37. Hoffnungslosigkeit ohne Glauben an das Leben nach dem Tod?

Beatrix: Bisher war ich immer der festen Meinung, daß Sinn des Christentums gerade der Glaube an das Leben nach dem Tod ist, und daß dieser Glaube die Hoffnung des Christen ausmacht. Für mich ist das zwar nicht so wichtig. Doch du nimmst ja jetzt anderen Menschen diese Hoffnung, die sie vielleicht brauchen.

Felix: Wenn diese Hoffnung typisch für das Christentum sein soll, wo ist denn da der Unterschied zu anderen Religionen? So ähnlich sagen die das doch auch alle – zumindest im Volksglauben.

Beatrix: Und wenn schon. Vielleicht ist das ja auch Sinn von Religion überhaupt? Sieh einmal, es gibt ja auch viele Menschen, die im Leben und auch in der Liebe gescheitert sind und deren einzige Hoffnung doch der Glaube ist, daß es zumindest nach dem Tod einmal besser wird. Mit diesem Glauben an eine bessere Welt hier und jetzt, den du da vertrittst, nimmt man doch diesen Leuten das alles. Ist das überhaupt zu verantworten?

Felix: Aber man darf doch nicht einfach etwas als Glauben vertreten und verkünden, was bei näherem Hinsehen gar nicht richtig ist. Das sieht doch dann nach Geschäftemacherei aus.

Beatrix: Woher nimmst du diese Gewißheit?

Felix: Das einzige, was inzwischen noch für diesen Glauben spricht, ist doch, daß es „schon immer“ so war. Und dieses „Weil-es-schon-immer-so-war“ ist nun wirklich kein besonders guter Grund. Bei uns in Mitteleuropa wurden zum Beispiel auch um die 500 Jahre lang Hexen verbrannt, am Schluß gab es gar keine richtigen Gründe mehr dafür außer dem, „daß es schon immer so war“. Die Leute damals meinten, daß man sich ja nicht „immer“ geirrt haben konnte. Und man hatte sich eben doch geirrt. Wenn erkannt wird, daß etwas falsch ist, dann muß man eben auch den Mut haben, das zu sagen und sich zu ändern. Und zwar möglichst schnell.

Beatrix: Du bist brutal, wenn du das jetzt auch auf den Glauben an ein Jenseits beziehst. Was soll denn daran so schlimm sein?

Felix: Dieser Glaube wäre ja vielleicht gar nicht so schlimm, das Problem ist jedoch, daß dieser Glaube für viele Menschen die bequeme Ausrede ist, wenn sie es nicht für nötig befinden, hier und jetzt etwas zu ändern.

Beatrix: Aber gerade der Glaube an ein Jenseits motiviert viele Menschen eben doch?

Felix: Ja, vielleicht um das ein wenig wiedergutzumachen, was sie erst einmal angerichtet haben.

Beatrix: Du bist wieder brutal.

Felix: Also dann eben zu deiner Motivation. Das ist eine Behauptung, die in Wirklichkeit nämlich oft überhaupt nicht stimmt. Da das Jenseits für die Menschen nämlich meistens ziemlich weit weg liegt, beeinflußt der Glaube daran das eigene Handeln im Endeffekt kaum oder gar nicht. Außerdem gibt es immer Möglichkeiten, die Verstöße hier im Leben etwa durch die Beichte oder alle möglichen anderen Sühneriten wiedergutzumachen, davon leben ja die Religionen vor allem. Im realen Leben gibt es solche Möglichkeiten allerdings nicht, die Fehler, die man einmal gemacht hat, muß man sein ganzes Leben mit herumschleppen. Und es gibt auch genügend Verbrecher, die sich geradezu noch als Werkzeug Gottes vorkommen und meinen, daß das gottwohlgefällig sei, was sie da machen.

Beatrix: Du siehst das aber doch sehr einseitig.

Felix: Natürlich kann der Glaube an ein Leben nach dem Tod auch eine positive Motivation sein. Doch ich bezweifle, ob die vor Gott wirklich wertvoll ist. Außerdem scheint mir das Gute, was dabei herauskommt, letztlich immer eher halbherzig zu sein, weil es damit letztlich keine wirkliche Verantwortung gibt für das, was Menschen tun. Ob wir etwas Gutes oder die Verhinderung von Bösem wirklich erreicht haben, ist nämlich „mit Jenseitsglauben“ nicht so wichtig, es gibt da immer die patente Ausrede: „Gott wird schon anerkennen, daß wir wenigstens etwas versucht haben, wenn wir auch nicht im Endeffekt erfolgreich waren und etwas wirklich geändert haben“.

Beatrix: Du meinst, daß eine Diesseitsreligion also kompromißloser als eine Jenseitsreligion ist, weil bei der nun wirklich keine Schlamperei einreißen darf.

Felix: Und bei uns ist eben genau diese Schlamperei längst eingerissen. Unser christliche Glaube wird heute doch üblicherweise immer nur im Sinn oder aus der Sicht derer ausgelegt, die sich an die Normen dieses Glaubens erst einmal gar nicht gehalten haben und dadurch sogar in Schwierigkeiten, also etwa in Verlassenheit und Einsamkeit gekommen sind. Ist es nicht an der Zeit, daß der Glaube wieder im Sinn derer ausgelegt wird, die ihr Leben an den Normen unseres Glaubens ausrichten wollen?

