36. Anmache – unschuldig und moralisch
Martina: Doch ganz konkret: Angenommen, selbst die Eltern sind einverstanden, mit den gemeinsamen Fahrten mag das ja noch gehen, doch wie soll man die Idee mit dem Nacktsein am Strand einem Typen beibringen? Der hält einen doch für bekloppt. Und außerdem: Oft geht das ja schon gar nicht allein deswegen, weil es gar nicht die Gegend gibt, wo so etwas möglich ist? Beatrix: Im Grunde muß jede Initiative irgendwie wie eine Anmache anfangen, nur eben anders. Schließlich ist ja auch das Nacktsein für die meisten Menschen heute noch etwas Ungewohntes - und bisweilen gerade auch mit einem Menschen, der einem sympathisch ist. Dabei müßte jeder auch unbedingt am eigenen Leibe erfahren, daß Nacktsein eben nicht unbedingt etwas mit Sex zu tun hat, daß Nacktsein und Sex durchaus zwei völlig verschiedene Dinge sein können. Daß das von vielen immer so zusammen gesehen wird, ist ein Problem unserer Kulturen, und es ist nicht deine und nicht meine Schuld, wenn wir da unsere Schwierigkeiten haben. Martina: Daher kann man sich seine Schwierigkeiten ja auch eigentlich einander sagen und den anderen bitten, einem zu helfen, damit man sie meistert. Hier geht es ja nicht um etwas Schlechtes. Beatrix: Klar, das ist dann auch nicht das, was man unter Anmache zum Geschlechtsverkehr versteht. Denn dabei gibt es ja immer so eine spezielle Routine, die einen wirklichen oder angeblichen seelischen Mangel anspricht oder anzusprechen versucht. Doch hier kann ich mir Routine kaum vorstellen, weil man den anderen ja nicht mit etwas überrumpeln will, was er vielleicht gar nicht wollte, wenn er nüchtern denken könnte. Martina: Und wer hier schon die Diskussion verweigert oder nur blöde Sachen labert, der zeigt schon dadurch, wes Geistes Kind er ist und daß er überhaupt nicht willens zu einer vernünftigen Beziehung ist. Beatrix: Bei alledem kannst du ruhig im Hinterkopf haben, daß derjenige, der eine vernünftige Beziehung sucht und will, genau dieselben Schwierigkeiten hat, herauszubekommen, wer du bist, wie du deine Schwierigkeiten hast. Martina: Klar. Nur die oberflächlichen Typen, die auf schnellen Erfolg aus sind, die haben auch gar kein Interesse, da näher hinzuschauen. Daran kann man die schon fast erkennen! Beatrix: Du mußt natürlich dem Betreffenden Zeit lassen, schließlich muß der ja sein ganzes Weltbild, das er bisher hatte, umschmeißen. Was muß der nicht alles verarbeiten! Das ist wie bei einem Wein, der braucht immer auch seine Zeit zum Ausgären. Doch du wirst schon herauskriegen, was du willst, wenn du nur geschickt bist! Martina: Ich sehe ja ein, daß in einem Konzept, das funktionieren soll, nicht darauf verzichtet werden kann, daß Menschen die Befreiung von sinnlosen Ängsten ganz konkret erleben. Beatrix: Und wo eine Überprüfung, die eindeutig keine Schäden verursacht, durch einfaches Tun möglich ist, dann sollte das auch geschehen. Denn nur ein ganz konkretes „Aha-Erlebnis” bietet die Chance des Verschwindens sinnloser Ängste und kann so eine Blindheit, die ja immer eng mit Ängsten verknüpft ist, so verändern, daß es wirklich zu besserem „Weiter-Denken” und damit zu angemessenem Gehirngebrauch kommt. Und unsere heutige Freizeit- und Reisegesellschaft bietet ja jedem die Möglichkeit, wenigstens hin und wieder einmal diese Vorstufe zum Weiterdenken zu erleben und damit uns selbst (und anderen) zu dokumentieren, daß letztlich doch nicht Ängste unser Gehirn beherrschen. Sagen kann man ja alles, den echten Beweis bringt jedoch nur das Tun.
Anmerkung: Siehe auch Toreromethode!
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