OMNISOPHIE (Basislexikon - kritisch-kompetent-konstruktiv)

OMNISOPHIE ist die Konzeption von einer mathematischen Sicht des Menschen des Mathematikprofessors und jetzigen Mitarbeiters von IBM Gunter Dueck, die er in seinem gleichnamigen Buch veröffentlicht hat (Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2003, 2004). Bitte nicht gleich abschalten, wenn er sich erlaubt, Menschen mit Computern zu vergleichen, schließlich waren bei der Konstruktion von Computern ja Menschen das Vorbild, irgendeine Verwandtschaft wird es also schon geben!

Dieses Stichwort habe ich wohl schon um das Jahr 2005 verfasst, als mir die Lektüre von Duecks Büchern dringend empfohlen wurde. Jetzt, zum Jahreswechsel 2020/2021 möchte ich mal darauf kommen, was von damals hängen geblieben ist. Und da ist tatsächlich etwas, was mich sehr beeinflusst hat, so denke ich doch! Gunter Dueck unterscheidet etwa Wissenschaft nach echter Wissenschaft und nach Kunsthandwerk. Dabei ist Wissenschaft etwa, wenn ein intelligenter Mensch eine Wanderung macht und irgendwann stutzig wird und sich die Gegend genauer ansieht und zu dem Ergebnis kommt: "Aus dem, was ich hier so sehe, schließe ich, dass hier in der Erde dieses oder jenes wertvolle Mineral sein muss." Dabei hat er also die Pflanzen, die da wachsen, die Form der Berge oder Hügel, die Farbe des Wassers der Bäche im Blick (das sind jetzt Beispiele von mir). Und wenn das Mineral tatsächlich in der Erde ist, so ist das ein Beweis für den wissenschaftlichen Blick dieses "intelligenten Menschen". Das Herausholen des Minerals aus der Erde ist dann nur noch "Kunsthandwerk".

Unter diesem Gesichtspunkt ist wohl das meiste, was heute so unter "Wissenschaft" läuft, lediglich Kunsthandwerk! Allerdings: Die Erkenntnis, dass ein wertvolles Mineral in der Erde ist, ist die eine Sache. Eine andere Sache ist, die "Kunsthandwerker" zu überzeugen, dass das wertvolle Mineral tatsächlich in der Erde schlummert und sie dazu zu bringen, auch tatsächlich zu "graben". Denn das ist bisweilen sehr kostspielig und niemand will sein Geld für eine ungewisse Sache einsetzen. Deswegen muss der "echte Wissenschaftler" wenigstens zunächst durchaus auch "Kunsthandwerker" sein - und zumindest die ersten Mineralbrocken aus der Erde holen. <Hier einmal zu einem ganz besonders heikles Thema: Oft wird ja behauptet, dass Juden eine besondere Intelligenz haben (es soll hier nicht darum gehen, woher sie die haben) und wissenschaftlich "in der ersten Reihe" stehen. Doch wenn man diese "Behauptung" einmal kritisch hinterfragt, dann kann man leicht feststellen, dass die bedeutendsten Erfindungen und Entdeckungen, die unseren technischen Fortschritt ausmachen, weitestgehend nicht von Juden stammen, als da wären: das heliozentrische System von Nikolaus Kopernikus, die Pockenschutzimpfung vom Engländer Philipp Jenner, die Entdeckung der Elektrizität von Alessandro Volta (und anderen), die Dampfmaschine von James Watt (und anderen), die genetischen Gesetze von Gregor Mendel, der Explosionsmotor von Nikolaus August Otto, der erste Generator mit Permanentmagneten von Hippolyte Pixii auf Anregung von Ampere, der ersten Wechselstromgenertor nach dem elektrodynamischen Prinzip (also ohne Dauermagnete) von Anyos Jedlik und dann von Werner von Siemens (und anderen), die Entdeckung der elektromagnetischen Wellen von Heinrich Hertz, die Elektronenröhre vom englischen Physiker John Ambroise Fleming, das Penicillin von Alexander Fleming. Lediglich der Erfinder des Transistors ist ein Jude: Julius Edgar Lilienfeld, der wegen des zunehmenden Antisemitismus in seiner österreichisch-ungarischen Heimat 1927 in die USA auswanderte. Allerdings entdeckte er nur das Prinzip, 20 Jahre später wurde der eigentliche Transistor entdeckt, u. a. von zwei Deutschen. Und dann natürlich Albert Einsteiln mit seinen Arbeiten über die Relativitätstheorie und die Entdeckung des photoelektrischen Effekts. - Es sieht also so aus, als ob zu besonderen Entdeckungen und Erfindungen eine andere Intelligenz gehört als diejenige, die typische Juden haben - vielleicht gilt hier die Unterscheidung nach "echter Wissenschaft" und "Kunsthandwerk"? Vielleicht bin ich hier aber auch nur zu oberflächlich?>

Unter anderem geht er darauf ein, warum sich Menschen bisweilen nicht verstehen und auch kaum miteinander so recht arbeiten können.

