KRITIK EINES THEOLOGIESTUDENTEN ZUM BUCH "DURCHBLICKKONZEPT FÜR JUNGE MENSCHEN". 11.06.2011: Sehr geehrter Herr P.! Mit großem Interesse las ich in den vergangenen Monaten Ihr Buch „Das Durchblickkonzept für junge Menschen“, nachdem ich mich für ein Seminar zur Sexualerziehung im Religionsunterricht näher mit dem Thema Sexualität und Kirche befasst habe. Ich bin ein Student der evangelischen Theologie und habe meine Studienschwerpunkte in den Bereichen „Exegese“ und „Unterdrückung der Frau durch kirchlich-religiöse Strukturen“. Nun habe ich zu einigen Punkten Ihres Buches ein paar Anmerkungen, da ich als evangelischer Theologe beobachten kann, dass einerseits katholische Denkstrukturen, die Sie als leibfeindlich ablehnen, dennoch in neuer Form in Ihrem Modell auftauchen, andererseits Ihr Wettern gegen die Kirche eher gegen die katholische Kirche gerichtet ist und auf die evangelischen Kirchen zum größten Teil nicht zutrifft - oder besser die heutigen evangelischen Kirchen, nicht die zur Zeit Ihres Studiums (ebenso übrigens wie Ihre Auffassung von „Jungfrauenknacker“ etwas veraltet ist, wie ich finde). Zuallererst ist Ihr gezeichnetes Bild vom historischen Jesus („kriminologischer Ansatz“) so nicht haltbar, da Sie Jesus etwas einseitig darstellen. Da Sie selbst Theologie studierten, kennen Sie ja wohl nicht nur die „Historischer-Jesus-Forschung“, sondern auch die historisch-kritische Exegese. Arbeitet man intensiv am griechischen Urtext, stellt sich heraus, dass die Authentizität der beiden Perikopen („Jesus und die Sünderin“ in Joh 8 und „Der barmherzige Samariter“ in Lk 10) höchst unwahrscheinlich ist. Joh 8 findet sich in den ältesten Textzeugen gar nicht und wird erst später eingefügt, sogar einmal im Lukasevangelium, und Lk 10 ist Lukassondergut. Beide passen einfach nur gut zu dem Bild von Jesus, das wir heutzutage gerne hätten und das auch wirklich auf einen Teil des historischen Jesus zutrifft, seine andere Seite hingegen (die radikalen Gerichtsworte (Mt 12,13, Lk 13,6), die anbrechende Reich-Gottes-Vorstellung (Lk 17,20) und die Last der Nachfolge (Mt 19,21) etwa) sind für die moderne, „kumpelhafte“ Vorstellung von Jesus einfach unbequem und werden meistens verdrängt. Natürlich stand er auf Seiten der Unterdrückten und wollte für die Notleidenden (was sehr häufig gerade Frauen waren) gegen die, wie Sie es nennen, „Macho-Gesellschaft“, vorgehen. Aber Ihre ausgewählten Stellen sind nicht exemplarisch für den gesamten historischen Jesus, wie auch die apokryphe Susanna-Geschichte nicht exemplarisch für das gesamte Judentum ist. Jesus kam mit seinem ganzen Gefolge gerade auch deshalb nach Jerusalem, da die ganze Gruppe in akuter Naherwartung des von ihm angekündigten Gottesreiches war. Und zwar schon so verstanden als Veränderung bestehender Strukturen und nicht transzendent. Deswegen sein „Einzug“ auf einem Esel - was die obersten politischen Machthaber natürlich als Provokation auffassen mussten. Und sein Gerede vom Anbrechen des Gottesreiches ließ die religiösen Machthaber einen Aufstand fürchten, der die religiöse Herrschaft des Judentums gefährdete, wenn Rom den Aufstand blutig niederschlagen würde. Und besonders aus diesen Gründen musste Jesus weg, wurde aus fadenscheinigen Gründen verurteilt und hingerichtet. Ihre wohl nicht authentische Perikope in Joh 8 streift diese Ereignisse aber nur am äußersten Rande. Zudem hatten Jesus und die Pharisäer durchaus gleiche Vorstellungen, nur im Sinne der Reinheitsvorschriften hatten sie erhebliche Differenzen (siehe Mt 15,18 (Was aus dem Mund herauskommt, macht den Menschen unrein) und die Heilung der blutflüssigen Frau in Mk 5, in dieses Bild passt auch der barmherzige Samariter). Das war eines der Hauptanliegen des historischen Jesus, die Ablösung solcher traditioneller Reinheitsrituale (als was man die Beschneidung der Frau ja auch sehen könnte) von dem wahren Willen Gottes, einer Welt, in der zwischenmenschliches Zusammenleben möglich ist - ohne Benachteiligung und Unterdrückung durch selbsterfundene Vorschriften! Der große Unterschied bestand zwischen Jesus und den Sadduzäern (ein überliefertes Aufeinandertreffen in Mk 12,18), da diese nicht an die Auferstehung glaubten. Vielleicht kennen Sie aber auch nur den heutigen historisch-kritischen Forschungsstand nicht, ans Herz gelegt sei Ihnen: Gerd Theißen, „Der historische Jesus“. (Es ist aber ein evangelischer Autor.) Dann brauchen Sie auch nicht auf Populärwerke wie die von Christian Lindtner referieren, die sich nur darstellen wollen, indem sie eine historisch unwahrscheinliche neue These in den Raum werfen. Die Gefahr am Entwickeln eines historischen Modells (auch wenn dies mit Hilfe eines Bauern geschieht) liegt darin, dass viel zu viel von der heutigen Zeit hineininterpretiert wird und die Lebenswelt Jesu außen vor gelassen wird. (Sie nehmen ja auch nur die Dinge auf, die Ihnen passen: Jesus der Steinhausbauer, einen Teil der Ehebruchgesetze (nur Frauen konnten übrigens die Ehe brechen: ein Mann, der mit einer verheirateten Frau schlief, brach deren Ehe, daraus leitete sich der Scheidebrief ab und die Todesstrafe konnte die römische Besatzung nur über männliche Bürger verhängen, Frauen zählten ja nicht!), aber nicht, dass das Tischeumwerfen im Tempel nur eine Symbolhandlung gewesen sein kann, denn bei der Größe des Tempels fällt es kaum auf, wenn Jesus in der Ecke ein paar Tische umschmeißt!) Auch der Erlösertod von Jesus wird in Hinblick auf Adam und Eva und den „Sündenfall“ heute theologisch neu interpretiert. Gerade durch Jesu Tod ist die Darstellung des AT (der Mann sei der Herr der Frau (Gen 3,16)) aufgehoben, denn der Urzustand den Gott will, ist verantwortungsvolle Gottebenbildlichkeit und zwar verwirklicht in der gleichberechtigten Zweiheit von Mann und Frau. Ihr Sexualmoralprogramm hingegen ist vom Ansatz her sehr interessant, kommt mir aber dann doch mehr evangelisch vor (abgesehen natürlich von der Sache mit der Ehe als Sakrament). Die evangelisch-lutherische Kirche hält die Ehe für „ein weltlich Ding“, einen Rahmen, in dem Sexualität verantwortungsvoll und mit Vertrauen gelebt werden kann. Alles andere als ein einziger Partner kann der freien Entfaltung der Sexualität schaden und birgt Risiken, so weit der Konsens. Doch kommt mir Ihr Ansetzen bei den Mädchen so vor, als teilten Sie immer noch die leibfeindliche Ansicht der katholischen Kirche quer durch die Jahrhunderte, dass weibliche Sexualität ganz anders ist als männliche, dem Mädchen also ihr Drang nach sexuellen Erfahrungen nur von Jungen eingeredet wird (von Machomännern und „Jungfrauenknackern“ oder ähnlichen) und sie dann daraus nicht mehr herauskommt (denn „sie liebt mit ganzer Seele“), aber durch ihr keusches und Sexualität eindämmendes Verhalten den Jungen zu Keuschheit und wahrer Offenheit erziehen kann (wofür er ihr dann das ganze Leben „dankbar“ ist, da sie ihn vor „schuldhaftem“ Verhalten bewahrt hat). Dies alles sind übrigens Zitate aus Nikolaus Jansens „Wie werde ich in der Ehe glücklich?“ von 1920. Dies weist ebenso misogyne Tendenzen auf wie Ihr Kapitel über Eva Hermans Buch - als ob allen Frauen das kinderliebe Verhalten eingepflanzt ist (übrigens ein weiterer Punkt, der mit der Ansicht von 1920 übereinstimmt). Dass Sie, wenn auch meistens implizit, geschlechtsspezifisch denken in alter katholischer Tradition findet sich leider an vielen Stellen Ihres Buches (z.B. auf S. 276). Ich zum Beispiel bin männlich, war aber schon immer gerade an Sozialem interessiert! Selbstverständlich wäre es wünschenswert, wenn Jungen und Mädchen kameradschaftliche Beziehungen statt wechselnder Sexualpartner hätten, um ein Vertrauen aufzubauen und zu erkennen, was der Gegenüber für einer ist. Doch dass die Scham für das Nichtvorhandensein dieses Zustands von so großer Bedeutung ist, halte ich für diskussionswürdig. Denn wir verstecken auch unseren Hintern, deswegen ist der Stuhlgang auch nicht mythisch-erotisch aufgeladen... Außerdem finde ich Ihr Ansetzen eher bei Mädchen auch wegen meiner Biografie nicht nachvollziehbar. Ich hatte mein ganzes Leben ein kameradschaftliches Verhältnis zu Mädchen ohne dabei an Sex zu denken (und auch ohne Nacktheit, aber tiefen Gesprächen) bis ich die Frau meines Lebens gefunden habe. Wachsende und erfüllte Sexualität kann man nur mit einem Partner erfahren, dem man vertraut und bei dem man auch Sicherheit hat, dass man sich nicht von ihm trennen wird. Die Ehe wäre hierfür ein Rahmen, ja. Aber in Ihrem Modell vermisse ich die Aussage, dass Sexualität (auch das Entdecken der eigenen!) Spaß und Freude machen kann. Und das nicht nur auf den eigenen Orgasmus bezogenen Jungen (denen nach neuesten Studien übrigens der Orgasmus des Partners wichtiger ist als der eigene)! In Ihrer Bezeichnung „unschuldiger Spaß“ schwingt immer mit, dass Sex etwas Schuldhaftes wäre. Und wenn man nun einen Partner gefunden hat, mit dem man alles teilen möchte, teilt man auch die Sexualität - und kompensiert sie nicht in „man ist gegenseitig nackt“ oder „man tut etwas Kulturelles“. Das wäre genauso wie wenn man Hunger kompensiert in „ich bin glücklich und tue etwas Kulturelles“. Jeder Mensch ist nun mal ein sexuelles Wesen, ebenso wie jeder Mensch Hunger hat. Oder wollen Sie etwa behaupten, dass es nur Jungen erregt mit Mädchen nackt zu sein (wie ihr bedenkliches Statement zu Erektion und Samenerguss auf S. 290 vermuten lässt) und nicht auch umgekehrt? Dass ein Junge das Gefühl eines zufälligen Samenergusses nicht wiederholen möchte? Dass Mädchen und Frauen kein Organ haben, dass nur und einzig für Ihre Sexuallust da ist? (So viel übrigens zur Wiederverkoppelung von Sex und Fortpflanzung - und Ihrem versteckten Verbot der Masturbation auf Seite 188 - schon dreijährige Mädchen spielen an sich herum, sogar schon früher als kleine Jungen, die ihren Penis andauernd in der Hand haben - beides wird ihnen aber leibfeindlich ausgeredet.) Wenn dies alles erst in der Ehe nach einer langen Freundschaftsphase („Phase der Ästhetik“) Verwendung finden soll, ist das derselbe Ansatz wie „Jeder Mann und jede Frau können prinzipiell miteinander schlafen.“ von 1920 oder auf Seite 161 in Ihrem Buch: „In Wirklichkeit passt doch jeder Penis in jede Scheide!