27. Die große Liebe und die Sklaverei
Martina: Manchmal meine ich, du willst einem die große Liebe so richtig zerreden. Du machst durch dein blödes Nachdenken im Grunde alles kaputt. Ich glaube einfach noch an die richtige große Liebe, bei der man voll und ganz für seinen Partner da ist, wenn man nur an ihn denkt, wenn man alles mit ihm machen möchte und sozusagen die eigene Person vergißt. Beatrix: O je! Und wo ist da bitteschön der Unterschied zur Sklaverei? Martina: Sklaverei ist Zwang. Beatrix: Und deine Art der Liebe ist freiwillig, doch bringt das nur bei kurzfristigen Erlebnissen einen Vorteil. Auf die Dauer wurden das alle Leute, die so gedacht haben, irgendwann leid, weil man sich dabei selbst aufgibt. Von was du redest, ist eine typische Verliebtheit, bei wirklicher Liebe hast du ein völlig anderes Gefühl, da träumst du nicht mehr davon, in den anderen hineinzukriechen, sondern da bist du völlig du selbst. Aber wenn du natürlich in dir selbst leer bist, wofür sollst du dann auch du selbst sein? Martina: Daß kann doch nicht so falsch sein mit den Erfahrungen, schließlich haben die ja andere auch gemacht. Beatrix: Doch der Unterschied zu denen ist, daß die mehr oder weniger in die hineingeschlittert sind, weil sie's nicht besser wußten. Die also waren eher unschuldig. Du aber planst die Erfahrungen ja vorsätzlich. Was du machst, das mag zwar nach Moral aussehen, die ja oft genug nur äußerlich ist, damit sie andere sehen, jedoch von wirklicher Ethik, die das Höhere ist und auf die es ankommt, hast auch du keine Ahnung. Martina: Ach, laß mich in Ruhe. Beatrix: Wie du meinst. Doch wenn du schon unbedingt deine “Erfahrungen" mit deiner Verliebtheit machen willst, dann bedenke wenigstens, bevor du mit dem Intimsein anfängst: Es ist nicht jedermanns Sache, sich mit einem Mädchen ins Bett zu legen, die vorher da einen Typen oder mehrere an sich rangelassen hat, die in seinen Augen Idioten waren. Dir mag ja vielleicht gleichgültig sein, mit wem “er" es alles mal hatte. Doch dein späterer Partner wird dich vielleicht über deine früheren Partner ausquetschen, und dann schließt er von denen auf dich. Oder er wird argwöhnisch werden. Sage mir, mit wem du intim bist, und ich sage dir, wer du bist. Martina: Aber ich will dann ja gar keinen anderen mehr, wenn ich erst mal einen habe... Beatrix: Um das sicher zu sagen, muß man jemanden ja zumindest einigermaßen gut kennen. Vielleicht ist das auch eine interessante Ausgangsbasis, wenn es dir sowieso nicht mehr auf den Intimverkehr ankommt, der immerhin sehr viel ist. Jetzt dürftest du doch erst recht frei sein für Dinge, die “weniger" sind und bei denen man auch nahe beisammen sein muß. Frage dich also, was ihr schon alles miteinander überhaupt gemacht habt. Wie wirklich frei und ungezwungen könnt ihr miteinander umgehen? Was habt ihr in anderen Bereichen gemacht? Hast du dabei dann schon den Spaß gehabt, an den ich dich vorhin erinnert habe - habt ihr das schon alles ausgekostet? Was für Reisen habt ihr miteinander unternommen, was habt ihr euch angesehen, habt ihr irgend etwas von der Welt erobert, war es interessant und spannend, was der andere wollte? War das für den anderen spannend, was man selbst wollte, hat das motiviert, oder hat er nur so aus Sympathie mitgemacht? Probier das doch einmal alles aus. Oder ging es bisher nur um Vorsätze und Pläne? Dir sollte bewußt sein, daß Vorsätze und Versprechungen auch völlig leer sein können, um einen weich zu machen. Es kommt darauf an, ob etwas wirklich gemacht wird - und ob das dem anderen auch gefällt. Es braucht auch gar nicht Böswilligkeit im Spiel zu sein, beide haben ein absolut reines Gewissen und wollen immer zueinander stehen. Also meinen sie, mit dem Sex anfangen zu können. Doch dann merken sie, daß sie sich in ihren Interessen gegenseitig immer nur im Weg stehen und daß sie von daher mit anderen nicht nur besser zurecht kämen, sondern sich sogar gegenseitig fördern