DEVADASI (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

DEVADASI. D. sind Kultdirnen in Indien. Ich verweise auf die Fotoausstellung, die im Frühjahr 2011 im Rheinischen Landesmuseum in Bonn stattfindet, initiiert von der Andheri-Hilfe.

Als Göttin verehrt - als Frau missbraucht (ich zitiere hier aus dieser Website)

Mathammas werden sie genannt, Devadasis, Joginis oder Basivinis - je nach Region. Eines ist ihnen allen gemein. Sie wurden als Kinder einer Göttin geweiht und müssen seit ihrer Pubertät höherkastigen Männern sexuell zur Verfügung stehen. Die Weihe eines Mädchens - einst gedacht, um besonders in Notsituationen die Gnade der Götter zu erflehen - haben die Menschen zu einem unheilvollen Brauch entwickelt. Wer sich nicht wehren kann, das sind die Mädchen, die späteren Mathammas und dann wieder ihre Kinder. „Kinder der Götter“ werden diese genannt, kann doch keiner sagen, wer der leibliche Vater ist. Diese „Kinder der Götter“ werden aufs Bitterste verachtet, bespuckt, geschlagen - niemand will sie in seiner Nähe sehen. Und genauso ihre Mütter: Sie stehen dem Volksglauben nach der Göttin besonders nahe, „vertreten“ sie bei religiösen Festen und Zeremonien. Doch das hält niemanden im Dorf davon ab, diese Frauen auszugrenzen, zu diskriminieren. Offiziell ist das Mathamma System von der indischen Regierung schon lange verboten, dennoch wird es weiterhin praktiziert.

Unsere Partnerorganisationen DUTIES & SNEHA

Im Kampf gegen die Tempelprostitution geht es einerseits darum zu verhindern, dass neue Mädchen zu „Mathammas“ geweiht werden und andererseits um Rehabilitationsmöglichkeiten für die Tempelprostituierten.
Bereits seit 1997 ist unsere Partnerorganisation DUTIES in Andhra Pradesh im Kampf gegen die missverstandene Tradition der Tempelprostitution tätig. Mittlerweile werden in 100 Dörfern keine Mädchen mehr der Göttin geweiht. Auf Grund dieses Erfolges wurde das Projekt auf 550 Dörfer ausgedehnt.
Seit 1999 arbeiten die Mitarbeiter unseres Partners SNEHA in der Region Bellary im Bundesstaat Karnataka. Auch SNEHA engagiert sich dafür, die Tradition der Tempelprostitution gänzlich aus ihren 80 Projektdörfern zu verbannen und den heutigen Devadasis ein Leben in Würde zu ermöglichen.
Aktiv gegen das Mathamma System Ein ganz wichtiger Ansatz ist die Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung: Niemand hat das Recht - und schon gar nicht im Namen einer Göttin - das Leben von jungen Mädchen und Frauen durch die Tempelprostitution zu zerstören. In den Dorfräten wird die Problematik zur Sprache gebracht, ganze Dörfer werden mit der Hilfe von Straßentheater zum Thema Tempelprostitution sensibilisiert.
Darüber hinaus finden viele Kampagnen statt, bei denen es um die Rechte der Tempelprostituierten und ihrer Kinder geht. Durch die Einbeziehung der Presse soll die Regierung dazu aufgefordert werden, Verantwortung zu übernehmen und sich für die Einhaltung der Gesetze sowie die Realisierung der Hilfsprogramme einzusetzen. Zudem schließen sich die Frauen in Selbsthilfeorganisationen zusammen. Sie erhalten eine Vielzahl von Lehrgängen zu den Themen Gesundheit, Ernährung und HIV/AIDS. Bei Bedarf erhalten sie Rechtsberatungen. Um den Tempelprostituierten alternative Einkommensmöglichkeiten anzubieten wird innerhalb der Selbsthilfegruppen gespart, so dass bei Bedarf Kleinkredite an die Frauen und ihre Familien vergeben werden können. Schulkinder erhalten Unterstützung für den Erwerb von Schulbüchern und -kleidung.