“, was zwar wünschenswert wäre, aber auch biologisch nicht stimmt. Weil Sex und sexuelle Erfahrung eben nicht zweitrangig und nebensächlich sind vor Spaß und Liebe. Aus Liebe reift verantwortungsvolle Sexualität - sie ist der Bonus, ob mit oder ohne Ehe. Die Selbstbestimmung der Frau war ein wichtiger Schritt zu sagen: „Auch ich darf mir meine Sexualpartner aussuchen wie der Mann und werde dafür nicht verurteilt, denn auch ich habe Sexualität und sie regt sich sogar noch früher als bei Jungen!“ Oder ist Ihnen die Enzyklika Humanae Vitae so sehr indoktriniert, dass Sie auch davon ausgehen, dass die Pille die Frau zur Nutzsache für den Mann macht? Wünschenswert wäre es hingegen, bei den Jungen anzupacken und sie zu überzeugen, dass erfüllte Sexualität nur mit genau einem, dem richtigen, Partner möglich ist und dass der Sex dann viel mehr Spaß macht und bringt, als wenn sie reihenweise Frauenherzen brechen. Doch wie viele Fälle gibt es, wo Sexualität auch in einer vertrauens- und verantwortungsvollen Partnerschaft einfach nicht funktioniert? Oder umgekehrt? Da hilft auch ihr Ansatz nicht weiter und das Warten mit dem Sex bis zur Ehe ebenso wenig. Außerdem möchte ich anmerken, dass auch Jungen noch Jungfrauen sein können, nur ihnen sieht man es eben nicht an. Und dass das Hymen ein besonderer Wert dafür ist, eine Art dogmatisch aufgeladener Blinddarm, ist auch zumindest fragwürdig (Es kann nämlich auch bei viel Sport zerreißen!). Zudem wäre es natürlich auch wünschenswert, wenn alle einen nackten Umgang miteinander pflegen könnten. Abgesehen davon, dass dies FKKler schon genau so vollziehen, braucht es dafür genau diese Art von Offenheit und gegenseitigem Vertrauen. Aber da darf nicht einer dabei sein, der den anderen Menschen auslacht (denn dies ist auch leibfeindlich). Ihre Vorstellung ist an dem Punkt idealisiert: Denn gerade kleinere Kinder sind auch grausam neben aller natürlichen Moral („Wieso hat der Mann dort ein krummes Bein?“ etc.) Nacktheit heißt so viel wie: „Siehe, ich habe nichts vor dir zu verbergen!“, aber auch: „Ich lege dir alles offen!“ (Unter anderem haben Mädchen auch ihre Tage, die sie wohl kaum gern anderen Jungen auf die Nase binden und wo soll dann da Offenheit entstehen, wenn solche elementaren Sachen dennoch verborgen werden - außerdem kann ein „Naturtanga“, den Sie als Argument für „man sieht ja sowieso nichts“ hernehmen, gerade bei der Periode ziemlich unhygienisch für das Vaginalmilieu sein.) Wenn der Gegenüber dieses Wissen missbraucht, geht Ihr kameradschaftlicher Ansatz nicht auf, denn es ist dann zwar nichts Sexuelles passiert, man ist aber auf andere Weise reingefallen, wenn dann in der Schule erzählt wird, dass die Brüste ungleich geformt sind oder die Klitoris 10cm lang ist...Und da leidet dann auch die Seele! Abschließend möchte ich Ihnen noch nahelegen, sich nicht über Populärliteratur zu äußern, wenn Sie keine Ahnung davon haben, denn ich als Germanistikstudent habe auch Harry Potter gelesen und es geht eben nicht um Verzauberung, sondern um Freundschaft, Selbstopfer und den Kampf gegen Unterdrückung und ist wegen diesen, übrigens urjesuanischen, Motiven, ebenso wie Ihr Ansatz, so populär. Vielleicht habe ich einige Stellen Ihres Buches nur falsch interpretiert, deshalb würde ich mich über eine Antwort von Ihnen sehr freuen. Ihr Ansatz wäre nicht schlecht, doch er geht in Vielem aus mancherlei Gründen eben nicht auf. Wie wären denn gleichgeschlechtliche Beziehungen darin einzuordnen? Dies ist mir auch nach fast 400 Seiten noch unklar. Mit freundlichen Grüßen Oliver S. Und die Antwort von basisreligion: Lieber Herr S.! Huch, eine tolle Stellungnahme – doch wo soll ich anfangen! Ich gehe erst einmal so durch, wie es mir nach der Lektüre des Ganzen einfällt, und dann zu dem, was noch übrig geblieben ist.... Zunächst einmal: Wir tüfteln gerade an einem neuen Buch, das hoffentlich etwas flotter ist, und ich habe dafür eine ganz tolle Lektorin gefunden. Anliegend das Faltblatt dazu in verschiedenen Varianten des Titels! Und hier geht es auch nicht mehr um Jungfrauenknacker, ja das habe ich inzwischen auch mitbekommen, dass die Mädels denen schon fast zuvorkommen – sie wollen es jetzt oftmals ausdrücklich! (Doch deswegen sind sie sehr oft nun wirklich gar nicht so glücklich damit!) Also zunächst einmal zu den beiden von mir so geliebten Jesusgeschichten: Einer meiner Profs (R. Lay) meinte zu der Stelle von der Sünderin, dass sie bei der Niederschrift der Evangelien zunächst weggelassen worden sei, weil sie zu drastisch sei, doch später dann doch eingefügt wurde, weil sie einfach „stimmte“ (ich gebe das jetzt mal in meinen Worten wieder). Und ich meine doch auch, dass es mit dem Gleichnis vom Barmherzigen Samariter ähnlich ist, es ist einfach zu antiklerikal – daher dann dasselbe. Und beide Geschichten passen doch sehr gut in das Anliegen Jesu, weg von dem Kult und toten Gesetzen – hin zu einer Lebenspraxis! Und selbst wen sie nicht Original-Jesus sein sollten, so kann ich sie bei meinem Zoff mit den traditionellen Theologen gut verwenden, wenn die gegen mich argumentieren. Denn da sie nun einmal die Bibel nicht so kritisch nehmen, habe ich damit nun plausible Argumente (direkt von Jesus!) gegen ihre klerikale Einstellung. Und – was ist denn überhaupt authentisch? Sie schreiben, dass wir dazu neigen, die Botschaft Jesus immer aus unserer heutigen Sicht zu sehen und Sie stellen mich in die Reihe derer, die das tun. Ich meine, dass ich mich gerade davon zu befreien versuche, wenn ich auf die spezielle (vorder)orientalische Machokultur hinweise, das war doch die Lebenswelt Jesu, die nämlich – so viel ich sehe – in der ganzen Theologie ziemlich ausgeblendet wird. Es muss wohl so eine Gesellschaft wie die der Taliban in Afghanistan gewesen sein oder auch in Saudi Arabien. Oder natürlich auch in der Türkei. Ich habe nicht nur ein paar Bücher dazu gelesen (u.a. Necla Kelek), sondern auch von Khaled Hosseini und Raymonda Tawil. Und ich war bei meinen ersten Entdeckungsreisen in den 70er Jahren auch in diesen Ländern und konnte einiges sehen, etwa wenn ich mit Gastarbeitern auf der Heimreise in den Puffghettos von Erzurum und Kayseri war, also die Kehrseite dieser Kopftuchgesellschaften mit den arrangierten Ehen mitbekommen habe. Erst viel später kam ich drauf, dass das alles die Gesellschaft Jesu gewesen sein könnte – da passt einfach vieles. Und die Religion ist m. E. Immer nur Tünche, das, was die Menschen treibt und was ihr Leben ausmacht, ist „gegendspezifisch“, es ist also immer dasselbe, egal was für eine Religion da gerade das Sagen hat. Der übliche Volksglaube bekommt nur einen andern Namen. Und jetzt stelle ich mir vor, dass da einer kommt und diese Gesellschaft umkrempeln will – ob der eine Chance hätte? Denn kumpelhaft war das nun wirklich nicht, was ich da erkennen kann und beschrieben habe – ich verstehe Sie nicht, wie Sie darauf kommen! Da haben Sie offensichtlich mal etwas über die Problematik des historischen Jesus von anderen gehört und stecken mich jetzt in diese Schublade. Nicht umsonst wird dieser Ansatz, der zwar naheliegend ist, auch heute noch total verdrängt! Ja, ob den die Menschen damals überhaupt verstehen konnten? Und selbst wenn ihm etwas gelang, ob nach seinem Tod nicht alles wieder „zurückgekrempelt“ wurde, wenn seine „Jünger“ später von ihm berichteten? Was dieser Jesus gesagt hatte, das dürfte für die Ohren seiner damaligen Mitmenschen doch genauso extrem und verrückt geklungen habe, wie wenn ich heute etwa die Sinnhaftigkeit der Erziehung zur Sexualscham anzweifle. Und wir sehen uns heute ja schon als relativ offen und können angeblich über alles reden... Meine Lektorin hat sich mal bei Verlagen rumgehört, und sie kennt die Leute, ob einer Interesse an meinem Buch hätte (dem neuen), doch die haben abgewunken, das ist ihnen zu heiß. Und ich meinte, das könnte doch gerade ein gutes Geschäft werden – nein, das sollen die anderen machen... Und wenn das heute schon so schwer ist – wie erst damals? Auf alle Fälle hat Jesus von einer künftigen besseren Welt geredet. Und irgendwie scheint mir da vieles, was er angeblich gesagt haben soll, einfach zu theologisch, damit konnte und wollte ich also meinen Schülern (und vor allem Schülerinnen) nicht kommen, damit hätte ich an denen vorbei geredet. Und da ich davon ausgehe, dass es diese Sexprobleme (um sie einmal so zu nennen) im Gottesreich nicht geben dürfte (ich habe also durchaus die radikale Reich-Gottes-Vorstellung à la Lk 17,20 im Hinterkopf!), geht es mir eben um ein Konzept, wie die gelöst werden könnten – also mit einer vorehelichen Enthaltsamkeit, die schon den jungen Menschen Spaß macht und ihnen Menschenkenntnis bringt und damit dann auch heile Beziehungen. Und da meinte einmal eine Schülerin, dass das nie ginge, denn wenn das ginge, dann hätten wir ja das Paradies und das gäbe es eben nun einmal nie. Da kam es spontan aus mir: „Sehen Sie, jetzt haben Sie mich verstanden, genau darum geht es mir und darum scheint es auch Jesus gegangen zu sein!