Hinweise zur Jesusideologie.


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HINWEISE ZU DEN TEXTEN: JESUSIDEOLOGIE
und
ECHTE MONOGAMIE VON DER VERNUNFT HER

                                                    Die jeweiligen Kurzformen: "Echte Monogamie von der Vernunft her" und "Der Kriminalfall Jesus"
 
Am 8. Mai 2018 war Gregor Gysi zu Gast im Kloster Klausen bei Trier. In einem Gespräch mit dem Dominikanerpater Albert Seul sah er das Problem der katholischen Kirche, dass sie genau wüsste, dass sich die Gläubigen – und besonders auch die jungen – nicht an die Sexualmoral halten, die die Kirche lehrt. Das heißt, sie akzeptiert eine Normverletzung – und eine akzeptierte Normverletzung untergräbt nun einmal die Autorität jeder Institution, die eigentlich das Halten einer Norm verlangt. Und hier meine Sicht: Die Kirche kann einfach nicht die Normen der Sexualmoral aufgeben, weil sie nun einmal nicht nur zur Kirche, sondern überhaupt zur christlichen Religion gehören. Doch sie kann überprüfen, was Asche und was Glut ist -- und die Lehre von der Asche befreien. Und als "Glut" bleibt hier die "echte Monogamie" übrig. Leider gilt die zur Zeit als ungeliebter Ladenhüter des christlichen Glaubens. Doch kann man aus dem einen heißbegehrten Knüller machen!


Anmerkung: Die Hinweise habe ich weitestgehend auch sonst schon behandelt, so dass viele, die sich schon mit meinem Ansatz auseinander gesetzt haben, sie kennen. Ich habe sie hier lediglich für die "Neulinge" für den Text "Hinweise ..." noch einmal zusammengestellt.
Die jeweiligen Kurzformen: "Echte Monogamie von der Vernunft her" und "Der Kriminalfall Jesus"


1. "Mittelweg": Ein junger privater Zimmervermieter in Kaschau (Kosice) in der Ostslowakei wollte wissen, an was ich tüftle, als ich mein Notebook auspackte. Ich versuchte, es ihm zu erklären. Und er dann: "Ach, also ein Mittelweg in der Sexualität?" Ich: "Ja, so kann man das sagen." Und er: "Das sollte ich also auch so schreiben." Und er holte auch gleich Freunde und Bekannte in dem traditionellen Bierlokal "Staré Mésto" ("Altstadt") zusammen, um mit mir über "das Thema" zu diskutieren. Eine angehende Psychologin erzählte mir gleich ihre "eigene Geschichte", dass sie ihre Jungfernschaft mit 19 verloren hätte, und wünschte mir viel Erfolg bei meinem Engagement. Ich hatte den Eindruck, gerade sie fand das gut, wie kreativ ich mich hier einsetze.


2. "zusammengevögelte Gesellschaft": http://deutsch.univartois.free.fr/lire11.html


3. Sexualpartner: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/644279/umfrage/umfrage-zur-anzahl-der-bisherigen-sexualpartner-in-deutschland/


4. "kein (wirkliches) Interesse: Es gibt in Deutschland über 200 Lehrstühle für die Genderforschung, also ob das „äußerliche Geschlecht“ eines Menschen auch seinem „inneren Geschlecht“ entspricht, doch keinen einzigen für die Erforschung der echten Monogamie – und wie diese in unserer heutigen Welt in eine Pädagogik für junge Menschen umgesetzt werden kann. So müssten doch einmal die üblichen „Komponenten“ unserer Moral auf den Prüfstand gestellt werden, ob sie wirklich einer echten Monogamie dienlich sind, also etwa

  • der kindliche Religionsunterricht und das damit verbundene religiöse Wissen

  • die Erziehung zur Sexualscham, dabei gibt es doch längst "Naturstrände", wo keinesfalls ein "sexuelles Chaos" herrscht, also könnten doch die Erfahrungen damit bei der Suche nach einer funktionierenden Sexualmoral mitbedacht werden

  • das Verschweigen des Themas "echte Monogamie"

  • frühkindliche Bedingungen

  • die Sexualaufklärung in Familie und/oder Schule

  • der Einfluss der Medien, angefangen von den klassischen Märchen bis hin zur heutigen Kinder- und Jugendliteratur

  • Vorstellungen in anderen Kulturen und Religionen und wie je nachdem dort die Pädagogik im Hinblick auf „echte Monogamie“ aussieht, usw.

Doch weitestgehend Fehlanzeige. Dabei gibt es durchaus Theorien und Erfahrungen mit der Nacktheit, doch die werden im Allgemeinen völlig tabuisiert. Nach wie vor: Das Thema „echte Monogamie“ interessiert einfach nicht.


5. "fromm und naiv genug": In der traditionellen Erziehung zur Sexualmoral wird sozusagen alles, was mit Sexualität zusammen hängt, in einen Topf geworfen, es gibt also hier nicht Sinnvolles und Nachteiliges, sondern alles gilt als "Frühsexualisierung" und ist daher per se schlecht.


6. "Vox populi - vox dei": Dieser Spruch wird auch bisweilen spöttisch abgewandelt in "Vox populi - vox Rindvieh". Ja, wann trifft das eine zu, wann das andere? Das mit der "Stimme Gottes" ist wohl eher der Fall, wenn es sich um eine menschliche Grundstimmung über Werte handelt. So wie ich den Eindruck habe, sind die Menschen hier ziemlich ehrlich, selbst wenn sie selbst oft anders handeln. Wenn die Massen dagegen irgendeinem Führer zujubeln, der mit einfachen Lösungen Eindruck macht (wie etwa Hitler mit seinem Antisemitismus: "Die Juden sind an allem schuld, wenn die weg sind, wird alles besser!"), dann stimmt eher das mit dem "Rindvieh".


7. Monogamie und ZEIT: http://www.zeit.de/2012/13/CH-Monogamie
An dieser Stelle sollte auch einmal die Frage angesprochen werden, inwieweit die Monogamie eine "jüdische Erfindung" ist, die sonst nicht interessiert. Na gut, nehmen wir einmal an, sie ist eine jüdische Erfindung. Ja, und wann wurde sie denn erfunden? Das war doch auf dem Weg der Israeliten aus der Sklaverei der Ägypter ins Gelobte Land. Da war also Moses auf den Berg Sinai gestiegen und kam mit den Tafeln mit den Zehn Geboten wieder herunter. Auf diesen Tafeln waren auch die Spielregeln für den Umgang mit der Sexualität. So deutlich geht es allerdings aus den betreffenden Geboten, so wie wir sie kennen, nun vielleicht nicht hervor, dass damit auch die echte Monogamie gemeint ist. Dich ich denke, die ergibt sich aus dem Zusammenhang. Die Israeliten wanderten also nicht nur so aus Ägypten durch die Wüste ins Gelobte Land, sondern es war auch eine Wanderung aus der Sklaverei in die Freiheit. Und in der Sklaverei war es doch normal, dass den Eigentümern der Sklaven diese auch komplett gehörten, also gehörte auch der Sex der Eigentümer mit den Sklavinnen dazu, der natürlich auch geschah. Und wenn diese Sex-Geschichten zwischen Eigentümern und Sklavinnen dann irgendwann einmal vorbei waren, dann wurden die Sklavinnen von den Herren den passenden männlichen Sklaven weitergereicht für die weiteren Beziehungen und für die Kinderaufzucht. Das heißt also, dass "vorehelicher Verkehr" zur Lebensweise "Sklaverei" gehört. Folglich gibt es "so etwas" in freien Gesellschaften nicht, da gilt also die "echte Monogamie"! Das gilt dann auch für uns heute! Und wenn die echte Monogamie zu wirklich freien Gesellschaften gehört, dann muss sie sich auch aus sich heraus erklären und begründen lassen - was ich in diesem Text hier versucht habe.

"Kriegssklavin“ (Germán Hernández Amores 1884 im Navarra-Museum in Pamplona / Spanien - das Gemälde war wohl eine Leihgabe des Prado/Madrid, als ich es sah): Ich finde, das Gemälde ist eine ergreifende Darstellung einer Frau, der nun wirklich alles, ja alles, also Familie, Freunde, Heimat, Sprache, Besitztum, Ehre, Würde und natürlich auch Kleidung, genommen und die auf den Wert ihres „Fleisches“ reduziert wurde: Der Käufer konnte im Prinzip mit ihr machen, was er wollte, also sie selbst "gebrauchen" oder an andere "zum Gebrauch vermieten". Wenn solcher Umgang mit Menschen nicht als Aufgabe gesehen wird, etwas zu ändern?

Und natürlich hat der Geschlechtsverkehr etwas mit dem Kinderkriegen zu tun, er weist also darauf hin, dass er nur mit dem Partner passiert, mit dem man oder frau auch Kinder bekommen und großziehen will. Wir engagieren uns heute so für "so natürlich wie möglich", doch hier auf einmal meinen wir, dass es besser für uns Menschen ist, wenn wir die Natur mit Pillen und mit Gummiprodukten austricksen. Wie schizophren sind wir eigentlich? Dabei geht es doch wirklich auch anders? Ob nicht eine liebevolle Umarmung viel mehr sein kann als immer nur das "Eindringen", wenn die Partnerschaft noch nicht den Segen der Eltern und Gottes hat (um es einmal so zu sagen)? Und erst recht mit schönem Hautkontakt? Im Übrigen schrieb der hier öfter genannte spanische Philosoph auch dazu etwas: "Während wir in allen anderen Fällen des Lebens nichts mehr verabscheuen, als die Grenzen unseres individuellen Daseins durch ein anderes Wesen verletzt zu sehen, besteht die Süße der Liebe darin, dass der Liebende im metaphysischem Sinn durchlässig wird und nur in der Verschmelzung mit dem Geliebten in einer `Individualität zu zweit´ Befriedigung findet. Dies erinnert an die Lehre der Saint-Simonisten, wonach das wahrhafte menschliche Individuum das Paar zu zweit ist. Doch bleibt die Sehnsucht nach Verschmelzung hierbei nicht stehen. Die volle Liebe gipfelt in einem mehr oder weniger klaren Wunsch, die Vereinigung in einem Kind zu symbolisieren, in dem die Vollkommenheiten des geliebten Wesens fortdauern und sich behaupten ..." (Ortega y Gasset, "Über die Liebe", S. 120). Na also! 

Und noch ein anderes Argument für die Monogamie: Es wird heute ja oft gesagt, dass das Sexualverhalten weitestgehend in den Genen liegt und dass man daher also sowieso nichts machen kann, gleichgültig ob Homosexualität oder eben Monogamie oder Polygamie. Hierzu mal zur Situation im Alten Griechenland: Da galt also Homosexualität als das Normale, schließlich waren 99 % aller Männer homosexuell. Und wer anders war, der galt als "farsisch", also als "persisch", denn man erzählte sich, dass die Perser, das Volk am Rande der damaligen Zivilisation, die Schönheiten des Lebens nicht kannten, weil dort die Männer nur mit Frauen verkehrten. Die Frage ist, war damals in Griechenland die Homosexualität wirklich genetisch bedingt? Und warum ist sie dann – offensichtlich durch den Einfluss des Christentums – bis heute weitestgehend verschwunden (denn es ist nicht bekannt, dass die griechischen Männer von heute besonders homosexuell sind)? Das kann doch nur daran liegen, dass sie – zumindest in den allermeisten Fällen – eben keineswegs genetisch, sondern kulturell bedingt ist. Die äußeren Umstände waren eben so, dass Homosexualität das Normale war, das heißt, dass es auch gar keine Pädagogik gab, in der "hetero" als das Normale galt. Und so konnten die Menschen gar nicht vernünftig "hetero" leben. Ob das mit der "Polygamie" nicht heute dasselbe ist? Wo gibt es denn (ich weiß, ich wiederhole mich) eine vernünftige und wirklich heterofreundliche Pädagogik der monogamen Heterosexualität?  Siehe hierzu auch den nächsten Punkt - also Nr. 8!

8. Veranlagung und Pädagogik: Wie kommt´s also, dass beim Sexualverhalten sehr oft angezweifelt wird, dass die Monogamie (oder auch Heterosexualität) zum Menschen gehört, weil sie doch, wenn sie wirklich zum Menschen gehören würde, sozusagen „von alleine“ kommen müsste, ohne dass in einer Pädagogik etwas daran getan werden müsste. Und wenn Menschen trotz allen guten Zuredens durch Kultur und Religion nun nicht echt-monogam (oder heterosexuell) leben, heißt das denn nicht, dass sie von Natur als nicht wirklich monogam veranlagt (oder heterosexuell) sind?

Dazu sollten wir uns einmal ansehen, wie unsere Erziehung zu Monogamie und Heterosexualität aussieht. Ich habe in meiner Zeit als Lehrer bisweilen dazu die Schüler gefragt, wie viele Ehen sie kennen, die ein Vorbild für eine spätere eigene Ehe sein könnten. In den meisten Klassen stieß ich mit meiner Frage auf Schweigen, allerdings gab es auch eine Klasse, in der mehrere Schüler offensichtlich solche Ehen kannten. Und meine Frage ging dann weiter, wie sie sich dies erklärten, dass es so wenige solcher Ehen gäbe.

Ich habe also dazu meine These vorgestellt: "Sehen sie doch das mal so, in Ihrem Beruf kommen Sie im allgemeinen später recht gut klar und sind oft auch recht erfolgreich, wohingegen sehr viele zwischenmenschliche Beziehungen gar nicht so gut laufen. Ja wie kommt´s? Ich denke, das liegt daran, dass Sie für Ihren Beruf sehr gut ausgebildet werden – durch Schule, Lehre und/oder Studium. Was wird da allein für ein Geld in Sie investiert! Jeder Monat Beschulung kostet den Steuerzahler um die 1000 €, Sie müssen dazu ja nicht nur die Gehälter der Lehrer bedenken, sondern auch deren Ausbildung und deren Pensionen. Dann natürlich die Gebäudekosten der Schule, die Verwaltung und was es sonst noch alles gibt. Da kommen also leicht 12000 € im Jahr zusammen, das bedeutet für die gesamte Zeit der Ausbildung über 100 000 €, wenn nicht sogar viel mehr, vor allem wenn dann noch ein Studium dazu kommt. – Und was wird nun für Ihre persönlichen Beziehungen getan, damit die gelingen? Na ja, zuerst wird hier alles vertuscht, was mit Sexualität zusammen hängt, da wird gar nichts gesagt, und der Geschlechtsunterschied wird <unter den Teppich gekehrt> oder eben unter Textilien versteckt und diese Versteckerei wird Ihnen als Moral beigebracht. Und weil Sie nun einmal von Natur aus moralisch veranlagt sind, machen Sie da auch mit. Ansonsten schweigen alle in Schule, in Gesellschaft, in Religion. Wenn Sie dann in die Pubertät kommen, dann werden Sie aufgeklärt über Geschlechtskrankheiten und Probleme mit der Schwangerschaft und man gibt Ihnen Verhütungsmittel und sagt: <Nun probiert mal schön, bis Ihr den Richtigen oder die Richtige gefunden habt!>. Und das soll gut gehen? Professionell ist das jedenfalls wohl gar nicht. Da ist es schon fast ein Wunder, dass noch so viele persönliche Beziehungen wenigstens so einigermaßen gelingen."

Wenn ich also so geredet hatte, stieß ich nie auf Protest, sondern immer nur auf eher betretenes Schweigen, was ich m.E. zu recht als Zustimmung interpretiert habe, dass ich mit meiner Schilderung richtig lag. Und meine Folgerung daraus: Machen wir hier doch einmal eine vernünftige Pädagogik! Die habe ich etwa im "Der Kriminalfall Jesus" versucht, besonders im "Kasten" ab Seite 28.

Man kann sich natürlich streiten, ob die Monogamie tatsächlich zum Menschen gehört, und ob nicht die Polygamie viel eher zum Menschen gehört. Doch ich denke, dazu wir sollten zumindest beides den jungen Menschen anbieten, damit sie frei wählen können. Natürlich muss das Angebot der Monogamie auch so sein, dass sie nicht als Qual und Zwang angesehen wird, sondern eine echte Alternative ist. Ob das im "Kriminalfall" gelingt?

Und wer käme für die "Propaganda" für die Monogamie infrage? Eine Religion – wer denn sonst? Aber nicht eine, der es um einen Kult, sondern der es um eine Lebenseinstellung geht! Damit wären wir bei der Religion, die aller Wahrscheinlichkeit Jesus im Sinn hatte, denn um einen Kult ging es ihm mit Sicherheit nicht!


9. Fetischwirkung: s. GEO 2/2015


10. Amerikanischer Voyeur: Siehe „Die Welt“ vom 12.04.2016: „Hinter der Wand ein Spanner“. Der Voyeur hatte durch ein als Lüftungsloch getarntes Guckloch die Gäste seines Motels beobachtet und Protokoll geführt.


11. Lebenslanger Schaden: Es ist bekannt, dass sich 25 % aller Frauen nur mit Grausen an ihren ersten "Verkehr" erinnern und so schnell danach keinen Verkehr mehr wollten. Das wird natürlich in der heutigen modernen Sexualaufklärung gerade den Mädchen verschwiegen, um sie nicht vor der Sexualität zu verängstigen. Angeblich ist die Ursache für das "Misslingen" ja nur, weil vorher immer Angst gemacht wurde ... Auf die Idee, sich erst einmal, also vor der Ehe, auf  Hautkontakt ohne Eindringen zu beschränken, kommen die modernen Sexualaufklärer natürlich nicht, denn denen geht es ja genauso wenig um eine harmonische Sexualität wie den Religionen. Und wenn "das erste Mal" nicht gelang, ob dann das zweite Mal besser gelingt und so auch die vielen weiteren Male? Auch das dürfte nicht leicht sein, denn wenn man schon einmal an so eine heikle Sache mit schlechten Erfahrungen heran geht, dürfte alles nicht einfacher werden. Nicht von ungefähr kommt es eben, dass Zweidrittel aller Frauen nie einen echten Orgasmus haben. Besser wäre also schon, von Anfang an alles richtig zu machen!

12. Zentralnervös ausgelöster Orgasmus ohne „Eindringen“: Ich bin hier auf eine englischsprachige Website aufmerksam gemacht worden:https://mytinysecrets.com/men-with-erectile-dysfunction-are-the-best-lovers/.

Ein Trost für alte Menschen, wenn die Männer keine Erektion mehr haben, es geht auch ohne – und also auch ohne Eindringen!

Diese Theorie habe ich bisweilen auch in meinem Unterricht dargelegt, angewandt auf junge Menschen "ohne Erfahrungen". Ich hatte dabei immer aufmerksame Schüler und insbesondere auch Schülerinnen. An zwei Situationen erinnere mich besonders: Einmal stimmte mir eine Schülerin in der ersten Reihe spontan zu: „Ja, da haben sie recht!“, doch um sofort darauf verlegen die Hände vors Gesicht zu halten: „Huch was habe ich da gesagt!“. Das andere Mal war dann die Geschichte mit dem marokkanische Mädchen, siehe unter Punkt 8, "Weitere Erfahrungen".

Meine Gedanken hierzu: Wir sehen gerade jetzt bei der Zuwanderung von Moslems in unsere europäischen Länder die Religion dieser Menschen als feste und zumeist völlig unabänderliche Größe an. Was wäre nun, so meine Gedanken, wenn unsere christlichen Mädchen aufwachten und ihr voreheliches Ziel mit Männern nicht mehr der Geschlechtsverkehr, sondern der Orgasmus ohne Geschlechtsverkehr wäre? Würde das nicht auch Träume und Sehnsüchte bei moslemischen Mädchen wecken? Und hätten dabei dann nicht auch diejenigen moslemischen Männer Chancen, Mädchen für eine wirkliche Liebe zu „bekommen“, die also auch ihnen eine schöne Erfüllung bringen? Und da dies alles der Islam nun von der ganzen Konstruktion her nicht bringen kann, wäre das doch die Chance für unser Christentum?

Wir müssen ja auch immer bedenken, dass wir uns nur in den seltensten Fällen unsere Religion selbst ausgesucht haben. Lange Zeit hat ein Landesfürst oder auch der „Landesvater“ entschieden, welches die beste Religion für seine Landeskinder ist, und dann sind die Nachkommen dieser „Landeskinder“ in den Religionen ihrer Eltern aufgewachsen und haben diese also auch mehr oder weniger unbesehen im Hinblick auf die Lebensziele, die die Religionen ihren Gläubigen vermitteln, übernommen. Wäre es nun nicht denkbar, dass bei lebensnäheren Zielen die Gläubigen aus sich heraus andere Religionen wählen als die ihnen üblicherweise vorgegebenen? Natürlich, die „alten Gläubigen“ werden immer bei ihren traditionellen Religionen bleiben, denn sie haben ja nicht mehr viel im Leben zu erwarten. Doch was ist mit den jungen Menschen – und insbesondere mit den jungen Frauen?


13. Statistik: Natürlich sind Statistiken immer problematisch, weil sie oft so gemacht werden, dass sie nur beweisen, was bewiesen werden sollte, was also schon längst vorher fest stand. Doch ich denke, gerade wenn eine private Firma die Statistiken macht, wie in dem Fall der Statistik über das Sexualverhalten junger Menschen, dann ist "schon etwas dran". Zumindest dürften die Relationen zwischen den einzelnen Ländern stimmen. Interessant ist in dieser Statistik, dass die türkischen jungen Leute sogar noch "aktiver" sind als die deutschen jungen Leute ...

Zum Problem der Statistik habe ich eine m. E. gute kritische Seite gefunden "Thai Frauen und Thai Männer sind Weltmeister im Fremdgehen". Ich denke, ich kann dazu einiges sagen. Wenn ich also so durch Thailand reise, kann ich mir nicht vorstellen, dass die "Verhältnisse" so sind. Vielleicht bin ich hier allerdings auch "blind". Doch ist nicht Thailand das Land mit 2 Millionen Prostituierten unter 30 Millionen Einwohnern, wie ich vor langer Zeit einmal in einer Zeitung las? Auch fand ich einmal eine Internetseite, dessen Autor behauptete, dass im Prinzip "alle" thailändischen Frauen Prostituierte seien ... Er war in Thailand und wird ja irgendwelche Erfahrungen in dieser Richtung haben. Ich traf in einem kleinen Städtchen mit einem bedeutenden Khmertempel (deswegen war ich ja dort) einen Österreicher, der dort hängen geblieben war, er erzählte Ähnliches. Und nachdem wir einmal zusammen über den Markt gegangen waren, um etwas zu Essen zu kaufen, sagte er mir mit entsprechendem Kommentar, dass er mit dreizehn der Marktfrauen auch schon Sex hatte. Und in der WELT stand einmal ein Beitrag, dass der Präsident die Abgeordneten aus dem ganzen Land, die ja Zweitwohnungen in Bangkok haben, zur Treue gegenüber ihren Ehefrauen aufgerufen hätte. Doch er hat diesen "Aufruf" nicht weiter verfolgt, nachdem er darüber informiert wurde, dass über 90 % eine "Zweitfrau" in Bangkok hätten. Und was machen in dieser Zeit die Ehefrauen? Der Österreicher erzählte mir, dass sie auch nicht so enthaltsam seien.

Natürlich, von alldem merkt man als "normaler Ausländer" nichts, zumal die Thailänderinnen alle sehr schamhaft sind, Nacktstrände gibt es selbst in den Ferienorten nicht, die für den Prostituitionstourismus bekannt sind. Dass man nichts merkt, würde allerdings auch wieder zu dem Zusammenhang "Sünde und Scham" passen, wie er in der Adam-und-Eva-Erzählung angesprochen wird, siehe Hinweis 31 zum Punkt 5. 

Ach ja, wenn ich mir so diese Statistiken im Internet ansehe, dann möchte ich gerne mal eine richtige Zeitreise machen - und zwar ins Land Jesu vor 2000 Jahren und natürlich auch ins damalige Rom und in die anderen damaligen Länder und sehen, wo die in einer solchen Statistik stehen würden. Ich wette, die könnten mit den heutigen Ländern mithalten!


14. Zum Thema "dreckiger Lappen": Das mag hart klingen, doch es ist leider so. Wenn ich so die elf "Fälle" durchgehe, wer beim "ersten Mal" bei Mädchen die treibende Kraft war, dann waren das in neun Fällen eindeutig die Mädchen. Und ich denke, das ist heute auch allgemein so. Wie kommt´s, wo doch der Mensch und gerade der junge Mensch ein hochmoralisches Wesen ist, wie es die These dieses Moralkonzepts ist? Ganz einfach: Gerade den Mädchen wird immer und überall eingeschärft, dass sie ja "schamhaft" sein müssten und daher insbesondere ihre typischen weiblichen Körperteile verhüllen müssten. Denn wenn sie das nicht tun, schadet das ihrem guten Ruf und sie gelten als Schlampen. Also halten sie diese "Verhüllerei" für Moral. Und da die meisten diese Körperteile im Zusammenhang mit den Ausscheidungen stehen und da die Ausscheidungen sowieso ekelhaft sind, halten sie "diese Körperteile" eben für ekelhaft, also ist auch die Nacktheit ekelhaft. (Dass in der Pubertät und insbesondere in einer Verliebtheit gerade das, was vorher ekelhaft war, besonders faszinierend wird, überblicken die jungen Leute natürlich zunächst nicht.) Wie dem auch sei, das Leben geht weiter. Irgendwann kommen auch die Triebe nach dem Mann, die nach irgendeiner Umsetzung in die Praxis drängen. Die Befreiung von der Scham geht nun nicht, denn das ist ja gegen die überall gepredigte Moral, hier ist also eine Blockade. Was also tun? Ach, wie gut, da gibt´s ja noch den Geschlechtsverkehr. Der muss ja irgendwann sowieso sein, also ist der so unmoralisch ja gar nicht. Auch wenn man den mit mehreren Partnern hat, kann das ja gar nicht so schlimm sein, denn schließlich muss man ja vorher wissen, wem man treu sein will. Zudem machen das ja alle so, die man so kennt, oft empfehlen es geradezu vor allem die Mütter. Dabei ist dann natürlich die Jungfernschaft im Wege, also weg mit ihr, wie mit einem "dreckigen Lappen". Und ob der erste Freund vertrauenswürdig und ein verantwortungsvoller Mensch ist, ist auch nicht wichtig, Hauptsache, es ist einer "für diese Befreiung" da - und die wird dann "einvernehmlicher Sex" genannt. In Wirklichkeit ist sie allerdings eine raffinierte Manipulation, hinter der unsere ganze Gesellschaft steckt, ja, auch die Religion.

So kommt´s, dass die Erziehung zur Sexualscham, und sei sie noch so gut gemeint, schnurstracks zu dem führt, was eigentlich vermieden werden sollte.
Die Frage stellt sich natürlich: Warum denken die typischen Moralapostel, denen es doch angeblich so sehr um Moral geht, über diese Zusammenhänge nicht nach und überlegen sich nicht eine bessere Alternative als die Erziehung zur Scham?


15. Anfang einer Verliebheit: Ich hatte hier die Beschreibung des Beginns einer Verliebtheit nach Ortega y Gasset zitiert, doch kann sie hier jetzt entfallen, weil sie in das HEFT übernommen habe.

Es ist jedenfalls keine Rede von einer Bereicherung unseres Seelenlebens durch eine Verliebtheit.

Ein hübscher und dazu noch recht kurzer Roman, in dem es um das Problem geht, dass eine Braut nicht mehr Jungfrau ist, obwohl das für den Bräutigam selbstverständlich war, ist der Roman "Tagebuch eines angekündigten Mordes" des südamerikanischen Literaturnobelpreisträgers Gabriel García Márquez. Das Besondere ist hier, dass die Braut standhaft schweigt, "wer es war", der ihre Jungfernschaft "beendet" hatte. Denn sie weiß genau, dass ihre Brüder die "Tat" rächen müssen, also den "Liebhaber" umbringen müssen, weil sich das in ihrer Gesellschaft nun einmal so gehört, wenn Brüder ihre Schwester lieben. Ja, und warum will "sie" dessen Tod nicht? Das kann doch nur daran liegen, weil sie es selbst war, die sich ihn ausgesucht und ihn quasi "darum gebeten" hatte. Und warum wahrscheinlich? Gewiss nicht aus Gier nach Sex, sondern weil sie wohl die Enge ihrer Behütetheit nicht mehr aushalten konnte.

Natürlich stellt sich auch die Frage, wie die Brüder hätten sinnvoller mit ihrer Schwester umgehen sollen. Wenn ich daran denke, wie ich es mit meiner Schwester gemacht hatte: Ich hatte sie als intelligent eingeschätzt und sie "aufgeklärt", wie meine Kameraden über Mädchen denken, und dass sie auf keinen Fall mit dem Sex vor der Ehe anfangen sollte, weil hier doch sowieso alle Männer lügen und weil sie dann doch nur die "Verarschte" ist. Ich denke, sie hat auf mich gehört.