könnten. Und dann geht eine Trennung nur mit richtigem Leid und Schmerz. Oder es sind Kinder da und die leiden dann auch drunter. So können sich auch die gutwilligsten Menschen gegenseitig verderben... Und wenn's schon mit dem Sex zu tun haben soll: Hast du die unschuldige Freude an der Nacktheit erlebt - oder kannst du mit der gar nichts anfangen? Fühlst du dich gerade dabei bei deinem Freund sicher? Oder traust du dich am Ende doch nicht so recht zu solch harmlosen Dingen und brauchst dazu erst einmal die Gier nach Befriedigung? Mensch, denk doch nach, du verschenkst vielleicht jetzt Chancen, die nie wiederkommen. Wenn das jetzt schief geht mit deinem Freund und du möchtest mit anderen dann einmal “weniger" machen, woher sollen die dann kommen, die zu so etwas bereit sind, zumal du doch schon “alles" “hinter dir" hast? Hast du einmal darüber nachgedacht, daß beim ersten Verkehr viele Menschen so voller Ängste stecken, daß es allein dadurch oft genug tatsächlich zu einem Fiasko kommt? Dann solltest du auch bedenken, daß ein Freund, der es mit dir ernst meint, sich vielleicht fragen wird, warum du nicht zuerst einmal deine spießige Verklemmtheit abgebaut hast und warum du für den Spaß und die Anti-Streß-Hormone, die damit verbunden sind, nicht offen warst. Statt dessen hast du so einen Animateur gebraucht. Was soll der dann von dir denken? Martina: Du kannst mich nicht erpressen. Beatrix: Eine Information, die das Nachdenken anregt, im eigenen Leben mehr Spaß zu haben und Probleme zu vermeiden, soll eine Erpressung sein? Du verdrehst doch die Wirklichkeit. Martina: So denken doch alle. Beatrix: Ach so. Wenn das ein Grund für dich ist, bitte. Doch es denken sicher gar nicht alle so, ich zum Beispiel nicht. Und wenn die meisten Menschen tatsächlich so denken, dann kann das auch heißen, daß sie auch heute noch “dogmatisch" sind, also irgendwelche Lehren in ihrem Kopf fest programmiert haben, ohne daß sie sich den Luxus leisten, genauer hinzusehen. Solche dogmatischen Lebensregeln sind für viele gewiß, daß sie nie nackt am Strand sein können, selbst dort nicht, wo kein fremder Mensch ist oder wo das üblich ist, und daß sie aber heutzutage vor der Ehe Geschlechtsverkehr für selbstverständlich halten. Martina: Irgendwo scheint es da bei mir auch solche festen Lebensmuster zu geben, da hast du sicher recht. Beatrix: Oder auch die bekannten Mauern in den Köpfen. Hast du einmal überlegt, daß die Mauern, die man gegen andere aufbaut, auch Mauern gegen einen selbst sind? Und die anderen haben doch dieselben Probleme mit ihren Mauern. Martina: Meinst du, daß die Scham auch so eine Mauer ist? Beatrix: Was denn sonst? Martina: Na ja, wenn alle die nicht mehr hätten, würde sich da auch niemand mehr kümmern. Beatrix: Auf jeden Fall kann's aber nicht schaden, wenn du schon einmal damit anfängst, sinnlose Mauern in deinem Kopf niederzureißen und überlegst, wie du es einrichten kannst, wenigstens ab und zu einmal zu den Verhaltensweisen zurückzukehren, unter denen wir Menschen entstanden sind. Vermutlich müssen wir im Seelischen sogar erst einmal einen Umweg über diese Horizonte machen, wie sie die Natur nun einmal für uns gedacht hat, und von dort dann vor allem die näheren Beziehungen aufbauen. Dabei wirst du dann ganz zwangsläufig die neuen-alten Maßstäbe für Sympathie und Menschenkenntnis immer mehr verfeinern, von denen wir schon vorhin geredet haben: Diejenigen Menschen sind in Ordnung, wo das geht, zumindest denken die schon einmal nach und bemühen sich, auch “natürlich" und “normal" zu sein, die anderen sind - zumindest für den näheren Kontakt - mit Vorsicht zu genießen. Was mögen die zu verbergen haben? Martina: Aber es gibt doch sicher auch welche, die machen das mit der Nacktheit einfach, weil sie superversaut sind und sich um gar nichts mehr scheren oder weil sie Spanner sind. Beatrix: Ach, daher weht der Wind. Womöglich unterstellst du mir das die ganze Zeit. Was bildest