RETORTENBABY - EMBRYOTRANSFER (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

RETORTENBABY oder EMBRYOTRANSFER meint das Übertragen des außerhalb des Körpers entstandenen Embryos (Retortenbaby) und Einnisten in die Gebärmutter der Frau nach entsprechender Behandlung; angewendet bei Sterilität durch Eileiterverschluss. In der Tierzucht ist es das Ausspülen der im Muttertier entstandenen Embryonen aus dem Genitaltrakt und das Übertragen auf Ammentiere, um viele Nachkommen von wertvollen Zuchttieren zu gewinnen (aus Brockhaus-Lexikon).

Zunächst einmal: Wir sind schon eine merkwürdige Gesellschaft heute. Auf der einen Seite verhindern wir Empfängnis mit allen möglichen und unmöglichen Mitteln (siehe Verhütungsmittel), auf der anderen Seite scheuen viele Menschen weder Kosten noch Mühen - es sollen 70 Millionen Paare sein, siehe in dem Artikel unten - , durch Befruchtung im Reagenzglas usw. doch noch ein Baby zu bekommen. Ist uns eigentlich bewußt, daß das alles Verstöße gegen die Natur sind? Irgendwie wird die Natur sich wohl etwas dabei gedacht haben, wenn sie auf der einen Seite Sexualität und Fruchtbarkeit gekoppelt hat und auf der anderen Seite bisweilen eben doch nicht will, daß Sexualität auch Fruchtbarkeit bringt. Ob solche Versuche der Vergewaltigung der Natur nicht sicheres Kennzeichen von Dekadenz sind (man verzeihe mir die mangelnde Political Correctness, wenn ich hier jemanden zu nahe treten sollte)? Ob bei einem Lebenskonzept echter Partnerschaft von Mann und Frau sich nicht alles das erübrigen würde, weil Menschen dann Kinder bekommen oder eben nicht bekommen können, wie die Natur (oder auch Gott) es eben fügt?

Wir sollten uns auch bewußt machen, mit welchem Aufwand es verbunden ist, einerseits zu den weiblichen Eizellen für die Befruchtung im Reagenzglas (also mittels chirurgischer Eingriffe) und andererseits zu den männlichen Samen zu kommen (siehe Samenspende und Selbstbefriedigung)

"Die Tagespost", eine konservative katholische Zeitung, brachte am 17. 09. 2002 folgenden Beitrag:

Inhuman, ineffizient und kostspielig

Wer Gott und der Natur ins Handwerk pfuscht, wird die Geister, die er dabei weckt, nicht mehr los. Nirgendwo lässt sich dies gegenwärtig so genau beobachten wie auf dem Feld der modernen Reproduktionsmedizin. Die Historie der künstlichen Befruchtung, die unfruchtbaren Paaren Kindersegen verspricht, ist eine Geschichte voller technischer Pannen und humaner Katastrophen.

Ein Vierteljahrhundert ist vergangen, seit einer künstlichen Befruchtung Erfolg auf der ganzen Linie beschieden war. Obwohl die ersten Versuche, menschliche Eizellen mit menschlichen Samenzellen zu befruchten, bis in das Jahr 1944 zurückreichen, wurde das erste Retortenbaby erst 1978 in London geboren. Seitdem haben über eine Million künstlich erzeugter Menschen das Licht der Welt erblickt. Was auf den ersten Blick viel erscheint, stellt sich bei näherer Betrachtung ganz anders dar. Denn im gleichen Zeitraum wandten sich rund 70 Millionen Paare an Reproduktionsmediziner mit dem Wunsch nach einem eigenen Kind. Bereits das zeigt: Trotz jahrzehntelanger Forschung stellt die künstliche Befruchtung bei nüchterner Betrachtung – von ihrer moralischen Verwerflichkeit einmal abgesehen – immer noch kein geeignetes Verfahren dar, mit dem unfruchtbaren Paaren zu Kindern verholfen werden kann. So liegt die Erfolgsrate verschiedener Methoden künstlicher Befruchtungen statistisch betrachtet bei rund 10 Prozent, was im reproduktionstechnischen Alltag zu einem immens hohen Verbrauch menschlicher Embryonen führt. Damit aber nicht genug. Sämtliche Versuche, die extreme Ineffizienz des technischen Verfahrens zu verringern, gebären eine ganze Reihe weiterer Schwierigkeiten. Eines der gravierendsten ist das der so genannten Mehrlingsschwangerschaften, die erhebliche gesundheitliche Risiken sowohl für Kinder als auch für die Mutter bergen.

