NESTWÄRME darf nicht verwechselt werden mit “Affenliebe” oder “Hotel Mama”, denn diese beiden Worte kennzeichnen eine eher negative Beziehung zwischen Eltern und Kindern, die auf Abhängigkeit, Unmündigkeit und Ausnutzung hinweist und nicht auf Freiheit, Selbständigkeit und Emanzipation, was eigentlich gefragt wäre. Rechte Nestwärme gibt dem jungen Menschen Rückhalt und Selbstwertgefühl, macht ihm Mut, hilft ihm, seine Fähigkeiten, die in ihm schlummern, zu entdecken, und fördert diese. Das alles ist leichter gesagt als getan. Typisch “menschliche Nestwärme” hat nämlich vermutlich nicht nur etwas mit der Art und Weise zu tun, wie Tiere mit ihren Jungen umgehen, also mit “körperlicher Wärme und Nähe zwischen Eltern und Jungen”. Das alles ist richtig und muß gewiß auch sein, doch Kennzeichen wirklich menschlicher Nestwärme ist das Bewußtsein, daß der Mensch darauf ausgerichtet ist, die Welt mit seinen intellektuellen Fähigkeiten und auch mit ethischem Niveau zu erobern und die Sorge, daß er die Basis hierfür erhält. Das heißt nun keineswegs, daß der junge Mensch pausenlos mit allen solchen “hochgestochenen” Themen traktiert werden muß, denn das würde irgendwann auch nur Protest auslösen, aber der junge Mensch darf eben auch nicht davon weggedrängt werden. In der Praxis ist es nun nicht damit getan, dem jungen Menschen gegenüber immer wieder zu beteuern, wie toll, wie selbstbewußt, wie mutig er sei, egal, was für einen Blödsinn er macht, und ihm eine heile Umwelt zu bieten. Die wahre Erziehung zu Selbstbewußtsein heißt vielmehr, dem jungen Menschen zu denjenigen Informationen zu verhelfen, ihm diejenigen Strategien beizubringen, ihm die wirklichen Fallgruben aufzuzeigen, damit sein Horizont erweitert wird und seine Lebenschancen verbessert werden. Dazu gehört aber auch, daß ihm gegenüber die harmlosen Dinge wirklich als harmlos dargestellt werden (und das so konkret, daß er´s auch wirklich glaubt!), damit ihn nicht unnötige Ängste bremsen. Die Familie sollte dabei gerade der Ort sein, wo es solche Ängste auch gar nicht zu geben braucht, hier muß einfach sicher sein, daß dem jungen Menschen “nichts passiert”, egal wie nähe- und wärmebedürftig der junge Mensch da ist... Konkret: Die Familie als der Ort der Zuverlässigkeit und der Berechenbarkeit. Das “Nest” des jungen Menschen muß einfach der Ort sein, wo er ganz sicher sein kann, daß er nicht belogen wird (hier gibt es auch nicht die üblichen kulturbedingten Lügen), hier bemüht man sich sogar auf ihn persönlich abgestimmt, daß er die Lügen, denen gerade junge Menschen sonst so ausgesetzt sind, durchschaut, hier wird ihm beigebracht, was wirkliche Moral ist und zu dauernder Moral verhilft, weil es auch noch Spaß macht und intelligent ist, und was nur so gerade nach Moral aussieht. Ist es nicht ein Armutszeugnis, wenn wir glauben, wir müßten Kindern etwas Unwahres (ob von Adam und Eva, vom Nikolaus, vom Christkind, aber auch von den Wundern, vom Leben nach dem Tod und überhaupt von all den üblichen religiösen Unglaublichkeiten) erzählen, damit sie eine heile Welt erfahren? Fällt uns da nichts Besseres ein? Und obwohl wir genau wissen, daß die (Sexual-)Scham noch nie zu wirklicher Moral geholfen hat und daß sie unseren jungen Menschen vermutlich auch nie helfen wird, verknüpfen wir den jungen Menschen gegenüber dennoch diese Beschränktheit mit Moral. Hier einzugreifen und etwas richtig zu stellen, das bedeutet Nestwärme! Wir können die typisch menschliche Nestwärme vielleicht so kennzeichnen: 1. dem