“ (Anmerkung: Reich Gottes und Paradies sind doch identische Begriffe?) Und noch einmal: Zu sehr aus unserem heutigen Blickwinkel? Also ich war in Indien, in Thailand, in der Türkei, in manchen arabischen Ländern (in Syrien und in Jordanien musste ich mich erst mal etwas beim Betreten einer Bank durch eine Glastür dran gewöhnen, dass – wenn mir eine Frau entgegen kam – die es war, die mir die Türe aufhielt!), in Südamerika – immer dieselben Mann-Frau-Probleme oder zumindest ähnlich. Und das soll vor 2000 Jahren anders gewesen sein? Oder auch: Vorgestern waren wir in Köln in der Oper, Don Giovanni, eine tolle moderne Aufführung, wir amüsierten uns, wem der Don Giovanni ähnelte, nein „Strauss-Cohn“ eher nicht, auch nicht Kachelmann, doch die Donna Elvira kam seiner sitzengelassenen Radiomoderatorin schon recht nahe... Und wenn ich bedenke, dass Jesus ja durchaus mit Frauen befreundet war und unter ihnen auch Prostituierte und sich mit denen ganz offensichtlich intensiv unterhalten hat, ja dass sie seine Freundinnen waren... Und wenn genau das alles in unserer Theologie nicht oder nur völlig farblos vorkommt, dann kann da eigentlich nur etwas rausgelassen oder verdrängt sein, dann kann da einfach etwas nicht stimmen! Also ich glaube auch nicht mehr an den Klapperstorch! (Klar, ich weiß, diese meine Logik ist etwas gewaltsam – aber nur etwas!) Ja, und jetzt zu Gerd Theißen. Nein, dass er evangelisch ist, stört mich keineswegs. Doch ich habe von ihm den „Schatten des Galiläers“ gelesen – und finde das Buch schwach. Ein politischer Ansatz bei Jesus, den hat man ihm vielleicht unterstellt, doch davon ist nichts zu erkennen? Da finde ich meinen Ansatz gegen die Machogesellschaft viel plausibler. Bei Amazon gibt es einige Kritiken zu dem Buch, die meisten sehr positiv – doch ich fühle mich eher zu der negativen hingezogen. Muss ich jetzt noch andere Sachen von Theißen lesen? Und dass es mir nicht um die Konfession geht: Albert Schweitzer ist auch evangelisch – und dem kann ich nur zustimmen, jedenfalls im Hinblick auf seine Kritik an der Jesusforschung. Und daher beziehe ich mich jetzt nicht nur auf den Bauern in meiner Nachbarschaft, sondern auch noch auf Albert Schweitzer, das klingt wissenschaftlicher... Zur Scham und Peinlichkeit. Ja was empfinden wir nun wirklich an den speziellen Körperteilen so peinlich, dass wir da etwas unbedingt in die Privatheit verbannen? Ich meine, es sind nicht die „Teile“ an sich, sondern die „Tätigkeiten“ damit. Und die Peinlichkeit damit bezieht sich dann nicht nur auf die „speziellen Körperteile“, sondern auch auf andere, und sogar auch auf die, die wir fortwährend anderen zur Schau stellen. Ich denke an die Nase... Kein Problem damit, die zu zeigen, doch schon das Nasebohren in der Öffentlichkeit ist verpönt und erst recht, wenn R... oder Schn... raushängt, dann ist sogar das Reden darüber schon fast unmöglich! Und im Zusammenhang mit der Überwindung der Leibfeindlichkeit müssen eben auch sonst noch nicht alle Schranken fallen, es gibt eben Schranken, deren Überwindung auch heute noch einfach nur dumm ist. Ich verweise auf den Kommentar zu dem Faltblatt – bzw. zu dem Anhang, wie ich zu meinem Engagement komme. An Harry Potter stört mich einfach, wenn dann irgendwann doch wieder ein „deus ex machina“ eingreift – und das ist ja wohl so. Mir geht es um Lösungen aus der Sache heraus....und grundsätzlich. Zu den Populärwerken von Chr. Lindtner: Ich war ja ursprünglich eher unvorbereitet nach Ost- und Südostasien gefahren und habe mich erst einmal nur gewundert - wenn ich etwa mit Freunden in der Nähe von Shanghai in einer Art Phantasialand war – allerdings ging es diesmal um einen Besuch in der Hölle. Ich dachte zuerst, dass sei eine Vergackeierung des christlichen Glaubens, doch nein, es ging um spezielle buddhistische Jenseitsvorstellungen, wie ich später erfuhr, und wie ich die dann auch in Wandgemälden in Tempeln in Vietnam, Laos und Kambodscha sah. Meine Pflegetochter hat darüber eine Arbeit geschrieben. Und als in ihrem (kath.) Religionsunterricht die Kollegin begeistert von der christlichen (oder katholischen?) Jenseitsvorstellung erzählte, und wie die armen Seelen im Fegefeuer geläutert würden, da beteiligte sie sich: „Ja, genau das gibt es im Buddhismus auch...“ (was der Kollegin offenbar nicht gefiel). Verstehen Sie, warum ich nicht lange nachgefragt habe und auf die Idee Lindtners angesprungen bin? Und ist denn „populärwissenschaftlich“ von vornherein etwas Anrüchiges und Verwerfliches? Schließlich muss ja auch ich schon etwas populärwissenschaftlich vorgehen, denn in der offiziellen Theologie habe ich doch keine Chance – selbst wenn ich hundertmal richtig läge! Sie wissen doch selbst wie das in unserem Wissenschaftszirkus ist, ein wenig darf man schon anders sein als üblich – doch bitte nicht alles über den Haufen werfen! Ein gutes Beispiel ist die Arbeit des evangelischen tschechischen Theologen Jan Heller über den Namen „Eva“. Damit hat er doch die Sündenfallgeschichte im Prinzip „geknackt“ - diese Arbeit wird allerdings gar nicht zu Kenntnis genommen. Ja was sagt diese Interpretation denn anders als das was Sie sagen – doch nur Ansatz gegen die Fruchtbarkeitskulte ist dazu noch religionshistorisch abgesichert! Schade, dass ich erst vor Kurzem mitbekommen hatte, dass Heller ja noch bis 2008 gelebt hatte – ich hätte ihn gerne einmal nach den Hintergründen befragt, zumal er ja auch deutsch sprach... Und jetzt noch zu dem in Ihrer Mail, was ich bisher ausgelassen hatte. Also ich hatte in meinem Unterricht auch evgl., baptistische und moslemische Schüler – und konnte bei dem Problem Leibfeindlichkeit keinen Unterschied feststellen. Nie sagte mir ein Schüler, ich würde nur über katholische Probleme reden, bei ihnen sein das alles anders und in bester Butter. Nein im Gegenteil, als mir die Lehrerlaubnis entzogen wurde, kam der Chef mit mir in eine Klasse, um das zu erklären. Und die Schüler diskutierten mit ihm, ob sie denn nicht das Recht hätten zu entscheiden, ob sie mich wollen. Nein, da gebe es ein Konkordat usw., so der Chef. Und da meldete sich ein Schüler und meinte, nun, wie er sehe, gebe es in der Klasse 4 Gruppen, die Katholiken, die Evangelischen, die Baptisten und die Moslems. Gut, meinte er, die Katholiken könnten ja die Klasse verlassen, doch für die anderen könnte „er“ ja den Unterricht weiter machen... (Ich war platt, wie nett die jungen Leute auf einmal waren, denn wir hatten uns manchmal gezofft!) Und es ging doch nicht nur um die Reinheitsvorschriften, es ging um das ganze religiöse Getue, es kommt doch darauf an, was einer schließlich konkret macht – siehe auch das Evangelium von den beiden Söhnen, die in den Weinberg gehen sollen, von den dummen und klugen Jungfrauen... (Ein interessantes Buch hierzu ist „Der Priester und die Jungfrau“: Danach ist Johannes der, der im Sinne der Pharisäer predigt, während Jesus eher ein kompletter Systemveränderer ist, daher auch die Kreuzigung, die Strafe für Systemveränderer.) Zum Tischeumwerfen im Tempel: Das könnte ein Hinweis sein, dass Jesus den ganzen Kult meinte, dass der zum Kommerz verkommen war...wie heute... Zum Sex: Also gerade der Geschlechtsverkehr ist immer noch etwas Ambivalentes! Da hat sich wohl nichts geändert im Laufe der Zeit (siehe oben). Wenn das alles so einfach wäre, gäbe es weder einen Fall „Strauss-Cohn“ noch Kachelmann.... Von Eva Hermanns habe ich nicht gesprochen und wenn ich geschlechtsspezifisch denke, fühle ich mich in guter Gesellschaft. Irgendwo habe ich gelesen (und ich meine, es war nicht ein katholisches Buch), dass gerade in der Urgeschichte der Bibel auch so gedacht wird. Und ich versuche doch, die in die heutige Zeit 1 zu 1 zu übersetzen: Die (jungen) Menschen sollen ohne feste Partnerschaft auch keinen Sex „machen“ (Adam und Eva sind ja ein Paar der kult. Prostitution, als kein „festes Paar“) - Sex soll erst dann sein, wenn beide ein festes Paar sind, schließlich ist durch die Probiererei ja auch nicht mehr die Monogamie gegeben. Das wäre schön, wenn das so wäre, was Sie schreiben, wie auch mit dem Sex Liebe reifen kann, doch warum klammern Sie dann so etwas wie den Hass der Moderatorin auf ihren Kachelmann aus? Offensichtlich reift nämlich sehr oft durch den Sex gar nichts. Und solche Fälle sind beileibe nicht Einzelfälle! Und das hat nichts mit katholisch-nichtkatholisch zu tun. Ich kenne eine junge Frau, die hatte gar keine Religion und hatte es somit auch nicht nach der in Ihren Augen „katholischen Reihenfolge“ angefangen – und es wurde ein Desaster. Und bevor sie mich kennen lernte, war sie katholisch geworden, weil sie eine Religion mit festen Spielregeln fürs Leben suchte Und ich kenne noch ein Mädchen, die hatte sich bei ihrer Beziehung an die von mir empfohlenen „Spielregeln“ gehalten – obwohl noch nicht einmal christlich – und ich habe den Eindruck, sie ist jetzt mit ihrem Mann seit mehreren Jahren wirklich ein glückliches Paar. Jedenfalls sollte sich doch ein christliches Verhalten im Hinblick auf die Sexualität schon von einem nichtchristlichen unterscheiden - und doch bitte nicht nur durch die Gesinnung dabei! Ich habe den Eindruck, viele angebliche Christen machen es sich wirklich bequem: Ihr Verhalten unterscheidet sich nämlich gar nicht von dem der anderen - außer was sie dabei denken. Und das ist doch wohl schwach. Ich finde es bemerkenswert, wie mir gerade Frauen helfen, dass mein neues Buch wirklich gut wird. Ob Sie da nicht etwas blauäugig sind, wenn Sie bei der „sexuellen Selbstbestimmerei“ so wenig Probleme sehen? (Aprobos Kinder und Sexualität: Mit oder ohne Spielerei ist es immer noch angebracht, mit ihnen drüber zu reden, was im Hinblick auf das andere Geschlecht intelligent und was nicht intelligent ist. Und: Fummeln soll gut sein, doch der Spaß an der Nacktheit wird ihnen ausgetrieben oder zumindest madig gemacht – wie finden Sie das?) Und ich bin ja nicht nur für ein „verklemmtes Warten“. Es gibt doch so viel an Körperlichkeit, haben Sie mal im Wörterbuch in das Stichwort „Weibliche Sexualität“ gesehen? Was ich da geschrieben habe, scheint mir auch sinnvoller als war in dem Buch, das Sie haben, steht. Und so viel ich sehe, können sich die Männer durchaus dieser „weiblichen Sexualität“ anpassen – besonders wenn es gutwillige sind. Ja,
was in der Schule geredet wird? Ich bezweifle, ob Mädchen ungleiche
Brüste haben und 10 cm lange Schamlippen. So viel ich erkennen kann,
ist solches Reden rein theoretisch, denn die Offenheit, wie ich sie
beschreibe, läuft ganz anders als die, wenn es um Sex geht. Und
darüber wird wirklich hässlich geredet... Wenn es nur um Nacktheit
geht, dann hat das etwas Paradiesisches an sich, also etwas ganz
Kostbares – und beide werden sich hüten, darüber blöde zu reden,
sie werden – wenn überhaupt - eher begeistert davon reden und von
demjenigen, der da mitgemacht hat... So jetzt höre ich aber auf...irgendwann muss Schluss sein... Und wenn ich nichts Gegenteiliges höre, werde ich mir erlauben, unseren Mailwechsel zu den Kritiken über das Buch hinzuzufügen – natürlich ohne Ihren Namen! Beste Grüße Michael Pr. Ich
habe außer dem Faltblatt (die Vorderseite hier!) noch ein paar Stichworte beigefügt über
weibliche Sexualität, über die Verlogenheit der sexuellen
Selbstbestimmung, über den kriminologischen Ansatz (also das müssen
Sie mir mal erklären, was bei dem Jesus denn kumpelhaft sein soll).