Möglicherweise ist das auch ein Grund für mein Engagement, dass ich der Auffassung bin, dass gerade Mädchen hochmoralisch und hochintelligent sind, dass man eben nur mit ihnen vernünftig reden muss, damit diese ihre hohe Moral auch aktiviert wird. Dann muss man sie auch nicht immer nur behüten. Der Roman von García Márquez ist übrigens sehr gut zu lesen und spannend und also empfehlenswert, man bekommt auch einen Eindruck, wie in Südamerika gedacht wird.

Und was kann man als Vater, gerade auch als Pädagoge machen, um dem vorzubeugen, dass sich diese Verliebheit einer Tochter auf den "Falschen" richtet, gleichgültig, ob sie es will oder "einer", der sie in seinem Sinn manipuliert? Ja, das ist genau die Aufgabe, um die es mir geht! Daher also diese "Atlantiktaufe" (s. Hinweis 42). Die Verliebte wird die nun mit demjenigen, in den sie verliebt ist, wiederholen wollen. Und dafür muss sie reden - und wird "aufwachen" und "hellhörig werden", wenn sie merkt, dass das nicht funktioniert.

Die Erfahrung ist allerdings, dass das Problem der Verliebtheit einer "in dieser Weise" erzogenen Tochter eher hypothetisch ist. Denn sie hat einerseites ein solches Bewusstsein und andererseits eine solche Ausstrahlung, dass es hüchstwahrscheinlich gar nicht erst zu solchen "Verliebheitsproblemen" kommt.


16. Kampagnen, mit denen Jugendliche zur Keuschheit motiviert werden sollen, und in denen die Scham (oder auch die "Intimsphäre") eine Rolle spielt: Eine Notiz in der WELT vom 27.10.2007 gibt Anlass zum Nachdenken, ob traditionelle Wege der Keuschheitserziehung (oder auch der Erziehung zu einer hohen Sexualmoral bzw. zur Monogamie) Chancen auf Erfolg haben. Ich habe die Propagandisten solcher Kampagnen in Deutschland, Gabriele Kuby und Christa Meves, auf diese Notiz aufmerksam gemacht. Doch glauben Sie, dass hier eine Reaktion kommt? Mitnichten. Besonders Gabriele Kuby macht weiter wie bisher, sie ist völlig beratungsresistent. Offensichtlich ist das, was sie macht, ihr Geschäftsmodell, ob es effektiv ist, ist ihr gleichgültig. Doch hier die Notiz:

Null Bock auf „No Sex"
Kampagnen, mit denen Jugendliche zur Keuschheit motiviert werden sollen, sind immer erfolglos und bewirken manchmal sogar das Gegenteil. Das ergab die Auswertung von 13 Enthaltsamkeitsstudien, an denen 15 940 Jugendliche teilgenommen haben. Kristen Underhill und ihre Kollegen von der Universität Oxford stellten fest: Keine Kampagne hatte Einfluss auf die Häufigkeit von ungeschütztem Geschlechtsverkehr, auf die Zahl der wechselnden Partner, auf die Verwendung von Kondomen oder auf das Alter beim ersten Sexualkontakt. Eine der Kampagnen bewirkte überdies einen gegenteiligen Effekt: Die daran teilnehmenden Jugendlichen hatten sogar häufiger Sexualkontakte, und auch die Zahl sexuell übertragener Krankheiten war unter ihnen erhöht. Is   

Interessant, es gibt also Studien zu der Wirksamkeit von Kampagnen, mit denen Jugendliche zur Keuschheit motiviert werden sollen. Doch wo sind denn die Studien, wie nun wirksame Kampagnen aussehen könnten? Ich habe an verschiedenen Hochschulen Theologie studiert, in diesem Studium gab es auch das Fach "Moral". Doch Forschungen zu dem Thema "Pädagogik der echten Monogamie" habe ich keine gefunden. Auch bei den Feministinnen: Fehlanzeige. Dabei müsste die das Thema doch eigentlich interessieren. Der Grund mag sein, dass die alle das Thema aus einer Frustration heraus anpacken, also von selbst erlebten schlechten Erfahrungen her. Doch die jungen Menschen, die sie ansprechen wollen, haben nun einmal noch nicht solche Erfahrungen. Daher verpuffen solche "Ansätze von Erfahrungen her" auch bei denen. Das trifft auch gewiss auf die Publizistin Gabriele Kuby zu. Sie ist geschieden, hat also eine gescheiterte Beziehung hinter sich, also ist ihr Engagement aus einer Frustration heraus – mit den entsprechenden Problemen. So wird sie etwa nie auf die Idee kommen, dass eine echte Sexualmoral, die wirklich funktioniert, auch allen Beteiligten Spaß machen muss und dieses auch kann.


17. "nichts mit Monogamie zu tun": Echte Monogamie muss eine innere Einstellung sein und nicht ein Verhalten etwa „mangels Gelegenheit“ – einfach weil die von der Natur auf echte Monogamie ausgerichtete „hohe Moral“ im jungen Menschen aktiviert ist. Ein passender Vergleich ist der, wenn ein Mensch durch eine aktive Pockenschutzimpfung gegen die Pockenkrankheit immunisiert ist, der bekommt die Pocken selbst dann nicht, wenn er noch so nahe mit Pockenkranken in Berührung kommt – nach dem Motto „Ich ging durchs Feuer und brannte nicht“. Nur eine solche Einstellung hat doch auch eine Werbewirkung nach außen für die Monogamie (ja, darüber wird geredet, wenn sie denn gelingt!), alles andere gilt doch sehr schnell als „Enge und Verklemmtheit“ und hat von daher schnell einen kontraproduktiven Effekt. Zudem: Etwa durch die Trennung der Geschlechter lässt sich – zumindest auf Dauer – die echte Monogamie doch nicht erreichen, siehe etwa dieses Problem im Roman „Tagebuch eines angekündigten Mordes“ von García Márquez im Hinweis 15.  

Beispiel: Die streng-katholische Organisation Opus Dei unterhält etwa Studentenheime – streng getrennt nach Geschlechtern. Wir wissen jedoch nicht, warum etwa Studentinnen genau in ein solches "weibliches Studentenheim" gehen. Es kann ja auch sein, dass sie aus der Zeit davor "die Schnauze voll hatten" von enttäuschenden Erfahrungen mit Männern – und jetzt einfach nur in Ruhe studieren wollen. Dagegen ist nichts einzuwenden, doch mit echter Monogamie hat das nichts zu tun. Und mir geht es eben ganz grundsätzlich um "echte Monogamie".


18. Lucas Cranach d. Ä.: Er war nicht nur so einfach „Maler“, sondern auch „Humanist“, ihm ging es also um bessere menschliche Verhältnisse (vom lateinischen Wort "humanus" = menschlich). In diesem Sinn war er gewiss fortschrittlicher oder auch moderner (in unserem heutigen Sinn) als Martin Luther, dem es "nur" um eine Reform der bisherigen katholischen Religion ging, der aber nicht das grundsätzlich Menschliche im Sinn hatte.

Und zu dem Bild von der nackten Lucretia: Das mit der Kombination von Nacktheit und hoher Moral war gewiss nicht nur eine fixe Idee Lucas Cranachs. Gerade in der frühen Kirche wurden nicht nur die kleinen Kinder splitternackt getauft (wie heute noch in der orthodoxen Kirche in Bulgarien, ich habe es zufällig selbst gesehen), sondern durchaus auch Jugendliche und Erwachsene. Die Nacktheit soll hier das Symbol sein, dass Christen (oder besser "Jesusnachfolger") die Moral nicht mehr mit "Feigenblättern" (oder eben mehr oder weniger großen Kleidungsstücken) machen, sondern mit "heiligem Geist". Und wenn wir´s recht bedenken, wenn der Geist nicht da ist, bringen´s die Kleidungsstücke doch sowieso nicht. Wenn ich mir das heute vorstelle mit der Nacktheit – undenkbar. Das heißt für mich, das muss damals ein völlig anderes Verständnis von Christsein (oder besser "Jesusnachfolge") gewesen sein als heute! Also auf zur wirklichen "Jesusnachfolge", aber komplett – die Badehosen und Bikinis sind sowieso ein Anachronismus, die deutlich machen, dass wir noch längst nicht im Dritten Jahrtausend angekommen sind!


Lukas Cranach: Goldenes Zeitalter um 1530: Der berühmte Maler Cranach war auch Humanist, er hatte also das Ideal einer heilen Welt, also eines "goldenen Zeitalters". Die Nacktheit steht für Vertrauen, Moral, Harmonie, Offenheit, Freiheit. Leider erst einmal nur in einem abgeschlossenen Garten für ausgewählte Menschen, die sich an die Spielregeln des Paradieses halten, doch warum sollten nicht alle Menschen ausgwählt sein? Anmerkung: Die Farbwiedergabe ist m. E. sehr schlecht, doch ich habe keine bessere Vorlage.


Ein anderer bedeutender Humanist, der das Problem "Moral und Nacktheit" ins Gespräch brachte, war der englische Lordkanzler Thomas Morus, der schließlich auch zum Märtyrer für seinen katholischen Glauben wurde - und 1935 von der auch heiliggesprochen wurde. 1980 wurde er auch ein Heiliger der anglikanischen Kirche. Er hatte ein Büchlein über einen idealen Staat geschrieben "Utopia", in dem es eigentlich weniger um die Konstruktion eines solchen "idealen Staates" ging, sondern mehr um eine Kritik an den bestehenden Staaten und Gesellschaften seiner Zeit. Interessant in unserem Zusammenhang ist, wie Thomas Morus die Einfädelung von Ehen in diesem Idealstaat sieht, die schließlich auch halten sollen. In diesem idealen Staat wundern sich also die Menschen über die Dummheit der Menschen in anderen Ländern, dass sie einen Ehepartner "nehmen", den sie vor der Eheschließung noch nicht einmal "komplett" gesehen haben dürfen. Wie die Utopier das nun machen, ist vielleicht etwas krampfig und gewiss auch keinesfalls der Weisheit letzter Schluss, doch Thomas Morus geht dieses Thema wenigstens schon einmal an. Ich denke, auf was ich gekommen bin, ist praktikabler und also sinnvoller, doch schauen wir uns einmal die Lösung von Thomas Morus an:

"22. Geschlechtsmoral und Ehegesetze
    Die Frau heiratet nicht vor dem achtzehnten Jahre; der Mann nicht, bevor er noch vier Jahre älter geworden. Wird eine Frau vor ihrer Verheiratung verbotenen Umgangs überführt, So wird das sowohl an ihr, als am Manne schwer geahndet. Beiden Teilen wird die Ehe verboten, wofern nicht die Verzeihung des Fürsten das Vergehen sühnt: aber auch der Familienvater oder die Mutter, in deren Hause dieses begangen worden, unterliegen der Entehrung, weil sie die ihrem Schutze Befohlenen schlecht behütet haben.
    Die Utopier bestrafen dieses Vergehen deswegen so streng, weil sie voraussehen, dass es sonst kommen werde, dass nur wenige in ehelicher Liebe sich vereinigen würden, worin ein jeder ein ganzes Leben mit einer Person verbleiben und obendrein alle Unannehmlichkeiten geduldig ertragen muß, die der Ehestand mit sich bringt, wenn die Leute sich dem zügellosen Konkubinate hingeben dürften.
    Bei der Wahl des Ehegatten beobachten sie einen nach unserem Dafürhalten höchst albernen und besonders lächerlichen Gebrauch in vollem Ernste und mit aller Strenge.
    Eine gesetzte und ehrbare Matrone zeigt die zu Verheiratende, sei diese nun Jungfrau oder Wittwe, völlig nackt dem sich um sie Bewerbenden und ein ehrenwerter Mann zeigt umgekehrt den völlig nackten Werber dem Mädchen.
    Während wir aber diese Sitte als eine unschickliche verlachten und mißbilligten, wundern sich die Utopier hingegen über die hervorragende Torheit aller übrigen Völker, die, wenn sie ein erbärmlicher Pferd erstehen wollen, wo es sich nur um wenige Geldstücke handelt, so ungemein vorsichtig sind, dass sie sich weigern, es zu kaufen, obwohl das Tier von Natur fast nackt ist, wenn nicht auch noch der Sattel abgehoben wird und die Pferdedecken und Schabracken entfernt werden, weil unter diesen Bedeckungen ja ein Geschwür verborgen sein könne — in der Auswahl der Gattin aber, woraus Lust oder Ekel für das ganze Leben folgt, so fahrlässig verfahren, dass sie die Frau kaum nach einer Spanne Raum (da ja außer dem Gesicht nichts zu sehen ist), bei sonst völlig in Kleider eingehülltem Körper beurteilen und abschätzen und eine Verbindung mit ihr schließen, nicht ohne große Gefahr eines elenden Zusammenlebens, wenn hinterdrein anstößige Gebrechen an ihr entdeckt werden.
    Denn alle Männer sind durchaus nicht Weise in dem Maße, dass sie bloß auf den sittlichen Wert sehen, und auch in den Ehen der Weisen bilden körperliche Vorzüge eine nicht unwillkommene Zugabe zu den Tugenden des Geistes und Gemütes.
    Unter allen jenen Hüllen kann ja eine so abschreckende Häßlichkeit verborgen sein, dass sie das Gemüt des Mannes seiner Frau ganz und gar zu entfremden vermag, wenn schon eine Scheidung von Tisch und Bett nicht möglich ist.
    Wenn nun diese Häßlichkeit zufällig erst nach geschlossener Ehe entdeckt wird, muß Jeder eben sein Los tragen; es ist daher Sache der Gesetze, Vorsorge zu treffen, dass einer nicht in eine solche Falle gerate, und es war das um so ernstlicher zu berücksichtigen, weil von allen in jenen Weltteilen gelegenen Völkern sie allein sich mit einer Gattin begnügen und die Ehe selten anders als durch den Tod gelöst wird, wofern nicht ein Ehebruch vorliegt, oder der eine Ehepart einen unausstehlichen Charakter hat. Wenn nämlich einer von beiden Teilen in dieser Weise verletzt wird, erhält er vom Senate die Erlaubnis, den Gatten zu wechseln, der andere Teil muß ehrlos in lebenslänglicher Ehelosigkeit leben.
    Sonst aber ist es durchaus unerlaubt, dass ein Gatte seine Frau deswegen verstoße weil sie durch einen Unfall körperlichen Schaden nimmt, wenn sie sonst keinerlei Schuld trifft das hält man für eine Grausamkeit, jemand preiszugeben und zu verlassen, wenn er gerade am meisten des Trostes bedarf und dass dem Alter, wo sich Krankheiten einstellen, ja das eine Krankheit selber ist, die gelobte Treue von dem anderen Teile gebrochen wird.
    Übrigens kommt es zuweilen vor, dass, wenn die Gatten ihren Charaktereigenschaften nach schlecht zusammenpassen, sobald sie jeder eine andere Partie gefunden haben, in welcher sie glücklicher leben zu kommen hoffen, sich freiwillig trennen und beiderseits neue Ehen eingehen, allerdings nicht ohne die Ermächtigung des Senates dazu, der eine Ehescheidung nicht zugibt, bevor er nicht selbst und unter Zuziehung der Ehefrauen seiner Mitglieder den Fall gründlich ventiliert hat. Doch auch dann wird die Sache nicht leichtlich zugelassen, denn sie wissen sehr wohl, dass es nicht zur Befestigung der Gattenliebe beiträgt, wenn die begründete Aussicht besteht, eine neue Ehe schließen zu können.
    Ehebrecher werden mit der härtesten Sklaverei bestraft, und wenn keiner von beiden Teilen unverheiratet war, können sich die jungen Ehegatten, denen durch den Ehebruch Unrecht geschehen, gegenseitig heiraten, indem sie den schuldigen Teil verstoßen, oder sonst wen sie wollen zum Gatten nehmen.
Wenn aber Mann oder Frau, die in dieser Weise verletzt worden sind, zu dem betreffenden Gatten, der es so wenig verdient, noch immer Liebe hegt, so tritt das Gesetz dem Fortbestände der Ehe nicht entgegen, wenn er dem zur Arbeit verurteilten anderen Teile folgen will; es kommt übrigens zuweilen vor, dass die Reue des einen Teils und das ernstliche Bestreben des andern das Mitleid des Fürsten erregt und die Freiheit des Schuldigen erwirkt.
    Einen Rückfälligen trifft der Tod."


19. "Selbsterfüllende Prophezeiung" bedeutet, dass etwas so und so ist, weil wir so und so denken. Wir haben etwa Angst vor etwas, weil wir denken, dass es gefährlich ist - und nur aus diesem Grund ist es auch tatsächlich gefährlich. Um diesen irrationalen Teufelskreis zu durchbrechen, kann man nur empfehlen, sich einmal klar zu überlegen, ob etwas nun wirklich gefährlich ist - und sich darauf einzulassen, es auszuprobieren. Das Paradebeispiel für solche Ängste ist die Angst vor der Nacktheit. Da kann man nur empfehlen, sich in der Familie oder mit Freunden darüber zu unterhalten und es dann einfach mal zu machen. Sie werden sehen, je nachdem, wie Sie sich unterhalten haben, waren die ganzen Ängste reiner Quatsch: Niemand fällt Sie an und Sie fallen niemanden an ... Natürlich werden Sie sich dann fragen, wer Ihnen solche Ängste erzählt, wer also Interesse dran hat, dass Sie solche sinnlosen Ängste haben. (dieser Absatz wird noch ergänzt)


20. "noch nicht so ausgereift": Ja, leider ist mir vieles erst oft lange nach meiner aktiven Zeit als Lehrer aufgegangen, vor allem auch durch Gespräche gerade auch mit jungen Pilgerinnen auf dem "Santiago-Pilgerweg" in Spanien. So die Gedanken: "warum Mädchen von sich aus mit dem Sex anfangen ..", "Prägung durch Belohnung", "Orgasmus durch Sich-Fallenlassen-Können". Wie hätte mein Unterricht oft anders laufen können, wenn ich bessere Argumente gehabt und ich mich dann auch noch besser ausgedrückt hätte und wenn mich also die jungen Leute besser verstanden hätten!

21. Ganzkörpermassage:
Der oberste Grundsatz ist hier: Wer ALLES verbietet oder madig macht, also als ekelhaft oder als sündhaft oder sonstwie als schlecht hinstellt, der erreicht nur, dass junge Menschen keine Alternativen kennen und also auch anstreben können, sondern schließlich ALLES machen!

Die Frage stellt sich natürlich, ob durch Nacktheit und durch solche „Spielereien“ nicht die Spannung insbesondere des männlichen Partners so gesteigert wird, dass er sich „vor lauter Druck“ schließlich nicht mehr unter Kontrolle hat und gewalttätig wird usw. Mein Eindruck ist, dass wir es hier mit so etwas wie mit einer selbsterfüllenden Prophezeiung zu tun haben: Wenn man die grundsätzliche Einstellung hat, dass „so etwas“ nicht möglich ist, dann geht das auch nicht, doch wenn man aber die Einstellung hat, dass es möglich ist, dann geht es auch – und zwar sowohl für den männlichen wie für den weiblichen Partner. Und warum das bei der einen Einstellung nicht geht und bei der anderen jedoch geht? Möglicherweise liegt das daran, dass derjenige Pädagoge (oder ganz allgemein Erwachsene), der sagt, dass es nicht möglich ist, alles verhindern wird, was zu einem „lockeren Umgang“ der Geschlechter miteinander führt. Er wird also alle Gespräche mit und unter den jungen Leuten darüber verhindern und auf alle Fälle nicht fördern, und dann natürlich die Nacktheit von Kindheit an tabuisieren, von einer Aufwertung der Nacktheit als Zeichen einer schönen Emanzipation kann schon gar keine Rede sein. Auch wird er die Möglichkeiten des Hautkontakts und die mögliche „Entspannung“ auch des Mannes dabei verschweigen. Die Folge ist, dass junge Menschen „damit“ auch gar nicht locker umgehen können und nur auf die Befriedigung per Genital fixiert werden, ich weise hier etwa auf das Buch von Georges Valensin hin. Dagegen bewirken die Pädagogen mit der anderen Einstellung, dass es möglich ist, etwas ganz anderes: Junge Menschen werden geradezu fiebrig auf solchen lockeren Umgang miteinander – und dieser "lockere Umgang" reicht dann auch! Jedenfalls ist das auch mein Eindruck aus Gesprächen mit jungen Leuten, so haben mir Mädchen mehrfach glaubhaft versichert, dass es „das“ auch getan hätte, was ich hier empfehle, wenn sie nur davon gewusst hätten. Doch so hatte es nun einmal niemand gesagt – leider. Und immer wieder: Wichtig ist ein gemeinsamer Unterricht von früher Jugend an über dieses Thema, damit die jungen Leute beiderlei Geschlechts sich entsprechend einrichten können.

Unterstützt wird die These, dass der „lockere Umgang“, bei dem der harmonische Hautkontakt im Vorder­grund steht, durch die „berühmte Geschichte“ aus China aus der Mao-Zeit. Da war also ein verheiratetes junges Pärchen, beide Chemiker, die sich wunderten, warum sei auch noch nach ein paar Jahren Ehe kein Kind bekamen und deswegen zu einem Arzt gingen. Und der Arzt fand heraus, dass die beiden von Geschlechtsverkehr überhaupt keine Ahnung hatten und ihn also auch nicht praktiziert hatten! Es durfte damals mit jungen Leuten über „so etwas“ nicht geredet werden, also hatten die beiden auch noch nie von so etwas gehört – sie dachten, dass Kinder durch die Vermischung der Moleküle auf der Haut zu wachsen anfangen. Und bei ihrer „Vermischerei“ hatten sie offensichtlich auch nichts vermisst. Für uns heißt das, dass auch für uns das „Vermischen“ ausreichen dürfte, zumindest solange es keine anderen Erfahrungen gibt und beide Partner es auch so wollen. Und nicht zuletzt: Vielleicht gibt es hierbei – wenigstens zunächst - auch das schönere Harmoniegefühl, während beim Sex – vor allem bei Unverheirateten – bisweilen etwas mit der Verachtung für die Frau als Objekt zur Triebabreaktion mitschwingt, das heißt, für eine Triebabreaktion ist sie gut genug, für mehr aber nicht. Das mag brutal klingen – aber weiß man´s, ob da nicht doch etwas dran ist?

Und noch etwas Allgemeines dazu: Ja warum ist das so, dass junge Menschen, die noch nie Sex hatten, auch in solch "extremer Situation" nichts dazu zieht, auch Sex zu haben? Natürlich, sie können dabei durchaus sehr "high" sein, doch fokussiert sich diese "Highness" nicht auf die Geschlechtsteile, sondern sie erfasst den ganzen Körper, ja sogar den ganzen Menschen, sozusagen mit Leib und Seele. Also werden junge Menschen durchaus kreativ werden, wie sie die Highness in die Praxis umsetzen können. Hier wäre nun ein Ansatz für eine sinnvolle Erziehung gewesen, dass nicht die Triebbefriedigung das Ziel ist, wie auch immer sie geschieht, sondern etwa ein schöner Enthaltsamkeitsrausch. Ja, was soll denn das sein? Dazu wieder etwas Theorie: Der Ursprung des Menschen ist nun einmal in einer sehr oft ihm feindlichen Natur gewesen und er ist gegenüber anderen Lebewesen zwar mit einem guten Gehirn ausgestattet, jedoch oft nicht mit den richtigen körperlichen Kräften. Und da konnte es schon einmal vorkommen, einem Tier zu begegnen, gegen das er vom Körperlichen her ohne die entsprechenden Waffen keine Chancen hatte, also blieb ihm nur die Flucht übrig. Und diese für ihn lebensgefährliche Situation war natürlich der absolute Stress. Glücklicherweise hat sich die Natur hier etwas einfallen lassen: Nämlich das Antistresshormon. Und dieses Antistresshormon kitzelt sozusagen die letzten Kräfte aus dem fliehenden Menschen heraus: Er schafft es sogar noch, schnell auf einen Baum zu klimmen, auf den er sonst nie gekommen wäre, um in Sicherheit zu sein. Und dieses Antistresshormon bringt auch noch etwas: Es ist sowohl im chemischen Aufbau wie in der Wirkung wie eine Droge. Das heißt, der Mensch kann sich auf diese Weise unter "eigenerzeugte Drogen" setzen. Dazu hat diese Droge "Antistresshormon" den Vorteil, dass es doch ein wenig anders ist, denn mit diesem Hormon wird man nicht süchtig, so wie mit dem "künstlich produzierten und zugefügten". Und bei einer Dopingkontrolle - wie sie bei Wettkämpfen vorkommt, kann gegen diese "Drogen" nichts gesagt werden, denn sie kommen ja vom Menschen selbst!
Doch wieder so eine schöne Ganzkörpermassage: Die kann ein ganz schöner Enthaltsamkeitsstress sein, klar. Und um dagegen anzukommen, bildet auch hier – wie in allen Stresssituationen – der Körper ein Antistresshormon. Es kommt also zu einem echten Rausch mit eigenerzeugten Drogen. Ist das nichts?

Wem diese Art des Umgangs mit der Sexualität nicht gefällt, weil sie zu frei ist und nicht den Vorstellungen von Religion entspricht, der sollte bedenken, dass es in dem Konzept "Jesusideologie" nicht darum geht, kleine Mönche und Nonnen zu erziehen, sondern dass junge Menschen zu ganzen Menschen werden, die vernünftig im Leben stehen, also auch nicht leibfeindlich sind und Freude an ihrem Körper und an ihrem Leben haben und wissen, wie sie mit alldem sinnvoll und auch in Übereinstimmung mit unserem Glauben umgehen können.


22. "Basisgeschichten dieses Glaubens": Wenn wir wirklich wollen, dass unser Glaube wieder attraktiv wird und dass die Moral dieses Glaubens wieder "voll" gelebt wird, dann muss gerade auch das auf den Prüfstand, was üblicherweise als selbstverständlich gilt und was sonst nicht oder kaum hinterfragt wird: unsere Glaubensvorstellungen, das Moralmodell von Kirche und Gesellschaft (ich denke dabei an das Problem, ob etwas echt ist oder auch nicht)... Ja, leben wir denn nicht in einer wunderbaren Zeit, wo dieses "Auf-den-Prüfstand-Stellen" endlich einmal -  weitestgehend gefahrlos - möglich ist?

Zu den "Glaubenswahrheiten": Es ist nun einmal so, dass Jesus Jude war und nur vor dem Hintergrund seiner jüdischen Welt, und das ist nun einmal auch die eines Wanderarbeiters, der sich allerdings auch in den heiigen Schriften seiner Zeit gut auskannte, verstanden werden kann. Auch muss er ein großes Allgemeinwissen und gute psychologische Kenntnisse (so würden wir das heute sagen) gehabt haben. Abgesehen davon, dass die Evangelien vermutlich eine geniale Neuschöpfung sind, kommt noch hinzu, dass der jüdische Hintergrund nur noch äußerlich übernommen und im Prinzip vor allem durch einen von griechischer Philosophie bestimmten Hintergrund bis hin zu einem Allerweltshintergrund ersetzt wurde. Dadurch wurde Jesus eben zu einem völlig anderen als der, der er wirklich war.

Und zur Moral gerade der jungen Menschen: Ich bin jedenfalls der festen Überzeugung, dass die Menschen von Jugend an zu einer hohen Sexualmoral von Natur aus veranlagt sind und dass alle diejenigen, die etwas anderes behaupten, Unrecht haben. Natürlich muss diese hohe Moral aktiviert werden. Und so könnte gerade unser Christentum sehr gut an die jungen Menschen herankommen. Allerdings ist zu bedenken, dass gerade junge Menschen das "Echte" wollen. Doch damit stehen auch die christlichen Kirchen auf dem Kriegsfuß: Weder ist der Jesus echt, den sie lehren, noch die Moral, noch die Monogamie.
Wenn etwas Indiz für Dekadenz ist, dann das, dass nicht mehr das Echte gelehrt wird, sondern auf das Unechte ausgewichen wird.


23. "Sohn Gottes": Zunächst einmal: Jeder männliche Jude galt bei den Juden als "Sohn Gottes", "Sohn Gottes" war also eine Art Ehrentitel. Dagen galt bei anderen Völkern, etwa bei den Ägyptern, nur der König oder eben der Pharao als Sohn Gottes. In Ägypten kam deswegen auch ein Botengott (Bote = lat. "angelus" = Engel) zur Königin und brachte ihr den göttlichen Samen, von dem sie schwanger wurde und wodurch es dann zum neuen Gottkönig kam. Diesem Glauben kam entgegen, dass man damals glaubte, dass beim Werden eines Kindes eine Frau nur eine Ammenfunktion spielt, das heißt, dass im Samen des Mannes bereits der komplette Mensch (also der lat. "homunculus", das Menschlein) enthalten ist, der dann durch die Frau sozusagen nur noch "ausgebrütet" wird. Erst der Brünner Augustinermönch Gregor Mendel hat duch seine Versuche herausgefunden, dass der "weibliche Teil einer Beziehung" zu 50 % am "Ergebnis" beteiligt ist, dass diese alte "Homunculustheorie" also nicht stimmt. Anmerkung: Noch heute glauben viele Japaner, dass ihr Kaiser, der Tenno, der Ur-Ur-Ur-Enkel der Sonnengöttin Amaterasu ist, die Japaner haben offensichtlich eine andere Theorie für die Entstehung des Menschen als die Homunculustheorie.

