38. Und der Glaube an Gott?

 

Beatrix: Sag einmal, glaubst du überhaupt an Gott?

Felix: Damit ich dir darauf antworten kann, mußt du erst einmal definieren, was du überhaupt unter Gott verstehst.

Beatrix: Das ist einzusehen, denn da hat ja jeder eine andere Vorstellung und mancher auch eine unmögliche, ich würde da auch nicht zu schnell „ja" oder „nein" sagen.

Felix: Und wenn du Gott definierst, dann ist das ein Verstoß gegen das zweite Gebot!

Beatrix: Und wie soll das bitte heißen?

Felix: „Du sollst dir kein Bildnis machen".

Beatrix: Das hast du dir aber gut zurecht gelegt.

Felix: Natürlich paßt diese Überlegung manchen sicher nicht. Doch mit „Bildnis von Gott" ist gewiß nicht nur die vielleicht kitschige Plastikmadonna mit der Krone als Verschluß aus Lourdes gemeint, die da ein altes Mütterchen mit geweihtem Wasser füllt und sich ins Zimmer stellt, sondern auch jegliches Definieren Gottes - und dazu gehört sogar jedes Glaubensbekenntnis. Was machen wir denn anders als ein Bildnis, wenn wir sagen, daß Gott allmächtig oder allwissend oder allgütig ist? Woher wissen wir das von Gott? Und wenn er genau das Gegenteil von alledem ist? Wir „stecken ihn doch mit unseren Formulierungen noch viel mehr in einen Kasten“, um über ihn zu verfügen, wie das diejenigen machen, die da ein Bild malen oder eine Skulptur schnitzen. Da ist doch wohl kein Unterschied.

Beatrix: Der Unterschied liegt wohl nur darin, wer sich diese Bildnisse macht.

Felix: Leider scheinen selbst für Menschen, die sich Christen nennen, heutzutage solche Bildnisse normal zu sein. Und einem solchen Bildnis zuliebe machen sie dann eine Moral oder sogar irgend welche Gottesdienste und was sonst noch alles, das geht doch gar nicht, das darf doch selbst nach unserem Glauben gar nicht sein - und vor allem, dabei kann doch gar nichts herauskommen. Stell dir einmal vor, du wärest Gott, was du dazu sagen würdest.

Beatrix: Ich darf mir doch gar nicht vorstellen, Gott zu sein.

Felix: Wieso das denn nicht? Was für ein Bild oder eine Vorstellung von Gott magst du bloß haben, daß dir schon bei dem Gedanken unwohl wird?

Es geht doch um etwas ganz Vernünftiges: Was würdest du als Gott sagen, wenn du siehst, wie die Menschen da beten, Gottesdienste und Wallfahrten machen, Kirchen bauen und in Klöster gehen und manchmal sogar in „deinem“ Namen Kriege führen - und dabei können sie gar nicht einmal genau wissen, ob es „dich“ überhaupt gibt.

Beatrix: Dann würde „ich“ mich ganz schön wundern.

Felix: Milde gesagt. Vielleicht würde es „dich“ auch ärgerlich machen und „du“ würdest solche Leute verachten, vielleicht sogar bestrafen, weil sie so blind sind und irgendwelchen Priestern alles glauben.

Dabei hast „du“ den Menschen doch das Gehirn gegeben, mit dem sie einsehen könnten, daß sie „dich“ gar nicht erkennen können, daß bei dem Erkennen eines Gottes immer nur ein Götzenbild herauskommt. Daß Menschen da irgendeine Verehrung so auf Verdacht machen, obwohl sie nichts Genaues wissen, das ist doch spießig.

Beatrix: Und wie wäre es für die Menschen richtig?

Felix: Genau nach dem Konzept des Denkens zu leben, also nach dem Konzept der Zehn Gebote. Ach da muß ich wohl ein wenig näher auf das Problem der Zehn Gebote eingehen.