Und wieder von Oliver S. am 14. 06. 2011:
ebenso vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort! Nur eines erstmal vorneweg: Mit dem „kumpelhaften“ Jesus haben Sie mich etwas missverstanden. Ich habe nur gemeint, dass der historische Jesus zwei Seiten hat: eine auf dem Doppelgebot der Liebe aufbauende Vergebungsseite und eine radikale Seite (Schwierigkeiten der Nachfolge (natürlich hat es ein Reicher schwer, seinem Beispiel zu folgen, da er keine Kenntnis des armen „Milieus“ hat, um es mal mit Ihren Worten zu sagen) oder das Anbrechen des Reiches Gottes). Nur wird in der heutigen (oft auch amerikanisch geprägten) Sichtweise der radikale Jesus verdrängt und es bleibt nur der „kumpelhafte“ Jesus, der einem eh alles vergibt, auch ohne eigenen Antrieb zur Veränderung. Ihr historischer Jesus ist deshalb natürlich nicht „kumpelhaft“, er will ja Änderung der bestehenden Strukturen, aber dennoch einseitig (da Sie die Nachfolge, das Anbrechen des Gottesreiches und die radikale Bergpredigt schon in den dogmatischen Christus legen, was aber auch exegetisch nicht wahrscheinlich ist, da dies alles auch für das heilsbringende Christusbild etwas unbequem ist (welcher Reiche hört schon gern, dass er auch trotz Kreuzestod nicht in den Himmel kommt?)). Natürlich ist die Stelle von der Sünderin drastisch, aber nicht für das Johannesevangelium, das ja insgesamt einen drastischen Kurs einschlägt. Jesus ist dort so dogmatisch überhöht, dass so eine kleine Stelle, die man auch für „Jesus ist eine Instanz über dem Gesetz“ lesen könnte, deshalb entfernt würde – und dann aufgrund ihrer Authentizität wieder eingefügt wird. Wahrscheinlicher ist, dass diese Geschichte einfach gut zu dem Jesusbild 100 n. Chr. passte und aus einer (ob nun christlichen oder nicht) Parallelüberlieferung stammte. Die Lebenswelt Jesu könnte natürlich der heutigen (vorder)orientalischen Gesellschaft geähnelt haben, die natürlich extrem patriarchisch aufgebaut ist. Und wird natürlich in der Theologie ausgeblendet, weil sie für die überzeitliche dogmatische Glaubensbotschaft Christi nicht so wichtig ist. Für das Anliegen des historischen Jesus allerdings schon. Das sind aber nicht nur arrangierte Ehen, sondern vor allem dem Menschen schadende, nicht Gottes Willen entsprechende Traditionen, wie die Reinigungsvorschriften, die zu religiösen Dogmen wurden. Dabei war Jesus das zwischenmenschliche Leben viel wichtiger als alle künstlichen Dogmen und deshalb verkehrte er mit Kranken, Zöllnern und Prostituierten – alles „Unreine“, aus der Gesellschaft verstoßene Leute. Und da ist nun Jesus und was macht er konkret um dieses System anzuprangern? Er pflegt offenen Umgang mit ihnen! Deswegen ist die Perikope von der Heilung der blutflüssigen Frau auch so bedeutsam und typisch für den historischen Jesus: Nicht weil er irgendein übermächtiges Wunder vollbracht hat, nein, sondern weil er auf solche „unreinen“ Menschen offen und ohne Vorbehalte zugegangen ist – und dieses Verhalten hat sie „geheilt“: Die Frau hat erkannt, dass die gesellschaftliche Tradition an ihrem Unglück schuld ist und dass auch falsche Dogmen ausgehebelt werden können! Jesus hatte keine grundsätzliche Abneigung gegen die Pharisäer! Wenn die Schriftgelehrten die Kleriker der damaligen Zeit waren, dann war Jesus natürlich höchst antiklerikal. Aber nur in diesem wesentlichen Punkt! Und dieser Ansatz ist in der exegetischen Theologie längst bekannt (und natürlich nicht „kumpelhaft“), unter anderem nachlesbar bei Theißen (Den „Schatten des Galiläers“ finde ich auch gar nicht so elementar für Theißen, auch wenn es sein berühmtestes Buch ist, der Versuch, exegetisch und zeitgeschichtlich an den historischen Jesus heranzukommen (und nicht in Romanform!), ist auf jeden Fall lesenswerter.). Jesu Forderungen waren für das Judentum so problematisch, da seine Anhänger so zahlreich waren und sie einen Aufstand fürchteten (der nicht unbedingt von Jesus ausging) und nicht weil die Forderungen prinzipiell Teil jeder Volksreligion sein könnten. Deshalb beseitigte man zuvor auch Johannes den Täufer, der das Volk ja ähnlich zur Umkehr (= Aufstand?) ermahnte. Und in der Urgemeinde nach Jesu Tod lebten die frühen Christen ja auch so („Urkommunismus“). Bis eben wieder leibfeindliche klerikale Machtstrukturen auftauchten, da sich die Naherwartung des anbrechenden Gottesreiches nicht erfüllte. Und ja, Reich Gottes und Paradies sind in etwa äquivalent, wenn man sich unter Paradies eben keinen Garten Eden vorstellt. Die heutige Mann-Frau-Problematik unterscheidet sich allerdings doch sehr von der damaligen, auch wenn die Unterdrückung und Benachteiligung der Frau speziell in den von Ihnen genannten Ländern ähnlich ist. Aber Ihr Kachelmann-Beispiel ist ja wohl aus unserer Gesellschaft… Und Schweitzers Resümee der Leben-Jesu-Forschung war nur die Ernüchterung, dass man halt nicht aus Mk den historischen Jesus konstruieren kann. Und stellte auf gar keinen Fall den Abschluss der Forschung dar. Die Messiaserwartung des Judentums kann man auch den mittlerweile ausgewerteten Qumran-Schriften entnehmen, somit hat man eine zeitgeschichtliche, unabhängige Quelle. Er hatte zwar Recht mit der Eigeninterpretation der Jesusfigur jedes Forschers. Aber machen Sie das nicht auch? Ich habe übrigens die ganze Harry Potter-Septologie nach einem „deus ex machina“ durchsucht und konnte keinen finden. Allerdings einige „Lösungen aus der Sache heraus“, Entscheidungen nämlich, die die Gesellschaftsstruktur aufrütteln und hinterfragen. Nur so viel dazu. Populärwissenschaftlich ist ja nicht verwerflich, sofern auch gleichzeitig zusammen mit der zeitgenössischen wissenschaftlichen Forschung diskutiert wird. Aber wahrscheinlich setze ich da meinen eigenen wissenschaftlichen Anspruch voraus (Ihr Buch sehe ich übrigens auch unter diesem Gesichtspunkt – schließlich ist es Teil der Universitätsbibliothek.). Und ich habe ja auch nicht gesagt, dass die Praxis auf evangelischer Seite anders aussieht – nur dass das theoretische Grundmodell offener ist (aber auch Luthers/Melanchthons Ziel der allgemeinen Schulpflicht hat ja fast 400 Jahre bis zur Durchsetzung gebraucht). Aber der Katholizismus hat ja nicht mal ein nicht leibfeindliches Grundmodell, meiner Ansicht nach. Ich stimme Ihnen sehr wohl zu, wenn Sie davon ausgehen, dass vor allem Mädchen das Zeigen von Nacktheit als öffentliche Unmoral eingetrichtert wird. Nur würde ich es dahingehend ausweiten, dass ihnen der ganze Körper madig geredet wird (auch und vor allem im Hinblick auf ihre Sexualität, denken Sie nur mal an die Formulierung „da unten“; schlimmer und leibfeindlicher geht es ja wohl kaum). Und ein offener Umgang mit Nacktheit führt natürlich nicht zu Sex und schon gar nicht zu Vergewaltigungen, das ist nur die öffentliche Meinung; ich stimme Ihnen auch sehr zu, wenn Sie Nacktheit als Mittel der Menschenkenntnis einsetzen wollen, das halte ich sogar für sehr sinnvoll. Denn stellen Sie sich doch mal vor, ein junges Paar hat zwar Sex miteinander, kann aber nicht nebeneinander einschlafen, weil sie sich körperlich im Weg sind oder sich voreinander schämen – oder ein Fall aus meinem weiteren Bekanntenkreis: Sie hat sich den Arm gebrochen, doch er weigert sich, ihr unter der Dusche die Haare zu waschen. Deswegen finde ich, dass der Ansatz Ihrer Idee sehr gut ist, nur nicht die Konsequenz. Ich verstehe die Leibfeindlichkeit deshalb vor allem als „Nicht umgehen können mit der eigenen (und fremden) Körperlichkeit“. Meines Erachtens wäre eine Erziehung zu offener Körperlichkeit weitaus sinnvoller. Denn wenn man erst mal seine eigene Körperlichkeit voll und ganz akzeptiert hat (sich nackt im Spiegel betrachten und sich gut fühlen), dann kann man auch die Körperlichkeit des anderen akzeptieren (und ihn nackt betrachten und ihm sagen, wie schön und natürlich er ist). Daraus wächst dann Vertrauen und Offenheit – und dies ist dann die Grundlage für eine Partnerschaft (man teilt eben alles, auch das Intime). Und wer mit der so offen liegenden, selbstbewussten Körperlichkeit dann nicht umgehen kann, mit dem steigt man dann auch nicht ins Bett. Denn wenn Mädchen damit anfangen, ihre eigene Nacktheit zu akzeptieren, sind auch die Jungs gleich dabei – und wer dann einseitige Absichten hat oder ein Heuchler ist, kann gleich ausgesiebt werden. Und wenn der Ausgesiebte dann Verleumdungen und Gerüchte über den Körper des Abweisenden in die Welt setzt, kümmert das einen Menschen auch gar nicht, der seinen Körper voll und ganz akzeptiert hat, also ein positives Körpergefühl hat – und er kann dann auch seelisch nicht mehr verletzt werden. Eine Beziehung, die auf einer solchen Grundlage aufbaut, ist dann (partnerschaftlich wie sexuell) auch beständiger (aber natürlich kein Gelingungsgrund, es gibt auch viele zwischenmenschliche Handlungen, die zum Scheitern auch solcher Beziehungen führen), da von Anfang an das gegenseitige Vertrauen und die Offenheit für ein gemeinsames Leben da sind. Und das braucht man wirklich, um Krisen meistern zu können. Dann wird auch nicht Nacktheit mit „sexuell“ gleichgesetzt. Und dafür ist dann nicht die (wohl sichtbare) Jungfernschaft ein Indiz, sondern der partnerschaftliche Umgang. Ich zum Beispiel bin der beste Freund meiner Verlobten und sie ist trotz oder auch gerade wegen aller geteilten Intimität mein bester „Kamerad“. Noch eine kleine Anmerkung zu Ihrem Bild von „weiblicher“ Sexualität. Zuvor sei Ihnen nur gesagt, dass die Berichte die Sie haben, entweder von frustrierten Frauen sind, bei denen es sexuell (wohl aus leibfeindlichen Gründen oder wegen des nicht ausgesiebten Partners) nicht geklappt hat oder von Frauen, die nach Ihrem System vorgingen und bei denen es dann funktioniert hat. Nur: Von dem einen dürfen sie doch nicht auf das andere schließen! Allein in meinem Bekanntenkreis sind so viele glückliche Paare, die nicht nach Ihrem System vorgingen und bei denen es auch geklappt hat. Und bei denen war „weibliche“ Sexualität auch nicht anders oder hat sich der „männlichen“ angepasst. Basis ist und war gegenseitiges Vertrauen. Laut Ihrem Statement sieht ja „weibliche“ Sexualität ungefähr so aus, dass Frauen Sex nur als Mittel zum Kuscheln (ihrem eigentlichen Ziel) einsetzen und Frauen deshalb oft Probleme mit dem Sex haben, da sie etwas ganz anderes wollen. Sie wollen ihre Sexualität in Nacktsein ausleben und haben Sex vor allem, wenn sie Kinder wollen. Ihnen ist Kuscheln und Hautkontakt wichtig, aber sie wollen nicht unbedingt einen Orgasmus (dies ist ja „männliche“ Sexualität), denn auch die Natur hat ja schon Sex und Fortpflanzung gekoppelt. Solange Männer noch nicht das „Eindringen“ erlebt haben, sind sie dieser „weiblichen“ Sexualität auch nicht abgeneigt. So in etwa, oder? Allein der Terminus „Eindringen“ beinhaltet ja schon eine Wertung, die in der Konsequenz aus weiblicher Sicht als negativ verstanden werden muss. Wie etwas Ungewolltes, das ein Heiligtum gewaltsam zerstört. Viele Frauen aus meinem Umkreis fassen Sex aber auf als „Verschlingen“ oder „Verstecken“ oder auch als „nicht mehr hergeben wollen“. Ein also extrem positives Gefühl, wie wenn man von einer Mahlzeit nicht genug haben kann. Diese ganzen Aspekte, die sie „weibliche“ Sexualität nennen, sind in Wirklichkeit (oder sollten es sein!) nur ein Teil der ganzen Sexualität. Sex ohne Hautkontakt, ohne Riechen, Schmecken, Fühlen? Ohne das schon morgendliche Kuscheln, auch wenn Sex erst drei Tage später folgt, auf den man sich dann freut, da er der höchste Ausdruck von „man ist zusammen eins“ ist? Ein mit der Fortpflanzung gekoppelter Vorgang, für den Frauen dennoch ein unabhängiges Organ haben? Den alte Menschen, die sich ja nicht mehr fortpflanzen können, also auch nicht mehr praktizieren dürften? Natürlich kann man seine ganze Sexualität auch in einen Teilbereich der Sexualität kompensieren und wenn, wie in Ihrem Modell, ein Mann eine Frau liebt, wird er den vorliegenden Ansatz „weibliche“ Sexualität auch teilen. Aber deswegen den Rest als negativ ausklammern? Das kann es doch wohl nicht sein. Aus diesem Grund bin ich so vehement gegen die geschlechtsspezifischen Unterscheidungen, da die Kategorien „männlich“ und „weiblich“ eben nicht so einfach gezogen werden können. Und gerade die sich für die Aufhebung dieser Kategorien einsetzenden Feministinnen sollen dann „männerfrustrierten Nachwuchs im Sinn“ haben. Das ist doch schon wieder eine Kategorie! Ich meinte ja auch, dass aus Liebe Sexualität wächst, nicht umgekehrt. Da ist dann auch Hass erklärlich. Und christliches sexuelles Verhalten braucht doch keinen „identity marker“ wie im Judentum, also statt „wir essen nicht Milch und Fleisch zusammen“ ein „wir haben keinen Sex vor der Ehe“. Das hat doch auch nichts mit Gesinnung zu tun. Natürlich ist Ihre