Dabei teilt er die Menschen in drei Kategorien ein, die nun einmal kaum miteinander harmonieren, also   

  • in die richtigen Menschen, das sind die Menschen, die mehr oder weniger perfekt in ein jeweiliges System passen und auch das machen, was das System will,

  • in die wahren Menschen, das sind die Menschen, die eher nach einem vernünftigen Sinn des Ganzen fragen und sich von daher leiten lassen und dabei eher intuitiv vorgehen,

  • und in die natürlichen Menschen, also die Menschen, die sich weniger um Systeme und höhere Ideen kümmern, sondern die sich sozusagen vom Augenblick motivieren lassen und aus dem Augenblick heraus leben.

Sehr anschaulich stellt Dueck die drei Kategorien Menschen am Beispiel der Organisation einer Abteilungsfeier dar (auf den Seiten 111ff, die Wiedergabe, wie auch die der anderen Zitate aus Duecks Büchern in dieser Website, erfolgt mit freundlicher Genehmigung sowohl vom Verfasser wie vom Verlag):

Wie ein Projekt richtig durchgeführt wird

Wenn die richtigen Menschen etwas zu Stande bringen müssen, machen sie es richtig. Wenn zum Beispiel eine Abteilungsfeier veranstaltet werden soll, so setzen sich alle zusammen und beraten. Sie legen einen Termin fest und teilen ein, wer die Organisation übernehmen soll. Es wird ein Festausschuss gegründet, der Vorschläge erarbeiten soll, über die dann erneut beraten wird. Sie diskutieren stundenlang, wie viel Geld es kosten darf, woher das Geld zu nehmen wäre, wer Zuschüsse geben könnte. Wie viel kann jeder als Eintrittsgeld bezahlen? Dürfen Kinder kostenfrei teilnehmen? Darf der Lebenspartner mitgebracht werden? Soll auswärts gefeiert werden? Wie weit höchstens weg?

Damit setzen die richtigen Menschen Eckpunkte, Regeln, grobe Organisationsformen, Hierarchien fest. Die Organisation wird zuerst besprochen, der Kostenrahmen gesteckt. Mit den beschlossenen Kompetenzen und Regelungen und dem Budget kann nun der Festausschuss die „Ausgestaltung" des Festes übernehmen.

Wenn in großen Unternehmen eine neues Wachstumsgeschäft hochgezogen werden soll, so überlegt man sich die Größe des erwarteten Geschäftes, die Anzahl der vermutlich benötigten Mitarbeiter, die Budgets, die hierarchische Organisation. Dann schätzt man die Bedeutung des neuen Bereiches in der Firma ab und sucht entsprechend einen neuen Manager, der in der Karriereleiter eben diesen Leitungsposten als eine Art Beförderung oder Herausforderung auffassen kann. Der neue Manager kümmert sich zuerst um sein neues Team, eine Assistentin, einen Operations Manager, einige Führungskräfte, die dann ihrerseits einzelne Abteilungen des neuen Bereiches aufbauen werden.

Das waren jetzt Beispiele, wie richtige Denker etwas beginnen. Die richtigen Menschen, die Gefühl haben, die also nicht primär auf dem Faktenwissen operieren, sondern die Personalakten der ganzen Umgebung zu Rate ziehen, diese anderen richtigen Menschen überlegen sich, wer überhaupt mitmacht oder eingeladen wird. Wen mögen wir? Wer hat Anspruch dabei zu sein? Die Gefühlsmäßigen können sehr lange über Einladungslisten oder Sitzordnungen knobeln, damit das Beziehungsgeflecht der Menschen irgendwie adäquat auf einen langen Tisch abgebildet werden kann. „Ich bin nicht eingeladen." Das ist eine schreckliche Sache für den richtigen Menschen mit Gefühl. Es ist eine Aussage in seiner Personalakte, die von fremder Hand hineingeschrieben wurde.