Wie ein Mensch zu etwas Höherem "befördert" wird, dafür gibt es heute eine hübsche Redensart: Wenn man im Arbeitsleben jemanden - aus welchen Gründen auch immer - los werden will, den man aber nicht hinauswerfen kann, etwa weil er in einer Firma besonders gute Kunden zu Freunden hat und so für einen wichtigen Umsatz sorgt, dann lässt man ihn "die Treppe hochfallen". Das heißt, man befördert ihn auf einen Posten, wo er zwar ein höheres Ansehen hat und auch mehr Gehalt bekommt, jedoch keinen "Schaden" mehr mit irgendwelchen ver-rückten Ideen anrichten kann. Und so können wir uns das bei Jesus vorstellen: Als Mensch konnte er den Bösen (hier der Halbweltmafia) gefährlich werden, dagegen ist er als Sohn Gottes in erster Linie als Verehrungsobjekt ein "zahnloser Tiger", zu dem allenfalls gebetet wird, etwas für die Menschen zu verändern. Doch erfahrungsgemäß passiert da gar nichts, also bleibt weiter alles beim Alten, was von den Bösen (und oft genug auch von ihren frommen "Kombattanten") auch so von vornherein beabsichtigt war. Doch immerhin gibt es für die Beter die Hoffnung, dass passiert, um was sie beten. Und auf alle Fälle bleibt immer noch das Versprechen eines schöneren Lebens nach dem Tod, das die Beter auch erreichen können, wenn sie weiter dem "richtigen Glauben" treu bleiben, was auch immer das ist. Und der Vorteil für die, die "so jemanden" zum Sohn Gottes gemacht haben: Es darf nicht mehr nach näheren Zusammenhängen gefragt werden, weil das dann als Blasphemie (also Gotteslästerung) oder auch als Abfall vom Glauben ausgelegt und je nachdem sogar lebensgefährlich werden kann.

Dazu Deschner (S. 41f): "Jesu Vergottung erfolgte nach genau vorgegebenen Mustern.

Bevor wir der Entstehung des Dogmas von Jesus dem Gottessohn und Gott Schritt für Schritt folgen, müssen wir uns einer fundamentalen Tatsache erinnern: Vergottungen, Auftritte von Heilanden, innerhalb und außerhalb des Judentums, vor allem aber vom Himmel kommende Gottessöhne waren der antiken Welt vertraut und selbstverständlich. Das ganze christliche Heilsdrama - Präexistenz, Inkarnation, Martyrium, Tod, Auferstehung, Höllen- und Himmelfahrt -ist eine Kombination viel älterer Mysterienvorstellungen und hellenistischer Philosophie. Es war Zug um Zug vorgegeben und wurde - restlos! - auf die Gestalt Jesu übertragen, sei diese nun historisch oder nicht.

Betrachten wir die Tragödie, die, bei Licht besehen, freilich komische Züge genug hat, der Reihe nach.

Die Präexistenz war nichts Neues. Schon Buddha weilte vor seiner Herabkunft als Geistwesen im Himmel und begab sich freiwillig auf die Erde zum Heil der Welt. Auch die heidnischen Heilande lebten seit aller Ewigkeit und wurden der notleidenden Menschheit als Retter, Erlöser, im voraus verkündet. Wie später Paulus flunkert: »Als aber die Erfüllung der Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn«, oder wie bei Markus steht: »Erfüllt ist die Zeit und das Königreich Gottes nahe herbeigekommen«, so liest man bereits in einem berühmten vorchristlichen Text: »Gekommen ist die Endzeit ... Schon hat Apollo seine Königsherrschaft angetreten ... Ein Sohn des höchsten Gottes wird geboren.«
In vorchristlicher Ära lehrten auch die Gnostiker die Herabkunft des Erlösers, des erstgeborenen Sohnes Gottes, der die Seelen für die himmlische Lichtwelt rettet. Und ganz offensichtlich hat die Präexistenzchristologie gerade hier eine frappierende ältere Analogie. Der gnostische Mythos vom Himmelsmenschen, vom Erlöser und Offenbarer, wurde auf die Person Jesu übertragen.
Auch kamen die heidnischen Heilande meist als Jungfrauensöhne zur Welt: in Ägypten, Babylon, Indien, Persien und Rom."

Das Zitat von Deschner weiter unter "Jungfrauengeburt".


24. "Jungfrauengeburt": So waren auch Götterzeugungen mit menschlichen Frauen in der antiken Mythologie durchaus "normal" – auch die heidnischen Heilande kamen meist als Jungfrauensöhne zur Welt: in Ägypten, Babylon, Indien, Persien und Rom. Die griechische Königstochter Europa bekam ein Kind durch den Beischlaf mit dem als Stier verkleideten Gott Zeus, die spartanische Königin bekam zwei Eier durch den diesmal als Schwan verkleideten Gott Zeus, auch Herakles hat den Gott Zeus zum Vater. Noch nicht einmal die Jungfräulichkeit Mariens ist etwas Besonderes. So etwa naht sich in der ägyptischen Mythologie der Geistgott Amun in Gestalt des regierenden Königs der jungfräulichen Königin und erzeugt mit ihr den neuen Gottkönig (doch hin und wieder schickt der Gott dazu auch einen Boten – "Bote" = griechisch/lateinisch "angelus" = Engel).  Das Besondere an Maria ist allenfalls, dass sie ein Mädchen "aus dem Volk" war, das heißt durch sie schickte also ein Gott einen ganz besonderen Sohn für uns alle. Doch schauen Sie einmal in die Geburtsgeschichte im Matthäusevangelium (1,18ff): Unmittelbar vor dieser Geschichte, in der ein Engel der Jungfrau Maria erscheint, steht nämlich die Geschichte vom Stammbaum Jesu. Und raten sie einmal, wer nun das Elternteil ist, von dem Jesus abstammt, Maria oder Josef? Wenn Jesus doch von einer Jungfrau geboren wurde, dann müsste dieses Elternteil doch die Mutter sein? Und die kann doch nach der damalig geglaubten Homunculustheorie gar keinen Sohn zeugen? Oder? Dann schauen Sie doch einmal bei Matthäus nach, ob Sie bei Ihrer Raterei richtig lagen!

Europa und der Stier - Fresko aus Pompeji im Antikenmuseum in Neapel

Immerhin gibt es zum Thema "Abstammung Jesu" auch eine Lösung aus dem jüdischen Kulturkreis! Der Engländer Marc Gibbs mit Beziehungen zu den U.S.A. vertritt in seinem Buch "Die Jungfrau und der Priester" ("The Virgin and The Priest") die Theorie, dass Zacharias, der Mann der Cousine Elisabeth und der Vater von Johannes (d.T.), auch der Vater von Jesus ist. Maria hatte nämlich die Weissagung bekommen, dem Erlöser Israels das Leben zu schenken. Und als sie dann bei Elisabeth war, um ihr, die schon hochbetagt war, bei der Geburt ihres Kindes zu helfen, sah sie hier eine göttliche Fügung und für sich selbst die Chance, dass die Weissagung in Erfüllung gehen könnte, wenn auch sie einen Sohn durch den offensichtlich gottbegnadeten Priester Zacharias bekommen würde. Als auch sie dann schwanger wurde, sah Elisabeth verständlicherweise in ihr eine Konkurrentin um ihren Mann und "warf sie hinaus". So kam es, dass Maria nicht mehr bis zur Geburt des Johannes bei der Familie Zacharias/Elisabeth blieb. Auf diese Weise sind Johannes (d.T.) und Jesus Halbgeschwister – und Johannes ist weniger Vorläufer Jesu, sondern eher Konkurrent. Von daher ergeben sich dann in der Glaubensgeschichte die unterschiedliche Sichtweisen des Erlösers, einmal als "Sohn Gottes" und einmal als "Prophet", die Auswirkungen bis heute haben. Das Buch gibt es auch auf Deutsch und ist sehr lesenswert! Ich überlasse es dem Leser, welcher Geburtsgeschichte Jesu er den Vorzug gibt, der der Jungfrauengeburt wie im außerjüdischen Kulturkreis oder der aus dem jüdischen Kulturkreis mit dem Priester Zacharias als Vater.

Und hier noch Deschner (S. 42 ff):

"Auch kamen die heidnischen Heilande meist als Jungfrauensöhne zur Welt: in Ägypten, Babylon, Indien, Persien und Rom.

Schon im 3. Jahrtausend befruchtete der ägyptische Sonnengott die jungfräuliche Gattin des Königs. In Indien wurde Buddha jungfräulich geboren. Engel verkündeten ihn als Erlöser und verhießen seiner Mutter: »Alle Freude komme ' über dich, Königin Maya - jauchze und sei froh, denn dieses Kind, das du geboren hast, ist heilig!« In Persien verehrte man Zarathustra als Jungfrauensohn, Hera brachte den Hephaistos jungfräulich zur Welt, auch Platon hielt man für den Sohn einer Jungfrau, und im Herakleskult galt die Mutter des Gottes als Jungfrau und Mutter zugleich.

Jungfrauengeburten waren in der Antike so bekannt, daß die bedeutendsten Kirchenväter Jesu jungfräuliche Geburt geradezu durch ähnliche Mythen propagierten.9 Heute ist dies, sagt der Theologe Bousset, »so klar, daß es keinen Zweck mehr hat, hier noch Parallelen zu häufen und alle Legenden von wunderbar geborenen Gottessöhnen herbeizutragen«.

Lange bevor die Kirche, erst 353, den Geburtstag Christi auf den 25. Dezember verlegte, wurde der Geburtstag des Mithras, des unbesiegbaren Sonnengottes, an diesem Tag begangen. Die liturgischen Formeln aber der heidnischen Gläubigen beim Sonnwendfest in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember lauteten: »Die Jungfrau hat geboren, zu nimmt das Licht.« »Der große König, der Wohltäter Osiris, ist geboren.« Und aus den Mysterienfeiern stammt auch der Ruf: »Euch ist heute der Heiland geboren.« Bei Lukas spricht der Engel: »Heute wurde euch der Heiland geboren.«
Schon vor Jesus hat man andere Gottheiten, Zeus, Hermes, Dionysos, in einem heiligen Korb oder der Krippe in Windeln liegend geschildert und dargestellt. Bereits Mithras beteten bei seiner Geburt Hirten an, die ihm die Erstlinge ihrer Herden und Früchte brachten.14 Wie Maria den Jesusknaben unterwegs gebar, so kamen auch andere Jungfrauensöhne häufig auf der Flucht oder einer Reise zur Welt. So das göttliche Kind der Isis - die selber, beiläufig, lange vor Maria als »liebreiche Mutter«, »Himmelskönigin«, »Meereskönigin«, »Gnadenspenderin«, »Retterin«, »Unbefleckte«, »Sancta Regina« und »Mater dolorosa« verehrt, auch schon mit blauem sterngeschmücktem Mantel gezeigt wurde, mit dem Gotteskind auf dem Arm oder an der Brust, und die ihre Titel »Gottesmutter« und »Gottesgebärerin« endgültig an die Mutter Jesu 431 auf dem Konzil von Ephesus abtreten mußte, das riesige Bestechungsgelder mitentschieden, die der Patriarch von Alexandrien, der hl. Kyrill, allen möglichen Leuten zuschob, angefangen von hohen Staatsbeamten über die Frau des Prätorianerpräfekten bis zu einflußreichen Eunuchen und Kammerzofen, wobei er, obwohl selbst reich, noch über 100000 Goldstücke leihen mußte und trotzdem nicht auskam. Wie Herodes von den Magiern hört, daß eben ein König geboren sei, worauf er dem Jesuskind nachstellt, so erfuhr schon Hera, daß der aus Zeus' Stamm geborene Herakles König werde, worauf sie dem Kind nachstellt. Wie Jesus aus Angst von den Eltern nach Ägypten geführt und wieder zurückgebracht wird, so wird Herakles aus Angst von seiner Mutter ausgesetzt und wieder zurückgebracht. Und wie später der greise Simeon das Jesuskind in seine Arme nimmt und es das »Heil« nennt, das »vor den Augen aller Völker bereitet« wurde, »ein Licht zur Erleuchtung der Heiden«, so nahm schon der greise Asita den neugeborenen Buddha in seine Arme, weissagte ihm entzückt den »Gipfel vollständiger Erleuchtung« und pries ihn als »das Heil vieler Menschen«, dessen Religion weit ausgebreitet werde."

25. "Wunder": In allen Religionen gibt es Wundererzählungen, um die herausragende Stellung ihres Gottes oder des Propheten dieses Gottes zu beweisen. So gibt es etwa dieses Weinwunder im Johannesevangelium (Hochzeit zu Kanaa) auch in der Legende des Weingottes Dionysos. Erzählen und schreiben kann man ja viel ... Ich empfehle hierzu, wie auch zu den anderen "wunderlichen Geschichten" im Neuen Testament besonders die Arbeit  "Der gefälschte Glaube" von Karlheinz Deschner, hier also: ab Seite 44 f:

"Was aber die Wunder betrifft, so gibt es kein Mirakel der Evangelien, das nicht schon vordem gewirkt worden wäre. Bereits Buddha machte Kranke gesund, Blinde sehend, Taube hörend, Krüppel gerade. Schon er schritt über den hochangeschwollenen Ganges wie später Jesus über den See. Und wie dessen Jünger Wunder tun, so schon die Jünger des Buddha. »Wie beispielsweise Petrus auf dem Wasser wandelt, so auch ein Jünger des Buddha. Wie Petrus zu sinken beginnt, als sein Glaube klein wird, so sank auch schon der Buddha-Jünger, als er aus seiner gläubigen Versenkung in Buddha erwachte. Und wie den Petrus der Herr rettet, so rettet den Buddha-Jünger der erneute gläubige Gedanke an den Meister.« Wie Jesus bei Lukas beginnt bereits Pythagoras seine Lehr- und Wundertätigkeit mit einem Fischwunder, wobei er allerdings, sich weit über Jesus erhebend, gebietet, die Fische wieder freizulassen, deren Wert er ersetzt. Pythagoras heilte auch Kranke an Leib und Seele, er stillte den Sturm auf dem Meer, was einer seiner vielleicht zeitweiligen Hörer, Empedokles, dann so oft tat, daß er geradezu »Windesbezwinger« hieß. Doch hat Empedokles auch schon Pestkranke kuriert und Tote erweckt.
Das Wunder auf der Hochzeit in Kana (wo der johanneische Christus 600 bis 700 Liter Wein aus Wasser erzeugt, wie sich aus Johannes 2,6 f einwandfrei ergibt, wenn auch gläubige Exegeten das respektable Quantum manchmal reduzieren und das Wunder ganz unnötig verkleinern wollen) wurde, wie Euripides bezeugt, schon von Dionysos vollbracht. Dionysos, der Lieblingsgott der antiken Welt, dem sie von Asien bis Spanien in prunkvollen Prozessionen huldigte, der auch einen seiner bekanntesten Titel, »der Weinstock«, im Johannesevangelium an Christus abtreten muß, der dort »der wahre Weinstock« wird3" (alles, was früher falsch war, wurde im Christentum wahr), Dionysos hat zahlreiche Weinwunder gewirkt - und nachher wiederholten seine Priester im bewußten Wunderschwindel an Dionysosfesten diese Wunder genauso, wie später die christlichen Priester am Jahrestag der Hochzeit zu Kana (am 6. Januar, am selben Tag wurde ein vielgefeiertes Dionysosfest begangen!) betrügerisch die Verwandlung von Wasser in Wein wiederholten.
Als großer Wundertäter galt der Arzt und Heilgott Asklepios, über dessen Altären das Wort »Soter« (Heiland) in riesigen Buchstaben prangte und dessen Wunderheilungen in Epidauros, das schon im 5. vorchristlichen Jahrhundert zu florieren begann wie heute Lourdes, die ganze Welt kannte. Wie sehr zahlreiche Taten Jesu auf Asklepios zurückgehen, wie nah verwandt die Wundertätigkeit der beiden ist, hat in prägnanter Zusammenfassung der Forschungsergebnisse der Theologe Carl Schneider gezeigt: »Wie Asklepios heilt Jesus mit seiner ausgestreckten oder aufgelegten Hand oder mit einem Finger, den er in das kranke Körperglied steckt, oder auch durch andere Berührung mit dem Kranken. Wie bei Asklepios sind Glaube und Heilung meist, doch nicht immer, aufeinander bezogen: Gelegentlich wird auch ein Ungläubiger geheilt. Wie dort wird hier von den Geheilten Dank gefordert. Ein von Asklepios geheilter Blinder sieht wie ein von Jesus Geheilter zunächst nur Bäume. Geheilt werden von beiden: Gelähmte, Stumme, in der Ferne Erkrankte, Lahme. Ihre Bahren tragen die Kranken nach der Heilung bei beiden selber davon. Beide machen keine sozialen Unterschiede, heilen jung und alt, arm und reich, Mann und Frau, Sklaven und Freie, Freunde und Feinde. Zu den Heilungen kommen Naturwunder: Asklepios, der ihm verwandte Sarapis und Jesus stillen Stürme. Asklepios hat sechs Tote aufgeweckt, wobei die Einzelheiten dieselben sind wie bei den beiden Toten, die Jesus auferweckt: Viele Zeugen sind zugegen, Scheintod wird von Ungläubigen vermutet, den Erweckten wird Nahrung gegeben. So übernimmt Jesus auch die Titulatur des Asklepios: Er ist >Arzt< schlechtin, >Herr< über die Krankheitsmächte, >Heiland<.«
Die Religionsgeschichtler haben längst erwiesen, daß es in der antiken Literatur zahlreiche Gegenstücke zu den evangelischen Wundergeschichten gibt, daß diese in Inhalt und Stilisierung mit den profanen Wundererzählungen weithin übereinstimmen und daß schließlich auch der heidnische Ursprung der neutestamentlichen Wunderlegenden überwiegend wahrscheinlich ist. »Man übertrug«, so der Theologe Bousset, »allerlei im Volksmunde lebendige Geschichten von diesem und jenem Wundertäter auf Jesus und stattete mit geläufigen Wundermotiven schon vorhandene evangelische Erzählungen aus.« »...judenchristliche Erzähler«, schreibt der Theologe Martin Dibelius, »machten Jesus zum Helden von bekannten Propheten- oder Rabbiner-Legenden, heidenchristliche Novellisten gaben Geschichten von Göttern, Heilanden und Wundertätern umgeprägt auf den christlichen Heiland weiter.« So kehren die Standardwunder zumal vieler »Hochreligionen« im Neuen Testament wieder. Unerklärbare Handlungen, besonders Dämonenbannungen, Wandel auf dem Wasser, Stillung von Stürmen, wunderbare Speise- und Brotvermehrung, all dies war der Antike wohlvertraut und zählte zu den typischen Mirakeln der Zeit. Auch Totenerweckungen sind nicht ungewöhnlich gewesen, gab es doch sogar spezielle Formeln dafür. In Babylonien, wo der Gedanke der Totenerweckung äußerst verbreitet war, hießen viele Götter geradezu »Totenbeleber«.
Die Katholiken aber zählen die biblischen Wunder zu den »unbestreitbaren Tatsachen« und müssen -»alle Wunder glauben, die in der hl. Schrift enthalten sind; denn Gott hat uns dieselben offenbart. Wer auch nur eins leugnet, ist nicht mehr katholisch« (mit Imprimatur). Ja, man behauptet angesichts der Brotvermehrung Jesu, seiner Heilung des Blindgeborenen, der Auf erweckung des Lazarus: »Die Tatsächlichkeit solcher außerordentlicher Geschehnisse an sich ist den Menschen zugänglich durch eigene Beobachtung oder durch die Berichte von Zeugen ...«"

26. "Abendmahl": Solche Kultfeiern, auch mit Brot und Wein, gab es auch bei den alten Griechen als "symposion" und in anderen antiken Religionen, etwa im Mithraskult. In diesem Kult wurde zum Zeichen des Sieges des Guten über das Böse ein Stier geschlachtet, der Mithraskult war also durchaus eine blutige Angelegenheit. Im Christentum war dagegen alles "unblutig", der blutige Teil war längst erledigt. Daher dann eben das "unblutige Opfer", das immer wieder wiederholt wird.


Mithras tötet den Stier.

Siehe hierzu auch das Buch "Gott essen - eine kulinarische Geschichte des Abendmahls" von Anselm Schubert (2018). Sie werden sehen, dass es das Abendmahl bzw. die Kommunion keinesfalls von Anfang an so gab wie wir das heute kennen.

Dazu Deschner (S. 117 ff): "Schon in den totemistischen Mysterien gibt es, wenn auch in primitiver Form noch, ein Opfermahl, das Kommunion mit der Gottheit ist: Das Totemtier wird in sakraler Mahlzeit genossen, um eins zu werden mit dem göttlichen Wesen. Ein solches Opfertier bei den Griechen, deren Vorstellung von der Himmelsspeise, die Unsterblichkeit verleiht, bis auf Homer zurückgeht, war der Bock im Dionysoskult.

Dionysos, ein leidender, sterbender, wieder auferstehender Gott, Sohn des Zeus und einer sterblichen Frau, erlangte in Griechenland schon vom 8. vorchristlichen Jahrhundert an Geltung und wurde zum Lieblingsgott der antiken Welt. Er war bereits Arzt, Gottessohn in Menschengestalt, Gott des »Geistes« und der Weissagung, auch eng mit dem Wein verbunden - dann erscheint Jesus so im Johannesevangelium, das einen der bekanntesten Titel des Dionysos, »der Weinstock«, auf Christus überträgt, nun »der wahre Weinstock«. Auch das Wunder auf der Hochzeit zu Kana, die Verwandlung von Wasser in Wein, wurde bereits von Dionysos vollbracht. Endlich bezieht das Johannesevangelium die Wendung für das Abendmahl, »Wer nicht mein Fleisch mit den Zähnen zerbeißt und mein Blut austrinkt«, von der Dionysosreligion. Sie findet sich weder bei Paulus noch Jesus. Wohl aber tritt in der Dionysosreligion der Gott in den Leib seiner Verehrer ein: Im Dionysosmythos zerfleischen die Titanen das göttliche Kind, verspeisen seine Glieder, und im Taumel des Dionysoskultes zerrissen und aßen die Mänaden rohes Fleisch (Omophagia), um in sakramentaler Vereinigung mit dem Gott unsterblich zu werden. Verehrten die Dionysosgemeinden ja auch, wie feststeht, bereits in vorchristlicher Zeit ihren Gott über einem Altartisch mit Weingefäßen am Kreuz. Schon diese Parallelen sind entlarvend. Doch gab es das heilige Mahl noch in anderen Kulturen.
Die sakrale Speise bei Attis bestand wahrscheinlich aus Brot und Wein. Sie wurde nach Fastenübungen aus Musikinstrumenten verzehrt und drückte sowohl die Verbundenheit der Mysten als auch ihr Verhältnis zur Gottheit aus.
In den Mysterien der Attargatis genossen syrische Priester die Göttin beim Essen von Fischen. Sie waren ihr heilig, wurden in Teichen nahe den Tempeln gehalten und in einem sakralen Mahl als Fleisch der Göttin verspeist. Einer ihrer Tempel, wiederholt im Alten Testament erwähnt, stand in Karnion, westlich vom See Genezareth. Später wurde der Fisch, Sinnbild weitverbreiteter heidnischer Fischmysterien, das Symbol der christlichen Eucharistie, die nun als »das wahre Fischmysterium« galt, als »der eine reine Fisch«.
Bezeichnenderweise erfolgte die Übernahme des Fisches als Kultsymbol zuerst durch die Christen in Syrien, wo die Fischverehrung am bekanntesten war. Dann bildete das griechische Wort für Fisch, »ichthys«, ein Anagramm für den griechischen Namen »Jesus Christus, Gottes Sohn, Heiland«.
Auch der Mithraskult - dessen Priester sich häufig »Vater«, dessen Gläubige sich »Brüder« nannten und der, wie dann die katholische Kirche, sieben Sakramente kannte - besaß außer Taufe und Firmung eine Kommunion. Sie bestand aus Brot und Wasser oder einem Gemisch aus Wasser und Wein und wurde, wie im Christentum, zum Gedächtnis an eine letzte Mahlzeit des Meisters mit den Seinen begangen. Die Hostien trugen ein Kreuzzeichen, die Messe fand täglich statt, die wichtigste jedoch am Sonntag, wobei der Zelebrant über Brot und Wasser die heiligen Formeln sprach.

Üblich sind in antiken Religionen auch »heilige Getränke« gewesen.

Das persische Haoma und sein indisches Äquivalent waren ein berauschender Trank, von dem man glaubte, er vertreibe den Tod. In der vedischen Religion galt Soma als Göttergetränk, aber auch als Unsterblichkeitstrank für die Menschen. »Wir haben den Soma getrunken, wir sind unsterblich geworden, wir sind zum Licht gekommen, wir sind zu den Göttern gelangt. Was kann das Üble uns nun tun, wie kann die Feindschaft eines Sterblichen uns, die Unsterblichen, bekümmern.«
Beim Gottesdienst des Mithraskultes gebrauchte man die gleichen Mahlgeräte wie bei der christlichen Eucharistie, Kelch und Patene. Auch vermischte man bei Mithras, wie meist bei der Messe, den Wein mit Wasser und verbeugte sich vor dem heiligen Kelch. Doch gab es heilige Getränke auch in den eleusinischen und dionysischen Mysterien.

Schon jetzt sind die Parallelen zum christlichen Abendmahl verblüffend. Bevor wir aber weitere ziehen, sei mit allem Nachdruck betont: Weder Jesus noch die Urapostel praktizierten ein sakramentales Mahl. Die synoptische Stiftung des Herrenmahles ist seit W. Heitmüller als Kultlegende erkannt und bleibt ... für Aussagen über den historischen Jesus besser außer Betracht."

Doch über die Problematik des Abendmahls habe ich nicht zum ersten mal durch Deschner erfahren, sondern die erste Information hatte ich bei einer Fortbildungsveranstaltung für Religionslehrer durch einen Achener Theologieprofessor in Düren. Ich war also sozusagen längst vorbereitet gewesen, als ich die kritische Sicht von Deschner hörte.


27. Auferstehung und Totenerweckungen: Der Glaube an die Ermordung und Auferstehung eines Gottes beruht auf dem "Wunder der Natur", wie das Samenkorn in die Erde gelegt wird und im Frühling wieder aufersteht und reiche Frucht bringt. Er findet sich dann in ausgeschmückter Form etwa in der Ägyptischen Mythologie: Nach der Fabel seines Dramas wird der Gott Osiris von seinem Bruder Seth getötet und zertückelt. Seine einzelnen Leichenteile werden von der Göttin Isis und anderen Göttern und Göttinnen gesucht, gefunden, beklagt und wieder zusammengefügt. Die an ihm vollzogenen Bestattungsriten ermöglichen ihm, für eine kurze Zeit seine Lebenskraft wiederzuerlangen und mit Isis einen Sohn zu zeugen, den Horus. Dieser ringt mit dem Mörder um das Erbe, gewinnt es ihm ab und folgt seinem Vater auf dem Throne nach.

Zu den bekannntesten der leidenden, sterbenden und wieder auferstehenden Götter zählen Dionysos und Herakles, doch auch der babylonische Tammuz, der syrische Adonis, der phrygische Attis. Manche starben, wie der synoptische Jesus, schon früh, nicht selten standen sie am dritten Tag oder nach drei Tagen wieder auf, wie Attis, Osiris und höchstwahrscheinlich Adonis; sogar Sühnecharakter besaß manchmal ihr Tod. Und schon in ältester Zeit verknüpfte man mit ihrer Auferstehung, wie später mir der Jesu, stets die Hoffnung auf menschliche Unsterblichkeit (nach Karlheinz Deschner "Der gefälsche Glaube").


Isis in Vogelgestalt bei der Erweckung des Osiris, Relief im Totentempel Sethos I. in Abydos

Gerade hier scheint mit eine Anmerkung zu meinem eigenen Glauben angebracht: Ich habe nämlich noch sehr lange an die Auferstehung Jesu geglaubt. Doch war mein Anliegen auch immer mehr das der echten Monogamie, vor allem, weil es sich doch für mich immer deutlicher abzeichnete, dass die bei geegneter Pädagogik durchaus möglich ist. Doch stieß ich mit meinem Engagement gerade auch in der Welt unserer Kirchen immer mehr auf Beton, also auf Gleichgültigkeit und Gefühllosigkeit. Für mich war das irgendwann eine Provokation: "Man" wollte einfach nicht, solche Glaubensdinge wie der Glaube an die Auferstehung waren einfach wichtiger, sie waren wie Barrieren, die alle Gedanken an eine Lösung menschlicher Probleme in den Dingen der Sexualität versperrten. Also habe ich irgendwann diese Barrieren hinterfragt. Das ist eigentlich alles.

