geschicklichkeit überlassen, wie du es anstellst, etwa Situationen der Nacktheit einzufädeln, in denen du einerseits Rückendeckung durch andere Menschen hast, andererseits ausgiebig und vernünftig die Kameradschaft testen kannst. Mensch, stell´ dich doch nicht so an!

Weiter zu: 11. Was die Mädchen wirklich wollen – Sex oder einfach nur “Nähe” – ein fiktives Gespräch mit Jesus.

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