Interpretation der Adam-Eva-Geschichte religionsgeschichtlich und die Auslegung als Partnerschaft theologisch, aber das sind doch nur unterschiedliche Betrachtungsweisen! Ebenso kann die sexuelle Selbstbestimmung natürlich auch Probleme mit sich bringen und das an sich Herumspielen der Kinder erfordert auch intensive Gespräche, aber doch keine dogmatischen Druckmittel! So nach dem Motto: Nackt darfst du sein, das ist deine natürliche Moral, aber berühre dich dort bloß nicht, das schadet dir und deinem späteren Ehepartner. Seit wann kann einem der eigene Körper, von dem man ein positives Selbstverständnis hat, schaden? Seltsam irgendwie, oder? Zudem wollte ich Ihnen noch sagen, dass der Gebrauch von Kondomen und der Pille in unserer Leistungsgesellschaft leider auch eine Planungskomponente hat. Es ist nun mal besser, dass Kinder in finanziell gut ausgestatteten Verhältnissen aufwachsen und dass beide Partner eine Karrieremöglichkeit haben. Aber deswegen für Jahre auf Vereinigung verzichten? Abschließend hätte ich Sie aber trotz Ihres nachträglichen Zusatzes zu meiner vorherigen Email gerne abermals gefragt, wie Sie gleichgeschlechtliche Beziehungen in diesen Ansatz einordnen? Unterscheidet sich „lesbische“ Sexualität nicht doch sehr von Ihrer Darstellung der „weiblichen“ Sexualität? Müsste diese Art von Partnerschaft aber nicht gerade ein Beweis für Ihre Darstellung der „weiblichen“ Sexualität sein? Mit freundlichen Grüßen Oliver S. Darauf basisreligion: Lieber Oliver! Ich versuche, mich etwas kürzer zu fassen – oh, wie ich sehe, ein vergeblicher Versuch... (Doch ich sitze hier in einem kleinen polnischen Nest, während mein neuer-alter Passat eine kosmetische Auffrischung erhält, und da bietet sich ein ausgiebiges Draufeingehen auf Ihre Mail an...schließlich habe auch ich etwas davon!) Wir sind uns doch gewiss einig, dass auch das Johannesevangelium eine Interpretation ist, also eine Suche nach dem Konzept, um das es Jesus ging - und um eine Lösung - aus der Sicht des Verfassers eben dieses Evangeliums. Und ich meine, es ist wie in einem Kriminalfall, in dem es ja auch um die Suche nach der "Wahrheit" über eine Tat geht: Ein einziges Indiz, was von einem einmal erarbeiteten Lösungskonzept abweicht und das aber erwähnt wird, kann da nicht nur eine belanglose Nebensächlichkeit sein, sondern kann das ganze übrige bisherige Konzept über den Haufen werfen. Und so sehe ich es mit dem Jesusbild um 100 n. Chr. anders: Da fing eben schon so ein "Allen-wohl-und-niemand-weh-Jesusbild" an (in Ihren Worten ein „Kumpeljesus“) - und da hat einer dann diese alte Geschichte hervorgekramt, um zu versuchen, die spekulierenden Theologen wieder auf den Boden der Wirklichkeit zu holen, um was es also wirklich ging. (Und ich habe auch nicht so sehr die Reichen gemeint, die die „armen Leute“ nicht verstehen – sondern die Theologen, die doch nun wirklich in einer anderen Welt leben!) Ach ja, wieso bringen Sie diese „Kumpeljesus“ überhaupt ins Gespräch, wenn er bei mir doch überhaupt nicht um ihn geht? Ich verstehe nicht, wo ich hier "das Anbrechen des Gottesreiches und die radikale Bergpredigt schon in den dogmatischen Christus lege" - wenn ich mir doch ansehe, wie wenig in männerrechtlichen Kulturen auch heute noch die Frau als Partnerin gesehen wird, dann muss eine Alternative doch nicht gleich auf einen "dogmatischen Christus" hinauslaufen? Ich verweise auf mein Stichwort „Frau“. Und ich sehe diese Ausblendung des kriminologischen Jesus, um ihn einmal so zu nennen, schlicht und einfach aus dem Grund, dass eine Krähe der anderen kein Auge aushackt, um es einmal sehr locker zu sagen. Ich muss doch wohl noch deutlicher werden: Angenommen, Jesus wollte nun etwas ändern, was gerade auch die Stellung der Frau und die ganze Mann-Frau-Beziehung betraf. Da ist es doch verständlich, dass eine eingefahrene Männergesellschaft sich nun einmal vehement dagegen sträubt. Das Problem ist, dass das gar nicht einmal Böswilligkeit sein muss, sondern man kann sich einfach eine andere Sicht der Frauen und auch andere Fähigkeiten und Möglichkeiten der Frauen (gemeint sind hier erst einmal die Mädchen, die noch alles vor sich haben) gar nicht vorstellen. Und - das scheint mir ganz wichtig - selbst die „alten Frauen“ können das nicht! Ich vergleiche das mit unserer heutigen Einstellung, auf die ich auch im Faltblatt hingewiesen habe - man kann sich etwa gar nicht vorstellen, dass Mädchen zu einer höheren Moral fähig sind und wie die Welt dann aussähe, wenn das erst einmal funktionierte. Dass das Moralmodell hierbei eine entscheidende Rolle spielen könnte, also gerade eines mit einer anderen Einstellung zur Nacktheit, wird gar nicht erst in Erwägung gezogen - selbst wenn die Möglichkeit noch so offensichtlich ist und wenn ich noch so darauf herumreite. Das ist vermutlich auch mein Problem, warum ich etwa mit meinen Faltblättern auf so wenig Resonanz stoße - man kann sich das alles selbst heute einfach nicht vorstellen. Und daher wird dann die ganze Botschaft Jesu mit einem immer toller werdenden theologischen Konzept in eine andere Welt verlegt, eben in ein ewiges Gottesreich... Wir meinen zwar aufgeklärter zu sein als die Moslems, die da an ein Paradies nach dem Tod mit den 72 Jungfrauen glauben, doch sind wir das wirklich? Wir machen es nur ein wenig anders, doch im Prinzip sehe ich da keinen Unterschied. Anmerkung: Ich habe das unter "Beschneidung" geschrieben, wie ein Taxifahrer in Kairo ausspricht, was wohl alle Ägypter denken, welche Vorstellungen also hinter der grauslichen Beschneidung der Mädchen stehen: "Ohne Bescheidung können die Frauen doch nicht treu sein", also ohne Beschneidung kann es also keine geordneten Familien geben - daher muss eben jetzt auf dieser Welt diese Beschneidung sein und es kann für die Frauen eine wirkliche Erfüllung des Paradieses erst in einem späteren Leben - nach dem Tod - geben. Und man sage das einmal Ägyptern, dass ihr Denken verquert ist - und dass Frauen auch ohne Beschneidung treu sein können und auch noch mit einer natürlichen Nacktheit - das sprengt einfach deren (oder zumindest der allermeisten Ägypter) gesamten Denkhorizont! Nach deren Vorstellungen können sich paradiesische Mann-Frau-Beziehungen nur auf ein fernes Leben nach dem Tod beziehen. Theologische Spekulationen (was also nach dem Tod sein wird) haben in dieser frauenfeindlichen Machogesellschaft also völlig deren Denken überwuchert! Und jetzt erlaube ich mir zu verallgemeinern: Theologische Konzepte mit außerirdischen (oder besser "nachirdischen") Erfüllungen weisen immer auf Machoideologien hin! Denn in Machoideologien kann man sich das mit einer höheren Moral hier und jetzt einfach nicht vorstellen, deswegen gibt es ja diese Erwartungen im Jenseits - und das ist auch der m. E. tiefste Grund, warum man auch noch nicht einmal versucht, etwas wirklich Sachdienliches dran zu tun, dass sich hier etwas ändert. Ich weiß jedenfalls nichts von wissenschaftlichen Forschungen. Dabei wäre alles einfach ganz einfach! Ja, klar mit den Reinigungsvorschriften, doch ich meine, die gehören durchaus auch zusammen mit dem Problem „arrangierte Ehen“ – doch die sind in diesen männerrechtlichen Gesellschaften nicht das einzige Problem zwischen Mann und Frau: Weil diese Ehen eben sehr oft dann doch nicht praktikabel sind (zu wirklicher Liebe gehört eben nun einmal die Freiwilligkeit) – kommt es zum „Sündigen“, also folglich auch zum Gefühl der Unreinheit, also braucht es Reinigungsriten, die dann auf alles Mögliche ausgeweitet werden und sich immer mehr ins Krankhafte steigern, weil ja die wirklichen Ursachen der Unreinheit nicht gelöst werden. Na ja, und – ich stimme Ihnen hier voll zu – wenn einer gegen krankhafte Reinigungsvorschriften verstößt, dann setzt er sich voll in die Nesseln, doch ich meine, das Fass zum Überlaufen brachte doch so eine Geschichte wie die mit der Sünderin – denn mit den Verstößen gegen die Reinheitgebote hat sich „dieser Mensch“ nur zum Außenseiter gemacht (was noch kein Grund ist, ihn zu töten), doch hier ging es um eine echte Veränderung, von der die Machos direkt betroffen waren – und das wäre dann schon ein Grund! Allerdings muss dieser Grund dann schon theologisch verbrämt werden, und dabei spielen die Reinheitsgebote dann wohl wieder eine Rolle). (Welche Ängste man hatte, wenn die Frauen zu aufmüpfig werden, geht aus dem Buch Ester hervor: Ja, wenn das Beispiel dieser ungehorsamen Königin Watschi (oder so) Schule machte, dann würde doch das ganze System zusammenbrechen – ich finde, eine tolle Geschichte! Oder auch im heutigen Saudi Arabien, diese Farce, dass Frauen nicht Auto fahren dürfen...) Jesus und die Pharisäer? Ich habe auf das Buch „Der Priester und die Jungfrau“ hingewiesen, danach ist Johannes eher derjenige, der die Lehre der Pharisäer vertrat. Und er wurde doch nicht hingerichtet, weil er gegen das System anging, sondern weil er die Freundin des Herodes beleidigt hatte, also aus persönlichen Gründen. Siehe mein Stichwort „Johannes“. Na ja, Albert Schweitzer und meine eigene Interpretation? Ich meine, der hat eine grundsätzliche Aussage über das Problem der Theologen gemacht, die den historischen Jesus erforschen, die auch heute noch gilt. Und ich möchte doch etwas hochnäsig sein: Nennen Sie mir mal einen Theologen, der diesen orientalischen Machismo wirklich voll in sein Jesusbild einbaut! Der evgl. „Nazitheologe“ (um ihn einmal so zu nennen) Walter Grundmann hatte da immerhin einen Ansatz – doch leider hatte er diesen Machismo nur bei den Juden gesehen. Sicher, ich kenne hier nicht den ganze aktuellen Stand der Wissenschaft, doch ich hatte Schüler aller Konfessionen und Religionen, und ich hatte den Eindruck, dass das, was ich über den historischen Jesus und die Beziehung mit dem Machismo erzählte, für alle neu war. Also muss es doch wohl so nie gelehrt worden sein? Und immerhin sind Sie der erste Theologe, der sich damit auseinander setzt – und wenn ich mir so meine Zählmaschine ansehe und wie gerade das betr. Stichwort angeklickt wird, dann müssten doch auch sonst Theologen unter den Besuchern sein – und so dumm ist es ja wohl auch nicht, als dass die sich von daher erhaben darüber sehen... Und es ist eben doch auch sehr naheliegend, die vorderorientalischen Machoverhältnisse zu bedenken... Ach ja, ob denn sonst ein Theologe diese Aussage Schweitzers zitiert und sich mit der auseinander setzt und auch sagt, warum er es besser macht? Mich würde das interessieren. Und was Sie zu Theißen sagen, bestätigt doch nur das Bild von Jesus in seinem Roman „Der Schatten des Galiläers“? Nach wie vor, eine politische Komponente kann ich bei Jesus nicht erkennen, und wenn sie da war, dann war sie doch ein Missverständnis seiner Zeitgenossen. Und hat Jesus sich nicht deutlichst gegen diese politische Sicht seiner Botschaft ausgesprochen: „Gebt dem Kaiser...“ Und kurz, was mir sonst noch auffiel: Ob nur frustrierte Frauen Spaß an der geschilderten "weiblichen Sexualität" hätten, bzw. ob das nur die Phantasien von frustrierten Frauen sind? Ich bezweifle das, denn ich meine inzwischen, dass ich das auf "alle" beziehen kann. Ja, vielleicht kann ich sogar sagen, die "Nichtfrustrierten" erst recht! Und es sagt gar nichts, wenn viele etwas anderes sagen. Ich glaube das einfach nicht! Denn - um zu einem anderen Ansatz zu kommen - es ist doch interessant, wie viele Menschen auf einmal begeistert die Nazis gewählt haben, die mit diesen Sprüchen kamen "Mädchen und Frauen, die Juden sind Euer Verderben" - da muss doch in ihnen die Sehnsucht nach einer besseren Welt gesteckt haben, wo es dieses "Verderben" nicht mehr gibt? Und diese "paradiesische deutsche Nacktheit" muss doch in den Köpfen gewesen sein - ich denke an die Bilder von Mathias Padua und Adolf Ziegler (bitte googeln!). Natürlich - hinterher wurde alles verdrängt, es ist ja auch interessant, dass der genannte Spruch eigentlich nur auf meinen Seiten in Erinnerung gerufen und auch hinterfragt wird – googeln Sie mal! Und immer wieder: Klar, es gibt auch so etwas wie eine vorgezogene Ehe, dass also zwei ein „echtes Paar“ sind, ohne dass das irgendwie offiziell abgesegnet wurde. Doch schadet das von mir dargestellte Modell den Guten nicht im Geringsten, wenn also auch bei denen Sex und Ehe zusammen faellt – und schützt aber alle vor den Irrtümern, um die Intimitäten mit den falschen Partnern einmal so zu nennen. Ich sehe das hier auch nicht unter dem Gesichtspunkt des „Nicht-Dürfens“, sondern unter dem von Spielregeln, die das Leben vereinfachen, weil sie klare Strukturen schaffen. Ich meine, ich hätte das irgendwo erwähnt: Als ich zur Hochzeit meiner Pflegetochter nach Vietnam fuhr, wollte eine Internetfreundin mitfahren – na ja, schließlich kam ihre 19jährige Tochter mit nach dem Motto „Du hast doch damit kein Problem?