Dazu Deschner (S. 47 ff):
"Selbst das größte Wunder, die eigene Auferstehung, glückte den Göttersöhnen immer wieder, den mythischen wie den geschichtlichen; glückte so oft, daß Kirchenschriftsteller Origenes im 3. Jahrhundert im Hinblick auf Christi Auferstehung meint: »Dies Wunder bringt den Heiden nichts Neues und kann ihnen nicht anstößig sein.« Zu den bekanntesten der leidenden, sterbenden und wieder auferstehenden Götter zählen Dionysos und Herakles, doch auch der babylonische Tammuz, der syrische Adonis, der phrygische Attis, der ägyptpische Osiris. Manche starben, wie der synoptische Jesus, schon früh, nicht selten standen sie am dritten Tag oder nach drei Tagen wieder auf, wie Attis, Osiris und höchstwahrscheinlich Adonis; sogar Sühnecharakter besaß manchmal ihr Tod. Und schon in ältester Zeit verknüpfte man mit ihrer Auferstehung, wie später mit der Jesu, stets die Hoffnung auf menschliche Unsterblichkeit.

Zum Teil bis in geringste Einzelheiten wiederholt sich beim Tod Jesu, was schon beim Tod der heidnischen Gottheiten geschehen. So wurde Bei Marduk, die meistgeschätzte Gottheit Babylons, die als Weltschöpfer, Gott der Weisheit, der Heilkunst, des Beschwörungswesens galt, als vom Vater gesandter Erlöser, Erwecker der Toten, Herr aller Herren und der gute Hirte, gefangengenommen, verhört, zum Tod verurteilt, gegeißelt, mit einem Verbrecher hingerichtet, während ein anderer Verbrecher freikam – und eine Frau wischte das Herzblut des Gottes ab, das aus einer Speer-wunde quoll. Beim Tod Cäsars – das athenische Volk hat ihn als Heiland gepriesen, das römische allgemein geglaubt, daß er zum Himmel aufgefahren und Gott geworden sei - verhüllte sich die Sonne, eine Finsternis trat ein, die Erde barst, und Gestorbene kehrten zur Oberwelt zurück. – Herakles, schon um 500 v. Chr. als Gottessohn und Mittler für die Menschen, zur Zeit Jesu aber als Weltheiland verehrt, wird schließlich für seine Taten vom göttlichen Vater erhöht und befiehlt diesem scheidend seinen Geist: »Nimm meinen Geist, ich bitte dich, zu den Sternen auf ... Siehe, mein Vater ruft mich und öffnet den Himmel. Ich komme, Vater, ich komme.« Im Lukasevangelium heißt es später: »Da rief Jesus mit lauter Stimme die Worte aus: >Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist!<«
Noch bemerkenswerter sind die Übereinstimmungen zwischen der Heraklesreligion und dem Johannesevangelium.
Während in den drei älteren Evangelien der Lieblingsjünger unterm Kreuz fehlt - ebenso die Mutter Jesu; schauen doch hier die Frauen »von ferne« zu: Lukas schreibt sogar: »Alle [!] seine Bekannten aber standen von ferne« -, stehen im Widerspruch hierzu im Johannesevangelium Jesu Mutter und der Lieblingsjünger beim Kreuz: wie bei Herakles' Tod dessen Mutter und Lieblingsjünger anwesend waren! Wie der erhöhte Herakles ruft: »... klage nicht, Mutter ... ich gehe nunmehr in den Himmel ein«, so sagt dann der auferstandene johanneische Christus: »Frau, warum weinst du? ... Ich fahre auf zu meinem Vater.« Wie Herakles mit dem Wort stirbt: »Es ist vollbracht«, so der johanneische Christus. Wie Herakles ja auch den Namen »Logos« schon vor dem johanneischen Christus führte. Und hieß es in der Heraklesreligion: »Denn nicht um zu schaden oder zu strafen, sondern um zu retten, ist der Logos da«, heißt es im Johannesevangelium: »Denn nicht hat Gott seinen Sohn in die Welt gesandt, um die Welt zu richten, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde.« Und wie der am Tod des Herakles Schuldige sich vor Reue und Entsetzen erhängt, so erhängt sich schließlich Judas, den die ältesten christlichen Schriften freilich gleich dreimal umkommen lassen, wobei jede Variante die andere ausschließt.
 Auch die berühmte biblische Geschichte vom leeren Grab - »Offen stehet das Grab«, höhnt Goethe. »Welch herrlich Wunder, der Herr ist / Auferstanden! Wer's glaubt! Schelmen, ihr trugt ihn ja weg.« - konnte man schon vorher in dem weitverbreiteten griechischen Roman Chaireas und Kallirhoe von Chanton lesen. Dort eilte nämlich, im dritten Buch, Chaireas am frühen Morgen zum Grab von Kallirhoe." Siehe auch unter Hinweis 25: "Wunder" und Hinweis 149 zu einer möglichen anderen Deutung der "Auferstehung" im Johannesevangelium.

28. "Himmelfahrt": Auch die Himmelfahrt gab es gerade in vielen antiken Religionen (bei denen Kybele, Herakles, Attis, Mithras, Herrscher wie Cäsar, Dichter wie Homer und sogar bei den Juden Moses und Elias so wunderbar verschwanden), hier ein Relief von der Himmelfahrt des Kaisers Antonius Pius und  seiner Frau Faustina (Original in den Vatikanischen Museen):





Dazu Deschner (S. 50 ff): "Zur Legende des antiken Gottgesandten gehörte es aber, daß er, der Unsterbliche, nach seinem Hingang irgendwann sich zeige. Denn man wollte ja Beweise. So erschien der auferstandene Apollonios von Tyana, ein Zeitgenosse Jesu und der Apostel, zweien seiner Jünger und ließ sie sogar seine Hand nehmen, um sie zu überzeugen, daß er lebe. Und da nach altjüdischer, schon im fünften Buch Mose stehender Meinung, die im Neuen Testament vielfach wiederkehrt56, erst zwei oder mehr Zeugen beweiskräftig waren, mußte auch Christus vor mehreren erscheinen, damit er »wahrhaft« auferstanden war. Dies geschah denn, wenn auch nicht ohne (die oben dargelegten krassen) Widersprüche. Doch tat er mehr. Er stieg, gleich nach seinem Ableben, hinab zur Hölle - freilich erst im 2. Jahrhundert; die Evangelien schweigen darüber noch sämtlich. Ja, das Dogma von Christi Höllenfahrt widerspricht dem Lukasevangelium, dem zufolge Jesus bereits die ersten Tage nach seinem Tod im Himmel verbringt. »Wahrlich, ich sage dir«, verspricht er dem »guten« Schacher, »heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein!«, was Jesu Erwartung voraussetzt, er werde vom Kreuz aus ins Paradies eingehen. Man hat deshalb dies Jesuswort, um seinen Widerspruch zu anderen zu vermeiden, gelegentlich gestrichen und als Ketzerfälschung erklärt. Aber die Höllenfahrten von Gottheiten waren ein viel zu beliebtes Thema, als daß man im Christentum darauf hätte verzichten können. Sie hatten im antiken Unsterblichkeitsglauben entscheidende Bedeutung gewonnen und begegnen uns in ägyptischen, babylonischen und hellenistischen Mythen.
Im alten Ägypten bekämpften Re und Osiris die Mächte der Unterwelt. Schon im 3. Jahrtausend war in Babylonien eine Höllenfahrt der Ischtar bekannt. Im 14. vorchristlichen Jahrhundert wird auch die des Gottes Nergal bezeugt, der die Unterwelt stürmt und ihre Heere besiegt, was ein Erdbeben bewirkt, wie bei der Höllenfahrt Christi.59 Beim Abstieg des babylonischen Weltschöpfers und guten Hirten Bei Marduk, dessen Geschichte so frappierende Parallelen zu der des christlichen Kultobjekts aufweist (S. 48), wird auch das Motiv der gewaltsamen Kerkeröffnung und der froh auf den Erlöser blickenden Gefangenen bezeugt. Doch auch die Höllenfahrt des Herakles, dessen Schicksal, wie es philosophisches Heraklesbild und Heraklesreligion überliefern, wohl die meisten Gemeinsamkeiten mit dem christlichen Heros zeigt, zielt schon auf Besiegung der Unterweltmächte, auf Brechung des teuflischen Gesetzes. Nicht anders als Christus wollte bereits Herakles den schmachtenden Toten das Licht bringen und sie aus der Gefangenschaft erlösen. »Der schreckliche Tod ist gebrochen, des Todes Reich hast du besiegt.« Und auch der historische Pythagoras fuhr – im 3. vorchristlichen Jahrhundert belegt – hinab zur Hölle. Nach diesen Beispielen ließ man, in einem auf den Namen des Petrus gefälschten Brief – der biblische Hauptbeweis für das Dogma –, auch Jesus zur Hölle fahren und die Gefangenen erlösen.
Und da zahlreiche Himmelfahrten lebendigen Leibes nicht nur den Heiden (bei denen Kybele, Herakles, Attis, Mithras, Herrscher wie Cäsar, Dichter wie Homer so wunderbar verschwanden) bekannt waren, sondern auch - durch Henoch, Moses und Elias – den Juden, konnte Christus unmöglich zurückbleiben. Doch welche Widersprüche wieder! Das Matthäusevangelium kennt nicht nur keine Himmelfahrt, sondern schließt sie, nach manchen Gelehrten, geradezu aus. Die des Markusevangeliums steht in einem verlängerten Schluß, der selbst von katholischen Neutestamentlern als unecht verworfen wird, von der kritischen Theologie jedoch ausnahmslos. Nach dem Lukasevangelium erfolgte Christi Himmelfahrt am Tag der Auferstehung, am Ostersonntagabend, nach der Apostelgeschichte 40 Tage später. Und laut Lukasevangelium: bei Bethanien, laut Apostelgeschichte: vom Ölberg aus.
Ja, wie schon Herakles und Dionysos bei ihrer Himmelfahrt göttliche Fußspuren zurückgelassen, so auch der himmelfahrende Christus; mußte man doch alles möglichst greifbar haben. Der hl. Hieronymus, mit dem seltenen Titel eines Kirchenlehrers geehrt, versichert, man habe diese Spuren zu seiner Zeit, im 5. Jahrhundert, noch gesehen. Und Beda der Ehrwürdige, der »Lehrer des Mittelalters«, bezeugt sie noch im 8. Jahrhundert - und dies, o Wunder!, obwohl jeder Jerusalemwallfahrer von der Erde mitnahm, die Christus zuletzt berührt hatte!"


29. "Plagiat aus viel älteren (buddhistischen) Sanskrittexten"
: Die Frage stellt sich natürlich, wo jetzt der Unterschied zwischen Buddhismus und der Botschaft Jesu ist, wenn unser christliche Glaube, so wie wir ihn üblicherweise kennen, doch wohl eher eine Spielart des Buddhismus ist, um es einmal flott zu sagen.

Dazu zunächst einmal etwas zum Buddhismus. Nach Buddha (natürlich immer, soweit wir ihn heute kennen) hat alles seine zwei Seiten, eine schöne oder gute und eine schlechte, von denen wir im Allgemeinen immer nur die schöne kennen. So etwa ein schönes Essen: Doch wenn man dann sieht, was schließlich dabei herauskommt, wenn wir es gegessen und verdaut haben, ist es gar nicht mehr so schön. Oder ein "schöner" Mensch, was bleibt übrig, wenn er gestorben ist? Und eine schöne Frau: Wenn du sie dann hast, dann siehst du, wie sie etwa vor allem deinem Geld hinterher ist.

Damit unser Leben nun einigermaßen erträglich wird, brauchen wir die Erleuchtung, also die Erkenntnis des Geistigen, des Göttlichen, was auch immer damit gemeint ist. Und wenn wir diese Erleuchtung dann wirklich erreicht haben, dann wird auch unser Leben erträglich und wir werden auch sittlich leben. Diese höhere Qualität des Lebens werden allerdings im Endeffekt nur diejenigen Menschen erreichen, die sich von Alltag des Lebens befreit haben, also die Mönche. Die "normalen Menschen" können an der Erleuchtung der Mönche teilhaben, indem sie diese durch milde Gaben unterstützen.

Die Grundlage der Botschaft Jesu ist hier nun eine völlig andere: Der Mensch ist von Natur aus gut und also auch hochmoralisch. Er braucht lediglich "Anstupser", um diese hohe Moral auch leben zu können - und natürlich eine Umwelt, die ihm das nicht völlig unmöglich macht. Wenn Sie, lieber Leser, bei der Lektüre dieses Ansatzes nun zunächst einmal Schwierigkeiten haben, was daran christlich ist, so liegt das gewiss vor allem daran, dass Sie ein Christentum á la Spielart von Buddhismus und überhaupt von spätantikem Denken im Sinn haben, während es hier um einen Ansatz nach dem wirklichen Jesus geht.

Zum Abendmahl (oder auf die Eucharistie bzw. die Kommunion) sei hier auf das Bucht "Gott essen - eine kulinarische Geschichte des Abendmahls" von Anselm Schubert (Prof. für Neuere Kirchengeschichte), 2018, hingewiesen. Also: Es war alles ganz anders, als was uns üblicherweise in der Kirche erzählt wird!

Und noch etwas zum Autor Christian Lindtner: Ja, er war wohl einmal ein Holocaust-Leugner. Doch nach seinen eigenen Angaben ist er das inzwischen nicht mehr. Allerdings ist er immer noch der Auffassung, dass Jesus nie existiert hat, dass er also eine Phantasiefigur ist. Ich denke, dass zu dieser Einstellung die Theologen der christlichen Kirchen beigetragen haben, die alles, was über Jesus überliefert ist, für wahr halten. Da kann man dann leicht zu der Einstellung kommen, dass "alles" nicht stimmt. M. E. ist es also sinnvoller, zu sagen, was von vornherein irreal und zudem noch Plagiat ist und daher offensichtlich reine Phantasie ist und was durchaus vernünftig also auch wahrscheinlich ist. Dann kann auch ein Jesus "zum Vorschein kommen", der wert ist, eine herausragende Persönlichkeit zu sein, und der uns heute noch etwas angeht.

30. Verlust der Unbefangenheit und Ursache der (Sexual-) Scham: Die Ursache der Sexualscham (moderner Euphemismus: "Wahrung der Intimsphäre") ist m. E. ganz einfach: Wir Menschen leben nicht die uns von der Natur gegebene "spezielle menschliche Moral" (bzw. wir haben sie nicht immer gelebt) - und das ist nun einmal für uns Menschen eine streng-monogame Moral. Allerdings ist sie auch ein Kulturproblem, d. h. man muss wenigstens nach außen hin mitmachen, was andere machen. Natürlich, man kann sich davon auch aus unterschiedlichen Gründen befreien. Bedenken wir: Wir haben von der Natur weder einen Bikini noch eine Badehose mitbekommen, sondern den Geist (der natürlich trainiert werden muss, s. Hinweis 7 zum Thema "Veranlagung"). Das heißt natürlich nicht, dass wir immer und überall nackt herumlaufen müssen, doch eben dort, wo es angebracht ist und wir bisher diese "Verklemmtheitsfetzen" brauchen.
Ich kann sagen, dass ich im kleinen Kreis entsprechende sehr positive Erfahrungen habe. Nur so viel: Wenn junge Mädchen deutlich merken, dass alles in Ordnung ist und die Eltern nichts dagegen haben (es muss noch nicht einmal von ihnen ausdrücklich befürwortet werden), dann sind sie direkt begeistert vom "Komplett-Ohne" und "zeigen und gucken" offensichtlich gerne nach dem Motto: "Endlich einmal sich nicht mehr des Weibseins schämen zu müssen und das auch noch stolz zeigen zu können!"

31. Fruchtbarkeitspaar am Sonnentempel von Konarak. Siehe mehr dazu unter fragen 38!
 


Das Foto von der Skulptur stammt vom Autor. Wenn auch weder der Tempel noch die Skulptur genau im Alten Orient sind, wo die Erzählung von Adam und Eva entstanden ist, so dürfte sie doch eine gute Illustrierung des religionsgeschichtlichen Hintergrunds der Adam-und-Eva-Erzählung sein. Und irgendwie war die Verbindung Schlange-Sexualität schon weit verbreitet, mir liegt etwa die Zeichnung auf einer Tonscherbe aus Mari/Mesopotamien vor, auf der eine Frau vor einer aufgerichteten Schlange kniet, offensichtlich aus Anlass eines Gebets.


Zum "Fruchtbarkeitsbaum": Das war ganz bestimmt kein Apfelbaum, denn Apfelbäume kamen erst später aus China, zudem gedeihen sie auch in dieser subtropischen Regionen, in denen die Bibel entstand, nicht gut, wenn überhaupt, und wären also auf alle Fälle ohne große Bedeutung gewesen. Nein, der traditionelle Baum in diesen Gegenden ist die Dattelpalme, die den Einwohnern Kohlehydrate liefert, die in vielen Formen zu Speisen und Getränken verarbeitet werden. Das Problem der Dattelpalme ist die Bestäubung ihrer Blüten. Es gibt nämlich - rein oberflächlich gesehen - fruchtbare und unfruchtbare Bäume. In dem knappen Fruchtland wird man also zunächst nur die fruchttragenden Bäume gelassen und die nichttragenden Bäume entfernt haben. Bis man merkte, dass die an und für sich fruchttragenden Bäume dann auch keine Früchte mehr hatten. Dann kam man also auf die Idee, dass die nichttragenden Bäume in ihren Blüten etwas hatten, was die Blüten der fruchttragenden Bäume brauchten. Wir wissen heute, dass diese Dattelpalmen zweihäusig sind, es gibt also männliche und weibliche Bäume (wie auch bei den Kiwis). Doch damals erklärte man sich das so, dass in den nichttragenden Bäume göttliche Kräfte vorhanden waren, die für die Entstehung des Lebens nötig waren. Also ließ man nun auch einige nichttragende Bäume stehen, sammelte ihren Pollen - und bestäubte damit die tragfähigen Bäume. Die erste Befruchtung im Jahr führte nun der Oberpriester durch oder eben der Gottkönig in seiner Stellung als Oberpriester.. Und damit alles funktionierte, gab´s auch die "kultische Prostitution", wie das so ist, dafür finden sich immer Gründe ... Für die Autoren der Bibel war das alles nur ein Graus und eben Götzendienst ....


Assyrische Priester mit Polleneimerchen und Blütenzapfen bei der Bestäubung von Dattelpalmen
Sie finden solche Reliefs in den Antikensammlungen in Berlin, Paris (Louvre) und London (British Museum)


32. Zum Bild "Jesus und die Sünderin" von Lucas Cranach d. Ä:

Genau genommen ist das nicht das Gemälde, das in der Fränkischen Galerie auf der Festung Rosenberg hängt. Denn das Gemälde, das dort hängt, wurde etwa hundert Jahre nach seiner Entstehung retuschiert, weil es in die Sammlung des katholischen bayrischen Königs kam und es dafür wohl als zu frivol angesehen wurde, weil Jesus mit seiner Hand die der Frau berührt. Daher wurde die Hand der Frau unter der Hand von Jesus wegretuschiert, weil man damals in der Berührung wohl etwas anderes sah als eine nette Geste Jesu, um der Frau die Angst zu nehmen. Auch wurde das lateinische Zitat "Wer von euch ohne Sünde ist..." durch Übermalung ersetzt durch Gewölbebögen. Es gab immerhin einmal eine Kopie in Farbe, wie das Bild ursprünglich aussah. Doch ist diese Kopie im Krieg verloren gegangen, lediglich eine Schwarzweißaufnahme existiert noch. Aufgrund dieser Aufnahme habe ich nun das Bild von einem Künstler in Vietnam nachmalen lassen, denn ich halte dieses Bild für sehr wichtig, weil es m. E. einmal den wirklichen Jesus zeigt. Wie ich allerdings sehe, haben die Kirchen an diesem wirklichen Jesus überhaupt kein Interesse, dabei ist der doch nun äußerst plausibel und auch heute direkt aktuell. Einer der Gründe für die Interesselosigkeit der Kirchen mag sein, dass diesem Jesus das Mythologische völlig fehlt: Dieser Jesus sah einen ganz konkreten Missstand und hatte sich engagiert, um diesen Missstand zu überwinden. Doch das war und ist nicht im Sinne der Religionen, für die Religionen ist vor allem das Mythologische wichtig, also die Geheimnistuerei, weil das alles Macht und Geschäft bedeuten. Ein plausibler und dann auch noch wirkungsmächtiger Jesus würde ja das Geschäft mit dem Mythos zerstören.

Ein sehr anschauliches Beispiel, wie Religionen viel mehr an Geheimnistuerei oder eben am Mythologischem (oder auch am Märchenhaften) interessiert sind als an noch so plausiblen und sinnvollen Erklärungen, und sind sie noch so gut, ist die Kindertaufe. Besonders Schülerinnen schimpften schon mal, dass die Taufe an Kindern vollzogen würde, die sich gar nicht dagegen wehren könnten, und das sei doch einfach eine Art Zwang für eine Religion - und gegen das Selbstbestimmungsrecht des Menschen. Ich hatte dann immer einer solchen Schülerinnen so scharf wie möglich in die Augen gesehen und sie gefragt: "Was wäre Ihnen denn lieber, wenn über Sie im Alter von fünf oder sechs Jahren sechs Frauen über sie herfallen, Ihnen ihre Arme und Beine festhalten, Ihnen den Mund zuhalten, damit Sie nicht schreien können, eine Ihnen dann Ihr Höschen runterzieht, dann die Beine gespreizt werden und eine letztendlich mit einer rostigen Klinge oder sonst einer Scherbe Ihnen Ihren Kitzler und Ihre Schamlippen wegschneidet und schließlich auch noch alles zunäht? Oder wenn jemand Ihnen etwas Wasser über den Kopf gießt und dabei ein paar fromme Sprüche sagt?" Klar, das Letztere wäre ihr schon lieber. "Na sehen Sie", so ich dann wieder "so müssen Sie die Taufe sehen. Gerade die Kindertaufe müssen Sie als Ablöseritus von solchen gräßlichen und unmenschlichen Verstümmelungen sehen. Was diese Verstümmelungen errreichen sollen, dass Menschen eine vernünftige Sexualmoral haben, das machen wir jetzt mit dem Geist, für den die Taufe das Symbol ist. Natürlich hilft das Wasser und die Herabrufung heiligen Geistes nicht allein - jetzt muss auch noch der Geist ausgebildet werden..." Darauf dann üblicherweise die jungen Damen: "Und warum sagt das sonst niemand so?" Ich dann wieder: "Dann würde die Taufe ja ihre Geheimniskrämerei beziehungsweise ihre Mythologie verlieren und das ist nun einmal nicht gewollt ..."


Cranach: Alter Mann mit Prostituierter. Wir sehen: Die Kleidung der Frau ist ähnlich der Kleidung wie auf dem Bild von der Sünderin in Joh. 8. Von daher dürfte es sich also auch im Bild von der Sünderin um eine Prostituierte handeln. Hier sehen wir sozusagen die Vorderseite der Medaille, auf dem Bild von der Sünderin die Rückseite. Das heißt für mich, dass Cranach tatsächlich dieselbe Geschichte im Kopf hatte, wie sie hier beschrieben ist.

Zu der Rolle der beiden Männer (oder vielleicht besser "Herren") im Bild "Jesus und die Sünderin" von Cranach rechts siehe unter Hinweis 65.


33. Uns heute interessiert natürlich der Wahrheitsgehalt dieser beiden "Erzählungen". 

Natürlich habe ich die Erzählungen von der Sünderin in Johannes 8 und von der schönen Susanna in meinem Unterricht auch ein wenig näher betrachtet, schließlich handelt es sich ja um Kriminalgeschichten, die man sich schon mal näher ansehen sollte. Also war da zunächst meine rhetorische Frage an die jungen Leute, wie oft es wohl vorkommt, dass man Paare beim Geschlechtsverkehr erwischt, und ob man auch tatsächlich genau sieht, dass sie ihn gerade "treiben". Und wenn es sich um Fremde handelt, woher man weiß, ob sie nicht doch verheiratet sind? Und zudem: Man muss sie ja auch mit zwei Zeugen antreffen und wer ist denn so böswillig und läuft gleich zum Gericht, wenn er doch weiß, dass das das Todesurteil besonders für die Frau bedeutet? In der Praxis wird es also nie oder nur höchst selten zu solchen Anklagen gekommen sein oder eben allenfalls, wenn Böswilligkeit, also vor allem Erpressung, im Spiel war, so wie in dieser Susannageschichte. Jedenfalls halte ich die Erzählung in Johannes 8 für realistisch, die dürfte wirklich geschehen sein, dagegen geht die Erzählung von der schönen Susanna eigentlich zu gut aus, als dass sie tatsächlich geschehen sein könnte, doch weiß man´s? Sie sieht m. E. eher nach einer "pädagogischen Geschichte" aus, einfach um junge Menschen hellhörig zu machen, wie sie gerade auch von den Autoritätspersonen manipuliert und schließlich auch direkt missbraucht werden. Doch kann es auch eine - von dem Verfasser nicht richtig verstandene - "Frischfleichbeschaffungsgeschichte" (für die Prostitution) sein - ich habe das in der neueren Arbeit "Es ist alles ganz anders: Zwei Kriminalfälle" beschrieben. Auf alle Fälle kann diese Geschichte auch als Sittenbild angesehen werden, was damals "so los" war. Sie ist daher eher durch einen glücklichen Zufall in die Bibel hineingerutscht, denn üblicherweise wird "so etwas" nicht "breit getreten". Das wäre ja noch schöner, wenn insbesondere Mädchen und junge Frauen hier intelligenter würden und also schon einmal wenigstens Chancen hätten, nicht "mitzumachen"!

Ist das denn heute anders? Es ist doch immer dasselbe! Nicht umsonst werden doch diese Themen den jungen Leuten gegenüber verschwiegen bzw. sie werden tabuisiert. Auf der anderen Seite bekommen sie inzwischen INFOS über Kondome und Geschlechtskrankheiten. Das sagt doch alles ... Sie sollen dumm und naiv bleiben und "mitmachen", was so üblich ist, aber dabei eben nicht andere mit Krankheiten anstecken usw. Es ist allerdings gewiss nicht immer Böswilligkeit, wenn "alte Leute" über diese Themen nicht so genau mit jungen Leuten reden wollen, "alte Leute" mögen einfach nicht über Dinge so genau reden, bei denen bei ihnen vermutlich auch alles nicht so richtig gelaufen war und die schon lange vorbei sind. Und jetzt alles wieder "aufreißen"? Dann lieber eine "Pädagogik der Frömmigkeit und der Naivität" ... Dass sie damit geradezu dem Bösen zuarbeiten, wollen sie nicht wahr haben.

Ich bin jetzt 77 Jahre alt und ich bin einmal so durchgegangen, mit wem ich über diese Themen reden konnte (natürlich nur, wenn ich gut war), und mit wem eher nicht, wem ich also offensichtlich "auf die Nerven ging". Ja, wenn junge Leute erst einmal wussten, worum es mir ging, dann lief das doch mit ihnen recht gut (und noch einmal: Ich war damals, als ich noch Lehrer war, längst nicht so gut!), doch mit den "alten Leuten" hatte ich eher Probleme (klar, nicht mit allen). Siehe hierzu meine Gedanken über Gandhi und Garcia-Márquez: http://basisreli.lima-city.de/gandhiundgarcia.htm. (Anm.: Inzwischen bin ich drei Jahre älter - und da sehe ich alles noch etwas krasser, siehe Buch 1 unter www.michael-preuschoff.de.)

Übrigens: Wie die Sache der schönen Susanna nun genau ausging, lesen Sie bitte in der Bibel nach, es ist jedenfalls eine der ältesten Kriminalgeschichten in der Literatur, deren Kenntnis eigentlich zur Allgemeinbildung gehört. (Anmerkung: Sie ist nicht in allen Bibeln enthalten. Man mag ja viel gegen die katholische Kirche haben, doch in deren Bibeln ist sie enthalten, es gab also auch in dieser Kirche mal Leute, denen es darum ging, junge Leute "fit in der Moral" zu machen ... Doch müssen Sie nicht gleich eine katholische Bibel kaufen, Sie finden die Erzählung auch im Internet.)