Durch die Pipette erzeugt

Der Grund: Um die Chancen auf eine erfolgreiche künstliche Befruchtung zu erhöhen – die Verfahren sind nicht nur kostspielig, sondern für die Frau, welche sich zuvor einer mehrwöchigen Hormonbehandlung und einer Operation zur Eizellentnahme unterziehen muss, auch überaus strapaziös – transferieren die Reproduktionsmediziner meist drei oder noch mehr Embryonen aus dem Reagenzglas in die Gebärmutter. Obwohl dies in der Mehrzahl der Fälle nicht zum gewünschten Ergebnis führt und sich keine der künstlich befruchteten Eizellen dauerhaft im Uterus einnistet, ist auch ein „Zuviel an Erfolg“ keine Seltenheit. Statistisch betrachtet führt in Europa jede vierte künstliche Befruchtung zu Zwillingen, jede fünfzigste sogar zu Drillingen. In den Vereinigten Staaten von Amerika, wo Reproduktionsmediziner in einigen Bundesstaaten bis zu zehn Embryonen gleichzeitig auf die Frau übertragen dürfen, führen sogar 39 Prozent der Schwangerschaften nach künstlicher Befruchtung zu Mehrlingen. In Deutschland, wo inzwischen etwa jedes 80. Kind durch die Pipette erzeugt wird, erblicken trotz sinkender Geburtenraten heute rund 9000 mehr Zwillinge und Drillinge das Licht der Welt als im Jahr 1982, in dem das erste auf deutschem Boden erzeugte Retortenbaby geboren wurde. Zwischen 1980 und 1999 nahmen die Geburten von Drillingen um über 500 Prozent zu.

Technische Zuchtauswahl

Dabei liegt die statistische Wahrscheinlichkeit, auf natürlichem Zeugungswege zu Zwillingen zu kommen, bei 1,2 Prozent. Was durchaus Sinn macht. Denn da der weibliche Organismus nicht darauf ausgelegt ist, mehreren Kindern gleichzeitig statt hintereinander Lebens- und Entwicklungsraum zu bieten, sind Mehrlingsschwangerschaften per se immer auch zugleich so genannte Risikoschwangerschaften. Statistisch betrachtet, weisen Mütter mit Mehrlingsschwangerschaften eine dreimal so hohe Sterblichkeit auf wie Frauen, die ein einzelnes Kind zur Welt bringen.

Die Kindersterblichkeit von Mehrlingen liegt – vor allem aufgrund häufiger Frühgeburten, die meist Folge der Überlastung des weiblichen Organismus sind – um bis zu 20 Prozent höher als bei Kindern ohne gleichaltrige Geschwister. Aber selbst bei ausgereiften Mehrlingen beträgt die Sterblichkeit noch immer fünf Prozent. Im Durchschnitt kommen Zwillinge fünf Wochen, Drillinge oft acht Wochen zu früh zur Welt. Wiegen sie weniger als 1500 Gramm, dann müssen sie viele Wochen lang, getrennt von der Mutter, von Schläuchen ernährt und von Sonden überwacht, im Brutkasten verbringen. Nicht wenige tragen geistige Behinderungen, körperliche Lähmungen, Seh- oder Hörschäden davon.