Beatrix: Ob das der Grund ist, daß für viele das Problem, wie man die wirkliche Liebe findet, nur eine von vielen Sachen ist?

Felix: Vermutlich. Das läßt natürlich tief blicken.

Beatrix: Ja, das sieht wohl nicht so aus, als ob diese Leute wüßten, was wirkliche Liebe ist, denn dann würden sie wohl nicht so reden, dann würde das für die nicht nur so eine Nebensache sein.

Felix: Und selbst wenn sie recht hätten mit ihrer Ansicht von der „Nebensache“, dann haben sie zumindest vom militärischem Denken keine Ahnung. Denn wirkliche Strategen wissen schon immer, daß es manchmal sogar völlig nebensächliche Hügel gibt, wo eigentlich gar nichts ist, die aber dem, der sie hat, alles weitere sozusagen ganz einfach machen.

Beatrix: Da verlangst du aber auch von manchen Leuten wohl zu viel, wer hat schon Kriegswissenschaft studiert?

Felix: Zumindest eine Ahnung von dieser Problematik hat doch jeder. Schließlich geht es hier ja um etwas Gutes, und da muß man ja genauso pfiffig sein wie die Strategen, wenn man etwas wirklich durchsetzen will.

Beatrix: Und du meinst, daß da manche Menschen eben nur so tun, als ob sie etwas ändern wollten...

Felix: Natürlich, wer diese ganze Thematik immer nur herunterspielt, was soll man von dem halten? Wer etwas wirklich will, der wartet nicht auf andere, sondern der läßt sich selbst etwas einfallen. Und wem nichts einfällt, der scheint auch nicht zu wollen.

Beatrix: Du bist ganz schön hart.

Felix: Warum nicht, wenn die Menschen so herzlos sind?

Beatrix: Du bist doch herzlos. Für dich sind doch zum Beispiel diejenigen Leute, die sich in der Liebe erst einmal vertan haben, ganz offensichtlich weniger wert. Manchmal habe ich auch den Eindruck, das sind für dich sogar die Schlechten und die Bösen.

Felix: Das ist doch glatter Unsinn, was du da redest. Und dieser Vorwurf verdreht doch auch die Wirklichkeit. Hast du einmal darüber nachgedacht, wie du dich manchmal schon fast verstecken mußt mit deiner Auffassung, daß du mit dem Sex bis nach der Hochzeit warten willst.

Beatrix: Das stimmt natürlich auch wieder, wenn man das erzählt, daß man noch Jungfrau ist, dann ist das manchmal einem schon peinlich, da kommt man sich richtig doof vor.

Felix: Und das hängt ja eben damit zusammen, daß selbst die Leute, die sich eigentlich dafür einsetzen sollten, inzwischen selbst nicht mehr nach solchen Zielen leben und daher davon natürlich auch gar nicht mehr begeistert reden können.

Beatrix: Du meinst also, wenn sich solche Leute jetzt schlecht und böse fühlen, dann sind sie das im Grunde selber schuld?

Felix: Ich meine das zwar nicht, doch zumindest sollten sich da manche wenigstens zurückhalten. Das Problem ist doch, daß diese Leute zwar wissen, wie eine Moral, die auch hält, nicht geht, doch daher wissen sie noch längst nicht, wie sie tatsächlich geht....

Beatrix: Was dann jeder merken kann, der nur einmal darüber nachdenkt.

Felix: Noch deutlicher wird das alles, wenn man sich nicht immer nur im eigenen Kulturkreis umhersieht. Wenn man einmal in einen anderen Kulturkreis hinein schaut, dann fällt solche Verrücktheit noch viel mehr auf.

Ich denke hier an die Beschneidung der Mädchen etwa in Ägypten und in anderen afrikanischen und orientalischen Ländern.

Beatrix: Eine ganz schlimme Sache.

Felix: Genau das meine ich auch. Und wenn man da für eine Änderung kämpft, dann heißt das doch nicht, daß man die Frauen, die bereits beschnitten sind, für schlecht oder gar für böse hält.

Beatrix: Das ist doch etwas anderes, die sind doch gar nicht schuld, weil die so jung waren, als man das mit ihnen gemacht hat. Und selbst wenn die dem zugestimmt haben, was da mit ihnen gemacht wurde, wußten die doch gar nicht wirklich, was das für sie bedeutete.

Felix: Glaubst du, daß das mit denen, die da mit 14 oder 16 ein Liebesverhältnis anfangen, anders ist, ob die alle wirklich den richtigen Überblick haben? Und wer hat den schon? Mit der Schuld ist das doch immer so eine Sache. Die wird einem ja auch immer eingeredet. Ich bin aber der Meinung, daß es in Wirklichkeit auch im Sichvertun in der Liebe gar keine wirkliche Schuld gibt. Wer sich da vertan hat, der wußte es einfach nicht besser.

Beatrix: Erzähl´ doch nichts! Die meisten wissen doch genau, was sie tun!