34. Jesus und Prostituierte:

Es wird heute unter Theologen allgemein akzeptiert, dass unter den Freundinnen von Jesus auch Prostituierte waren. Das mag wohl von der Zeit vor seiner Predigttätigkeit her rühren, als er als wandernder Häuserbauer zusammen mit seinem Vater und wahrscheinlich mit anderen Verwandten und Freunden in einem Bautrupp im Land unterwegs war. Und wie das so mit Wanderarbeitern ist, kommen sie nun einmal auch mit Prostituierten in Kontakt. Wie sich Jesus hier genau verhalten hat, wissen wir nicht, doch ist wahrscheinlich, dass er sich auf alle Fälle mit ihnen unterhalten hatte und dabei zu der Erkenntnis gekommen ist, dass sie zumeist oder auch fast immer sich ihren “Beruf” nicht freiwillig gesucht hatten, sondern dass sie oft genug direkt dazu erpresst wurden. Wie so etwas abläuft, vor allem wie die Vorgeschichte sein mag, die ja in der neutestamentlichen Erzählung in Johannes 8 nicht enthalten ist, wissen wir aus der Erzählung von der schönen Susanna im Anhang des Buchs Daniel (also Daniel 13), in der eine gottesfürchtige und keusche verheiratete Frau von zwei Ältesten zum Geschlechtsverkehr erpresst werden sollte. Die Ältesten missbrauchten das damalige Gesetz, nach dem eine Frau des Ehebruchs angeklagt und verurteilt werden konnte, wenn sie von mindestens zwei Zeugen auf frischer Tat ertappt worden war. Die beiden stellten die Frau also vor die Wahl, entweder mit ihnen zu schlafen oder sie zu verklagen, dass sie sie beobachtet hätten, wie sie mit einem jungen Mann, der nicht der ihre war, Geschlechtsverkehr hatte. Die Frau hatte Glück, dass die Geschichte schließlich für sie gut ausging, indem da ein zufällig anwesender Außenstehender den Fall neu aufrollen konnte und so die falschen Ankläger entlarvt wurden (und sie dieselbe Strafe bekamen, die sonst die Angeklagte bekommen hätte). Doch “normalerweise” dürfte das nicht so gut für eine angeklagte Frau ausgegangen sein, zumindest wenn sie erst einmal "auf dem Kicker" der entsprechenden Männer stand.

Jedenfalls muss also dieser Häuserbauer Jesus solche Geschichten von den betroffenden Frauen erfahren haben, und er hatte gleich erkannt, dass es bei dem Fall der Sünderin nach Joh. 8 gar nicht um Moral ging, sondern dass man dieser Frau eine Falle gestellt hatte, um ihr und den anderen Frauen eine Lektion zu erteilen. Dies hatte ihn dann motiviert, sich entsprechend gegen solche kriminellen Praktiken gegen Frauen zu engagieren, indem er sie etwa öffentlich aufdeckte. Natürlich gefiel das den entsprechenden Kreisen überhaupt nicht. Siehe Hinweis 65. Wenn sich Jesus hier für eine echte Moral engagierte, dann das das Argument schlechthin, dass er ein gesunder und ethisch hochstehender Mann war: Er sah, dass etwas nicht in Ordnung ist und versuchte, alles in seiner Macht stehende zu tun, damit sich hier etwas ändert.

Und jetzt eine persönliche Meinung von mir zu dem hier dargestellten Jesusbild: Ich denke doch, dass das so plausibel ist, dass es mehr als verwunderlich ist, dass es sonst von niemandem heute vertreten und noch nicht einmal von jemandem zur Diskussion gestellt wird. Das kann nur daran liegen, dass man entweder von der Wirklichkeit Jesu entfernt ist oder dass man dieses Jesusbild gar nicht sehen will, so wie vermutlich auch die "ehrenwerte Gesellschaft" zur Zeit Jesu das ja auch nicht wollte. Beides sind schon fast Beweise, dass dieses Jesusbild das richtige ist. Was sollte das denn auch, es ging ja sowieso "nur" um Frauen.


35. Studierstubengelehrte: Es gibt auch eine jüdische Jesusforschung, etwa von Pinchas Lapide, David Flusser, Schalom Ben Chorin, in der Jesus als typischer jüdischer Rabbiner in der Tradition auch sonstiger Rabbiner erkannt wird. Nur: Auch die genannten jüdischen Theologen sind allesamt typische Studierstubengelehrte, denn es ist eindeutig, dass Jesus sich mit Prostituierten zumindest unterhalten und daher vermutlich von deren Seite etwas über die Gesellschaft seiner Zeit erfahren hatte, doch davon ist auch bei diesen Theologen nirgends die Rede. Eine Überlegung "Jesus und Prostituierte" kommt bei diesen Theologen jedenfalls nicht vor. Natürlich gilt das, was ich hier sage, nur soweit ich deren Werke kenne. Doch ich denke, dass diese Überlegungen so wichtig wären, dass sie mir selbst beim flüchtigen Lesen schon aufgefallen wären. Doch wie gesagt, Fehlanzeige. Anders etwa das Werk "Umwelt des Urchristentums" von Walter Grundmann (Herausgeber), (Evangelische Verlagsanstalt, Ost-Berlin, 1966/1982). Zwar ist in diesem Werk von Prostituierten auch nicht die Rede, doch hier ist die Situation der Frau in der jüdischen Gesellschaft zur Zeit Jesu beschrieben. Und die ist durchaus erbärmlich, etwa: "Es gibt kaum Zeugnisse aus denen erkennbar ist, daß zwischen Mann und Frau eine Gemeinschaft des Verstehens und des Lebens besteht." (S. 177)


36. zum Film "Kids": Wenn Sie sich diesen Film einmal ansehen, dann achten Sie doch mal drauf, wie diese Darsy im Schwimmbad, in das die jungen Leute am späten Abend noch kurz vor ihrer Entjungferung durch Telly über den Zaun gestiegen sind, "natürlich" einen kompletten Bikini trägt, wie auch alle anderen jungen Leute in kompletten Badesachen sind. Fazit auch hier: Die Filmemacher haben gut beobachtet, die Sexualscham schützt vor gar nichts, sie ist eben kein Indiz für eine bewusste Moral, sie ist eben nur eine Scheinmoral!


37. Jesus als Bauunternehmer:
Im griechischen Urtext, der Luther als Vorlage für seine deutsche Bibelübersetzung ins Deutsche diente, stand als Beruf des Vaters von Jesus "tekton". Und dieses Wort kann auch mit "Baumeister" oder "Häuserbauer" übersetzt werden. Luther hatte es zu seiner Zeit, der Zeit der Fachwerkhäuser, mit "Zimmerbauer" oder eben "Zimmermann" übersetzt, woraus dann im allgemeinen Bewusstsein so etwas wie Schreiner oder Tischler geworden ist. Damit wurde nun so etwas wie eine Idylle verbunden: Josef und Jesus zimmern hinten in der Werkstatt Möbel, die Maria dann vorne im Laden vekauft. Doch diese Idylle ist keineswegs richtig. Wenn Josef und Jesus Häuserbauer waren, so werden sie ihren Beruf gewiss nicht nur in Nazareth, damals noch ein kleines Dorf, ausgeübt haben, sondern sie werden - zusammen mit anderen Verwandten und vielleicht auch mit Freunden - so etwas wie ein Baugeschäft gehabt haben und im ganzen Land Bauaufträge ausgeführt haben. Dabei kam Jesus mit allen möglichen Menschen in Kontakt, für die das "Baugeschäft Josef und Söhne" baute, etwa mit Zolleintreibern, und gewiss auch mit Prostituierten, mit denen Jesus sich zumindest unterhalten hatte. Von daher kannte sich Jesus in allem Menschlichen aus, was dann durchaus das Fundament für seine Predigttägigkeit gewesen sein dürfte - zusammen mit den Kenntnissen seiner jüdischen Religion.

Hierzu eine dpa-Meldung (in der Zeit und DIE WELT vom 11.11.1997):

Neue Erkenntnisse über sozialen Status von Jesus

dpa Rom - Jesus von Nazareth war neuesten Forschungen zufolge nicht der Adoptivsohn eines armen Zimmermannes, sondern Sproß einer mittelständischen und wohlhabenden Familie. Joseph sei selbständiger Bauingenieur gewesen, Jesus selbst habe schreiben und lesen können, mehrere Sprachen gesprochen und habe vermutlich in seiner Heimat das griechische Theater besucht. Zu diesem Ergebnis kommt der Jesuit und Historiker an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, Giovanni Magnani (68), in seinem Buch „Jesu, Erbauer und Meister". Wie die römische Zeitung „II Messaggero" gestern schrieb, räumt das Buch mit der bisherigen „Ideologie des religiösen Pauperismus" radikal auf. Wie sein Vater sei auch Jesus gelernter Bauingenieur (Geometer) gewesen und habe gemeinsam mit Joseph zeitweise eine Werkstatt in Nazareth betrieben. (Anmerkung: „Pauperismus" = „Verarmung", „Verelendung")

Kommentar: Ob Jesus nun ein Häuserbauer oder ein Geometer (Vermessungsingenieur) war, ist für unseren Zusammenhang wohl eher nebensächlich. Wichtig ist eben, dass er wohlhabend war und im ganzen Land herumkam und sein Arbeitsfeld also nicht nur auf eine kleine Werkstatt in Nazareth beschränkt war.


38. Geschäftsmodell (oder auch "Arbeitsbeschaffungsmaßnahme"):

Ich habe es nicht geglaubt, doch ich habe inzwischen die Erfahrung gemacht: Es wird zwar von Seiten der Kirchen gejammert und geklagt über die schlimme Zeit heute und dass sich gerade die jungen Menschen weder für Religion noch für Moral interessieren. Doch es ist nun einmal so: Die Moral der jungen Menschen interessiert gerade die Kirchen überhaupt nicht! Und ich weiß, wovon ich rede, denn ich habe ja die Theologie der Kirchen studiert und verfolge auch, was heute so in der Theologie "läuft". Es ist nun einmal leider so: Wenn jemand Vorteile vom Leid seiner Mitmenschen hat, dann geht das zu Lasten seiner ethischen Empfindsamkeit. Er stumpft ab. Also gibt es irgendwann überhaupt kein wissenschaftliches Engagement, wie es kommt, dass junge Menschen so sind, wie sie sind, und schon gar keine wissenschaftlichen Anstrengungen, was man machen könnte, um hier etwas zu ändern. Für wissenschaftliche Anstrengungen müsste, wie das so ist, wenn es wissenschaftlich sein sollte, einiges oder sogar alles auf den Prüfstand gestellt werden, etwa inwieweit die Erziehung zum Frommsein oder die Erziehung zur Sexualscham "proproduktiv" ist, doch Fehlanzeige.

Dabei wäre das doch alles gerade im Hinblick auf den Ursprung unserer Religion sehr wichtig, vor allem auch weil das, was Jesus wollte, ja mit Sicherheit keine Religion sein sollte, sondern eine neue Lebenseinstellung. Doch wie sagte mir einmal in indischer Freund: "religion is the biggest business" ("Religion ist das größte Geschäft"). Es ist nun einmal so: Die besseren Geschäfte kann man mit einer Religion machen und nicht mit einer Lebenseinstellung. Irgendwie ist das wie mit einer Autofabrik, die lieber fehleranfällige Autos herstellt, weil an der Reparatur mehr Geld verdient wird als an guten möglichst fehlerfreien Autos. Oder wenn Ärzte ihren Patienten bewusst keine Tipps geben, wie sie gesund leben können, weil sie an der Heilung von Krankheiten mehr Geld verdienen können als an gesunden Patienten. Wir würden solche Gesinnungen von Autoherstellern oder Ärzten als kriminell einstufen – doch wie ist das mit den Religionen? Siehe Hinweis 43 zur Beichte!

Oder ist alles doch ganz anders: Könnten die Religionen nicht mit seriöser Arbeit am Ende noch viel mehr verdienen, wäre das also das bessere "Geschäftsmodell", einfach weil die Menschen, die die Fülle des Lebens haben, dankbar sind und weil sie daher unter Umständen sogar noch viel mehr freiwillig geben, als was gleichgültige Kirchen ihnen mit einer Zwangssteuer abknöpfen?

Ich möchte dazu zum Problem "Religion, Tod und Jenseitserwartungen" aus dem Buch "Ohne Lüge leben" von Arno Plack (1976/1978) zitieren. Einerseits sieht der Philosoph Arno Plack (1930 - 2012) unsere Erziehung zur Leibfeindlichkeit, die ein bewusstes Leben weitgehend verhindert, sehr deutlich, andererseits ist sein Rezept, alles hemmungslos auszuleben (à la: "das eigene vitale Dasein in seiner Triebhaftigkeit wie in seiner zeitlichen Begrenzung zu bejahen"), gewiss auch nicht das "Gelbe vom Ei". Denn so wie er sich etwa das Ausleben vorstellt, werden weder das Problem der Sexualscham, noch das des Orgasmus gelöst. Das macht doch deutlich, dass das Ausleben der Sexualität à la Plack (und nach zahllosen anderen!) nicht unserer menschlichen Natur entspricht – und die Menschen letztlich dann doch wieder nach den Maschen "Im Alter werden die Huren fromm" oder "Als er kam ins Alter, sang er fromme Psalter" in die Arme der Religionen getrieben werden "als Kunden für deren Geschäftsmodell". So viel ich sehe, forschen die typischen Sexualwissenschaftler immer nur in Richtung "Veranlagung des Menschen zur Polygamie und ein Ausleben dieser Veranlagung", während ich den Menschen für durchaus monogam veranlagt halte und allerdings die jetzige Pädagogik dieser Veranlagung anzweifle. Ich denke, meine Vorschläge hierzu sind einfach besser. Schauen Sie sich trotzdem das Zitat von den Seiten 51 - 54 unter dem Titel "Den Tod nicht verdrängen" einmal an:

"Der Erziehung zu unbefangener Sinnlichkeit kommt für das gesamte spätere Leben elementare Bedeutung zu. Wenn moralischer Rigorismus die Forderung stellt, auch den Todkranken über seine Situation nicht im Unklaren zu lassen, so ist dabei vergessen, dass ein seinem Leib entfremdetes Selbstbewusstsein auch die Konsequenz seiner Endlichkeit nicht anzunehmen bereit ist: weil unerfüllte Sehnsüchte bis zuletzt ein Weiterleben verlangen. Wir sind alle nicht in der Weise lust- und lebensbejahend erzogen, dass wir den Tod als vorgegebene Bedingung des Lebens akzeptieren könnten. Wir verdrängen den Tod, wie wir die Sexualität verdrängen: Die doppelte Verdrängung erspart uns ein waches Bewusstsein der Flüchtigkeit des eigenen Daseins. Sexualität meint tendenziell Fortpflanzung; sie weist auf kommende Generationen. Todesverdrängung und Sexualverdrängung schließen so sich zusammen zur Verdrängung der Endlichkeit des eigenen Daseins. Was uns hindert, sie zu ertragen, ist ein Defizit an empfangener Liebe. Die Gelassenheit, die von lustvoller Einstimmung ins vitale Dasein sich hätte bilden können, müssen wir durch »Haltung« ersetzen. Schaudernd kommen wir nicht mehr zu einem unverkrampften Ja.

Angst vor dem Tod wie die Neigung, ihn zu verdrängen, müssen zunehmen in einer Gesellschaft, in der das Individuum sich mit seinen Hoffnungen und Erwartungen weithin auf sich selbst gestellt findet, wo einer des anderen Konkurrent ist. Da wird der Einzelne zum Vereinzelten, er kann kein Wir-Bewusstsein entwickeln, das hoffen, befürchten und planen ließe gemäß den Notwendigkeiten einer größeren Gemeinschaft. Selbst wer für das Ganze des Staates Sorge zu tragen hat, denkt selten über die Zeit seiner eigenen Laufbahn hinaus. »Nach uns die Sintflut« ist, bewusst oder unbewusst, das Prinzip, nach dem Energieprobleme und Umweltgefahren behandelt werden. Familienegoismus ist, Ausnahmen abgerechnet, das Äußerste, was die Sorge um sich selber übersteigt. Doch in den Kindern liebt man nur sich selbst, sein »eigen Fleisch und Blut«, wie es verräterisch heißt. In ihnen sucht, wer nicht mehr an ein Jenseits zu glauben vermag, sich ein Fortleben zu imaginieren. Der geheime Bezugspunkt aller Fürsorge aber bleibt das eigene Ich. In tyrannischer Fürsorge für die eigene Familie wird nur die eigene Todesangst verdrängt.

Religiöse Einstellung, die sich dem Animismus (Anm.: so werden üblicherweise die Religionen der "Naturmenschen" genannt, die außerhalb unserer Zivilisationen leben) nähert, erleichtert noch die Verdrängung des Todes. Wer an ein individuelles Fortleben nach dem Tode glaubt, der braucht die Einmaligkeit seines Lebens, jedweden Lebens, und die Endgültigkeit des Abschieds im Sterben nicht so ganz ernstzunehmen. Es gibt eine Oberflächlichkeit aus »Religiosität«. Den Tod als reale Möglichkeit erst recht verdrängen muss ein Mensch, der nicht mehr religiös genug ist, um an ein jenseitiges Leben zu glauben, aber noch nicht sittlich frei genug wurde, jeden gesunden Tag lustvoll zu erleben. Ohne Lüge leben, das hieße zuletzt: das eigene vitale Dasein in seiner Triebhaftigkeit wie in seiner zeitlichen Begrenzung zu bejahen. Aber das kann der unzärtlich Erzogene sich nicht willentlich als tapfere Haltung aufsetzen. Es ist von niemandem zu erwarten, dass er ausgerechnet die Schattenseite der Leibbejahung verwirklicht. Nur wer die Freuden des Leibes unbefangen zu genießen wagte, kann zuletzt ohne die Lüge irrealen Trostes auskommen.......

Ein illusionsloses Verhältnis zur Endlichkeit des Lebens ist möglich, aber nicht für Menschen, die nie in unbefangener Weise zu leben erlernten, denen man das mit »Sittenstrenge« verwehrt hat. Ein solches Leben ist Leiden schon in gesunden Tagen: Leiden an der eigenen, scheinbar »überschüssigen« Vitalität. Die Theorie vom »konstitutionellen Antriebsüberschuss« des Menschen hat aber nur in einer Kultur sich herausbilden können, die ein »Sich-Ausleben« moralisch verpönt. Wer solcher Wertung scheu sich fügt, muss darüber einen vitalen Unmut entwickeln, der ihm das Leben selber als wenig lebenswert erscheinen lässt. Unbewusst schwelt aber die Erwartung eines volleren, freieren Lebens. So kommt es, dass Lebensüberdruss, Selbstmordneigung und Angst vor dem Tode, Hoffnung auf ein ewiges Leben, in einem Menschen, widersprüchlich genug, zusammengehen. Jenseitserwartung löst diese Paradoxie, die doch dem verquälten Leben entstammt, indem sie einen fiktiven Punkt außerhalb des Daseins bezieht. Aber sie erlöst damit nicht von dem Leiden, das allem Glauben zum Trotz sich durchhält und vielfältig körperlich ausformt. In den sogenannten psychosomatischen Krankheiten bringt der Körper gegen die Grundlüge unserer Kultur sich zur Geltung: gegen den Glauben, dass der Mensch seine Begierden gefahr- und folgenlos vernachlässigen könne."


39. Reisebericht „in die Hölle“: siehe http://ermland.lima-city.de/hoelle/hoelle.htm


40. Auszug aus dem Ritus der confirmatio vor der Reform (aus: Die Feier der Firmung, lat.-dt. Ausgabe für den liturgischen Gebrauch, Trier 1966): "Spiritus Sanctus superveniat in vos et virtus Altissimi custodiat vos a peccatis... Oremus. Omnipotens sempiterne Deus, qui regenerare dignatus es hos famulos tuos … ex aqua et Spiritu Sanctu quique dedisti eis remissionen omnium psccatorum (Anm.: Übersetzt im deutschen Text mit "Schuld"): emitte in eos ... septiformem Spiritum tuum Sanctum Paraclitum de caelis. R. Amen. Spiritum sapientiae et intellectus. R. Amen. Spiritum consilii et fortitudinis. R. Amen. Spiritum scientiae et pietatis. R. Amen. Adimple eos...Spiritu timoris tui, et consigna eos … sogno Cru+cis Christi, in vitam propitiatus arternam. Per Christum, Dominum nostrum. R. Amen.
N. Signo te Cru+cis: Et confirmo te chrismate salutis. In nomine Pa+tris et Filii et Spiritus Sancti. R. Amen. - Pax tecum. - Confirma hoc, Deus, quod operatus es in nobis, a templo tuo, quod est in Jerusalem … Gloria Patri et Filio, et Spiritui Sancto. R. Sicut erat in principio et nunc et ...“

Deutsch unter Hinweis 103 mit Erklärungen.


41. "Frühsexualisierungshysterie": Was heißt überhaupt "Frühsexualisierung"? Für manche ist schon schädliche "Frühsexualisierung", wenn Kinder wissen, dass Babys durch Geschlechtsverkehr gezeugt werden, also muss dieses Wissen bei Kindern verhindert werden. Dabei wird vergessen, dass dieses Wissen sich schon unter Kindern herumspricht, sobald einige Kinder dieses Wissen haben, und dass man von daher dieses Wissen also gar nicht verhindern kann. Andererseits ist dieses Wissen einfach notwendig, wenn das Erziehungsziel eine echte Monogamie sein soll, damit die Kinder überhaupt eine reelle Vorstellung davon bekommen, was "Sexualmoral" ist und sie sich somit einrichten können, was sie tun und was sie besser nicht tun können. Siehe auch Hinweis 147, zu was fehlendes konkretes Wissen führen kann, und Hinweis 45 "Entsetzen eines Geistlichen" und 48 "wie es richtig geht".

Im Übrigen: Heute wissen alle Kinder bei uns, wie Kinder "entstehen", und ganz offensichtlich erfahren sie durch dieses Wissen keine Traumata. Was allerdings immer noch fehlt, ist ein Konzept über ethisches Verhalten vor dem Hintergrund dieses Wissens, also wie verhält man sich in der Praxis des Lebens? Das ist das Anliegen dieses "Glaubenskonzepts", um es einmal so zu nennen.


42. Zur "Atlantiktaufe" durch den Vater: Das Problem ist doch immer, wie ein junger Mensch herausfindet, ob der Freund, den er sich "ausgeguckt" hat, auch ehrlich ist oder alles nur mitmacht, damit er gewonnen werden kann. Ich denke, eine Methode ist hier, dass man sich auch in der Familie über die Themen, die hier angesprochen sind, gemeinsam unterhält. Und warum nicht auch einmal gemeinsam, also mit der ganzen Familie und auch mit dem neuen möglichen Familienmitglied in eine Sauna gehen oder auch an einen "entsprechenden Strand" gehen? Macht dieses "neue Familienmitglied" gerne mit – oder passt das alles irgendwie doch nicht?

Ich hatte von einem solchen "freien Aufenthalt am Strand" natürlich dem Mädchen in der "Vorbereitungsphase" geschrieben, also längst bevor sie zu mir kam und auch, dass sie mir zusichern müsste, dass es dabei mitmachte. Denn ich würde mich hier auf gar nichts anderes einlassen, weil ich schon wüsste, worauf das sonst hinausläuft. Die Erfahrung ist doch, dass man ein Mädchen nicht zurückhalten kann, wenn es erst einmal so eine Verliebheit im Kopf hat und keine Alternative zum Sex kennt, Was habe ich hier schon selbst alles erlebt, etwa mit den Töchtern von Bekannten! Wie standen die zuerst "hochmoralisch" über all diesen "Problemen" und wussten alles besser, und hinterher war alles doch immer nur "wieder dasselbe"! (Siehe Hinweis 77 "von ihren Gefühlen überrumpelt".) Ja, da habe ich nun nach einem anderen Weg gesucht, weil ich denke, dass es den geben müsste. Sie könne sich ja mit ihren Eltern über meinen Ansatz unterhalten. Und, so erzählte die junge Frau mir später, das hätte sie auch getan. Ihr Vater hätte sich daraufhin bei einem Bekannten herumgehört, der mal in Europa war, was das für Leute sind, die an "solche Strände" gehen. Und dessen Antwort: "Das macht eher die Oberschicht." Na also ... Und es ist nun auch nicht so, dass diese "Oberschicht" nur abgehobene Leute sind, die mit den "Normalmenschen" nichts zu tun haben. Mitnichten. Es muss wohl Mitte der 60er Jahre des vorigen Jahrunderts gewesen sein, als in der Kölner Kirchenzeitung ein Interview mit dem Pfarrer der nördlichsten katholischen Gemeinde Deutschlands war, also dem Pfarrer von Sylt. Irgendwie war er ein Original, "jeder kannte ihn", ich habe seinen Namen im Internet gefunden, Pfarrer Bellmann. Er wurde in dem Interview unter anderem gefragt, wie das denn mit den Badegästen sei, die dort auf den "Naturstrand" gingen, also "textilfrei". Und der Pfarrer: "Da sei zu den anderen Badegästen kein Unterschied, das sind genauso Familien wie die, die nicht zu diesen Stränden gingen und die würden genauso zu den Gottesdiensten kommen – oder auch nicht."  (Anmerkung: Möglicherweise erzählen die Eltern in diesen Familien ihren Kindern Ähnliches wie ich?)

Natürlich, die typischen "Bedenkenträger" werden Bedenken gegen diese "Taufe" eines Vaters einer eigenen Tochter haben, weil sie sich so eine unbefangene Nacktheit zwischen Vater und Tochter kaum vorstellen können und weil es also ihrer Meinung nach auf diese Weise leicht zu inzestuösen Beziehungen kommen könnte. Ich denke, ich kann hier Entwarnung geben: Denn durch einen unbefangenen Umgang von Vater und Tochter von Kind an (der muss natürlich da sein!) entsteht ein ausgesprochenes Vater-Tochter-Gefühl, das inzestuöse Beziehungen einfach unmöglich macht, weil die Natur nun einmal nicht will, dass Vater und Tochter miteinander Kinder zeugen und also Sex haben. Das Problem hier ist, dass Mütter, die selbst einmal von ihren Vätern missbraucht wurden, nun größte Angst haben, dass ihren Töchtern irgendwann dasselbe mit ihrem Vater, also mit ihrem Mann passiert, und sie daher argwöhnisch darauf achten, dass Mann und Tochter nicht zu nahe besammen oder auch nicht unbeaufsichtigt alleine sind. Doch damit stören sie die Bildung einer natürlichen Vater-Tochter-Beziehung, und wenn die Tochter dann alt genug und also auch fraulich-attraktiv ist, kommt es bei Gelegenheit dann möglicherweise zu "Beziehungen". Die Mütter sehen sich nun in ihren Ängsten bestätigt, dass "alle Männer so sind". Dass sie es selbst waren, die durch ihre Ängste die inzestuösen Beziehungen direkt verursacht haben, wollen sie natürlich nicht wahr haben.

Und das Ergebnis dieses "pädagogischen Verfahrens"? Ich kann nur sagen, äußerst positiv. Wenn ich denke, wie "grün und unreif" ich in dem Alter war, in dem meine Tochter damals war, so ist da ein gewaltiger Unterschied. Kurz mein Resümee: Sie hat ihr Leben in die Hand genommen, sie wusste, was sie wollte, sie war offen, sie war irgendwie reif. Irgendwie hat sie gesehen, was wirkliche Moral ist und welche Vorteile die hat, und was nur eine im Grunde lächerliche Scheinmoral ist, wie sie ihre Kameradinnen im Kopf haben und diese also auch leben. Das führte offensichtlich dann bei ihr auch zu einer Ausstrahlung, aufgrund der sich die sogenannten Casanovas oder auch Don Juans gar nicht erst an sie heran trauten. Dabei war sie keinesfalls altklug und hochnäsig, sondern eher kindlich-offen. Natürlich, vielleicht lag das nicht nur an "meiner Erziehung", sicher aber auch, zumindest dürfte diese Erziehung einer vorhandenen eigenen Einstellung nicht geschadet, sondern diese eher noch gefördert haben. Und das ist bis heute so geblieben.

Noch ein Hinweis zur Rolle der Väter bei der Erziehung gerade auch der Töchter: Mein Professor Wilhelm Heinen, in Münster 1956-1974, vertrat die Theorie, dass Väter hier besondes wichtig sind. Und dass die schlimme moralische Lage heute daran liegt, weil die Väter keine wirklich starken Väter sind und also auch nicht die ihnen aufgegebene Vaterrolle richtig wahrnehmen – und eben versagen. (Dabei könnten auch sie noch ihren riesigen Spaß bei einer solchen Erziehung haben, denn welcher Vater macht das, von dem ich hier rede, denn nicht gern mit seiner über alles geliebten Tochter!) Wir Studenten schmunzelten oft über manche skurillen Thesen dieses Professors, doch wo er Recht hatte, hatte er nun einmal Recht – nur leider sah er das nicht so "konkret"! Dafür war er nun einmal leider zu eng, um es vorsichtig auszudrücken.