Sichtbare Erfolge

Die jahrelange harte Arbeit hat Früchte getragen: Dorfgemeinschaften entscheiden sich gegen die missbrauchte Tradition. Für die Frauen, die früher in diesem „Gewerbe“ arbeiteten, konnten wir Alternativen schaffen: Sie haben kleine Läden eröffnet, eine Ausbildung zur Näherin gemacht o.ä. Von der Regierung erhielten sie Unterstützung für einfache Häuser. Die Frauen haben sich  in Gruppen zusammen geschlossen und suchen gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten für ihre Situation. Eine ganze Reihe dieser „Mathammas“ konnte inzwischen heiraten und eine eigene Familie gründen konnten - eine Revolution! Doch noch immer ist in vielen anderen Regionen das Mathamma System lebendig.
Bibi S. Ollig

Dazu aus einem Faltblatt der Andheri-Hilfe: "Auf 7.000 - 25.000 schätzt man heute noch - allein im Bundesstaat Andhra Pradesh - die Zahl der Tempelprostituierten. Um die Götter, etwa die Göttin Mathamma, bei Schicksalsschlägen gnädig zu stimmen, weihen die Eltern ein kleines Mädchen. Diese `Mathammas´ lernen tanzen und müssen ab der Pubertät den Tempelpriestern, den Dorfältesten und vielen anderen Männern sexuell zur Verfügung stehen."

Hinter der Eva aus den Urerzählungen der Bibel verbirgt sich aus religionshistorischer Sicht vermutlich so eine "Devadasi". Siehe auch Adam und Eva.

Und hier ein Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 22.05.1989 zur kultischen Prostitution in Indien:

Im Tempel geweiht, dann in die Bordelle von Kalkutta

Devadasi-System in Indien: Nonnen, Tänzerinnen, Dirnen / Blütezeit im zwölften Jahrhundert / Von Erhard Haubold

Leider darf ich den Artikel hier aus urheberrechtlichen Gründen nicht bringen. So ist das nun einmal: Ein Artikel erscheint einmal in einer Tageszeitung und wird nur eher zufällig gelesen. Doch in einem systematischen Konzept, wo er nun wirklich sinnvoll wäre und auch von denen gelesen würde, die das besondere Interesse haben, hat er nichts zu suchen oder nur zu saftigen Tantiemen... Wenn Sie ihn dennoch haben wollen, wenden Sie sich bitte per Mail an uns. Die e-Mail-Adresse siehe unter KONTAKT! Wir helfen Ihnen kostenlos weiter!

Hier kurz der Inhalt:

Am Beispiel des sechsjährigen Mädchens Ganga beschreibt E. Haubold die Devadasi-Weihe in einigen Gegenden im heutigen Indien. Es ist ein großes Fest und ein feierlicher Initiationsritus für die Göttin Yellama. Doch um was es wirklich geht, weiß das Mädchen nicht: Sie wird einmal Prostituierte für die Gottheit. In der Praxis sieht das so aus, daß sie beim Eintritt in die Pubertät vom Großgrundbesitzer entjungfert wird, der dafür dem Tempelpriester (in dessen Vertretung er das tut) umgerechnet etwa 60 bis 600 Mark gibt und dem Vater etwa 50. Und das ist der Anfang einer Prostituiertenkarriere: "Obwohl dies in einigen Unionsstaaten schon seit der Unabhängigkeit Indiens verboten ist, werden auch im Jahr 1989 etwa 5000 bis 10 000 junge Mädchen im Alter von neun bis fünfzehn Jahren der Göttin Yellamma „gewidmet" ‑ fünfzehn Prozent der Prostituierten auf dem Subkontinent sind Devadasi, in den Grenzbezirken der Staaten Maharashtra und Karnataka sind es sogar 90 Prozent."

Die Priester wissen um das Schicksal der jungen Mädchen. Doch ihre Ausrede: „Wir müssen unseren Lebensunterhalt verdienen, wir sind dazu da, religiöse Riten zu vollziehen, und dazu gehört die Devadasi­Weihe."