Kaum jemand heute weiß nämlich, daß wir die Zehn Gebote immer falsch und im Sinn heidnischer Religionen übersetzen. Es ist da immer die Rede von „du sollst nicht“ oder „du darfst nicht“ und das klingt ja immer nach den berühmten „Verboten“, die man am liebsten so schnell wie möglich übertritt. Doch im Hebräischen, der Originalsprache der Zehn Gebote, wird nicht nach Zukunfts- und Befehlsform unterschieden, dort wird für beide Situationen dieselbe Form gebraucht. Es müßte also heißen „du wirst nicht“. Und im Zusammenhang heißt das dann: „Wenn du erst einmal begriffen hast, wie phantastisch das Paradies hier und jetzt ist, dann wirst dich schon von alleine an die Spielregeln dieses Paradieses halten, dann wirst du also gar nicht mehr mit einer Frau „etwas“ „anfangen“, die nicht die deine ist, dann wirst du nicht mehr fähig sein zum töten und es irgendwann auch gar nicht mehr nötig haben, dann wirst du nicht mehr jemandem etwas wegnehmen, was er zum Leben braucht...

Und wenn die Menschen zueinander alles richtig machen - dann kann das doch auch „dir" gegenüber, der „du“ ja ihr Wohl willst, nicht falsch sein.

Beatrix: Ja, wenn man die Gebote nämlich in der Zukunftsform übersetzte, dann könnten wir ihren Charakter als Spielregeln des Paradieses besser erkennen. Doch so werden sie immer nur als lästige Prüfung für ein Leben nach dem Tod empfunden.

Meinst du aber wirklich, daß es das einmal geben wird, daß sich die Menschen zuverlässig nach diesen Spielregeln zueinander verhalten, so daß sie miteinander friedlich und glücklich sind und daß sie die Schönheiten, die es so gibt, auch so nutzen, daß sie sich nicht selbst und andere zerstören? Es wird doch immer welche geben, die da nicht mitmachen und alles wieder zerstören.

Felix: Woher weißt du das so genau? Ich kann mir nicht vorstellen, daß es irgendeinen Menschen gibt, der von Natur aus böse ist. Und damit das nicht geschieht, dürfen die Gebote eben nicht nur so dahergeleiert werden, sondern es kommt wohl vor allem darauf, daß sie so gelehrt werden, daß sie auch tatsächlich verstanden und gehalten werden können.

Beatrix: Und erfahrungsgemäß wird auf die Dauer nur etwas gehalten, wenn es intelligent ist, Spaß macht und nicht langweilig ist. Und darum ging es doch auch immer, so wie wir uns unterhalten haben, Wege zu finden, daß wir das, was da unsere Religion sagt, auch wieder mit Spaß und Intelligenz und ohne Langeweile leben wollen und können.

Felix: Na siehst du, ob das Böse also nicht nur eine vorübergehende Erscheinung ist, einfach weil Menschen da hineingeraten sind, weil eben vieles von anderen falsch gemacht wurde? 

Beatrix: Und wie soll man da wieder herauskommen?

Felix: Wir müssen endlich damit anfangen, daß nicht immer wieder die nachwachsenden Generationen da hineinschlittern.

Beatrix: Und wie soll das geschehen?

Felix: Indem wir uns einfach darüber unterhalten und damit das Wissen weitergibt, wie man vernünftig leben kann und nicht immer wieder auf die ganzen Kaputtheiten reinfällt.

Beatrix: Damit erübrigt sich auch das Problem, daß Gott ja manchmal grausam zu sein scheint, wenn er etwa zuläßt, daß Menschen von ihren Partnern verlassen werden.

Felix: Und mit der Zeit dürften sich noch mehr Probleme erübrigen, etwa daß unschuldige Menschen in Gaskammern sterben, Kinder geschlagen werden oder vielleicht auch verhungern. Denn da wurde gewiß schon immer irgendwo etwas falsch gemacht längst vor den unmittelbar Beteiligten.

Beatrix: Du meinst also, daß sich Menschen da im Seelischen schon längst gegen das wirkliche christliche Gottesbild verhalten haben?

Felix: Genau, steckt da zumindest bei näherem Hinsehen nicht immer so etwas dahinter? Du merkst ja sicher so langsam, was da so alles falsch laufen kann. Oft ist das ja wie mit dem elektrischen Licht: Hier ist der Schalter und ganz woanders geht das Licht an. Da gibt es bisweilen Zusammenhänge, die man gar nicht vermutet, weil unser Blick vielleicht davon weggelenkt wurde. Aber eine Ursache gibt es immer. Ist das Böse, was so passiert, nicht oft einfach nur die Rache der Natur für unsere Blödheit und Engstirnigkeit? Leider trifft es dann auch nur zu oft Unschuldige.