Ich möchte hier auch einmal auf das Problem "Kinderkrippe" zu sprechen kommen. Gerade von konservativer Seite wird ja Eltern und besonders auch Müttern Angst gemacht, dass es verantwortungslos sei, wenn sie ihr Kind schon etwa ein Jahr nach der Geburt, also wenn der Mutterschaftsurlaub vorbei ist, in eine Kinderkrippe geben. Sicher, das Ideale ist das vielleicht nicht, doch Mütter sind eben auch Frauen und haben als solche oft mit viel Mühe und Engagement einen Beruf erlernt und möchten den natürlich auch ausüben. Also müssen sie ihr Kind wohl oder übel in eine Kinderkrippe geben. Ich denke nun, so schlimm ist das auch nicht für die Entwicklung des Kindes, nicht zuletzt gibt es in der Kinderkrippe ja auch den Vorteil, dass das Kind mit anderen Kindern zusammen ist und zwangsläufig soziales Verhalten wie unter Geschwistern lernt. Für die Eltern bleiben in der krippenfreien Zeit und insbesonders also auch in den Ferien jede Menge Gelegenheiten, ihren Kindern "ganz besondere Endorphinerlebnisse" zu vermitteln, die die wichtigsten Entscheidungen des jungen Menschen nicht nur so eben beeinflussen, sondern regelrecht steuern. Damit sind die Eltern im Endeffekt für das Kind bedeutungsvoller als noch so liebe und fürsorgliche "Krippenmütter".

Die Frage stellt sich hier, ob ein Mädchen "für das alles" wirklich einen eigenen konkreten Vater braucht, oder ob es nicht auch das Konzept eines Vaters, wenn es nur genügend praxisnah-konkret ist wie dieses hier, genauso tut? Ich hoffe doch, dass das möglich ist, wenn ich auch solchen Mädchen empfehlen würde, sich einen "solchen (Ersatz-) Vater" zu suchen. Denn ich kann mir das nicht so recht vorstellen, dass Endorphine auch ohne eine entsprechende Praxis gebildet werden können ...

Hier wurde besonders auf die Beziehung Vater - Tochter eingegangen. Und die Jungen? Für die ist also die Erziehung zu Ritterlichkeit und Respekt vor der Ehre der Mädchen angesagt. Doch was hilft diese ganze schöne Erziehung, wenn Ritterlichkeit und Respekt nachher von den Mädchen gar nicht "nachgefragt" werden, siehe Hinweis 2? Und siehe auch die Sketche von Volker Pispers über den "Softiemacho". Wichtig ist also schon eine gemeinsame (Moral-) Erziehung von Mädchen und Jungen, damit die (Moral-) Erziehung von Jungen schließlich nicht ins Leere läuft.


43. Beichte als Feedback: Ich zitiere hier einmal aus der Zeitung "Die Welt" vom 16.11.2017, S. 28 "Wissen" mit kleinen Veränderungen, also statt der Wörter "Krankenhäuser", "Gesundheitsberufen" und "zwischen Ärzten und Pflegekräften" nun die Wörter "Religionen", "Religionsberufen" und "Priester und Laien". Also hier der "neue" Text: "Religionen verstehen sich traditionell nicht als lernende Organisationen, die aus Fehlern und Beinahe-Katastrophen Verbesserungen für die Zukunft ableiten. Die Luftfahrt hat das konsequent gemacht und ist dadurch viel sicherer geworden. In klassischen hierarchischen Systemen geht die Energie aber nicht in Fehlervermeidung, sondern in Angst und Druck, dass Fehler möglichst nicht publik werden. Dann kann auch niemand etwas daraus lernen. Ein weiteres Problem besteht darin, dass in Religionsberufen ein geradezu idiotisches Gefälle existiert, gerade zwischen Priestern und Laien."
Ein einsames Beispiel für eine sinnvolle Anwendung der Beichte ist die Geschichte des Jesuitenpaters Friedrich v. Spee: Er war als Beichtvater für "Hexen" eingeteilt, also musste er die verurteilten "Hexen" auf ihrem letzten Weg zum Scheiterhaufen begleiten und ihnen vorher noch die Beichte abnehmen. Doch er ließ es nicht dabei bleiben. Irgendwann fragte er sich bei diesen Beichten, was eigentlich hier gespielt wird. Und er kam zur Erkenntnis, dass diese "Hexen" wohl gar keine wirklichen Hexen sind, sondern arme geschundene Frauen, die durch raffinierte Verhöre und Folter zu ihren Geständnissen gezwungen wurden, zu Geständnissen, denen überhaupt keine sachlichen Tatbestände zugrunde lagen und die wohl jeder gemacht hätte, mit dem so wie mit den "Hexen" verfahren würde. Doch was tun? Wenn er jetzt gegen diese grausigen Unsinnigkeiten protestiert hätte, dann hätte man ihn als von den Hexen und also vom Teufel "umgedreht" gesehen und hätte ihn auch so einem raffinierten Verhör und Folter unterzogen und niemandem wäre geholfen gewesen. Also schrieb er anonym ein Buch gegen die Hexenwahn, die berühmte "Cautio Criminalis". Die Ordensbrüder, die Friedrich v. Spee kannten, wussten natürlich, dass das Buch von ihm war, schließlich äußerte er ja auch sonst seine Gedanken. Doch sie hielten dicht, wenn er schließlich auch in die Seelsorge für die Pestkranken versetzt wurde - also auch eine Art Todesurteil? Leider gab es wenig positive Resonanz auf das Buch, der Glaube an die Hexen saß einfach zu tief. Immerhin hatte der Bischof von Bozen-Brixen das Buch gelesen und in seinem Bistum die Hexenprozesse verboten. Ansonsten dauerte das Ende dieser unsäglichen Prozesse noch etwa 150 Jahre.


44. "Vernunft spielt keine Rolle" - hier die Regensburger Rede von Papst Benedikt:

https://w2.vatican.va/content/benedict-xvi/de/speeches/2006/september/documents/hf_ben-xvi_spe_20060912_university-regensburg.html


45. Entsetzen dieses Geistlichen über die Frühsexualisierung: Siehe auch Hinweis 39. Ich denke, dass bei ihm typisches magisches Denken vorlag, so wie auch im Mittelalter und später zum Hexenwahn: Man muss nur gut genug beten, dann wird Gott schon alles auf wundersame Weise regeln. Viel mehr kann man nun einmal nicht machen. Doch letztlich ist das magisches Denken! Dass magisches Denken nicht auf "alte Zeiten" beschränkt ist, beweisen die Geschichten der Ärzte Edward Jenner (1749 - 1823), der die Pockenschutzimpfung entdeckt hatte, und Ignaz Semmelweis (1818 - 1865), der die Ursache des Kindbettfiebers und eine einfache aber wirkungsvolle Gegenmaßnahme heraus fand. Beide kamen gegen das magische Denken selbst größter wissenschaftlicher Kapazitäten ihrer Zeit nicht oder nur kaum an, obwohl sie eigentlich überzeugende Beweise aus der Praxis vorlegen konnten.

Zum magischen Denken: Der Schweizer Autor Luc Bürgin schreibt in seinem Buch "Irrtümer der Wissenschaft", dass sich 1855 in Wien ein angesehener Professor die Mühe gemacht hatte, Dutzende damals in der Fachwelt kursierende Hypothesen über den Ursprung des Kindbettfiebers zusammenzustellen. Wir finden dort haarsträubende Erklärungsversuche wie "Gefühlswallungen", "Diätfehler", "das lange Dursten", "zu warme Räume" usw., irgendwie war das alles magisch. Nur Semmelweis durfte mit seiner Theorie, dass es nämlich die Ärzte selbst sind, die es verursachen, weil sie sich nach Leichensezierungen nicht richtig die Hände waschen, nicht recht haben!
Sie können auch einmal die so üblichen Begründungen für die "schlechte Sexualmoral schon junger Menschen" heute durch den Kopf gehen lassen, also etwa: "Die Schuld der Medien, vor allem des Fernsehens und Hollywoods", "die fehlende oder nicht besonders gute Mutterliebe gerade in den ersten Lebensjahren ihres Kindes", "die Frühsexualisierung durch Schule und Kameraden", "das fehlende gute Vorbild der Eltern, die es selbst nur zu Patchworkbeziehungen schaffen", "die freizügige Kleidung der Mädchen und Frauen". Nur auf eines kommen die schlauen Pädagogen nicht, unter ihnen auch die Pfarrer und Lehrer aller Religionen, dass sie es nämlich selbst sind, die die jungen Menschen etwa nur zu einer Scheinmoral (s. Seite 3 u. im Text) erziehen und nicht zu einer echten Moral, siehe auch Hinweis 147. (Anmerkung zum Problem des "fehlenden guten Vorbilds der Eltern": Wir könnten das Problem ja auch mal anders sehen. Dass nämlich gerade im jungen Menschen "sozusagen von Natur aus" die Veranlagung <s. Hinweis 7> zu einer heilen Partnerbeziehung da ist und er im Grunde vom schlechten Vorbild der Eltern abgestoßen ist und er jetzt erst recht alles mal wirklich richtig machen will. Also ist er "supermoralisch" in der Weise, wie er Moral mitbekommen hat. Doch damit praktiziert er nur die übliche Scheinmoral und rutscht wieder genau in die misslichen Beziehungskisten hinein, die er eigentlich vermeiden wollte. Und die schlauen Pädagogen, Soziologen und Theologen sagen jetzt: "Wir haben es doch gleich gewusst, wenn das Elternvorbild nicht gut ist, dann kommt eh nur wieder dasselbe bei den jungen Leuten heraus." Doch in Wirklichkeit ist alles ganz anders...) 

Zum "Problem Frühsexualisierung": Selbst wenn dieser Geistliche recht hätte mit seinem Vorbehalt zur frühzeitigen Information junger Menschen über die Dinge der Sexualität, insbesondere wie sie heute schon in der Schule geschieht, so bedeutet das keinesfalls im Sinn "hoher Moral" "Hals- und Beinbruch". Mein Eindruck vom Umgang mit jungen Leuten her ist nämlich, dass es gerade durch die "moderne Sexualaufklärung" zu einem unerwarteten Nebeneffekt kommt. Denn keinesfalls alle der jungen Leute sind damit glücklich, was hier auch "von oben" als normal angesehen und daher auch direkt empfohlen wird. Dass sie also erst einmal mehrere Intimpartner "durchprobieren" sollen <oder gar müssen>, bis man <oder vor allem frau> beim "Richtigen" landet. Gerade Mädchen empfinden das bisweilen als Zumutung, sollen sie also bei ihrer Partnersuche zuerst einmal Gratisprostituierte sein? Doch wie sollen sie es denn anders machen? Oft kommen diese Empfehlungen ja auch noch direkt von den Eltern – und gerade auch von den Müttern. Hier wäre doch die Aufgabe einer Kirche, die sich am historischen Jesus orientiert und sich für eine "echte Sexualmoral" engagiert, ein plausibles und attraktives Konzept anzubieten, doch leider bisher Fehlanzeige.  

Ich höre jetzt förmlich den Einwand der typischen "Bedenkenträger", dass die Chancen der Kirche hier unrealistisch sind, weil sie sowieso nicht alle jungen Leute erreichen kann. Doch stellt sich die Frage: "Müssen denn überhaupt alle erreicht werden?" Doch wohl nicht! Denn wenn es um wirklich attraktive Ideen geht, dann reichen doch erst mal nur wenige, die darauf ansprechen – und deren positive Erfahrungen werden sich dann bei anderen schon herumsprechen. Junge Leute sind übrigens gerade hier wohl die besten Werbemedien ...

46. Zu meinem Beruf vor dem Studium der Theologie: Irgendwann hatte ich in einer katholischen Zeitung gelesen, dass echte Monogamie und echter Monotheismus zusammen gehören. Das heißt also, dass der echte Monotheismus abhängig ist von der echten Monogamie. Wenn man also den echten Monoteismus will, muss man sich um die echte Monogamie kümmern. Kommt es dann zum echten Monotheismus kommt, gut, und wenn nicht, auch gut. Denn dann hat sich das Problem der Religionen sowieso erledigt.

47. Bessere Lösung von Problemen: Es wird bisweilen behauptet, dass es Jesus überhaupt nicht um Ehe und Familie und auch nicht um Sexualmoral ging, denn von alledem ist bei ihm offensichtlich keine Rede. Diese Rede muss doch auch gar nicht sein! Denn wenn er für die echte Monogamie war, dann ergibt sich daraus von ganz alleine, dass es zu gesunden Ehen und Familien kommt. Auch eine echte Moral, um dorthin zu gelangen, hat nichts oder nur wenig mit der Moral zu tun, die die typischen Moralapostel (oder auch "Spießer") in ihren Köpfen haben. Auf der anderen Seite können sich heute ehrenwerte Pädagogen, Theologen, Soziologen und Politiker noch so sehr für Ehe und Familie einsetzen, doch wenn die Leute nicht wollen, weil sie etwa meinen, auch "ohne Trauschein" den Geschlechtsverkehr praktizieren und dann auch zusammen leben zu können, dann wollen sie eben nicht.

Oder denken wir auch an die Abtreibungen: Die "Gründe" für die Abtreibungen sind doch alles keine "Jungfrauenschwangerschaften". Da ist doch immer schon etwas "vorher" passiert. Bei einem Treffen von Religionslehrern mit einer Frau von der Caritas, die "dabei" war, als noch die Bescheinigungen von Beratungen im Zusammenhang mit der Abtreibung ausgestellt wurden, sagte diese uns, sie hätte die Erfahrung, dass alle Frauen, die an eine Abtreibung dächten, auch Probleme mit ihrer Partnerschaft hätten. Das hieße also, wenn es nur noch gesunde Partnerschaften von Mann und Frau gäbe, dann gäbe es auch keine Abtreibungsprobleme mehr ... Die Partnerschaft von Mann und Frau ist also auch hier das "Oberproblem"!

Und Zusammenhänge gibt es vermutlich selbst mit dem Terrorismus! Der Sprecher der orientalischen Christen Simon Jacob vertritt die These, dass das Problem ist, dass die jungen Männer im arabischen Raum sexuell frustriert seien, daher also Aggression, Gewalt und Terror. Nur wer finanziell entsprechend aufgestellt ist, könne im arabischen Kulturkreis heiraten und eine Familie gründen. Im Irak und in Syrien hätten aufgrund der desolaten wirtschaftlichen Lage jedoch die wenigsten jungen Männer eine derartige Perspektive. Jede voreheliche Annäherung an Frauen sei absolut tabu. Der sogenannte Islamische Staat (IS) biete seinen Kämpfern jedoch Geld und die Aussicht auf eine Sex-Sklavin, woraus, so Jacob, ein Stück weit der Zulauf für die Terrorgruppe resultiere.

Zum Schluss noch etwas zum Thema, welche Religion die beste ist! Eine ältere Dame erzählte mir dazu einmal eine Begebenheit aus ihrem kindli­chen Religionsunterricht, den der Pfarrer gehalten hatte, der muss wohl so um 1950 herum gewesen sein. Der Pfarrer hatte also er­zählt, dass die christliche Religion und hier besonders die katholi­sche, die ein­zige wahre Religion sei. Da hätte sie sich gemeldet und ge­sagt, dass das mit der "einzig wahren Religion" ja die Priester oder die ent­sprechenden Leu­te in den anderen Religionen doch wohl auch ihren Gläu­bigen erzählen wür­den. Ja, woran könne man denn nun erkennen, welches die wirklich wahre Religion sei? Da sei der Pfarrer also ausge­flippt und hät­te geschimpft, dass das Prob­lem heute sei, dass schon Kin­der nicht mehr gläubig seien. Doch ich denke, dass die Frage dieses damaligen Kindes gar nicht so dumm war. Es gibt bekanntlich auch gar keine dummen Fragen, es gibt allenfalls dumme Antworten – und die Antwort des Pfarrers war doch nur dumm, intelli­gent war sie jedenfalls auf keinen Fall. Er war doch einer in­telligenten Frage einfach nur ausgewichen. Um nun die Frage dieses jun­gen Mädchens einmal ernst zu nehmen: Woran erkennt man denn nun, welches die wirklich wahre Religion ist? Jesus gibt hier jedenfalls eine sehr praktische Antwort: "An ihren Früch­ten wer­det Ihr sie erkennen!" Das könnte also heißen: Irgendwelche Ge­schich­ten und Theorien - auch von und über Gott - kann schließlich jeder erzählen und auch mit angeblich allen möglichen mehr oder weniger intel­ligenten Beweisen aus Worten, Papier ist schließlich geduldig. Doch die eigentlichen wirklichen Be­weise liegen immer nur in der Praxis: Dass also das, was eine Religion in der Praxis anpackt, auch nachprüfbar sein und funktionie­ren muss! Doch darum drücken sich eigentlich alle Religionen. Ja, was würde ich heute diesem Mädchen sagen? Ich denke, heute ginge das, ihm behutsam zu erklären, was ich in diesem Text geschrieben habe. Und dann sagen: "Diejenige Religion ist die wahre, die dich und auch die übrigen Menschen am besten auf das Leben vorbereitet, so dass du wirklich Mensch sein kannst und das Leben in der Fülle leben kannst."


48. "Mit Sicherheit sehr motiviert für solche Gespräche" bzw. "statt der Erstkommunion" und "gleich die richtige Moral erzählen":  Ja, auch hier habe ich meine Erfahrungen! Und zwar sollte ich einmal vor über vierzig Jahren, also als ich gerade mit meinem Berufsschulunterricht anfing, in einer kleinen Gemeinde den Erstkommunionsunterricht machen vor sechs Mädchen und zwei Jungen. Ich war damals noch sehr traditionell, doch belügen wollte ich die Kinder auf keinen Fall, und eine Vorbereitung aufs Leben mit einer Überwindung des Machismo sollte der Unterricht für die Kinder schon sein. Sie kennen inzwischen meine Einstellung: Sexueller Missbrauch von Kindern ist etwas Verbrecherisches, doch Kinder dumm und naiv zu lassen oder gar noch zu belügen, so dass sie zu ihrer Kinderzeit oder auch später bei Gelegenheit in solche Missbrauchserfahrungen hineinschlittern können (siehe etwa Hinweis 16), ist für mich genauso kriminell. Vor allem sollten die Kinder auch wissen, was die weißen Kleider der Mädchen zur Erstkommunion mit ihrer Unschuld zu tun haben. Klar, ich musste hier vorsichtig vorgehen, um die Kinder nicht unnötig zu verwirren. Also las ich ihnen die Geschichte von einem Mädchen vor, in der es um seine innere Flucht aus einer sehr engen Familie, um eine Freundschaft mit einem Jungen und schließlich um eine Abtreibung ging. Natürlich erklärte ich auch, was passiert war, so dass es zu der Schwangerschaft kam. Die Kinder brauchten natürlich "ein paar Sekunden" mehr Zeit, um "auf die Reihe zu kriegen", von was ich redete. Ich hörte und sah geradezu, wie die Gehirnzellen der Kinder heiß liefen und sie Zusammenhänge erkannten, die sie offensichtlich bisher so noch nie gesehen hatten. Doch dann war es, als ob ich ein Fass aufgemacht hätte: Was da alles an Fragen vor allem von den Mädchen kam! Und als die Stunde zu Ende war und das Pfarrheim abgeschlossen wurde, saßen einige der Mädchen auch noch mit mir in meinem Auto auf dem Parkplatz vor dem Pfarrheim und wollten mit mir weiter "quatschen" (das war ihr Wort). Auch freuten sie sich offensichtlich auf die nächste Stunde: "Quatschen wir dann wieder?!".

Meine Intention dabei war immer die "echte Monogamie" von der Vernunft her (so würde ich das heute sagen) und wie Jesus uns hier helfen will, dass wir alles richtig machen. Hier passte auch der Hinweis auf die Stärkung mit der Kommunion, auch um den Kindern keine Ängste vor der Realität aufkommen zu lassen. Natürlich, man kann diese Stärkung auch als Placeboeffekt abtun, doch wenn er doch hilft? Was soll´s? Ich denke, damit kam ich den jungen Leuten offensichtlich sehr entgegen. Klar, ich war noch nicht so weit wie heute, das Problem "Unschuld und Nacktheit", als Zeichen der Befreiung von der Erbsünde, hatte ich etwa überhaupt nicht angesprochen, es kam dazu auch keine Frage. Doch ich wette, wenn, auch damit wäre ich angekommen! Es gab auch eine Reaktion von zwei Müttern, und zwar von denen der Jungen und einzeln. Die holten also ihre Jungen ab, und ich wollte ihnen erklären, was ich mache und was so meine Intention sei. Doch sie wehrten ab: "Lassen Sie mal, es ist schon gut, wie Sie das machen." Also hatten die Kinder etwas zu Hause erzählt, und die Mütter waren einverstanden und wollten nur einmal sehen, was für ein Typ das war, der versuchte, "so etwas" ihren Sprösslingen beizubringen. Nur der Pfarrer war überhaupt nicht einverstanden, der wollte das Übliche .... Daher kam es leider auch nicht zu einer Firmvorbereitung, die ich auch noch im Sinn hatte. Siehe im Text unter Punkt 6.

Doch ich denke, so wie ich das damals machte, lag ich richtig: Das Alter der Kinder stimmte, es war im Gruppenrahmen, es war der richtige Anlass, so dass den Kindern auch gleich eine ethische Wertung und eine Hilfszusage gegeben werden konnte, und es stimmte offensichtlich auch das "Dreiecksverhältnis" Eltern – Lehrer – Kinder. Warum habe ich nur solche Schwierigkeiten, andere zu überzeugen, auch so vorzugehen? Stattdessen lassen wir uns die Butter vom Brot von irgendwelchen völlig unmenschlich-ideologieversessenen Ideologen nehmen ...

Und dafür wie gut man mit Kindern über den Unterschied "Gebrauch und Missbrauch der Sexualität reden kann, habe ich auch noch eine andere Erfahrung von einem Gespräch mit einem etwa 11-jährigen Mädchen:. Ich woll­te der Mutter, einer Bekannten, die viele meiner „schriftlichen Versuche“ kannte, einfach mal „vorfüh­ren“, dass man Kindern nicht immer nur diese üblichen Kinder- oder Wunder­geschichten der Bibel erzählen muss (sie also verdummen muss – mit einer Paulusideo­logie, den Zusammenhang mit „Pau­lus“ sah ich damals allerdings noch nicht), sondern ihnen auch mit realistischen Bege­benheiten kommen kann und wie Kinder hier sehr ver­stän­dig und intelligent reagie­ren und dass sie das auch interessiert. Also habe ich dem Kind die Ge­schichte von der schönen Susanna erzählt, wie die von zwei Männern erpresst wurde nach dem dama­li­gen „Erpressungs-Ver­fahren“ („entweder du machst Sex mit uns oder wir zeigen dich an, dass wir dich beim Sex mit einem jungen Mann ertappt hätten, dann wirst du hingeri­ch­tet“), schließlich wissen Kin­der ja auch heute, was Geschlechtsver­kehr ist und können also den springenden Punkt solcher Geschichten endlich einmal rich­tig verstehen. Der Kom­men­tar des Mäd­chens: „Da habe ich aber Glück, dass ich nicht damals gelebt habe...“ Sehen Sie, lieber Leser, dieses Kind hatte den Ernst der Situation voll erkannt und es konnte sich offensichtlich in die Lage der Frau hineinversetzen. Doch etwa alle (erwachsenen) Kirchen- und Medienleuten, denen ich die Geschichte vorlegte, interessiert das of­fensichtlich gar nicht. Haben diese denn für Frauen keine Empathie, ist diese heutige angebliche Frauenfreund­lichkeit "an allen Ecken und Enden" am Ende nur Heuchelei? Heute würde ich dem Mädchen also auch noch weiter sagen, dass sein Glück auch heute noch niemanden in­teressiert, denn die Grundeinstel­lung zu Frauen ist immer noch dieselbe wie zur Zeit der Susanna und zur Zeit Jesu: Nur läuft das heute natürlich etwas anders, ich habe das in dem Text „Der Kriminal­fall ...“ be­schrieben. Im Endeffekt sind wir heute noch genauso frauen­feindlich wie die Menschen damals, es äußert sich nur anders. Die meisten Men­schen, egal ob männlich oder weiblich, haben offensichtlich im Kopf, dass alle Frauen sowieso Prostituier­te sind und man braucht daher kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn mal eine noch einen Schubs „in dieser Richtung“ dazu be­kommt. Oder wie soll ich die allgemeine Empa­thielo­sigkeit hier anders interpretieren als Frauenverachtung? Je­denfalls kann man heute sehr gut mit Kindern über richtige und falsche Moral reden und damit auch über das Engagement des wirkli­chen Jesus, und weil sie heute wissen, was Ge­schlechtsverkehr ist, machen sie auch mit, weil sie das schlicht­weg interessiert. Und warum wird das nicht gemacht, warum werden jun­gen Menschen immer noch diese typi­schen re­ligiösen Märchen und Phrasen erzählt? Die einzig plausible Begründung, die ich hier inzwischen habe, ist die, dass man gar nicht will, dass Mädchen ihre weibliche Moral mit Freude bewusst leben können.

Eine für Theologen eher peinliche Begründung für die "schlechte (Sexual-)Moral" ist die These des Kirchenvaters Augustinus, dass der Mensch von Kind an zur "Sünde" angelegt ist und dass er die Gnade des christlichen Glaubens braucht, um wenigstens einigermaßen von dieser Sündhaftigkeit frei zu werden. Denn wenn er von Natur zur "hohen Moral" veranlagt wäre (was ich ja behaupte), dann würde er das doch auch von alleine tun ohne jede weitere "Nachhilfe", etwa durch geeignete Information. Doch offensichtlich praktiziert er die "hohe Moral" ja nicht von alleine, also ist er auch nicht zu ihr "veranlagt". Eine merkwürdige Logik, siehe hierzu Hinweis 7 zum Thema "Veranlagung".


49. "Jesus und die echte Monogamie" (zu Seite 21): Wir haben heute, auch in den Kirchen, das "römische Ehemodell", um es einmal so zu sagen. Danach sind diejenigen miteinander verheiratet, die ihre Ehe vor dem "Zensor" oder heute eben vor dem Standesamt registrieren ließen oder kirchlich geheiratet haben. Bei den Juden zur Zeit Jesu war das etwas anders. Ich zitiere aus "Umwelt des Urchristentums", Johannes Leipoldt und Walter Grundmann, Berlin (Ost), 6/1982, S. 176: "Der Mann erwirbt sich seine Frau. Die Erwerbung steht in Parallele zum Erwerb eines Sklaven: `Die Frau wird erworben durch Geld, Urkunde und Beischlaf ... der heidnische Sklave wird erworben durch Geld, Urkunde und Besitzergreifung (d.h. durch den ersten Dienst, den er seinem Herrn tut)´". Der Beischlaf ist also bei den Juden das Zeichen von Ehe schlechthin, Beischlaf außerhalb der Ehe gilt als Götzendienst. Insofern sind Prostituierte "Ehebrecherinnen", weil sie eben immer wieder neue Ehen anfangen, die sie dann wieder "(ab-)brechen". Daraus ergibt sich, dass auch Jesus diesen Zusammenhang von Ehe und echter Monogamie sah. Nachfolge Jesu heißt also auch, von den Ehevorstellungen Jesu auszugehen. Und ich denke, das ist möglich, sie in unsere Zeit zu übertragen – wenn auch zumindest im Hinblick auf ein Konzept für die Zukunft.


50. "Dass die Mädchen das jeweils andere machen!" oder auch: Scheinmoral und hohe Moral der echten Monogamie (zum Gespräch mit der Schülerinnenmutter auf Seite 12): Für mich war diese Mutter mal realistisch und aufgeschlossen, doch viele Erwachsene und durchaus auch Eltern haben hier fürchterliche Ängste. Ein Vater sagte mir einmal, dass es auch nicht so schlimm wäre, wenn seine Tochter mal eine enttäuschende Erfahrung hätte, doch dass sie "nackt irgendwo auf dem Präsentierteller" stünde, dagegen hätte er schon was. Ich habe ihn später einmal auf seine Meinung mit der "enttäuschenden Erfahrung" angesprochen, dass es ihm also egal sei, wenn seine Tochter einmal von einem Idioten gevögelt würde. Doch daran, dass er diese Auffassung mal hätte, konnte er sich nicht erinnern. Natürlich hatte er so etwas nicht gesagt, wenn man das so deutlich ausdrückt, was Sache ist, und nicht nur immer euphemistisch um den heißen Brei herumredet. Und wieso hat er diese Phantasie in seinem Gehirn "nackt auf dem Präsentierteller"? Ein Mädchen, das erst einmal eine echte Moral in sich hat, weiß doch von alleine, wie es sich zu verhalten hat und kommt doch überhaupt nicht auf so eine Idee, und wenn, dann wird es schon wissen wo und warum. Und wenn es das vernünftig macht, dann kann es später davon sogar noch seinen Kindern erzählen und darüber lachen. Jedenfalls erinnert sich frau an so etwas leichter und lieber als an verkorkste Sexgeschichten. Was sind das nur für Menschen, die ihren Kindern nicht zutrauen, Spaß an Harmlosem zu haben, und sie also lieber in die falsche Richtung schicken, wie es diese Ex-Prostituierte geklagt hat (s. S. 41)?