Für eine derartige Devadasi-Karriere kommen heute natürlich nur die Töchter der Angehörigen der untersten Kasten infrage (siehe Kastenwesen): Die "Eltern sind bitterarme Bauern, oft ohne eigenes Land, beim Grundbesitzer verschuldet ‑ abergläubische Analphabeten, für die jeder Tag ein Kampf um ein wenig Essen ist. In einer solcher Gesellschaft entscheiden die Wohlhabenden, wie die Religion interpretiert werden soll, holen sich die Großbauern mit wirtschaftlicher Macht (die über Leben und Tod der Armen entscheidet) die schönsten und jüngsten Mädchen ins Bett, könnte es eine Verschwörung zwischen der Feudalklasse und den Priestern mit dem Ziel geben, üble sexuelle Praktiken mit dem Mäntelchen des Religiösen zu versehen, wie indische Sozialarbeiter vermuten?"

Und welche ihrer Töchter suchen die Eltern aus?

"Verfilzte Haare (die sich durch Vernachlässigung auch erzeugen lassen), das Ausbleiben männlichen Nachwuchses, schwere Krankheiten in der Familie wie Lepra und Pocken ‑ das alles genügt, um ein Mädchen mit der Göttin zu verheiraten. Eine fünfte Tochter ist vielen ein schlechtes Omen, auch sie wird `geweiht'. Gerade Harijans, - `Kinder Gottes', wie sie Mahatma Gandhi genannt hat ‑ ohne Sohn sind an der Tempel-Initiation interessiert. So verhindern sie, daß die Tochter heiratet und der kleine Grundbesitz von der Verwandtschaft väterlicherseits geerbt wird. Für viele aber, vor allem in den vergangenen Jahren, ist die Devadasi‑Zeremonie der beste Weg, um eine von vielen Töchtern in die Prostitution zu schicken. `Die Jungen in die Schule, ein Mädchen ins Bordell', sagen  Sozialarbeiter."

Nach Haubold vermuten manche Fachleute, "daß das System den Unberührbaren von den höheren Kasten aufgezwungen worden ist, um gut aussehende Frauen als Mätressen zu bekommen, bei den Harijans auch nicht den geringsten Selbstrespekt aufkommen zu lassen, sie auf ewig zu unterdrücken". Die Ärzte von der `Indian Health-Organization' sagen,  daß Großbauern und Priester eine Form von Symbiose entwickelt hätten, die für sexuelle Freuden der Reichen sorgt und gleichzeitig das revolutionäre Potential der Tagelöhner `mit dem Skalpell religiösen Glaubens amputiert'."

Eine andere Erklärung ist die, wie sie etwa in der Dissertation von Amrit Srinivasar zu finden ist: "Danach hat das Devadasi-System über mehrere Jahrhunderte eine Degeneration durchlaufen ‑ von der wahren  Dienerin Gottes zur Dienerin der weltlichen Macht, des Kaisers oder des Königs; von der Konkubine der Priester zur Konkubine `honoriger' " Bürger wie  Großbauern, Kaufleute oder Ärzte; schließlich die Endstation im Bordell."

Eine andere besondere Kaste ist die der Kastraten, der Hijras.

Anmerkungen von basisreligion:

Bei alledem sehen wir eben nur die Wirklichkeit der Tempelprostitution. "So läuft das eben..." Wenn wir die kultische Prostitution in Indien mit der kultischen Prostitution in anderen Ländern vergleichen, so scheint sie nicht also solche ein Verfall zu sein, denn sie ist typisch für polytheistische Naturreligionen (siehe Vielgötterei), selbst wenn sie wie der Hinduismus in Indien oder der Shintoismus in Japan noch so zivilisiert sind. Nach Meinung von Poytheisten mag lediglich ihre heutige Erscheinung „verfallen“ sein – und zwar wegen der Armut der Menschen und wegen des großen Unterschieds zwischen Arm und Reich, doch aus christlich-jüdischer (und menschlicher) Sicht ist das alles der reine Horror! Schauen Sie sich einmal die Skulpturen an indischen Tempeln an, was da in der "Blütezeit" wohl los gewesen sein mochte: Einzelpaar am Sonnentempel in Konarak, Außenansicht einiger Tempel in Kajuraho, Ausschnitt mit einem Tier an einem Tempel in Kajuraho, "heilige Akrobatik" an einem Tempel, Gesamtaufnahme...


(Wörterbuch von basisreligion und basisdrama)