“. Und wie dichteten wir zu ihrem 20sten Geburtstag unterwegs: „In Bangkok war die Hitze groß, dank Ghandi ging das ganz famos!“, was also heißen soll: Gerade weil es ein festes Konzept gab, konnten wir auch richtig locker und bequem miteinander umgehen – und es wurde für beide eine schöne Fahrt. Und ihre Mutter fand das auch gut und sie ermuntert mich immer wieder, das Konzept weiter durchzukonstruieren und sie hat mir für das nächste Buch sogar eine tolle Lektorin vermittelt! Sie sieht aus ihrer psychiatrischen Praxis einfach einen gewaltigen Bedarf – welche Probleme (die sie nämlich auch nicht lösen kann) könnten nicht alle von vornherein vermieden werden, wenn dies zutiefst christlichen Spielregeln (ich sehe sie jedenfalls so – und sie doch auch) Allgemeingut wären! Ansonsten stimme ich Ihnen bei allem, was Sie zur Körperlichkeit schrieben, weitestgehend zu. Und auch möchte ich Kindern nicht etwas einfach „verbieten“, doch ich finde, irgendwie hat es auch seine Vorteile, wenn wir nicht von der Selbstbefriedigung beherrscht werden – ich meine es geschrieben zu haben, dass es doch auch etwas für sich hat, beim nackten Zusammensein noch einigermaßen „cool“ bleiben zu können. Und ich meine, wenn man das schon Kindern nahe bringt, natürlich in geeigneter Weise, dann ist das doch auch für die einsichtig. Und sehr wohl kann man alles missbrauchen, also auch den eigenen Körper, wenn man falsch mit ihm umgeht. Ich verstehe Sie auch nicht, was Sie gegen meine Kritik an den Feministinnen haben. Oder meinen Sie wirklich, dass Mann und Frau bei der Sexualität in gleicher Weise betroffen sind und dass Mädchen da auch unproblematisch mitmachen könnten? Ich denke jedoch, dass das Eindringen schon eine Grenzüberschreitung bedeutet und dass diese Überschreitung nur dann nicht gegeben bzw. gerechtfertigt ist, wenn sie durch eine echte Partnerschaft aufgewogen wird. Ansonsten ist sie mit Sicherheit die weibliche Seele vergewaltigend und also nicht zulässig – so meine ich doch. Klar, das Leben geht weiter und auch „frau“ kann sich an alles gewöhnen und damit auch leben, doch gut (für die Seele) muss das dann noch längst nicht sein! Zur Koppelung von Sex und Fruchtbarkeit: Huch, immer wieder der alte Vorwurf! Ich habe allerdings weder gesagt noch gemeint, dass Sex nur unter dem Gesichtspunkt der Fruchtbarkeit geschehen darf, ich habe also durchaus nichts gegen eine „Planungkomponente“. Doch es ist vielleicht wie bei einem Raucherklub: Rauchen dürfen nur die, die Mitglied in dem Klub sind. Doch das heißt nicht, dass alle, die in dem Klub sind, auch immer rauchen müssen oder keine Gäste in dem Klub sein dürfen – diese dürfen eben nur nicht rauchen! Ist es denn so schwer zu verstehen, dass das „Eindringen“ (was ist an dem Wort denn so schlimm – für mich ist das die Beschreibung eines Sachverhalts?) nur in eine feste Beziehung gehört, die vorzugsweise eine Ehe sein sollte - unabhängig davon, ob Fruchtbarkeit gewünscht ist oder nicht? Bei der Beurteilung des Intimverkehrs orientiere ich mich eben an der o.g. Interpretation des Gebots in der Adam und Eva Erzählung: „Von allen Früchten dürft Ihr essen usw...“ Natürlich müssen wir uns von der Rahmenerzählung eines ersten „Ehepaars“ lösen und davon ausgehen, dass hier „Typen“ gemeint sind, zumal es ja in genauerer Übersetzung auch nicht heißt „sie gab ihrem Mann“, sondern „sie gab dem Mann bei ihr“ - und das heißt durchaus etwas anderes! Kann man denn diese Urgeschichte auch anders als religionshistorisch interpretieren und als mit Vorbehalten gegen das Intimsein außerhalb einer echten Partnerschaft in unsere heutige Zeit übertragen – mit ähnlich guten Gründen? Und ich bin doch nun wirklich nicht gegen den Orgasmus der Frauen, wenn ich empfehle, ihn doch erst mal ohne Eindringen zu testen. Die Erfahrung ist doch, dass das geht, wenn die Beziehung wirklich stimmt – und ohne Grenzüberschreitung. Und zu Harry Potter: Wenn ich an die Filme denke, die ich gesehen habe, dann saust der doch gerade dank seiner übersinnlichen Fähigkeiten durch die Lüfte, damit dann doch wieder die heile Welt weiter geht. Wenn das keine "deus-ex-machina-Lösung" ist? Ach ja, auch noch zur Messiaserwartung im Judentum. A. Schweitzer schreibt, dass wir so viel darüber auch nicht wissen und vor allem auch nicht, ob die beim „gemeinen Volk“ auch so da war oder doch nur bei einem bestimmten „Konventikel“ - ich meine, er hatte dieses Wort gebraucht. Und wenn ich mir so den Buddhismus meiner Pflegetochter ansehe, dann meine ich zu erkennen, dass deren Glaube in der Praxis einem typischen Volksglauben entspricht, also von dem, was wir in Schule und Uni so Tolles vom Buddhismus hören, kann ich da rein gar nichts erkennen. Die „einfachen Leute“ glauben also dasselbe wie wir, natürlich mit entsprechenden Färbungen: Gutes tun insbesondere den Mönchen, damit die den richtigen Kult ausüben, den Eltern gehorsam sein, nicht sündigen, gewisse Riten vollziehen, damit es einem gut geht und dafür kommt man außerdem dann nach dem Tod auch noch in den Himmel oder auch je nachdem in die Hölle. Und bei den Moslems ist es ja so ähnlich. Ob das also bei dem gemeinen jüdischen Volk damals nicht genauso war? Ich vermute das ganz stark. Und dass diese Messiaserwartung nur der Sonderglaube irgendwelcher Gruppierungen war? Und zur Gesinnung bei einer Sache: Ich denke hier vielleicht an das, was in den Köpfen mancher hochgeistiger Menschen herumspukt. Also so denken die offensichtlich: „Wenn die Menschen aus dem einfachen Volk miteinander Sex haben, dann ist das eine primitive und geistlose Herumbumserei. Doch wenn wir, also die Hochgeistigen, Sex haben und dafür auch mal den Partner wechseln, dann ist das ein Zeichen von Emanzipation und Aufgeklärtheit und Befreiung von dogmatischen Verkrustungen. Also ist das etwas voellig anderes!“ Nach diesen hochgeistigen Menschen kommt es also auf die Gesinnung an – und selbst wenn die dasselbe tun wie die angeblich nicht so hochgeistigen Menschen. Verstehen Sie mich, was ich sagen will, dass ich also einen Weg suche, der für mich genauso gültig ist wie für andere. Und vor allem wäre das dann ein Weg, durch den endlich einmal alle auf einer Augenhöhe sein können – ja, wenn das nicht auch ein Ziel der Botschaft Jesu ist! (Und ich meine, so schlecht stünden solche Spielregeln niemandem, auch nicht evgl. „Vorbildern“... Ich habe da Freunde, wo die Frau Küsterin in einer evgl. Gemeinde war, na ja, die erzählte auch von den „ethischen Praktiken“ des Pfarrers, so toll waren die auch nicht... Und wir wissen ja auch sonst, dass in evgl. Pfarrhäusern nicht immer alles ideal ist – davon, dass die evgl. Pfarrersfamilie ein Vorbild für die Familien in der Gemeinde sind, wie Luther sich das dachte, kann ja oft keine Rede sein.. Es geht mir hier nicht um hämische Kritik, sondern um die Feststellung, dass wir alle in einem Boot sitzen und uns um allgemeingültige christliche Spielregeln kümmern sollten!) Tschüs Michael Pr. 24.06.2011: Sehr geehrter Herr P., diesmal nur ein paar Anmerkungen und keine so lange Mail, keine Sorge! Ich studiere an der Universität Augsburg. Das mit dem Hinweis kann ich schon machen, Sie dürfen sich nur davon nicht zu viel versprechen, Ihr Buch ist ja nicht im Präsenzbestand, sondern nur im OPAC, also im Lager; aber wenn ich es finden konnte, finden es andere sicherlich auch! Ihre Theorie in Bezug auf das Johannesevangelium ist zwar unwahrscheinlich aber natürlich denkbar, nur für mich als Exegeten bewegen wir uns hier ja sowieso auf dem Feld der Spekulation. Der historische Jesus greift in seinen radikalen Aussagen aber nicht nur Theologen an, sondern eben auch normale Menschen (z. B. die „Reichen“), die ihn (und nicht die „Armen“) nicht verstehen und ihm deshalb nicht nachfolgen können. Manchmal neigen Sie schon dazu, nur das zu lesen, was Sie auch lesen wollen! Und der „Kumpeljesus“ war als ein weiteres Beispiel gedacht für einen historischen Jesus, dem wichtige historische Elemente fehlen. Sie versuchen ja, die echten Anliegen des historischen Jesus in unsere heutige Welt zu übertragen und von kirchlicher Dogmatik zu säubern. Aber das Anbrechen des Gottesreiches und die radikale Bergpredigt sind elementar für den historischen Jesus, doch für Ihre Deutung dieser Person nicht so wichtig, da ja nicht primär für seinen Kampf gegen die „Machostrukturen“. Ihren „kriminologischen“ Jesus sehen Sie dann als echte Alternative zu dem Jesus der Kirche, doch er darf ja wohl keine Alternative zu dem wirklich gelebt habenden Jesus sein! Ach ja, das Anbrechen des Gottesreiches geschieht auch theologisch schon in dieser Welt und wird nicht nur „verschoben“… Natürlich darf dies dann keine „Vertröstung“ auf Vollendung in einem Paradies bedeuten. Aber dass nur aus Machostrukturen eine Paradiesvorstellung hervorgehen kann, allein aus dem Grund, damit die Obersten in der diesseitigen Welt schalten und walten können, wie es ihnen passt, finde ich zumindest diskussionswürdig. Natürlich ist es in den meisten Fällen schon in etwa so, aber auch Kant hat ja an der ich nenne sie jetzt mal "Ausgleichsdistanz Gott" festgehalten, weil die Welt (übrigens auch ohne menschliche Einwirkung!) ziemlich ungerecht sein kann. Das Verstoßen gegen die Reinheitsgebote war etwas für die damalige Zeit wirklich Neues. Ich halte zwar nicht viel von den Thesen einiger Leben-Jesu-Forscher, die Jesus als besonderen Einschnitt in der Geschichte verstehen (alles was nicht als jüdisch oder christlich beurteilt werden kann, ist historischer Jesus), weil dies den Juden Jesus aus seinem religiösen Umfeld holt, doch diesen Punkt halte ich für plausibel. Und Johannes der Täufer ist ja gerade nicht auf der Pharisäerlinie, sonst würde er doch niemals zur Sündenvergebung im Jordan taufen, wo Vergebung der Sünden doch nur einmal im Jahr im Tempel möglich war. Er hat sich doch dadurch gerade von den Pharisäern distanziert! Und dass Jesus diese Tradition nicht fortgesetzt hat, zeigt doch gerade seine Pharisäernähe! Und dies ist ein Stand der aktuellen Fachwissenschaft, der aber natürlich noch nicht in die Schulen einfließt. Die politische Komponente ging ja auch nicht von Jesus direkt aus, sondern eher von den Zeloten in seinem Umfeld. Und die haben ihn freilich missverstanden! Die "paradiesische deutsche Nacktheit" sehe ich aber eher als heroische Vergangenheitsanknüpfung und nicht als sehnsuchtsvolle Zukunftsvision… Doch, in richtig gelebter Sexualität sind Mann und Frau in gleicher Weise betroffen. Und Sex ist natürlich eine Grenzüberschreitung und sollte nur in einer echten Partnerschaft geschehen – aber ist doch nichts Schlechtes, was durch etwas Gutes „aufgewogen“ werden muss! Wenn Sie empfehlen, den Orgasmus der Frau in einer wirklich stimmenden Beziehung „erst mal ohne Eindringen zu testen“, heißt das ja so viel wie: „Petting erlaubt, Sex nein“, weil dies der Seele der Frau schadet? Oder habe ich Sie da nun falsch verstanden? Dies wäre zwar auch eine sexuell gelebte Partnerschaft, verschenkt meiner Ansicht aber einen wesentlichen Teil: Das Verschmelzen und Eins sein (im Gegensatz zum verletzenden „Eindringen“!). Und noch mal „Harry Potter“: „Deus ex machina“ ist ein „Ausdruck (…) für jede durch plötzliche, unmotiviert eintretende Ereignisse, Personen oder außenstehende Mächte bewirkte Lösung eines Konflikts“ (sagt sogar das zumeist unwissenschaftliche Wikipedia). Also selbst wenn er mit übersinnlichen Fähigkeiten „durch die Lüfte saust“; er löst seine Konflikte nicht durch eine außenstehende Macht, in etwa Zauberei, die seine Probleme für ihn löst, sondern durch seine nichtmagischen Fähigkeiten und Entscheidungen. Also kein deus ex machina! (Aber die Filme bringen das natürlich nicht gut rüber, doch Sie wissen ja, das Buch ist normalerweise immer besser als der Film…) Luther hat ja nun wirklich nicht in allem Gesagten Recht, aber die Kirchenväter, die ja auch Autoritäten sein sollen, in Manchem schon ganz besonders nicht; ich denke nur an die Statements zur Stellung der Frau (Damanius: „Quelle der Sünden“ oder Thomas von Aquin: Mann (vollkommen) und Frau (defekt) oder Tertullian: „Eva hat den Mann, das Ebenbild Gottes, zu Boden geworfen“) oder deren Ansichten zum Geschlechtsverkehr. Und Sie brauchen mich nicht über das katholische Ehesakrament aufzuklären, als Sohn konfessionsverschiedener Eltern habe ich durch meine Mutter einen sehr aufschlussreichen Einblick – und weiß also, wovon ich rede (und mich abgrenze). Es ist ähnlich wie bei Ihnen: Sie distanzieren sich ja auch gerade von dogmatischen Inhalten, weil Sie selbst Theologie studiert haben, also vertieften Einblick haben! Aber das „Ordnung schaffen“ mit der Ehe als Sakrament und so weiter hatte wohl eher den Grund, die Kebsen und Konkubinen etwas einzudämmen – was aber natürlich nicht gelang… Ein „weltlich Ding“ übrigens auch deswegen, weil im Himmel solche Sachen wie Ehe keine Rolle mehr spielen! (Mk 12,25) Nun noch zu Ihrem Text: Den alter Adam – neuer Adam-Vergleich könnte man so auffassen und auch im 2. Kor findet man ja Anspielungen darauf. Ich würde allerdings nicht so sehr danach betonen, dass nur Adam gesündigt hat – theologisch gesehen waren es ja beide. Und ein wichtiger Grund für das unbedingte Bewahren der Jungfräulichkeit der ersten Christinnen war auch, dass sie so eine wesentlich höhere Lebenserwartung hatten: Jedes zu gebärende Kind war damals ein hohes Todesrisiko! Aber natürlich kann man dies auch so sehen, dass sie den Männern dann nicht ausgeliefert waren. Ansonsten habe ich dazu eigentlich keine Anmerkungen, dies ist mir eben aufgefallen. Den Faltblatttext fände ich übrigens sehr gut. Wenn Sie doch „Eindringen“ nur auch immer in der Version dieses Textes gebrauchen würden! Nur den Passus „Und ob das die Natur nicht auch so vorgesehen hat, wenn sie die Möglichkeit der Fruchtbarkeit und die Freude am Geschlechtsverkehr miteinander gekoppelt hat?