Doch es gibt auch genügend andere Mütter! Die fordern ihre Töchter geradezu zu "Sexgeschichten" oder eben "Erfahrungen" auf und leiten sie dazu an, wie sie es am besten anstellen sollen. Das Problem dieser Mütter ist offensichtlich, dass sie selbst, als sie "in dem Alter" waren, "es" nicht durften und "es" aber dennoch "machten". Doch mehr oder zwangsläufig waren das dann keine schöne Erlebnisse. Und dass es keine schönen Erlebnisse waren, führen sie nun vor allem darauf zurück, dass sie etwas taten, weil es irgendwie verboten war. Und ihre Logik ist nun, wenn es nicht verboten gewesen wäre, dann wäre es auch schön gewesen. Also wollen sie es jetzt mit ihren Töchtern besser machen, als wie sie es selbst einmal erlebt hatten – und leiten ihre Töchter förmlich "dazu" an. Dass sie damit allerdings ihre Töchter anleiten, erst einmal Schlampen oder auch Huren zu sein, bedenken sie nicht. Die Großmutter der Mädchen, die mit mir am Strand waren (Punkt 4, S. 20 oben), kommentierte "solches Verhalten": "Die wollen sich in ihren Töchtern selbst heilen." Auch ich verstehe solches Verhalten nicht, denn eine wirkliche Emanzipation sieht anders aus. Auch von daher versuche ich, eine Alternative anzubieten, die eine andere Qualität und ein anderes Niveau hat.

Dazu kommt noch, dass sowohl die "Granddame" des italienischen Journalismus Oriana Fallaci (1929 - 2006) ("Die Wut und der Stolz") wie auch der Deutschtürke Akit Pirincci ("Die große Verschwulung") den deutschen bzw. den europäischen Männern vorwerfen, dass sie sich alles gefallen lassen und keine richtigen Männer sind. Gleichzeitig halten sie es für völlig normal und haben auch nichts daran auszusetzen, wenn Mädchen und Frauen ihre "sexuelle Selbstbestimmung" ausleben. Ja, wie ist das nun, sollen sich das auch die Männer gefallen lassen und das am Ende auch noch gut finden, wenn ihre Frauen, Schwestern, Töchter "rumvögeln" mit wem auch immer – Hauptsache, es geht von ihnen selbst aus? Machen sich die deutschen Ehemänner, Brüder, Väter nicht mit solcher Dulderei zum Spottobjekt? Sie kennen inzwischen meine Lösungsidee: Den "Verkehr" sollen die Schwestern und Töchter nicht tolerieren, weil der nun einmal in die Ehe gehört, daher dann allenfalls Hautkontakt. Und die Ehefrauen haben auch für den hoffentlich den Richtigen gefunden.


51. Zum Besuch des "Naturstrands" (es war einfach nur ein fast leerer Strand, also noch nicht einmal ein FKK-Strand) mit den beiden Mädchen (s. S. 18f): Ich weiß, eine heikle Angelegenheit – wohl schon immer in den angelsächsischen Ländern und inzwischen auch bei uns in Deutschland. Doch wenn man schöne Blüten und schließlich auch einmal schöne Früchte haben will, dann muss man nun mal die Knospen pflegen. Offensichtlich macht sich hier leider eine Hysterie breit, wenn in solcher Natürlichkeit und Offenheit gleich so etwas wie Sittenverderbnis oder zumindest der Anfang von Sittenverderbnis gesehen wird. Wir schütten hier doch das Kind mit dem Bade aus und sehen überhaupt nicht ein berechtigtes Anliegen! Denn es ist doch so, dass gerade die jungen Damen, die "verklemmt" erzogen werden, erfahrungsgemäß die ersten sind, die ein paar Jahre später diese Verklemmtheit ganz offensichtlich nicht mehr aushalten und mit ganz anderen sexuellen Beziehungen anfangen.

Wie kommt´s? In der ganzen Erziehung erfahren sie doch, dass Nacktheit etwas Unmoralisches, also etwas Schlechtes ist. Und da sie doch nun einmal nicht unmoralisch und schlecht sein wollen (sie haben ja von Natur aus den Antrieb zu einer hohen Moral in sich!), vermeiden sie natürlich ängstlichst die Nacktheit - und so sehr, dass die Scham im Allgemeinen für eine Naturveranlagung des Menschen gehalten wird. Doch das Leben geht weiter: Ich habe hier zur Genüge beschrieben, dass nun einmal irgendwann das Interesse für das andere Geschlecht und dann auch das Problem der Partnerwahl kommt. Normalerweise würden die jungen Damen nun mit ihren körperlichen "Partien" kokettieren und die präsentieren, um "Eindruck" zu machen nach dem Motto "Sieh mal, an mir ist alles dran, wäre ich nicht die passende Frau für dich?". Doch gerade solches "unverhülltes Präsentieren" geht nicht, da gibt es ja eine Blockierung, weil das ja angeblich so unmoralisch ist und unmoralisch möchte frau ja auf keinen Fall sein. Doch irgendwie muss frau ja herausbekommen, wer der Passende ist, also bietet sich hier der Geschlechtsverkehr an, denn der muss ja eines Tages sowieso sein, also kann der doch nichts Unmoralisches sein. Und also passiert der auch! Es ist schon fast lustig, wer hier für manche Menschen alles am heutigen "Sittenverfall" angeblich schuld ist, die Medien, die fehlende Elternliebe, die fehlende Religiosität - doch auf das Nächstliegende kommen gerade diese typischen Moralapostel nicht, dass sie es selbst sind, weil ihre Moralerziehung zwar gut gemeint, doch (nach dem Motto "gut gemeint ist das Gegenteil von gut getan") in Wirklichkeit für echte Moral im höchsten Maße kontraproduktiv ist! Und jetzt komme ich mit der Idee an "Nie negativ, sondern immer nur positiv" - und biete den Spaß an der Nacktheit als Einstieg in Partnerbeziehungen an, statt ihn zu verteufeln, wie das die üblichen moralischen Menschen tun. Das ist nicht nur ungewohnt, das ist geradezu höchst verdächtig: Da kann doch nix Gutes dahinter stecken!

Aber reizt diese "Offenheit" und "Unverklemmtheit", für die ich hier plädiere, denn nicht geradezu auch zum Geschlechtsverkehr, fordert die nicht geradezu dazu heraus? Ich kann hier nur immer wieder darauf hinweisen, dass für Kinder, also "Menschen ohne Erfahrungen", "das alles" nur interessante Hautfalten sind, die zu nichts weiter reizen als zum Angucken. Und für die anderen ist es weitestgehend eine Frage der Einstellung und der Gewohnheit. Es wäre ja schlimm, wenn jeder Frauenarzt bei jedem Anblick eines weiblichen Genitals auch gleich "Anwandlungen" bekäme. Und woran sich ein Frauenarzt gewöhnen kann, daran kann sich nun einmal auch jeder andere Mensch gewöhnen. Und keine Angst vor dem Abstumpfen gegenüber den Reizen des anderen Geschlechts: Wenn eine Erotik nur von den "Körperteilen" ausgeht, dann steckt sie ja doch nur auf dem Niveau der Prostitution - zur echten Liebe zwischen einem Mann und einer Frau gehört nun einmal das Geistig-Seelische unbedingt hinzu! Und das kann durch die Gewöhnung an die Nacktheit nur gewinnen! Ja, was wollen wir denn sonst, als dass nur das Geistig-Seelische gewinnt?

Doch macht man gerade Mädchen, wenn man sie zu solcher Offenheit erzieht, denn nicht auch schamlos-leichtsinnig? Genau das ist es ja: Wie dumm halten die typischen Bedenkenträger die jungen Leute eigentlich? Wenn in den jungen Menschen erst einmal ein Gefühl für eine echte Moral drin ist, dann sind solche Bedenken doch völlig überflüssig. Natürlich kennen die jungen Leute die übliche Moral ihrer Umgebung und werden sie auch bei ihrem Handeln bedenken. Doch ist für sie diese Moral jetzt kein unumstößliches absolutes Dogma einer von wem auch immer uns Menschen oktroyierten Moral mehr, sondern sie können erkennen, was sie wirklich ist: nämlich eine Scheinmoral. Und sie können zwischen der echten und der Scheinmoral jonglieren, wie es passt und es für sie am sinnvollsten ist.

Und wie ging´s mir bei solchen "Stranderlebnissen, was hatte ich selbst dabei für Gefühle? Ich denke, dass hier überhaupt kein "Problem" war, was vermutlich daran lag, dass ich eine Schwester hatte und habe und meine Mutter sich bemüht hatte, dass zumindest in der Kindheit hier keine Probleme waren. Und so lief das alles völlig "unaufgeregt" ab. Schön ist vielleicht, wie ich es eingefädelt hatte: Die beiden Mädchen wussten also, dass ich nicht mit ihrer Familie zum Strand ging, sondern mit dem Fahrrad an einsamere Standabschnitte fuhr. Und da waren auch Gespräche mit den Großeltern über eine sinnvolle "Moralerziehung" gewesen, so wie ich sie sehe. Die Einstellung war also da: "Wenn die Mädchen es wollen, dürfen sie auch mit dir zum Strand fahren!". Ich denke, dass es sinnvoll ist, hier kurz zu beschreiben, wie das dann konkret "anfing". Ich habe die beiden also eines Tages gefragt, ob sie  auch mal mit mir mit den Fahrrädern zum Strand wollten. Also das wollten sie. Und ich: "Ich gehe aber `ohne´" . Die beiden: "Nein, wir aber nicht." Ich darauf: "Dann schäme ich mich aber." Sie nach kurzer Abstimmung untereinander: "Gut, dann machen wir da auch mit." Ich: "Ich habe allerdings noch etwa eine Viertelstunde zu tun, ihr müsst also noch etwas warten." Sie: "O.k.". - Doch nach fünf Minuten quengelten sie schon: "Wann fahren wir denn endlich?" - So sieht es also aus, wenn man Mädchen eine freie Entscheidung lässt .. Und es war dann auch alles absolut harmonisch. Leider habe ich mich allerdings wieder mal etwas falsch verhalten. Jetzt wäre doch genau eine passende Gelegenheit zu Gesprächen gewesen. Denn die Mädchen wären ja offen gewesen zu reden, über die Ambivalenz der Nacktheit, warum ich so gegen die Enge bin, warum diese Verklemmtheitsmoral letztlich doch nicht funktioniert ... Immerhin gibt es noch Kontakt mit dem älteren der beiden Mädchen, ich schicke ihm schon mal meine "Gedanken" oder lasse die an sie weiter geben und schreibe ihr von meinen Vater- oder besser Großvatergefühlen und gebe ihm Tipps für den Umgang mit Jungen. Und ich denke, sie (inzwischen ist sie 21) findet das auch gut. Als wir vor kurzem mit Freunden zusammen saßen, ihre Großeltern waren auch dabei, kam sie kurz in den Raum, um sich zu verabschieden, und stand dabei neben mir, der ich in einem Sessel saß. Chic sah sie aus - und sie drückte kurz und sanft ihre Hand auf meine Schulter, ich denke, niemand sonst hat das bemerkt. Also schien sie meine Ideen gut zu finden.

Und noch etwas ganz allgemein:  Die offizielle Begründung für die " Naturbewegung" (um sie einmal so zu nennen) lautet: "Ohne Nacktheit keine Moral". Dabei gehen die Naturisten davon aus, dass durch die Praxis der Nacktheit, also das Naturerlebnis, die echte Moral sozusagen von alleine kommt. Das ist jedoch wohl völlig blauäugig, jedenfalls gehört – nach dem Engagement für dieses Konzepts hier – noch die geeignete Information dazu. Ja, was wäre, wenn in einer geeigneten Pädagogik der echten Monogamie die noch dazu käme, was doch eigentlich auch plausibel ist? Siehe Hinweis 8 und besonders im Text Punkt 3 zum Thema "Veranlagung".

Übrigens: Wieso FKK ("Freikörperkultur")? Wieso soll das etwas Besonderes sein, und auch noch eine "Kultur"? Das ist doch eigentlich das Natürliche und sollte also das Normalste sein, dass wir, wenn wir mal schwimmen gehen, nichts anhaben, also nackt sind? Und wenn wir Probleme mit der Nacktheit haben, dann kann das doch nur daran liegen, dass wir leibfeindlich sind und dass irgendetwas in uns steckt, dass wir nicht aufgearbeitet haben?


52. "mit einer Erbsünde belastet"

(s. S. 22 unten): Was der Kirchenvater Augustinus hier gemacht hat, ist etwa dasselbe, wie wenn wir in einen alten Volkswagen Käfer, der ja mit Benzin läuft, eine Diesel-Einspritzpumpe aus einem modernen Mercedes einbauen. Wir denken vielleicht, damit den alten Volkswagen wertvoller gemacht zu haben, weil wir ja etwas viel Besseres und Teureres eingebaut haben als das, was da ursprünglich drin war, doch was hier passiert ist, ist eben zumindest völlig unsachlich und unwissenschaftlich, jetzt funktioniert das "System Volkswagen" gar nicht mehr. Doch weil wir diesen alten Volkswagen für so wertvoll halten, weil unsere Urgroßmutter einmal gut damit nach Italien gefahren ist und sich zeitlebens gerne an diese Fahrt erinnerte, erhalten wir ihn und nutzen ihn als Erinnerungsstück an unsere Großmutter, also als Kultobjekt, das jetzt in einer Art Museum herumsteht. Nur eben: Das ist nicht der Sinn eines Autos. Und so geht es eben auch mit der Botschaft Jesu – diesem Jesus ging es um etwas völlig anderes als um das, was wir heute daraus gemacht haben.

Wie wenig auch wir heute uns um die Ursprünge der Adam-und-Eva-Erzählung kümmern, geht aus dem berühmten Kommentar zur Genesis des Theologen Claus Westermann hervor (hier Teilband 1, Genesis 1 - 11, Neukirchen-Vluyn 1974, S. 325). Westermann sagt hier, dass die Adam-und-Eva-Erzählung eindeutig eine Geschichte gegen eine Gegenreligion Israels ist. Doch er vermisst in seinen Untersuchungen ein menschheitliches Phänomen des Bösen bei den Gegenreligionen Israels: "Dass das Böse.. .seinen Urgrund in der Gegenreligion Israels.. .hat, .. .kann in Genesis 3 aber auf keinen Fall gemeint sein, ebenso wie die Sünde des Menschen, die Übertretung. Adam steht in Genesis 2-3 in gar keiner Weise für Israel, Adam repräsentiert die Menschheit... Das Böse bleibt (dabei) in seiner Herkunft absolut rätselhaft". Westermann kann ganz offensichtlich nicht verstehen, wieso die Ausübung einer Religion "böse" sein kann und er sieht auch nicht das menschheitliche Phänomen, um das es im Originalzusammenhang nun wirklich geht. Er kommt gar nicht auf die Idee, hier weiter zu forschen.

Ich frage mich da allerdings: Übersieht Westermann, dass mit der Religion der Nachbarvölker Israels eine bestimmte, sehr konkrete Lebenspraxis verbunden ist, die auch nach dem von Westermann dargelegten Bild vom Menschen in der Bibel zuwiderläuft? Übersieht Westermann, dass diese Lebenspraxis von einer bestimmten Religion eines bestimmten Volkes unabhängig ist, dass diese Lebenspraxis überzeitlich ist? Der Psychologe Ernest Bornemann schreibt in seinem Werk „Das Patriarchat“ (hier Fischer Taschenbuch 3416, S. 264), dass in einer Zeit, in der Fruchtbarkeit und Sexualität gleichgestellt waren, "der Gottesdienst oft zum Geschlechtsverkehr und der Geschlechtsverkehr oft zum Gottesdienst wurde. Es geht also den Verfassern der Bibel gar nicht um einen "Gottesdienst" in unserem heutigen Verständnis, also um einen Gebetsgottesdienst oder um einen Gottesdienst mit einem symbolischen Opfer, sondern mit der Ablehnung dieser "Geschlechtsverkehrgottesverehrung" um eine Front gegen den mit der kultischen Prostitution gegebenen Zusammenbruch der personalsten zwischenmenschlichen Beziehungen?

Wir stehen heute gewiss über den Götzen der Antike, über dem Glauben an Ischtar, an Inanna, an Mylitta, an Astarte, an Aphrodite, an Artemis, an Hepat, dieser ganzen Göttergesellschaft, zu deren Verehrung es die geschilderten Bräuche gab. Aber ob wir heute auch über der dazugehörenden Lebenspraxis stehen? Immerhin konnten sich die Menschen der Antike noch auf gottesdienstliche Notwendigkeiten berufen, aber wir heute? Die sogenannte "Vulgärprostitution" also die öffentliche Selbstdarbietung zum Geschlechtsverkehr gegen Entgelt, geht auch heute nach allgemeiner Meinung nur relativ wenige an. Immerhin soll es allerdings in Deutschland 400 000 Prostituierte (davon etwa die Hälfte registriert) geben - rechnet man die "Kundschaft" und die betroffenen Familien dazu, wird die Zahl schon gewichtiger, was schon schlimm genug ist? Bedeutet das, dass sonst alles "in Ordnung" ist?

Wenn wir bedenken, dass vom prinzipienstrengen Menschenbild der biblischen Urgeschichte alles an Sexualverkehr verurteilt wird, was nicht im Sinn einer immerwährenden Partnerschaft aus Liebe in der Einheit von Leib und Seele ist, müssen wir auch heute den Begriff der Prostitution wohl erweitern. Leider ist es doch gerade heute so, dass vieles dem Sinn der biblischen Partnerschaftsidee geradezu ins Gesicht schlägt!

Ist es etwa im Sinn des biblischen Menschenbildes, wenn Menschen miteinander Geschlechtsverkehr treiben, ohne überhaupt an die Ehe zu denken? Ob das nun in Form einer Vergewaltigung geschieht oder freiwillig, ist für die Beurteilung von biblischer Sicht her ohne Bedeutung. Was ist, wenn junge Menschen "zur Probe" miteinander „verkehren“, oder wenn ein Partner glaubt, durch Bereitschaft zum Geschlechtsverkehr den anderen zur Heirat bewegen zu können? Was ist, wenn sich junge Leute vor der Heirat angeblich die „Hörner abstoßen“ müssen? Was ist mit dem Geschlechtsverkehr, der vollzogen wird, um heute „in“ zu sein, um „mitreden“ zu können, um nicht als rückständig und verklemmt zu gelten? Was ist mit den berühmten „Erfahrungen“, die angeblich jeder machen muss, um zu wissen, dass das spätere Sexualleben auch klappt?


53. Gilgamesch-Epos (s. S. 22 unten): Auch hier wird durch Gebotsübertretung im sexuellen Bereich ein paradiesischer Zustand verloren und ein Schritt ins Gegenwärtige vollzogen. Nachdem das Epos geschildert hat, wie eine Dirne den Urmenschen Enkidu geschlechtlich verführt hat, berichtet es über die Folgen dieses Sündenfalls:

Dann wandte er den Blick nach seinem Tier
Doch nun, als die Gazellen Enkidu erblickten,
flohen sie vor ihm davon.
Das Wild der Steppe wich vor ihm zurück,
und Enkidu erschrak, sein Leib ward starr,
die Knie wankten, und es war nicht wie zuvor,
doch nun hatte Wissen; er begriff.
Umkehrend sank er zu der Dirne Füßen,
erhob zu ihrem Antlitz seine Augen
und hörte auf die Worte, die sie sprach.
Es hob die Dirne an zu Enkidu:
Klug bist du nun, Enkidu, wie ein Gott!

Nicht nur der ungezwungene Umgang mit den Tieren stimmt mit der Paradieserzählung überein, sondern in unserem Zusammenhang stimmt vor allem das Versprechen der Schlange in Genesis 3,5: "Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet sein wie Götter und erkennt Gut und Böse" mit der letzten zitierten Zeile aus dem Gilgameschepos überein "klug bist du nun, Enkidu, wie ein Gott!" Im Unterschied zum Gilgameschepos weist die Bibel, die ja "Gut und Böse" funktional sieht, also im Sinn von "was gut und böse für den Menschen ist", dazu noch mit feiner Ironie auf das Objekt der Erkenntnis hin, eben "Gut und Böse" – etwa in dem Sinn: Jetzt wo du die "Sache" hinter dir hast, weißt du, was eigentlich gut gewesen wäre und was du nun für einen Mist gebaut hast... (Die Zeilen aus dem Gilgameschepos sind zitiert nach Oswald Loretz, Schöpfung und Mythos, Mensch und Welt nach den Anfangskapiteln der Genesis, Stuttgarter Bibelstudien 32, 1968. S. 114) 


54. Albert Schweitzer (S. 26 m): Siehe hierzu (noch besser!) Hinweis 139. Irgendwie ist der Gedankengang, dass Jesus in einer anderen Gesellschaftsschicht war als unsere Theologen, ja auch ohne die Bestätigung durch Albert Schweitzer sehr plausibel. Immerhin habe ich auch noch eine Stelle gefunden, aus der die Quintessenz der Forschungen Albert Schweitzers zumindest im Groben hervorgeht. Er spricht hier vom Stolz der Theologen, und dass sie letztlich doch nicht zum wirklichen Jesus vordringen können (S. 621f):

"Und doch muss das Irrewerden kommen. Wir modernen Theologen sind zu stolz auf unsere Geschichtlichkeit, zu stolz auf unseren geschichtlichen Jesus, zu zuversichtlich in unserem Glauben an das, was unsere Geschichtstheologie der Welt geistig bringen kann. Der Gedanke, daß wir mit geschichtlicher Erkenntnis ein neues lebenskräftiges Christentum aufbauen und geistige Kräfte in der Welt entbinden können, beherrscht uns wie eine fixe Idee und läßt uns nicht einsehen, daß wir damit nur eine der großen religiösen Aufgabe vorgelagerte Kulturaufgabe in Angriff genommen haben und sie, so gut es geht, lösen wollen. Wir meinten, wir müßten unsere Zeit den Umweg über den historischen Jesus, wie wir ihn verstanden, machen lassen, damit sie zum Jesus käme, der in der Gegenwart geistige Kraft ist. Der Umweg ist nun durch die wahre Geschichte versperrt.

Es war Gefahr, daß wir uns zwischen die Menschen und die Evangelien stellten und den Einzelnen nicht mehr mit den Sprüchen Jesu allein ließen.

Es war auch Gefahr, daß wir ihnen einen Jesus boten, der zu klein war, weil wir ihn in Menschenmaß und Menschenpsychologie hineingezwängt hatten. Man lese die Leben-Jesu seit den sechziger Jahren durch und schaue, was sie aus den Imperatorenworten unseres Herrn gemacht haben, wie sie seine gebieterischen, weltverneinenden Forderungen an den Einzelnen heruntergeschraubt haben, damit er nicht wider unsere Kulturideale stritte und mit seiner Weltverneinung in unsere Weltbejahung einginge. Manche der größten Worte findet man in einem Winkel liegend, ein Haufen entladener Sprenggeschosse. Wir ließen Jesus eine andere Sprache mit unserer Zeit reden, als sie ihm über die Lippen kam.

Dabei wurden wir selber kraftlos und nahmen unsern eigenen Gedanken die „Energie, indem wir sie in die Geschichte zurücktrugen und aus der Vorzeit reden ließen. Es ist geradezu ein Verhängnis der modernen Theologie, daß sie alles mit Geschichte vermischt vorträgt und zuletzt noch auf die Virtuosität stolz ist, mit der sie ihre eigenen Gedanken in der Vergangenheit wiederfindet.

Darum bedeutet es etwas, daß sie in der Leben-Jesu-Forschung, mag sie sich noch so lange sträuben und immer neue Auswege suchen, zuletzt durch die wahre Geschichte an der gemachten, auf die sie unsere Religion gründen will, irre werden muß, und von den Tatsachen, die nach W. Wredes schönem Wort selber manchmal am radikalsten sind, überwältigt werden wird.

Was ist uns der geschichtliche Jesus, wenn wir ihn von aller falschen Zurechtlegung der Vergangenheit für die Gegenwart frei halten? Wir haben das unmittelbare Empfinden, daß seine Persönlichkeit, trotz alles Fremdartigen und Rätselhaften, allen Zeiten, so lange die Welt steht, mögen sich die Anschauungen und Erkenntnisse noch so sehr wandeln, etwas Großes zu sagen hat und darum eine weitgehende Bereicherung auch unserer Religion bedeutet. Dieses elementare Gefühl gilt es auf einen klaren Ausdruck zu bringen, damit es sich nicht in dogmatische Behauptungen und Phrasen versteige und die historische Forschung nicht immer aufs neue zu dem aussichtslosen Versuch verleite, Jesum zu modernisieren und das zeitlich Bedingte in seiner Verkündigung abzuschwächen und umzudeuten, als ob er uns dadurch mehr würde.

Die ganze Leben-Jesu-Forschung hat zuletzt nur den einen Zweck, die natürliche und unbefangene Auffassung der ältesten Berichte sicher zu stellen. Um Jesus zu kennen und zu erfassen, braucht es keiner gelehrten Bevormundung. Es ist auch nicht erforderlich, daß der Betreffende die Einzelheiten der öffentlichen Wirksamkeit Jesu begreife und sie sich zu einem »Leben-Jesu« zusammenstellen könne..."


55. Der Mensch ein hochmoralisches Wesen (s. S. 9, 3. Absatz): Uns wird hier von unserer christlichen Religion üblicherweise die Stelle aus dem Buch Genesis (1. Mose) 8,21 eingeredet, wo Gott nach der Sintflutgeschichte sagt: "Ich will die Erde wegen des Menschen nicht noch einmal verfluchen; denn das Trachten des Menschen ist böse von Jugend an..." Dazu zunächst einmal: Wer war denn dabei, als Gott das gesagt hat? Wohl niemand, also wurden Gott diese Worte von einem unbekannten Bibelautor in den Mund gelegt. Diese Aussage Gottes ist also mitnichten ein unumstößliches Dogma, selbst wenn man noch so fromm an die Bibel herangeht. Doch leider hat dieses Dogma bisher viel Unheil angerichtet, denn es wirkte stets als "selbsterfüllende Prophezeiung", das heißt, man hielt das Bösesein des Menschen für naturgegeben und gab sich daher also gar nicht erst Mühe, hier etwas mit vollem Einsatz zu ändern. Die Folge war natürlich, dass der Mensch nur deswegen Fehler machte, weil er nun einmal von vornherein als "böse" galt.

Und nehmen wir einmal an, der Mensch ist wirklich böse von Jugend an. Was sind das denn nun für "böse Sachen", die er tut? Der Grund für die sind doch zumindest zunächst einmal entweder Erziehungsfehler von Eltern, Lehrern und Kirchen oder sie sind gar nicht wirklich böse, sondern eher "kleine Nachlässigkeiten des Lebens". Und wenn er sich später dann etwa in der Sexualmoral oder auch in einer "anderen Moral" vertut, dann lag das doch daran, weil er es nicht besser wusste und zwangsläufig nach dem Verfahren "Versuch und Irrtum" vorging, was dann leider bisweilen schlimme Folgen hatte, unter Umständen dann auch mit wirklich schlimmen Taten. Doch war die Ursache für diese schlimmen Folgen eben nicht, weil er von Natur aus böse ist, sondern weil da unglückliche Umstände waren – und die kann man doch ändern und oft auch sehr leicht.


56. Zwangsverhalten (s. Seite 36 m. u. u.): Dieses Zwangsverhalten ihrer Töchter im Hinblick auf den Geschlechtsverkehr ist wohl der Horror aller Eltern. Die einen Eltern fügen sich nun drein und geben ihren Töchtern, wenn´s so weit ist, dass sie einen Freund haben, "Pillen" und Kondome und die anderen Eltern verdrängen das Problem oder ergreifen alle möglichen mehr oder weniger hilflosen Maßnahmen, indem sie etwa versuchen, ihre Töchter ständig zu überwachen. Ein passendes Beispiel dafür beschreibt der kolumbianische Schriftsteller Gabriel García Márquez in seinem kurzen Roman "Chronik eines angekündigten Todes": Da heiratet also ein junger reicher junge Mann das schönste Mädchen des Städtchens, doch am Abend bringt der Bräutigam die Braut zu ihrer Mutter zurück "weil sie nicht mehr Jungfrau" ist. Und jetzt rätseln alle, wie "das" geschehen konnte, denn das Mädchen war eigentlich ständig von Eltern und Brüdern bewacht, da konnte eigentlich gar nichts "passiert" sein. Das heißt, sie hatte sich den "Entjungferer" möglicherweise selbst gesucht, um aus ihrem goldenen Käfig der Überwachung auszubrechen. Doch lesen Sie einmal selbst den (kurzen) Roman, es ist schon spannend, wie er ausgeht! Die Lehre ist eben, weder mit Moralpredigten noch mit Überwachung kann man ein Mädchen hier beeinflussen – außer eben mit der von mir praktizierten "Atlantiktaufe"! Natürlich funktioniert die auch in jedem anderen Gewässer, Hauptsache, sie macht allen Beteiligten Spaß!