Felix: Das bezweifle ich ganz stark. Denke nur einmal an unsere Unterhaltungen über den Sinn der Sexualscham: Wer die für Moral hält – und solcher Glaube wird uns ja in unserer ganzen Kultur anerzogen – der weiß ja gar nicht, was wirkliche Moral ist, und der kann sie daher auch gar nicht leben. Wo also bitteschön soll einer schuld sein, der sich mit einer solchen Erziehung dann auch irgendwann einmal „programmgemäß“ vertut?

Beatrix: Na ja, vielleicht ist solche Erziehung auch eine Art Verstümmelung wie die Beschneidung, beim einen wird der Körper verstümmelt, beim anderen das Denken.

Felix: So sehe ich das auch. Und jetzt stell dir einmal vor, wenn dort in Ägypten jemand erklärt, daß diese schreckliche Beschneidung völlig überflüssig ist und die Menschen nur sinnlos kaputt macht.

Beatrix: Die Leute dort und gerade die Frauen würden das nie begreifen, denn die meinen ja, daß gerade die Beschneidung für ihre Ehre und Würde, ja für ihre ganze Weiblichkeit unbedingt notwendig ist. Nur so konnten sie das ganze ja ertragen und vor allem an ihre Kinder auch noch weitergeben.

Felix: Die würden vielleicht sogar untröstlich sein, wenn die erfahren, wie unsinnig das ist, denen würde man damit ihren ganzen Glauben überhaupt nehmen. Und damit das nicht geschieht, soll man deswegen die Beschneidung weitermachen?

Beatrix: Natürlich nicht.

Felix: Du siehst selbst, wohin falsche Rücksicht führt. Mit der wird ein Mißstand eben nur noch mehr zementiert, und diese Zementierung dauert bei der Beschneidung inzwischen schon um die fünftausend Jahre. Es geht einfach nicht anders: Wenn etwas als falsch erkannt ist, dann ist jeder Tag, der verplempert wird, das zu ändern, ein Verbrechen. Natürlich bringt jede Änderung Probleme mit sich. Wir sind hier in einem typischen Dilemma oder auch in einer Güterabwägung. Doch falsche Rücksichtnahme ist noch unendlich schlimmer.

Beatrix: Aber wenigstens denken mußt du doch auch an die, die ihr Leben lang an das alles geglaubt haben. Für die ist solche Offenbarung dann wie ein riesiger Schock.

Felix: Vorsichtig! Ich habe da nämlich eine Erfahrung: Viele Menschen, die da etwas praktizieren, was entweder unlogisch, unmenschlich, nicht einsehbar oder sonstwie „ver-rückt“ ist, haben da ja schon immer daran gezweifelt. Und wenn denen nun überzeugend beigebracht wird, daß sie mit ihren Zweifeln eigentlich recht hatten, dann kann das so etwas wie ein Befreiungsschlag sein.

Beatrix: Aber sie haben doch nichts mehr davon?

Felix: Das ist für die dann auch gar nicht mehr so wichtig. Es geht ja nicht nur um die Abschaffung von etwas. Die Beschneidung oder auch unser Glaube ans Jenseits können natürlich nicht nur „ersatzlos“ „gestrichen“ werden. Dafür muß schon etwas Neues kommen. Stell dir vor, was wäre, wenn da statt der Beschneidung eine Erziehung käme, die wirkliche Moral so mit Intelligenz und Spaß verknüpft, daß die jungen Leute da auch so gerne mitmachen.

Hast du einmal überlegt, wie befreiend das für eine Mutter oder sogar Großmutter sein könnte, die selbst unter so schrecklichen Verstümmelungen zu leiden hatten, wenn sie wissen, daß ihren Enkelinnen jetzt ohne Abstriche an der Moral diese schrecklichen Dinge erspart werden können.

Beatrix: Vielleicht, denn die können sich damit trösten, daß es wenigstens nicht umsonst war, was man ihnen selbst angetan hatte und worunter sie ihr ganzes Leben gelitten hatten.

Felix: Das ist es, Kennzeichen der wirklich gutwilligen Leute ist es, daß sie schon glücklich sind, wenn ihr Leid einmal ein Ende hat, selbst wenn den Vorteil davon erst andere haben.

Beatrix: Das ist dann auch die wahre Nächstenliebe...

Felix: ....die noch christlich obendrein ist!

Beatrix: Aber mit dem Glauben an ein Leben nach dem Tod ist das doch etwas ganz anderes.

Felix: Das ist zumindest in der Praxis genauso! Wetten daß??? Wer merkt, daß endlich einmal wirkungsvoll gegen die Fehler angegangen wird, unter denen er auch selbst zu leiden hatte, und daß Menschen jetzt besser leben können, für den ist das ja dann auch eine Art „Erfüllung der Hoffnung“.

Beatrix: Wahrscheinlich muß man das selbst erleben, um das richtig beurteilen zu können. Ich hoffe, daß du recht hast.

 

Weiter zu: 38. Und der Glaube an Gott?   

(Website basisreligion mit basislexikon, basisdrama, basisgesprächen, basisreisen)