du dir eigentlich auf deine angewachsenen Fettgewebe ein? Und selbst wenn es stimmt, was du da in deinem Kopf hast, spricht das nur für deine Kleinlichkeit. Du solltest lieber einmal das Ganze aus der Sicht sehen, wem womit geschadet wird. Ja, wem schaden die Spanner denn überhaupt? Martina: Es geht ja nicht nur um die Spanner, sondern auch etwa um die Exhibitionisten. Da habe ich mich doch neulich bei so einem Typen unheimlich erschrocken. Da weiß man ja nie, was hinter denen steckt, was die machen, das geht doch gar nicht, das ist doch völlig in Ordnung, wenn so etwas bestraft wird. Beatrix: Und von wem - bitteschön? Stell dir einmal vor, der Alexander von vorhin wird später Richter und dann bestraft der, der wirklich Scherben hinterlassen hat, vielleicht so einen Spanner oder einen Exhibitionisten, also Leute, die nie jemandem etwas getan und die auch überhaupt keinen Schaden verursacht haben. Hast du eigentlich einmal überlegt, woher du das hast, daß du dich vor so einem armseligen Exhibitionisten überhaupt erschreckst? Martina: Vielleicht sogar von schlimmeren Leuten, du hast ja recht. Beatrix: Nach dem Motto: Haltet den Dieb! Martina: Und so ein Alexander-Typ, der eine ganz bewußt kaputte Einstellung zu Frauen und Mädchen hat, der läuft ganz sicher nicht als Spanner oder als Exhibitionist herum. Den kann man mit diesen Klischees sowieso nicht erkennen. Beatrix: Gönn denen also doch mal was. Oder hast du Angst, nicht schön genug zu sein? Immerhin könntest du ja so herauskriegen, wie sich einer verhält und ob er nun wirklich versaut ist, ohne daß etwas passiert. Natürlich mußt du auch wissen wie und reden können. Martina: So schlau ist aber nicht jeder. Beatrix: Doch das Pfiffigste kommt erst hinterher! Du hast das Gesetz des Handelns voll in der Hand, du bist einer von den dreißigen, die da bewußt handeln. Und hinterher brauchst du nichts zu verstecken, du brauchst dich mit nichts, was Grund hätte, zu schämen und deine Erfahrungen zu rechtfertigen, daß du mal dumm warst und einen Idioten an dich herangelassen hast, du kannst völlig unbefangen mit dem nächsten Partner dasselbe anfangen und so Leute kennenlernen - und nicht nur, wie sie aussehen und wie sie sich anfühlen, sondern was sie sonst noch in ihrem Kopf haben. Und du wirst merken, wie wichtig das ist, und wie jeder anders ist. Was glaubst du, wie schnell es dir da bei manchen langweilig wird, obwohl die am Anfang so interessant schienen. Und wie happy du dann bist, daß da nichts gelaufen ist und du bei jedem anderen komplett neu anfangen kannst! Stell dir vor, da hast du einen Freund, der aus seinen Möglichkeiten überhaupt nichts macht! Martina: Wenn ich so an eine Freundin denke, die da mit einem Typen herumhängt, der noch nicht einmal Lust zu arbeiten hat und der sich von “ihr" auch noch finanzieren läßt. Beatrix: Ist für die Männer doch auch bequem, eine Dauermöglichkeit zur Befriedigung zu haben und dabei auch noch versorgt zu werden. Da fehlt doch jeder Anreiz für die, ihr Schicksal in die Hand zu nehmen und etwas zu tun. Da sind selbst die Spätzinnen schlauer. Die suchen sich als Partner einen, der wenigstens eine vernünftige Nistgelegenheit vorweisen kann. Du mußt einmal genau hinhören, wie Mädchen, die bei einem solchen Typen hängengeblieben sind, ihn loben, wie süß und sexy der sei. Auf deutsch heißt das, daß da sonst nichts ist. Man muß sich halt immer wieder Mut machen. Martina: Aber tut nicht auch das Ende so einer Beziehung weh, in der “nichts" gelaufen ist? Beatrix: Ich finde es toll, daß du auch daran denkst. Ja, da hast du sicher recht. Daher sollte man auch da gewiß nicht sinnlos spielen und sich so verhalten, daß der andere versteht, warum man sich abwendet. Martina: Vielleicht sollte man es so machen, daß eine Freundschaft auf jeden Fall bleibt? Irgendwo hat man sich ja vertraut und das Vertrauen wurde ja auch von keinem ausgenutzt.
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