Ausschließen lassen sich Mehrlingsschwangerschaften bei der künstlichen Befruchtung freilich nur dann, wenn statt drei oder mehr Embryonen nur eine befruchtete Eizelle auf die Mutter übertragen würde. Weil aber die Reproduktionsmediziner dann noch geringere Erfolgsquoten befürchten, setzen sie ganz auf Selektion. Und zwar sowohl vor als auch nach der Implantation. Schon nach den ersten Zellteilungen verrät ein Blick durch das Mikroskop dem Kenner, welche Embryonen die besten Überlebenschancen besitzen. Je höher die Zellzahl, je symmetrischer die Anordnung und je besser die Zellmasse sichtbar ist, desto größer sind die Aussichten auf Erfolg. Mit der Präimplantationsdiagnostik (PID), bei welcher der Embryo vor der Übertragung in den Uterus der Mutter einem Gen-Check unterzogen wird und die inzwischen in zehn Staaten praktiziert wird, lassen sich die Selektionsmöglichkeiten noch erheblich erweitern. Obwohl die Mehrzahl der Befürworter der in Deutschland noch verbotenen PID – sowohl SPD als auch FDP sind fest entschlossen, sie in der kommenden Legislaturperiode auch hierzulande zuzulassen – argumentieren, als Nutznießer der PID kämen pro Jahre weniger als hundert Paare in Frage, die andernfalls Gefahr liefen, schwere Erbkrankheiten auf ihre Kinder zu übertragen, geben einige inzwischen offen zu, mittels der PID auch nach gewünschten Merkmalen Ausschau halten zu wollen. In einem Gutachten für das Bundesgesundheitsministerium warnte Manfred Stauber von der Uniklinik München schon vor sechs Jahren davor, dass mit der PID die Produktion „möglichst perfekt gesunder Kinder“ Wirklichkeit werden können. Zuchtauswahl mit Hilfe der Technik: „Den Trend kann keiner stoppen – das Designer-Baby kommt“, ist sich Thomas Katzorke, der in Essen eine der größten privaten Reproduktionskliniken in Deutschland betreibt, sicher. Doch so zwangsläufig ist das keineswegs. Laut einer Allensbach-Umfrage, welche die Meinungsforscher im Auftrag des Wissenschaftsmagazins „Geo Wissen“ durch geführt haben, hat sich die Begeisterung der Deutschen für das Möglichkeiten-Arsenal der Reproduktionsmediziner spürbar abgekühlt. Während vor zwei Jahren noch 57 Prozent in der künstlichen Befruchtung eine „gute“ Möglichkeit der Zeugung sahen, sind es laut der gestern veröffentlichten Studie nur noch 50 Prozent.

Wundern braucht das freilich nicht. Denn mit der Verbreitung der Technik wächst auch zugleich die Zahl der desillusionierten Menschen. Denn kaum ein Paar, das sich auf eine künstliche Befruchtung einlässt, besitzt auch nur eine annähernd realistische Vorstellung von dem, was auf es zukommt. Angefangen bei der Samenabgabe des Mannes, der zu diesem Zweck in einen Masturbationsraum gebeten wird, über die Hormonbehandlung der Frau und die Entnahme der reifen Eizelle bis hin zur Implantation und dem Erwachen aus der Narkose in vollbesetzten Aufwachräumen, die nicht selten den Charme einer Legehennenfabrik besitzen, verletzt jeder Verfahrensschritt die menschliche Würde. Bleibt der gewünschte Erfolg bei dem rund 5000 Euro kostenden Versuch (die ersten vier werden von den allermeisten Kassen bezahlt) aus, fühlen sich viele Paare erst recht gedemütigt. Klappt es „zu gut“, und wird die Frau mit Mehrlingen schwanger, zeigt sich die künstliche Befruchtung von ihrer schwärzesten Seite. Viele der Mediziner, die eben noch alles unternommen haben, um den Eltern zu einem Kind zu verhelfen, bieten ihnen dann den selektiven Fetozid an. Dabei durchsticht der Arzt die Bauchdecke der Mutter mit einer langen Nadel und sucht unter Ultraschallansicht eines der schlagenden Herzen. Dann senkt sich die Nadel und spritzt eine Kaliumchloridlösung in das winzige Herz hinein, das bald darauf zu schlagen aufhört. Die auf diese Weise getöteten Kinder, die dem verbliebenen ein gefahrloses Heranreifen ermöglichen sollen, werden vom Körper der Frau absorbiert. Wie viele Kinder jedes Jahr durch Fetozid getötet werden, weiß niemand. Vorsichtige Schätzungen gehen von einhundertfünfzig Fällen pro Jahr aus. Eine psychologische Betreuung der Mütter ist nicht vorgesehen. Wer sich für eine künstliche Befruchtung entscheidet, welche von der katholischen Kirche als moralisch unannehmbar qualifiziert wird (vgl. z.B. Katechismus der Katholischen Kirche 2376 – 2378), muss hart sein, eisenhart.