Mit einem Wort: Der richtige Mensch kümmert sich zuerst um die Logistik und die Organisation und um das Team oder die Geladenen. Wenn die Logistik und der Rahmen stehen, wird dieser Rahmen mit Inhalt gefüllt. Dann laufen die richtigen Menschen herum und fragen alle Menschen der Welt: „Habt ihr eine gute Idee, wie wir genau feiern wollen?" Sie kaufen sich Ratgeber, in denen bewährte Feiern beschrieben sind, bis hin zu den Kosten des dreigängigen Menüs. Man sagt: Richtige Menschen organisieren erst und suchen dann eine Idee, die zur Organisation passt. „Strategy follows structure." So sagt man im Management. Oder: Die richtigen Denker und die richtigen Gefühlsmäßigen wenden sich an Menschen, die den richtigen Geschmack haben. Die schütteln vielleicht gelungene Feiern aus dem Ärmel. Mit oder ohne Idee. So sammeln also die richtigen Menschen Vorschläge oder Ideen.

Dann setzen sie sich wieder zusammen und beraten. Sie diskutieren sehr lange, wenn nicht der Ranghöchste seine Vorlieben zeigt. Dann gehorchen sie eher dankbar. Was die Autorität will, ist nicht mehr zu kritisieren, kann also nur gut gehen. Schlecht gehen hieße: Die Autorität findet das Fest nicht gelungen. Richtige Menschen können wie im Parlament sehr lange beraten, welcher Vorschlag umgesetzt wird. Der, der den gewinnenden Vorschlag macht, erntet Ehre im System. Nach und nach kristallisieren sich durch fortwährende Priorisierung die favorisierten Vorschläge heraus. Am Schluss wird abgestimmt. Die Minderheit gibt den Widerstand auf, solidarisiert sich und arbeitet loyal am beschlossenen Plan mit.

Als Gegensatz: Niemals würden wahre Menschen so vorgehen. Wahre Menschen brauchen erst eine wahrhaft gute Idee, was denn zu tun wäre! Was soll das Motto des Festes sein? Das Thema? Unter welcher Leitlinie findet es statt? Erst dann weiß der wahre Mensch, was er tun will, erst dann kann er wissen, was es kostet und wie viele Helfer er braucht. Er wird nur Helfer brauchen, die von der Idee begeistert sind. Er bemüht sich also erst dann um Helfer, wenn die Idee glänzt! Die Idee bleibt stehen, keiner darf sie anrühren! Das Fest ist gelungen, wenn die Idee vollkommen umgesetzt wird. Das Gelingen hängt nicht von einem Tadel oder einem Lob der Autorität ab! Wahre Menschen stimmen eigentlich nie über Ideen ab. Wahre Menschen suchen nach der besten Idee durch Überzeugung. Die Entscheidung am Ende ist etwas Wahres. Das Wahre kann niemals durch Mehrheitsabstimmung bestimmt werden. Wahr ist wahr. Wahrheit kann nicht geregelt werden. Sie ist da oder nicht, während Regeln von der Mehrheit festgelegt werden können. „Structure follows strategy".

Als Gegensatz: Natürliche Menschen würden relativ kurz vor einer Feier in Gourmetläden oder Reisebüros nach stimulierenden Genüssen suchen und spontan entscheiden: Das ist es! Das machen wir! Es kostet vielleicht zu viel. Was soll's? Wir leben alle nur einmal. Es ist sinnlos, nach Budget oder Plan zu organisieren. Es ist ein Witz, über etwas durch Mehrheit abzustimmen! Das Team soll Lust verspüren, gerade jetzt als Gruppe dieses eine zu tun, und zwar jetzt gleich. „Hey, wir machen Party! Jeder bringt etwas zu essen, eine Flasche und ein Glas mit! Wir lassen es rund gehen!" Spontantheater und Improvisation statt Choreographie und Regie. Sense and respond.

Richtige Menschen organisieren und regeln die Dinge bis ins Kleinste, bevor sie anpacken. Sie planen, suchen Möglichkeiten, ordnen die Möglichkeiten nach Kriterien, priorisieren, stimmen schließlich ab, wenn es nötig sein sollte, hartnäckige Minderheiten auszuschalten, die das schnelle Vorgehen behindern. Wenn richtige Menschen die Planungsrunde verlassen und sich der Versammlungsraum leert, dann hängen Listen von Einkäufen, Verantwortlichkeiten, Zahlen an den Wänden. Termine stehen da, Gelder, die Menüs, Festreden, Grußworte. Nichts ist vergessen. Nichts kann vergessen werden, weil jemand Protokoll führen muss, das am nächsten Tag an alle verteilt werden wird.

Das Vorgehen ist wie das in einem Computerprogramm.

Und ich habe im Vorübergehen schwach spekuliert: Demokratie ist die Organisation der linken Gehirnhälfte. Die richtigen Menschen stimmen ab. Wahre Menschen suchen nach der besten Leitidee. Platon denkt ja mehr mit der rechten Gehirnhälfte nach. Platon schwebt dann eben auch die Philosophenrepublik vor, in der die besten Köpfe die weisen Leitideen vorgeben. Das ist die beste Staatsform der wahren Menschheit. Er vertraut die Herrschaft den wahren Weisen an. Natürliche Menschen würden am liebsten starke, charismatische Helden „da oben" sehen, die relativ allmächtig alles in bestem festem Griff haben.