Beatrix: Du glaubst also nicht, daß es so etwas wie Schuld gibt.

Felix: Nein, natürlich nicht. Jeder der angeblich an etwas schuld ist, hat das ja auch nur so angefangen, weil er es nicht besser wußte und dann kam er in Situationen, wo er einfach weitermachen mußte. Und die, von denen er es übernommen hatte, wußten es ja auch nicht besser. Doch die Fehler muß jeder selbst ausbaden, reden wir daher lieber davon, wie wir Fehler vermeiden können.

Beatrix: Ich hatte bisher gar keine Ahnung, wie vieles mit den falschen Gottesbildnissen zusammenhängen kann.

Felix: Die Vielgötterei mit den ganzen falschen Göttern ist eben noch längst nicht verschwunden.

Beatrix: Du magst ja in vielem recht haben, nur interessiert mich noch: Was hältst du bei deiner Auffassung von Religion überhaupt vom Gebet?

Felix: Das hat auch etwas mit richtigem und falschem Gottesbild zu tun. Und zwar ist Kennzeichen von falschem Gottesbild, daß wir Gott ändern wollen – und Kennzeichen von richtigem Gottesbild, daß wir uns selbst ändern. Wirkliches christliches Gebet geht also immer davon aus, daß wir nie Gott ins Handwerk pfuschen dürfen: Wenn Gott etwas so und so machen will, dann steht es uns nicht an, das dann ändern zu wollen. Wenn also Gott sich entschlossen hätte, daß eine Beziehung zwischen Menschen kaputt geht, dann müssen wir das auch akzeptieren.

Beatrix: Das widerspricht doch dem, was du sonst sagst von einem Gott, der nur das Beste für uns will. Und außerdem soll es doch deiner Meinung nach so ein Zerbrechen in wirklichem christlichem Glauben gar nicht geben.

Felix: Eben. Aber wirklich christliches Gebet versucht nun nicht, Gott zu ändern, daß er sich da einmischt und unseren Willen in die Wirklichkeit umsetzt, sondern es will erreichen, daß wir uns ändern. Wir selbst müssen uns kümmern, daß so etwas nicht passiert. Christliches Gebet kann also nicht lauten: „Lieber Gott, laß es zu dieser oder jener Beziehung kommen“, sondern es darf eigentlich nur etwa so lauten: „Hilf mir, Gott, daß ich erkenne, wer richtig zu mir paßt, wie ich mich verhalten muß und daß ich das auch durchhalte, damit ich die richtige Partnerschaft beginne, die dann auch hält...“

Beatrix: Das machen dann aber viele falsch.

Felix: So sehe ich das auch. Und ich sehe darin auch einen Grund, warum die Religion ganz allgemein und die Liebe im Besonderen bei uns so im Argen liegen, weil wir einfach nicht mehr richtig christlich beten, weil wir einfach unseren Willen durchsetzen wollen und nicht den Gottes.

Beatrix: Das wäre dann aber doch alles reine Psychologie?

Felix: Warum nicht? Du kannst das nehmen, wie du willst. Schließlich läuft ja auch kein Mensch über die Autobahn und erwartet, daß Gott ihm hilft, nicht überfahren zu werden. Die erste Voraussetzung dafür, daß einem nichts passiert, ist doch, daß man vernünftig ist. Und wenn man um Vernunft betet, dann ist das wenigstens schon einmal ein Indiz, daß man die Problematik erkannt hat. Und das ist dann wieder die Voraussetzung, daß man Weiteres erkennt...  Wenn das dann gelingt, dann ist es doch relativ belanglos, ob das so gekommen ist, weil man richtig gedacht oder richtig gebetet hat. Vielleicht braucht man in den verfahrenen Situationen, in denen wir hier heute sind, einfach wieder einmal genau dieses richtige Gebet, um aus ihnen herauszukommen. Und wenn das dann gelingt, warum sollte Gott das nicht gut finden?

 

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