“ finde ich problematisch, da ich Sie auch jetzt wieder anders verstehen würde, als Sie es meinen… Viele Grüße! Oliver S. Lieber Oliver, ich möchte zu meiner letzten Mail doch noch auf das Problem der Vergebung kommen - und ob die nun wirklich eine Sache des historischen Jesus war. Also ich kann mir das nicht so recht vorstellen, denn irgendwo hätten die Pharisäer usw. schon recht, wie kann ein Mensch Sünden vergeben? Na ja, als Sohn Gottes. Doch „Sohn Gottes“ ist ja auch ein Ehrentitel so wie Christus, den Jesus erst nach seinem Tod bekommen hatte. Und wenn Jesus etwas in dieser Richtung tatsächlich zu einem „Sünder“ gesagt hatte, dann könnte es eher in dem Sinn gewesen sein: „Dich trifft im Grunde keine Schuld, denn Du konntest es nicht wissen, weil es Dir niemand richtig gesagt hatte. Oder Du konntest aus den Umständen heraus gar nicht anders handeln oder bist sogar gezwungen worden. Und Du hast zwar jetzt bei den Menschen Probleme mit dem, was Du tust, doch vor Gott brauchst Du keine Angst zu haben...“ In der Kurzform könnte daraus dann „Vergebung“ gemacht worden sein... Und wenn mich jemand fragt, wie ich zu Handlungen von Menschen stehe, die nun einmal geschehen sind und die nicht ganz ideal sind, dann würde ich das genauso sagen. „Wir dürfen einfach niemanden so schnell verurteilen, ach was heißt hier so schnell, eher gar nicht...“ Und hatten wir nicht einfach nur Glück, wenn wir anders gehandelt haben? Doch damit dürfen wir nicht die Hände in den Schoß legen und alles weiter laufen lassen. Jetzt müssen wir zusehen, dass junge Menschen diejenigen Informationen bekommen, damit sie es anders und besser machen können. Denn wenn wir etwas besser wissen und aber nichts tun, dann werden wir wirklich schuldig... Und was Sie mir von sich erzählt haben, kann in Ihrem Fall ja auch durchaus richtig oder besser „nicht falsch“ sein – doch ob man daraus auch „eine Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung“ (also den Kantschen kategorischen Imperativ) machen könnte, ist eine andere Frage. Vielleicht bin ich hier auch ziemlich katholisch, dass die Ehe für mich ein Sakrament ist und nicht nur ein “weltlich Ding“? Doch warum soll das nicht sinnvoll sein, muss Luther denn in allem, was er sagt, recht haben? (Er ist ja noch nicht einmal ein Kirchenvater, und selbst wenn!) Und zudem: Auch nach katholischer Lehre spenden sich die Eheleute dieses Sakrament gegenseitig, es bedarf also eigentlich keines Priesters. Das mit dem Priester und vor allem der schriftlichen Form und den Zeugen (und vermutlich auch dem Aufgebot) ist erst beim Konzil von Trient zur Bedingung gemacht worden, um Ordnung zu schaffen, denn ohne solches „System“ wusste schließlich niemand mehr, wer nun mit wem verheiratet war. Und ich finde diese offizielle Lösung eben auch sehr sinnvoll und praktisch, gerade in einer freien Gesellschaft, so wie wir eine haben. Ja, wenn wir endlich einmal das Anliegen Jesu als das einer ethischen Erneuerung sehen (also als echtes Gegenkonzept gegen solche Zustände, wie es sie in den Fruchtbarkeitskulten gibt und nicht nur dort), dann gehört so ein offizieller „Akt“ nun doch einfach dazu! Und Sie wissen ja, deswegen verteufle ich ja nicht alles! Und ich weiß definitiv, wenn Mädchen „diese Bedingungen“ setzen, dann machen Männer nur zu gern mit, ja, sie unterstützen die Mädchen sogar dabei! Vielleicht bin ich deswegen noch Single, weil mir noch nie ein Mädchen diese Bedingungen gestellt hat? Aber wie schreibt Ortegy y Gasset: „Ideale ziehen und regen unser Leben an. Ideale sind biologische Sprungfedern, Zündhütchen für Energien, die am Explodieren sind. Ohne Ideale kein Leben...“ („Über die Liebe“, Stuttgart 1954, S. 19). Na ja, und warum sollten solche Ideale denn nur ein „weltlich Ding“ sein? So ungefähr? Und jetzt habe ich eine Bitte an Sie als Theologe. Für die Lektorin war mein Sprung von Adam zu Jesus im ersten Entwurf zu flott – und so habe ich nun das etwas besser ausgeführt. Ich frage Sie nun: Geht das so? Doch bedenken Sie bitte: Es ist für ein eher populärwissenschaftliches Buch, also muss es flott und knapp sein – und dennoch stimmen... Für den Normalmenschen ist die Unterscheidung Christus – Jesus vielleicht nicht so wichtig, doch ich muss sie wenigstens machen. Also: Und was hat das alles mit unserem Glauben zu tun? Nun, es geht gleich am Anfang der Bibel mit der Mann-Frau-Problematik los! Nach vorliegenden Erkenntnissen (etwa vom evangelischen Theologen Jan Heller, 1925-2008, über den „Namen Eva“, veröffentlicht 1958 beim Prager Orientinstitut) ist die Adam-und-Eva-Erzählung eine Polemik gegen die damals im Vorderen Orient üblichen Fruchtbarkeitskulte, also gegen die kultische Prostitution. Die bedeutet ja im Klartext, dass es Sex gerade auch zwischen Menschen gibt, die eben keine wirklichen Partner sind und bei denen es also auch nicht die wunderbare Einheit von Leib und Seele gibt, die nun einmal mit einem anderen Menschen möglich ist. Ja, das ist die Vorstellung der Bibel vom Paradies oder auch vom Reich Gottes, allerdings müssen wir uns dabei von der zeitbedingten Vorstellung eines materiellen Gartens Eden lösen. Ob diese Einheit nun gestört oder sogar zerstört wird durch die kultische Prostitution, durch die normale vulgäre Prostitution oder auch durch ein Probierverhalten, wie wir es heute oft erleben, sind nur Varianten desselben Problems: Es handelt sich um Geschlechtsverkehr außerhalb einer festen Leib-und-Seele-Beziehung und das heißt: Mit der Einheit von Leib und Seele stimmt etwas nicht! Und die Aussage der Paradieserzählung ist, wenn wir den Ansatz von Jan Heller in unsere Lebenswirklichkeit umsetzen, dass gestörte Leib-Seele-Beziehungen nicht im Sinne des Gottes des Paradieses sind, weil sie das Paradies zerstören. Der Apostel Paulus sieht nun in seinen Römer- und Korintherbriefen (?) einen Zusammenhang zwischen dem Adam der Paradieserzählung und Christus, den er auch den zweiten Adam nennt. Und er sieht nun die Erlösung darin, dass Christus wieder gut gemacht hat, was Adam verdorben hatte, um es einmal flott auszudrücken. Diese Aussage ist nun bisher mehr oder weniger in einer theologischen Spekulation über Christus verpufft, die auf ein Konzept für unser Leben praktisch keine Auswirkung hatte. Doch wenn wir in der Sünde Adams die Zerstörung einer paradiesischen Mann-Frau-Beziehung erkennen, dann hieße das ja, dass es zumindest das Anliegen des konkret-geschichtlichen Jesus war, dass genau diese Beziehung wieder hergestellt wird oder wiederhergestellt werden soll. Sicher, Paradies meint gewiss noch mehr als die Wiederherstellung von einer paradiesischen Mann-Frau-Beziehung, doch gehört eine solche Beziehung auf alle Fälle zum Paradies. Und sehen wir diese biblische Paradieserzählung doch einmal als genialen Ansatz an, hier bei etwas, was ohne irgendwelche gesellschaftlichen Umwälzungen und ohne großen materiellen Aufwand doch möglich ist, konkret anzufangen in der keinesfalls unberechtigten Erwartung, dass, wenn diese zutiefst zwischenmenschliche Beziehung gesundet, irgendwann auch alles andere gesundet! Und so viel wir erkennen können, muss es in der frühen Kirche auch genau um diese Gesundung gegangen sein. Bedenken wir zunächst einmal, dass es damals insbesondere Frauen und Sklaven waren, also die Unterdrückten in einer Männergesellschaft, die vor allem das Christentum annahmen. Und wir können doch leicht erkennen, dass damals Nacktheit und Sex keinesfalls so zusammengehörig gesehen wurden, wie wir das heute immer noch so gern tun: Denn obwohl diese Unterdrückten doch damals nackt getauft wurden, starben gerade die Mädchen unter ihnen dann doch lieber, als ihre Jungfräulicheit aufzugeben. Männerrechtliche Theologen sehen nun bei diesen Mädchen den Grund des Sterbens in der Liebe zu Christus. Doch wenn wir uns die alten Märtyrererzählungen näher ansehen, dann können wir auch erkennen, dass es sich durchaus nicht um eine grundsätzliche Jungfräulichkeit gehandelt haben muss und um einen Tod „aus der Liebe zu Christus“. Denn wir erfahren auch, dass diese „Märtyrermädchen“ schlicht und einfach nicht die ihnen aufgezwungenen Männer heiraten wollten. Und so wird deren Sterben auch uns heute eher zugänglich: Wenn ein Mädchen erst einmal die Idee von einer schönen Liebe und Partnerschaft verinnerlicht hat (und diese Verinnerlichung kann ja durchaus von einer Begegnung mit den Ideen Jesu herrühren), dann kann es doch sein, dass es lieber eher sterben möchte, als sich diese Idee durch einen aufgezwungenen Mann zerstören zu lassen? Jedenfalls könnten diese alten Märtyrergeschichten durchaus ein Indiz sein, dass der christliche Glaube ursprünglich als Glaube an eine paradiesische Mann-Frau-Beziehung gesehen wurde! Doch so schnell lässt sich eine männerrechtliche Gesellschaft nun einmal nicht umkrempeln von einer eher weiblichen Vorstellung der Harmonie der Liebe und Partnerschaft von Mann und Frau – vor allem, wenn sie die gar nicht begriffen haben. Und so setzte sich schließlich eine andere Interpretation unseres Glaubens durch, in der das männerrechtliche Denken wieder die Oberhand hatte: Anliegen war nicht mehr das Glück hier auf Erden, sondern eines nach unserem Tod - was auch immer das sein mag und was auch niemand überprüfen kann. Und da stehen wir heute, und die Aufgabe ist nun, wieder zu dem doch sehr wahrschinlichen ursprünglichen Anliegen zurück zu kehren! Es geht in unserem Glauben also um die Wiederherstellung des Paradieses. Und wenn wir von der Erlösung durch Jesus reden, dann hat also Jesus unmittelbar etwas mit der Wiederherstellung des Paradieses zu tun. Da nun diese Störung oder gar Zerstörung des Paradieses eigentlich gerade von den jungen Menschen gar nicht gewollt ist und sie im Grunde da immer nur hineinschlittern, weil sie es nicht besser wissen, geht es also durchaus darum, die jungen Menschen entsprechend zu informieren und fit gegen den Missbrauch und für wirkliche Liebe zu machen, also für das Glück des Menschen hier und jetzt - auch und gerade in einer schönen Liebe und Partnerschaft. Der Autor behauptet von seinen eher neutralen Erfahrungen mit Frauen beziehungsweise mit Mädchen als Lehrer und als Freund nicht mehr und nicht weniger, als dass die Gleichberechtigung von Mann und Frau bisher an den weiblichen Bedürfnissen eher vorbei gegangen ist. Denn gerade in der Sexualität passen sich die Frauen doch auch heute noch letztlich nur den Wünschen der Männer an, wenn sie deren Eindringen oft genug über sich einfach nur ergehen lassen - und dabei dann auch noch Traumata erleiden. Eine Sexualität, die auch die besondere weibliche Empfindsamkeit berücksichtigt, sähe - jedenfalls zunächst einmal - anders aus. Und da alles Neue am Anfang beginnen muss, sollten gerade Mädchen endlich einmal ein echtes Selbstbewusstsein entwickeln und aufhören, bei dieser männlichen Sexualität auch noch bereitwillig mitzumachen und stattdessen ihre weibliche Sexualität durchsetzen. Und es gibt doch ein weites Spektrum: Freude an der gegenseitigen Nacktheit, Miteinanderkuscheln in allen möglichen Positionen, gegenseitige Massage, verschiedene Positionen des Hautkontakts, gegenseitiges Rasieren der Körperhaare und alles in den unterschiedlichsten Kombinationen... Und wenn „ihr“ das alles mit einem Partner zusagt und er auch sonst ein guter Kamerad ist, dann wird sie schon merken, welchen Sinn es hat, den Geschlechtsverkehr erst mit demjenigen zu beginnen, der auch der wirkliche Lebenspartner ist. Und ob das die Natur nicht auch so vorgesehen hat, wenn sie die Möglichkeit der Fruchtbarkeit und die Freude am Geschlechtsverkehr miteinander gekoppelt hat?