Anmerkung: Die PID, also Präimplantationsdiagnostik, nutzt die Offenheit des "Zellknäuels" in einem frühen Stadion, das einmal ein Embryo werden soll, zu unterschiedlicher Entwicklung, u.a. zu eineiigen Zwillingen. So kann man etwa auch aus diesem "Zellknäuel" eine Zelle ohne Schaden für den "Rest" wegnehmen und auf (Erb-)Krankheiten untersuchen. Sinnvoll wäre das ja vor einer Einpflanzung in den Uterus, um ein erbkrankes Kind auszuschließen - doch siehe oben!

In der WELT vom 19.11.2002 (oder 9.11.2002, leider ist mein Zeitungsausschnitt etwas unleserlich...) findet sich unter der Überschrift "Retortenbaby mit Risiko" eine Notiz: "Eine künstliche Befruchtung birgt offenbar mehr Risiken als bislang gedacht: Retortenbabys entwickeln nämlich sechs mal häufiger das Beckwith-Wiedemann-Syndrom (BWS), berichten Forscher vom Johns-Hopkins-Krankenhaus in Baltimore. Beim BWS-Syndrom kommt es zum übermäßigen Wachstum einzelner Organe. Die Folge sind Missbildungen. Bisher hatten Experten stets betont, das Risiko von Entwicklungsstörungen sei nicht höher als bei der natürlichen Befruchtung."

Und in der WELT vom 16.12.2003 ist ein weiterer Beitrag:

Mehr Missbildungen nach künstlicher Befruchtung

Wie sicher ist die boomende ICSI-Methode der Reproduktionsmedizin?

Stichprobe ergab: Aufklärung in der Arztpraxis ist mangelhaft

Berlin - Jährlich kommen in Deutschland etwa 12 000 Kinder mit Hilfe  reproduktionsmedizinischer Maßnahmen zur Welt. Dafür nehmen Paare aber  nicht nur erhebliche finanzielle und körperliche Strapazen in Kauf. Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass sie auch noch mit  einem höheren gesundheitlichen Risiko ihrer "Retortenkinder" rechnen müssen.

"Schon bei einer normalen Schwangerschaft beträgt das Basisrisiko, dass das Kind an einer nicht vorhersehbaren Krankheit leidet, drei bis fünf Prozent. Je nach Studie geht man bei der Befruchtung außerhalb des Mutterleibs inzwischen von einem anderthalb bis zweifach erhöhten Basisrisiko aus", erläutert Professor Thomas Haaf vom Institut für Humangenetik der Universität Mainz. Es mehren sich die Anzeichen, dass die Methode der künstlichen Befruchtung als solche ein besonderes Risiko darstellt.

Den kompletten Artikel können Sie unter http://www.welt.de/data/2003/12/16/211519.html abrufen.

 

(Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)