jungen Menschen die jeweilige Kehrseite zugänglich machen, damit er einen Überblick bekommt (und der ist die Voraussetzung für vernünftiges Handeln), 2. ihm klar machen, wie er seine Lebensfreude steigern kann (“effektiver machen kann”), wenn er in der passenden Situation den inneren Schweinehund überwindet, 3. ihm (besonders auch durch Vormachen) die irrationalen Ängste austreiben, die nichts bringen und doch nur seine Lebendigkeit behindern, 4. und ihn zu alledem zu motivieren, indem wir ihm den jeweiligen Spaß nahe bingen! Manchmal ist auch ein Klaps auf den Po sehr sinnvoll! Konkrete Beispiele: Meine Schwester war einmal mit bei einem Hochgebirgsurlaub, bei dem wir in den Ötztaler Alpen auch den Similaun (3600 m) besteigen wollten. Etwa 25 Minuten vor dem Gipfel machte sie schlapp – ohne äußerlichen Grund wollte sie einfach nicht mehr, wir, eine Freundin und ich, sollten allein die letzten Meter auf den Berg steigen. Wie sollte ich mich da verhalten – ich wußte genau, daß damit für meine Schwester der Höhepunkt der Tour und damit auch der Ferien zumindest sehr beeinträchtigt sein würden. Und das wollte ich nun keineswegs. Also tat ich das einzige, was mir möglich erschien, um sie doch noch zum “Gipfelsturm” zu bewegen, ich brüllte sie an, ob sie Höhenkoller habe, ob sie verrückt sei, ob sie mir die Freude an der Tour verderben wolle, und daß ich überhaupt nicht akzeptieren würde, daß sie jetzt schlapp mache. Und sie war so erschrocken, daß sie mitkam – und hinterher war alles “in bester Butter”. Meine Leser hätten sie einmal beobachten sollen, wie sie schon auf dem Gipfel mit anderen Bergsteigern “Fachgespräche führte” und erst recht am Abend auf der Similaunhütte begeistert mit den anderen Bergsteigern Erfahrungen austauschte. Ohne diese “letzen Meter” wäre das alles nur halb so schön gewesen... Und noch heute erzählt sie von meiner Schreierei da unterhalb des Similaungipfels als Beispiel, wie “richtige Pädagogik” manchmal auch sein kann – und ich meine eben auch “richtige Nestwärme”! Ich wußte ja, warum und wozu ich sie sozusagen gezwungen hatte! Oder eine andere Sache: Bevor meine Adoptivtochter zu mir kam, habe ich mir natürlich Gedanken gemacht, wie sie auf keinen Fall auf die “falschen” Jungen oder Männer reinfällt und wie ich vermeiden kann, daß ich schließlich vielleicht sogar vor meinem Haus die “rote Lampe heraushängen” kann. Und zur Blindheit vor den typischen Fallgruben da gehört eben auch immer die übliche als moralisch angesehene Sexualscham. Diese mußte ich ihr also austreiben... Und ich habe den Eindruck, daß ich damit dem Mädchen wirkliche Nestwärme geboten habe. Meine Leser hätten das Mädchen sehen sollen, wie es in den Sommerferien da in Südfrankreich am Strand auf eine französische Studentin mit ihrer Mutter zustackste und schließlich ganz normal am Ufer mit dem Mädchen über Gott und die Welt plauderte. Zu den Jungen, die da auch am Strand waren, wäre sie auch gerne gegangen, aber die hatten inmitten vieler Nackter ihre Bedehosen an und zogen sich sogar hinter Badetüchern um – nein, mit “Spannern” wollte sie nichts zu tun haben... Ich dagegen war bei alledem so etwas wie ein ruhender Pol. Das Austreiben von unsinnigen Ängsten gehört eben auch zur Nestwärme, weil es zu intensiverem Leben und damit eben auch zu menschlicherer Moral führt... Der Einfluß rechter Nestwärme auf Intelligenz und Moral des Menschen kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Aber – wie gesagt – “rechter”! (Wörterbuch von basisreligion) |