Der
Vorteil bei diesem Verfahren ist ja auch, dass „sie“ sich damit
einmal auf interessante Männer „einlassen“ kann, mit denen eine
Ehe eher nicht infrage kommt und sie so durchaus Neues kennen lernen
kann. So kann sie etwa eine mehr oder weniger ungewöhnliche Reise
mitmachen – ohne dass sie sich hinterher ärgern muss, diese mit
dem Akzeptieren des Geschlechtsverkehrs viel zu teuer bezahlt zu
haben. Hier noch eine andere Mail von basisreligion: Lieber Oliver, nein, nein, für mich ist das Anbrechen des Gottesreiches schon wichtig, ich finde, es ist im Vater unser sogar die wichtigste Bitte, um die sich nämlich alles dreht, nur ich frage mich schon, was das Gottesreich nun eigentlich ist. Das sind immer sehr starke Worte, doch fehlt m. E. die wirkliche konkrete Entsprechung. Und allen Besitz wegzugeben, wer will das schon – und zudem leben wir ja in einer Gesellschaft, wo man irgendetwas ja auch zum Leben braucht. Also ich bin froh, dass ich etwas habe, so kann ich wenigstens mir andere Gesellschaften ansehen und den Mund aufmachen und meine Lektorin bezahlen und den Buchdruck. Oder denken Sie an den Arbeitgeber, der ja auch Sorge für mehr oder weniger viele Menschen hat, damit die Arbeit und Brot haben. Ohne Besitztum geht das alles nicht – und es gibt ja auch Evangelien, in denen Jesus gar nichts gegen den ungerechten Mammon hat, wir sollen uns eben Freunde damit machen. „Nichs zu besitzen und alles wegzugeben“, das kann also nicht gemeint sein. Und na ja, Reinheitsgebote, doch scheinen die mir auch nicht ein Kernanliegen zu sein, sondern nur eine Nebensache, ein Indiz für eine andere Lebenswirklichkeit. (Ich habe hier auch gegen so ein Missverständnis zu kämpfen, wenn mir unterstellt wird, dass ich meinte, dass mein Ziel die Nacktheit sei, und wenn alle Menschen nackt herumliefen, dass dann das Paradies ausbräche. Ich kann dazu nur sagen „so ein Unfug“! Nacktheit ist auch nur so eine Nebensache! Mir geht es um etwas anders, nämlich um eine wirkliche Emanzipation, und Menschen, die wirklich emanzipiert sind, und das ist eine geistige Angelegenheit, die brauchen einfach keine Badehosen mehr! Daher auch die Taufe der frühen Christen splitternackt, ein Zeichen von einem Leben aus dem Geist heraus!) Und so ähnlich hatte Jesus eben einen völlig neuen Menschen im Sinn, der eben diese Reinheitsgebote als lächerlich empfindet und nicht mehr braucht. Und ob Johannes im Jordan taufte zur Sündenvergebung und bei den Priestern diese Sündenvergebung nur einmal im Jahr stattfand, ist für mich kein prinzipieller Unterschied. Diese „Vergeberei“ ist für mich ein Beleg, dass Johannes eine Religionsauslegung im Sinn der jüdischen Religion vertrat. Ich finde, wir sind hier irgendwie in einer Sackgasse, ja was wäre eine Gesellschaft, die wirklich so anders ist, dass diese starken Worte passen? Und so erlaube ich mir, eine zu konstruieren und dann zuzusehen, ob die gemeint sein könnte. Natürlich darf ich bei dieser Konstruktion nicht irgendwo anfangen, sondern ich muss mich schon an dem orientieren, was damals los war – und das ist nun einmal diese orientalische Machogesellschaft und wie so eine Gesellschaft heute anders aussehen könnte. Jedenfalls hilft in so einer Machogesellschaft keine Vergeberei mehr, hier muss etwas grundsätzlich geändert werden! Das ist also für mich der Grund, dass Jesus selbst die Tauferei nicht fortgesetzt hatte! Und ich will dabei keinesfalls nur die Splitter in den Augen der anderen sehen, sondern es ist einfach einfacher, erst mal die Splitter bei anderen deutlich zu machen. Die fallen einfach eher auf – siehe in dieser orientalischen Frauenliteratur. Na ja, und dann können wir uns auch mal ansehen, was bei uns so ist nach dem Motto „Die Summe aller Schweinereien ist in jeder Machogesellschaft eh dieselbe“ (das ist für mich ein sehr wichtiger Gedanke!) - und so werden wir bei näherem Hinschauen schon fündig! Und auch bei uns ist es ja so, dass die Frauen die treuesten Lakaien des Patriarchats sind, wenn sie etwa ihren Töchtern dann doch nur immer wieder dieselben Ängste anerziehen und damit nur dafür sorgen, dass es auch in der nächsten Generation wieder keinen Spaß an der Moral gibt usw. Ich finde, diese andere Gesellschaft, die ich mir da denke, ist schon radikal anders als das Bisherige, insofern erfüllt sie doch die Bedingungen für die Nachfolge eines historischen Jesus sehr gut. Wirklich, lesen Sie mal eines dieser Bücher der orientalischen Frauenliteratur und bedenken Sie, dass diese Verfasserinnen Frauen sind, also stecken sie letztlich immer noch eher im System, ein Mann würde das Ganze sicher doch viel grundsätzlicher (oder auch „radikaler“) angehen! Eine Frau würde etwa gewiss eher nicht öffentlich den Sinn der Verhüllung des Körpers grundsätzlich in Frage stellen, dazu braucht es wohl schon eines Mannes bzw. der Anregung durch einen Mann... (Ich beziehe mich auf Ortega y Gasset, der genau das sagt, dass Frauen bisweilen etwas wollen, doch das nie öffentlich zugeben und sich schon gar nicht dafür einsetzen würden.) Wie gesagt, ich sehe in den früheren Reinheitsgeboten wie in den heutigen „Schamverhüllungsvorschriften“ denselben Sinn oder Zweck oder eben eher Unsinn und „Unzweck“: Ängste zu haben, die in der Lebenspraxis nix helfen.. Natürlich, auch gegen die Reichen! Ich habe dafür das Wort „Establishment“ gewählt, oder auch die „mafiösen Strukturen in einer Gesellschaft“, die es überall gibt. Den Satz verstehe ich nicht: Aber dass nur aus Machostrukturen eine Paradiesvorstellung hervorgehen kann, allein aus dem Grund, damit die Obersten in der diesseitigen Welt schalten und walten können, wie es ihnen passt, finde ich zumindest diskussionswürdig. Wo soll ich so etwas gesagt haben? Und ich meine auch nicht Petting (wenn ich das definiere als Sich gegenseitig-mit-den-Genitalien-Berühren), sondern sich „umarmen und umbeinen“ (wobei die Genitalien gar nichts miteinander zu tun haben). Sinn ist also nicht die genitale Berührung und Befriedigung, sondern der möglichst intensive Hautkontakt. Also dieses Eindämmen des Konkubinats und vor allem der versorgungspflichtigen Priesterkinder ist wohl ein Problem des frühen Mittelalters, doch die Sakramente sind gewiss älter. Also ich könnte mir das Konzept der Sakramente schon als ein Konzept einer ethischen Erneuerung vorstellen, wenn ich mir so die Texte etwa der Taufe durchlese. Natürlich, wenn ich die Scham als Vorbedingung der Moral ansehe, dann macht dieser Text keinen Sinn, wenn ich aber ein geistiges Konzept mit einem anderen Moralmodell notwendig sehe, und ich will junge Menschen dagrü stark machen, dann macht der Text schon einen Sinn. Ich wollten mit „Eindringen“ einfach einen Vorgang beschreiben - „Verschmelzen“ ist schon eine Interpretation. Und mir geht es bei dem ganzen Konzept ja darum, dass das Eindringen eben von dieser negativen Seite loskommt und auch wirklich zu einem „Verschmelzen“ wird – und für jedermann bzw. für jeden Christen. Wissen Sie ein besseres neutrales Wort? Jetzt weiß ich natürlich nicht genau, wann die Ehe zu einem Sakrament erhoben wurde. In der Site http://de.wikisource.org/wiki/Christliche_Symbolik/Ehe lese ich: Ehe. Dass
die alte Kirche die Ehe zu einem Sakrament erhob, hängt auf’s
Genaueste mit ihrem Grundsatz zusammen, das Naturleben christlich zu
weihen. Der Protestantismus glaubte dagegen, die Kirche ziehe zu viel
Natur in sich hinein und nahm der Ehe die sakramentale Bedeutung
wieder, wodurch sie allerdings profanirt und ein lüderliches System
von leichten Scheidungen begründet worden ist. Nein, ich wollte Sie nicht belehren, ich wollte nur sagen, dass ich, wenn man unseren Glauben als ethisches Konzept sieht, dann auch so etwas wie ein Ehesakrament dazu gehört. Und ob man aus eigener Erfahrung immer alles besser weiß, ist ein endlos langes Thema! Denn man kennt ja immer nur eine bestimmte Praxis und ist da dann oft auch fixiert und gar nicht mehr offen, dass es auch andere Praktiken gibt bzw. geben könnte. Wie ich sehe, reißt das Faltblatt aber nicht Leute, die es bekommen, vom Hocker, kaum jemand klickt weiter auf die angegebene URL. Also werde ich wohl ein anderes Faltblatt entwerfen (in dem der Geschlechtsverkehr als zur sakramentalen Ehe hinzugehörig aufgewertet wird...). Ich habe damals meine Diplomarbeit über den Grund des Firmsakraments geschrieben – und ich meine, sehr gut belegt zu haben, dass der Sinn dieses Sakraments, den wir heute sehen, fest im (katholischen) Glauben zu bleiben, ein Verfall ist. Es geht ursprünglich darum, eine feste Ethik zu haben. So konnte ich die Geistesgaben, die auf den Firmling herabgerufen werden, ich meine um die 50 Jahre früher datieren als wie in den üblichen Dogmatiken – und dort, wo ich sie gefunden habe, stehen sie eindeutig in einem ethischen Zusammenhang. Ich hatte die Arbeit bei einem renommierten kath. Prof auch „gut“ bekommen, allerdings hat meine „Erkenntnis“ keinen Niederschlag in seinem „Dogmatikbuch“ gefunden – sie passt eben nicht in unsere Zeit.Natürlich sehe ich nicht nur „Adam“ - ich sehe darin, dass nur er erwähnt wird, einfach ein Wortspiel Adam – Jesus, wobei der eine für die alte Zeit und der andere für die neue Zeit steht. Ich finde, man muss die Frauen nicht immer auch noch erwähnen. Und zur Nacktheit und Nazis: Da soll wohl 1938 in München ein Festumzug gewesen sein, wo nackte Frauen auf den Wagen warenm, klar, reine Arierinnen – doch Juden durften keine Zuschauer sein. Aber ob das stimmt, weiß ich nicht, halte es aber für möglich, wenn ich bedenke, wie sonst solche Sachen aus der Nazizeit verdrängt werden. Also ich glaube, wo es um eine Aufarbeitung der Vergangenheit geht, ist der tiefere Grund immer auch, dass es in Zukuft besser wird. Das eine ist vom andren nicht zu trennen. Das zu Harry Potter ist nicht mein Anliegen, ich habe die entsprechenden Zeilen von Ihnen kommentarlos meinem Stichwort angefügt. So, das wär´s erst mal! LG MP 02.07.2011: Sehr geehrter Herr P., www.basisreligion.de |