Kommentar von basisreligion: Verstehen wir jetzt, warum manche Menschen uns einfach nicht verstehen, und andere dagegen umso mehr?

Jedenfalls verstehe ich jetzt, warum mir vom Bischof in A. die Lehrerlaubnis entzogen wurde und warum ich von manchen meiner Besucher so zustimmende und aufmunternde Mail erhalte!

Unterschiede der Konzeption von Omnisophie und basisreligion

Dueck ist bei seiner Konzeption wohl nicht einfach nur diplomatischer aus taktischen Gründen, schließlich ist er Gehaltsempfänger bei einem großen Konzern und will niemanden vor den Kopf stoßen, sondern er hat es auch mit fertigen Menschen zu tun, bei denen im Grunde völlig schnuppe ist, wie sie zu ihren Einstellungen kamen. Und er will einfach Hilfsmittel geben, dass sie sich verstehen und dass sie vor allem etwas voneinander verstehen.

Bei basisreligion geht es dagegen eher darum, nach welchen Gesichtspunkten Menschen im ethischen Bereich denken und handeln. Und da scheinen die meisten offensichtlich eher dogmenorientiert und die wenigsten sachorientiert. Dabei sind alle Kinder ganz offensichtlich durchaus irgendwann einmal sachorientiert, nicht zuletzt wollen sie ja alles genau wissen. Doch das verliert sich dann irgendwann, wenn sie feststellen, dass dieses Denken in einer Gesellschaft offensichtlich nicht erwünscht ist und sie sich nur Schwierigkeiten bereiten. Siehe Dogmatik.

Ein Zusammenhang der Einschätzungen von Omnisophie und basisreligion könnte allerdings darin bestehen, dass Menschen, die in ihrer Jugend gute Erfahrungen mit sachorientiertem Denken in den für sie wichtigsten Dingen haben, dieses sachorientierte Denken auch später beibehalten und von daher dann dazu neigen, auch in anderen Bereichen nüchterner vorzugehen und sozusagen die Kirchen in den Dörfern zu lassen.

Omnisophie und Kindergottesdienst

Eine Internetfreundin (sie ist Kollegin) meinte, ich sollte hier doch auf das Stichwort Kindergottesdienst hinweisen:

Zu meiner Kindergottesdienstsache passt aber derzeit das Omnisophie-Stichwort besser, da musste ich ja echt lachen: Genau so war es gerade bei den ersten Treffen – die „richtigen Menschen“, die darüber diskutiert haben, welches Kreuz man nimmt, und wo der Altar stehen soll, und wie viele Leute man pro Gottesdienst einsetzen muss, um die Bibelgeschichte zu lesen und die Liturgie vorzubereiten, und was man alles braucht, um diesen Papierengel zu basteln... Und dann komme ich und behaupte, wir bräuchten überhaupt kein Kreuz und an welche Bibelgeschichten denn gedacht werde, die meisten seien doch wohl völlig ungeeignet, und frage, was mit diesem Engelthema eigentlich bezweckt werden soll – und wundere mich, dass keiner versteht, wovon ich rede! Und werde mehr oder weniger ignoriert, weil die Mehrheit, insbesondere die Pfarrer, sich das alles anders vorstellen.... Du solltest da auf jeden Fall einen Link zu der Kindergottesdienstseite machen.
Im Grunde finde ich es ja nicht so sinnvoll, Menschen in solche Kategorien einzuteilen – aber für Menschen, die gemeinsam irgendwas erarbeiten wollen, ist diese Einteilung ganz witzig, und kann einem manches klar machen. Allerdings weiß ich nicht, ob jemand dann immer nur einer dieser Typen ist. Hängt vielleicht auch davon ab, worum es geht?

Anmerkung von basisreligion: Nein, ich meine, manche Leute sind eben grundsätzlich so, die Kategorie schlägt immer durch...
 

Zum Thema "artgerechte Haltung", um die es Dueck geht, siehe etwa unter sexueller Selbstbestimmung und Legebatteriehennensyndrom!

Ideen von Gunter Dueck finden sich hier auch in den Stichworten Pferdeflüsterer, Höhlengleichnis und im Anhang zum Stichwort Wissenschaft

Über Omnisophie schreibt Gunter Dueck in seiner Website http://www.omnisophie.com/lit_omnisophie.html.

(Wörterbuch von basisreligion und basisdrama) Computer-Übersetzung des Buchs HONESTY AND FUN WITH THE MORALITY ins Englische unter English !