57. "Anstupser" (s. Seite 14 unten): Zur Idee des "Anstupsens" ("Nudging") hat der Amerikaner Richard H. Thaler im Jahr 2017 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten. Siehe ihr Buch "Nudge - Wie man kluge Entscheidungen anstößt" Ullstein-TB 2011/2017. Der Clou der Idee des Nudging ist, dass Menschen nicht gezwungen werden, etwas zu tun, sondern dass man ihnen etwas für sie Vorteilhafteres sagt und sie dazu "anstupst". Ich denke, das habe ich hier ganz brauchbar für die Sexualmoral getan.


58. "geniale Schöpfung eines neuen Glaubens" (s. S. 21 u.): Im Grunde wissen das auch die meisten heutigen Theologen, nur es sprechen nicht alle so deutlich aus, um keinen Ärger zu bekommen. Und die, die es offen ausgesprochen haben, haben ihre Lehrerlaubnis verloren, etwa Gerd Lüdemann, Eugen Drewermann, Uta Ranke-Heinemann. Allerdings: In dem, was sie ablehnen, mögen sie ja Recht haben, doch was sie stattdessen bringen, ist sehr schwach. Keiner von ihnen sieht etwa eine Beziehung "alter Adam – neuer Adam", von einer Frage nach den Hintergründen der Adam-und-Eva-Erzählung ganz zu schweigen. Sie sind eben doch "nur" Studierstubengelehrte und haben dadurch keinen Zugang zu einem Mann aus einer anderen Gesellschaftsschicht. Siehe Hinweis 54.


59. "Was ich nicht will, das will ich nicht!" (s. S. 21 o), aber auch "unverbindliche Testmöglichkeit mit bloßem Hautkontakt" (s. S. 11 o.) oder auch "Testverfahren ohne Eindringen" (s. S. 46 m): Wenn wir einmal davon ausgehen, dass die Natur denken kann, dann hat sie sich gewiss etwas dabei gedacht, dass sie die Vagina zwischen den stärksten Muskeln einer Frau platziert hat, wobei die für den Orgasmus zuständigen Nervenzellen "oben drauf" sind. Das kann doch nur heißen, dass wir schon das eine ohne das andere testen können und gewiss auch sollen! Und im allgemeinen ist das auch durchaus möglich, wenn die Mädchen das nur entschieden genug von den Jungen oder Männern fordern würden. Siehe hierzu auch Hinweis 72! Klar, in Kriegen geht das vermutlich weitestgehend nicht, dass Frauen und Mädchen der Besiegten den Siegern noch irgendwelche Wünsche äußern können, zumal auch die entsprechenden Verständigungsmöglichkeiten zwischen den Frauen und den feindlichen Männern fehlen. Und bei den Frauen zur Zeit Jesu ging das gewiss auch nicht, denn die wurden ja mit der Androhung der Todesstrafe erpresst, von Wünschen der Frauen konnte also sicher keine Rede sein, siehe S. 29 m. Ich denke, aber bei den genannten modernen "missbrauchenden Männern" heute hätte das Angebot des "Testverfahrens ohne Eindringen" durchaus Chancen, dass es akzeptiert würde. Und was ist mit der Gefahr einer Vergewaltigung bei "solchen Spielchen"? Es gibt hierzu eine Untersuchung, welche Mädchen und Frauen eher vergewaltigt werden und welche nicht. Man hat nun herausgefunden, dass weniger die kessen und munteren Mädchen und Frauen hier Probleme haben, sondern eher die braven, die zurückhaltenden. Es sieht so aus, als ob die kessen und munteren so etwas wie eine unsichtbare aber umso wirkungsvollere Aura um sich haben, dass sich also ein möglicher Vergewaltiger an diese "weiblichen Wesen" gar nicht erst herantraut. Im Visier von möglichen Vergewaltigern sind also eher die braven und zurückhaltenden "weiblichen Wesen". Und was heißt das für mich als Pädagoge? Alle Mädchen und Frauen kess und munter zu machen!


Es geht hier um die Liebesbeziehung des Germanenfürsten Hermann (oder auch Arminius) mit seiner Frau Thusnelda aus einem der fünf Comic-Bände "Die Adler Roms" von Enrico Marini. Der Germane Hermann und der Römer Marcus waren einmal Freunde. In der Varusschlacht stehen sie sich feindlich gegenüber. Auch ihre Frauen Thusmelda und Priscilla werden hineingezogen. Doch zum Bild: Mit einem harmonischen Hautkontakt hat der Sex hier wohl nichts zu tun und ein "Fest" ist er gewiss auch nicht – und sollte er das denn nicht sein? In der rauhen Situation damals, in der Thusnelda ihren Mann beim Kampf gegen die Römer moralisch unterstützen wollte, kann man ja manches verstehen, aber damit hat es sich auch ... Und ich bitte zu bedenken, auch hier gilt: "Wie man sich bettet, so liegt man."  Ob es sich also nicht lohnt, "vorher" genauer nachzudenken, sich richtig zu "betten", denn das Leben ist lang? Die Harmonie des Hautkontakts mit echtem und nicht nur vorgespieltem Orgasmus ist da vielleicht ein besserer Maßstab? (nach einem Beitrag in der WELT vom 1.12.2020, doch nur das Bild, nicht mein Kommentar ...)

Ja, warum werde ich hier überhaupt konkret, warum nicht nur Warnungen, wie mir bisweilen empfohlen wird? Zunächst weil mir diese ewigen Warnungen zuwider sind, ich kann sie einfach nicht mehr hören. Und sie helfen ja doch nichts! Durch die wird doch gerade das, wovor gewarnt wird, interessant und irgendwann auch faszinierend. Bei einem Vortrag über vernünftige Werbung hörte ich vom Grundprinzip einer guten Werbung: Nie negativ, immer nur positiv! Und Warnungen heißen nun, dass man etwas nicht tun soll, sie sind also etwas Negatives. Und wenn ich den jungen Leuten empfehle, was sie stattdessen tun sollen, also Spaß an der Nacktheit oder schließlich auch am Hautkontakt zu haben, so weise ich auf etwas Positives hin, also auf etwas, was sie tun können. Und ich denke, das hat dann auch eine Chance, dass die jungen Leute da mitmachen.


60. "nur zu gerne wieder den üblichen Geschäftsmodellreligionen angepasst" (s. S. 1 m): Es ist schon merkwürdig: Im alten Ägypten zur Pharaonenzeit wurden die Frauen beschnitten, angeblich weil sie sonst nicht treu sein können. Recht bald nach der Zeit Jesu wurden die Ägypter christlich, doch die Frauen wurden weiter beschnitten. Und irgendwann wurden die Ägyptern moslemisch – und die Frauen (und Mädchen) wurden immer noch weiter beschnitten. Oder: In Israel zur Zeit Jesu wurden Ehebrecherinnen gesteinigt – und in manchen arabischen Ländern, die ja "in der Gegend des alten Israel" liegen, werden hin und wieder immer noch "Ehebrecherinnen" gesteinigt. Es sieht also so aus, dass Religionen in einer bestimmten Gegend kommen und gehen, doch ihre Beeinflussungen sind wie Tünche, also rein äußerlich, die Grundeinstellungen der Menschen, hier etwa die Frauen- und die Leibfeindlichkeit, bleiben immer dieselben. Dabei wäre eine Beeinflussung dieser Grundeinstellungen, also des Inneren der Menschen, doch gerade das Besondere. Und darum geht es also hier!


61. "wichtiger ... als alle Glaubenswahrheiten" (bzw. in manchen Heften noch "Dogmen", s. S. 2 m): Ja, was ist eigentlich christlich? Sind es die eigentlich "unglaublichen Glaubenswahrheiten", die bisweilen eine regelrechte Vergewaltigung unseres Gehirns sind, weil wir also etwas glauben sollen, was schlechterdings unmöglich ist? Theologen haben dafür längst die Worte "sacrificia intellectus", also "Opfer des Verstandes", gefunden, die auch von vielen von ihnen immer mehr als problematisch empfunden werden. Und schließlich kann man auch vieles sagen bzw. daher plappern. Daher gebe ich hier als Kennzeichen einer christlichen Einstellung der "echten Monogamie" den Vorzug, wie sie nur mit Information ("Geist" oder gar "heiligem Geist"!), Freiheit, Ehrlichkeit und Offenheit zu erreichen ist. Da können wir auch die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört, leicht beantworten. Er gehört nämlich nicht zu Deutschland, denn zumindest eine Erziehung junger Mennschen mit Information, Freiheit, Ehrlichkeit und Offenheit ist im Islam undenkbar. Siehe auch S. 44f unter Punkt 8 "Weitere Erfahrungen".


62. "abhängig von ihrer entsprechenden Informiertheit" (s. S. 1 m): Ein gutes Beispiel ist hier das Problem der Erkrankung an Magengeschwüren. Bis vor wenigen Jahren galt das Magengeschwür als Paradebeispiel einer psychosomatischen Erkrankung. Heute weiß man, dass die Entstehung eines Geschwürs auf dem Zusammenspiel vielfältiger Mechanismen beruht, die die Schutzfunktion der Magenschleimhaut stark vermindern. Doch letztlich sind für die Krankheit bestimmte Stämme des Bakteriums Helicobacter pylori verantwortlich. Und so ein ähnliches Problem haben wir auch hier, ob ein junger Mensch die echte Monogamie leben möchte oder nicht. Natürlich kann durch ein liebevolle Erziehung, durch Umgang mit ebenso wohlerzogenen und idealistischen anderen jungen Menschen und durch glückliche Umstände eine echte Monogamie auch ohne entsprechende Informiertheit gelingen. Doch wer kann schon solche guten Bedingungen garantieren? Daher wird hier die geeignete Information in den Vordergrund gestellt, die natürlich auch für die Mädchen so überzeugend rüber kommen muss, damit sie auch wirklich „sitzt“. Natürlich, letztlich sind es dann doch wieder Männer und es hängt nun davon ab, ob sie echte Männer sind oder  Machismo-Männer, ob sie also diese geeignete Information an Mädchen weiter geben oder auch nicht.

Hin und wieder wird mir auch vorgeworfen, dass ich unrecht hätte, dass es bei der Durchsetzung der echten Monogamie so sehr auf die Mädchen ankommt, entscheidend seien vielmehr die Jungen, ob die Verantwortungsgefühl, Zurückhaltung und Ritterlichkeit "in sich" hätten. Also müsse man die Jungen zu diesen Eigenschaften erziehen. Hierzu gibt es einen ganz einfachen mathematischen Gedankengang: Angenommen 95 % aller Jungen wären in diesem Sinn perfekt erzogen, doch 5 % nicht, und es ist gewiss realistisch, dass man nun einmal selbst mit der besten Erziehung letztlich doch nicht alle "erwischt". Und wenn die Mädchen nun nicht das Ziel der echten Monogamie in sich haben, dann halten sie die perfekt erzogenen Jungen alle entweder für liebe Brüder oder auch für langweilige Milchbubis und laufen den 5 % "Nicht-perfekt-Erzogenen" hinterher. Und so kommt es dann doch wieder zu dem "nichtmonogamen Durcheinander". Erzieht man dagegen die Mädchen mit der geeigneten Informiertheit, dann werden sie die Jungen im Sinn der echten Monogamie beeinflussen, weil die ja an die Mädchen "ran kommen" wollen und eben anders nicht an sie "ran kommen".


63. "Und er identifizierte diese Geschichte eindeutig als eine Bestrafungsgeschichte aus der Halbwelt.": Wie das so ist, man unterhält sich nun einmal manchmal auch mit Nachbarn über Gott und die Welt. Und so erzählte mir einer der Nachbarn, ein Bauer, dass er seinen "Abbau" etwa 1,5 km abseits vom Dorf inmitten seiner Felder zu Wohnungen umgebaut hätte. Eines Tages meldete sich ein Interessent, und als er den Preis von 700 DM (damals noch) gehört hatte, bot er ihm gleich das Doppelte. Na klar, hatte er den als Mieter genommen. Und schnell bekam er auch das "Geschäftsmodell" dieses Mieters heraus, also Rotlichtgewerbe und auch Drogen und alles so was. Und da mein Nachbar auch Metzger war und seine Frau einen Imbiss betrieb, lieferten die beiden hin und wieder für die "Feste" dieses Mieters Kaltes-Büfett-Platten. Dabei bekamen sie mit, wer da so alles an Gästen da war, also auch Kriminalisten und natürlich auch die "Mädchen" des Mieters. Und die verschwanden hin und wieder mit diesen Herren in anderen Räumen ... Und ich dazu: Ach so läuft das also, Bestechung der "Bullen" mit umsonstenem Geschlechtsverkehr, damit die bei der Strafverfolgung nicht so genau hinsehen? Daher könnte auch hier in der Gegend keines der Mädchen zur Polizei gehen und das melden, doch was ist, wenn eins von ihnen das mal woanders macht? Ach ja, kann es nicht sein, dass diese "Sünderin" in der Bibel vielleicht auch "so etwas" breit trat und dafür bestraft wurde? Und er darauf: "Mischael, deswegen erzähl´ ich dir dat doch, dat is doch immer datselve..." Klar, nachdem ich in den Vorlesungen von Pater Lay gehört hatte, dass es sich bei der Sünderingeschichte nach Joh. 8 nicht um eine Vergebungsgeschichte handelte, war ich sozusagen vorbereitet und auch offen für diese "Lösung" der Sünderingeschichte, siehe vor allem Hinweis 65 .... Und nun wieder zu diesem Mieter: Etwas später bekam mein Nachbar mit, dass der wegen diverser Straftaten gesucht wurde, doch er bekam das so mit, dass er erst einmal von seinem eine noch ausstehende Miete einfordern und dann auch den Mieter warnen konnte. Und der verschwand auch, wurde allerdings bei einem entfernteren Grenzzollamt gefasst wegen Zuhälterei, Drogendelikten und Menschenhandel, so weit reichten also dessen Beziehungen zur Polizei nicht .... (Anmerkung für mögliche Fahnder: Ich denke, diese Fälle sind längst verjährt! Im Übrigen: In der FAZ vom 27. 2. 1998, S. 14, gab es einen kurzen Bericht über einen etwas anderen Fall im südlichen Sauerland, doch auch hier wurden Polizeibeamte mit kostenlosem Beischlaf belohnt, die Aktionen der Polizei verraten hatten ...) Siehe auch Hinweis 88.

Und warum ich gerade von einem Bauern, also von einem "Mann aus dem Volke", und nicht von einem Theologen oder von sonst einem Geisteswissenschaftler den heißen Tipp bekam, mit was der wirkliche Jesus zu tun hatte, siehe unter Hinweis 139!


64. "besser als die übliche Zielsetzung `Scham und Moral´" : Hierzu eine Scherzfrage: "Was haben ein Bikini (oder eine Badehose) und ein Navi gemeinsam?" Ganz einfach: "Man verliert die Orientierung, beim Bikini in der (Sexual-)Moral und beim Navi im Straßengewirr, weil man sich auf diese `künstlichen Hilfsmittel´ verlässt, statt zu lernen, sich an der Realität zu orientieren." Natürlich, diese Orientierung, hier etwa an Landkarten und Straßenplänen und dort etwa an Indizien für die Menschenkenntnis und für den Umgang mit anderen Menschen, kann man kaum oder nur selten von alleine, doch man kann das alles lernen – und man lernt auch gerne. Doch es muss eben auch Menschen geben, die einem das beibringen. Und dann funktioniert die Orientierung "ohne Bikini und ohne Navi" schließlich weit besser als "mit", vor allem weil man eine Selbstsicherheit bekommt, durch die man schließlich gerade in der Sexualmoral auch eine ganz besondere Ausstrahlung hat.


65. "gegen die Heuchler, gegen die Sünde, für die Liebe" (s. S. 27 ziemlich unten, diesen Hinweis habe ich allerdings auch in "die Jesusideologie", allerdings etwas geändert, eingebaut): Gerade in den Gesellschaften, in denen die Prostitution verboten ist, gibt es sie ja doch, so etwas wie die Prostitution hat immer auch
etwas mit einer inneren Einstellung von Menschen zu tun, und die kann man nicht so einfach per Gesetz regeln. Doch weil die Prostitution nun einmal gerade in solchen Gesellschaften für Frauen so (lebens-)gefährlich ist, brauchen sie "Beschützer", also Zuhälter. Und die passen sozusagen die harten Gesetze "realitätsnah-menschlich" an, indem sie dafür sorgen, dass die Gesetzeshüter nicht so genau hinschauen und also ihre "Schützlinge" in Ruhe lassen – indem sie die etwa mit Geld bestechen. Doch das hat natürlich für die Frauen seinen Preis, indem etwa diese "Beschützer" etwas von dem Geld abbekommen, was die Frauen durch ihren "Beruf" verdienen. Je nachdem müssen die Frauen auch für "umsonstenen Beischlaf" für die dafür Empfänglichen unter den "Gesetzeshütern" zu Verfügung stehen (wie das heute also bisweilen auch läuft, siehe unter Hinweis 63), wie natürlich auch für die Zuhälter selbst. Und wenn eine Frau hier mal "zickig" sein sollte und nicht machte, was und wie die Männer es wollten, dann wurde ihr eben schon mal gezeigt, was passiert, wenn der "Schutz" nicht mehr funktioniert, auch zur Warnung für die anderen Frauen. So stellte man damals also etwa einer Frau eine Falle und richtete es so ein, dass sie "auf frischer Tat" ertappt wurde, wie es das damalige Gesetz vorschrieb, damit sie also vor den "Kadi" kam und ihre "Zickigkeit" mit dem Leben bezahlte. Ob die Gesetzeshüter nun wussten oder zumindest ahnten, was hier lief, ist letztlich gleichgültig. Niemand traute sich jedenfalls, diesen Sumpf aufzudecken, schließlich war das ja auch für die "Aufdecker" gefährlich, hier ging es nun einmal auch um Leben und Tod (siehe Hinweis 34), und wie sollte diese "Aufdeckerei" auch geschehen? Hier war ja sozusagen ein – wenn auch vermutlich unausgesprochenes – Komplott von Kriminellen und Wegschauern am Werk, das auf teuflische Weise zusammen hielt. Offensichtlich war nun dieser Jesus mal der Mutige und prangerte die Zustände in öffentlichen Reden an, was dann für die Menschen seiner Zeit so interessant war, dass sie zu diesen Reden ihm sogar schon mal in die Wüste folgten. (Diese Reden wurden später dann entschärft, indem etwa die Verfasser der Evangelien "Predigten" aus ihnen machten mit dem Tenor "gegen die Heuchler, gegen die Sünde und für die Liebe" und die Details, deren Aufdeckung so gefährlich war, schlicht und einfach wegließen nach dem Motto: "Solche unappetitlichen Details sind ja auch nicht so wichtig".) Doch ließen sich weder die Zuhälter noch die Gesetzeshüter diese sehr konkreten und ausgesprochen aufwieglerischen Reden gefallen und so sorgten sie schließlich dafür, dass dieser "Störenfried Jesus" bei Gelegenheit auf eine "in dieser Branche" sowieso "übliche Weise" beiseite geschafft wurde – diesmal allerdings noch mit der Steigerung einer Kreuzigung, damit sich in alle Zukunft niemand mehr so leicht trauen würde, solche "Aufdeckerei" noch einmal anzufangen.

Ich möchte hier noch einmal auf dieses Gemälde von Lucas Cranach auf S. 35 kommen – und hier auf die beiden Männer, die rechts im Bild stehen. Es ist nicht klar, was das für Männer sind. Könnte es nicht sein, dass Cranach mit diesen Männern, die ja eigentlich sehr bürgerlich-seriös bis hochgeistig aussehen, genau diese typischen "braven wohlanständigen Bürger" gemeint hat, die lieber wegschauen und die also von den genaueren Zusammenhängen von dem, was hier passiert, keine Ahnung haben und die auch gar keine Ahnung haben wollen? Und ohne deren Uninteressiertheit und Weltfremdheit dem wirklichen Leben gegenüber (und auch Frauenfeindlichkeit) dieses ausgesprochen kriminelle Verhalten der Ankläger auch gar nicht funktionieren würde?

Ich sollte hier auch einmal darauf kommen, für wen die Zuhälter zur Zeit Jesu die Prostituierten brauchten - und das waren durchaus mehr Frauen, als von der normalen jüdischen Bevölkerung "gebraucht" wurden. Das Problem damals war ja, dass Palästina römisches Besatzungsgebiet war, also waren dort gewiss einige tausend, wenn nicht sogar viele tausend, römische Soldaten stationiert, darunter Gallier, Germanen und Thraker (so jedenfalls unter Herodes d. Gr.). Diese Soldaten durften nun bis zu ihrem 35. (?) Lebensjahr nicht heiraten, brauchten also Prostituierte. Und die wurden nun aus dem jeweiligen besetzten Land beschafft, eben mit Zuhältern auch aus dem jeweiligen Land. Wie das so zumindest sehr oft funktionierte, wissen wir aus der Susanna-Erzählung. Da nun solche Details nicht allgemein bekannt waren (wegen der üblichen Tabuisierung von allem, was mit Sexualität zusammen hängt, wird über Details nicht geredet, wir kennen das ja auch heute noch), konnte man alles den Römern in die Schuhe schieben. Ganz offensichtlich waren die ja auch der Grund für die "Unmoral". Ich denke, auch von daher kam die Unbeliebtheit der Römer - zumindest zu einem sehr großen Teil, weswegen man sie loswerden wollte.

Jesus muss sich hier von der übrigen Bevölkerung unterschieden haben, er sah die Ursache der "Sünden" des Volkes nicht bei den Römern, sondern bei den eigenen Leuten. Anders als viele, auch Maccoby und Reza Aslan, kann ich also kein auffälliges Engagement Jesu erkennen, die Römer loszuwerden, die Gegner Jesu waren vielmehr bestimmte Kreise aus dem eigenen Volk.

Und es waren nicht nur die römischen Soldaten, die Prostituierte "brauchten", und die damaligen Bewohner Palästinas! Wir wissen, Jerusalem war auch ein bedeutender Wallfahrtsort, zu dem die Pilger von überall her strömten, nicht umsonst gab es jede Menge Geldwechsler. Und, wie es so oft ist, fährt man zu solchen Wallfahrtsorten nicht nur zum beten. Es wird also nicht nur bei einem moderneren religiösen Ereignis wie dem Konzil von Konstanz (1414 - 1418) so gewesen sein, dass viele Prostituierte (auch aus allen möglichen Ländern) die "Gäste" "bedienten", es wird auch in Jerusalem zur Zeit Jesu so gewesen sein.

Das heißt, es gab viele Prostituierte, und wo es die gibt, gibt es nicht nur Zuhälter, sondern auch eine Halbweltmafia. Und mit der hatte sich Jesus nun angelegt.


66. Fehlervermeidung (s. S. 38 m): Der Priester betet in der Wandlung der katholischen Messe immer, dass die geschieht "zur Vergebung der Sünden". Das heißt also, dass davon ausgegangen wird, dass "Sünden" (oder auch Fehler) erst einmal gemacht werden. Einmal ganz davon abgesehen, ob das "Urabendmahl" überhaupt stattgefunden hat: Wenn uns dieser Jesus hier nicht mehr gebracht hätte also solche "Vergebung", dann wäre unsere Religion nicht besser als alle anderen Religionen, denen es doch auch nur um diese Fehlervergebung ging. Nein und abermals nein! Diesem Handwerker und Geschäftsmann Jesus ging es um die "Vermeidung"! Alles andere ist doch die pure Dekadenz seines Anliegens!


67. Forschungen über den "historischen oder auch wirklichen Jesus" (s. S. 50 o): Seit Mitte des 18. Jahrhunderts (Hermann Samuel Reimarus, 1694-1768 und David Friedrich Strauß, 1808 - 74) existiert eine Forschung über den historischen oder auch geschichtlichen Jesus, also den Jesus, der wirklich einmal existiert hat. Denn zu offensichtlich war seit Langem, dass der Jesus, von dem das Neue Testament berichtet, so nicht gewesen sein kann. Die wundersamen Geschichten des Neuen Testaments sind nicht nur unglaubwürdig, sondern sie werden genauso oder so ähnlich auch von irgendwelchen Göttern oder Göttersöhnen in anderen Religionen berichtet. Das alles sieht sehr verdächtig nach Plagiat oder eben auch als Synkretismus (also "Glaubensmischmasch") aus. Mehr dazu etwa unter dem Google-Stichwort "Historischer Jesus".

Ich denke, die Frage nach dem wirklichen Jesus ist keinesfalls unwichtig. Denn was ist, wenn wir einem falschen Jesus, also einem Phantom "hinterherlaufen", das nur eine mehr oder weniger leere Hülle ist, und dadurch auch am wirklichen Jesus "vorbeilaufen", der wirklich etwas bringen würde? Ich weiß hier nicht, wie andere denken, doch für mich wäre das unerträglich. Und es ist nun einmal so, dass der traditionelle Jesus, also der Jesus, den wir so kennen, weitestgehend abgewirtschaftet hat. Rechnen wir doch nur einmal nach, wie viele Einwohner eine Stadt hat und wie viele davon mehr oder wenig regelmäßig die Gottesdienste besuchen. Oder vor allem. Wie viele junge Menschen halten sich denn an die Ehemoral der Kirchen? Macht da nicht jeder das, was ihm beliebt? Und ist das dann wirklich so gut, sind die Menschen wirklich glücklich damit? Ich denke nun, dass wir wirklich einen anderen Jesus brauchen - und einen, der auch nach bestem Wissen und Gewissen plausibel ist. Und ich denke, den gibt es - und ich bin auch auf den gestoßen. Also kümmere ich mich um den!

Ein bedeutender Vertreter der modernen aufgeklärten Jesusforschung war der evangelische Theologe Rudolf Bultmann (1884 - 1976), der besonders bekannt ist für seine Idee der "Entmythologisierung". Damit ist gemeint, dass vor allem das Alte Testament in einer Welt entstanden ist, in der man nicht in unserem heutigen Sinn wissenschaftlich, sondern mythologisch dachte, sich also vieles als Wirken von Geistern und Göttern erklärte. Entmythologisierung bedeutet nun, dass wir dieses damalige Denken in Mythologien in unser heutiges wissenschaftliches Denken übersetzen müssen, um zu verstehen, was "die damals" "wollten". Damit hängt nun auch zusammen, dass es etwa den Verfassern des Neuen Testaments nicht darum ging, die Wirklichkeit des Lebens und Wirkens Jesu darzustellen, sondern dass sie Glauben "erzeugen" wollten, abgestimmt auf das damalige (mythologische) Denken. Daher haben sie von solchen für uns heute im Grunde unverständlichen Geschichten wie Jungfrauengeburt, Wundern und Auferstehung geschrieben, die Menschen brauchten damals einfach so etwas, meinten zumindest die Bibelautoren. Bultmann nannte den Jesus, der dabei herausgekommen ist, den "Jesus der Verkündigung" oder auch den "Jesus des Kerygmas" ("Kerygma" = "Verkündigung" oder auch "Propaganda"). Theologen bezeichnen in auch als "Christus". Dagegen nannte er den wirklichen Jesus den "historischen <oder geschichtlichen> Jesus", oder kurz "Jesus". Das Problem ist nun, dass dieser historische Jesus nicht bekannt ist, sondern nur der "Jesus des Kerygmas", dass wir in unserer heutigen Verkündigung also nur einen Jesus verkündigen können, den es im Grunde so gar nicht gab. Eine sehr schwieriges Thema: Sind wir also bei unserer Verkündigung zur Lüge verdammt? Immerhin konnte man wenigstens einige Begebenheiten des Neuen Testaments dem "historischen Jesus" zuordnen. Doch bleibt dieser Jesus damit eher "farblos", wie Papst Benedikt XVI in seinem Jesusbuch schreibt, also bleibt auch er lieber beim Jesus des Kerygmas und versucht zu belegen, dass dieser Jesus doch geschichtlich ist. Auch Rudolf Bultmann soll auf seinem Sterbebett seine Theorien widerrufen haben, dass unsere Kirchen einen Jesus verkündigen, den es so nie gab.

Mir hat nun diese Diskussion um den "Jesus oder auch Christus des Kerygmas" und den "historischen Jesus" keine Ruhe gelassen, und so denke ich, dass ich offen war für einen geschichtlichen Jesus, dessen Anliegen das Mann-Frau-Problem war und der hier auf eklatante Missstände gestoßen war und ein Konzept vorstellte, wie diese Missstände zu seiner Zeit überwunden werden könnten. Farblos ist dieser Jesus jedenfalls nun wirklich nicht. Warum nicht auch Rudolf Bultmann, Albert Schweitzer (s. Hinweise 54 und 139) und Papst Benedikt auf diesen Jesus gekommen sind, könnte sich schlicht und ergreifend dadurch erklären, dass sie eben letztlich doch "Studierstubengelehrte" sind (s. Hinweis 35).

Anmerkung: Inzwischen (Februar 2021) habe ich den Text "Es ist alles ganz anders ..." geschrieben - und in diesem Text habe ich von weiteren Erkenntnissen berichtet. Ich möchte mir nun die Arbeit sparen und alles überarbeiten und verweise auf die neueren Hinweise zu dem Thema, etwa auf den Hinweis 133 und vor allem auf den Text "Es ist alles ganz anders ..." selbst. Im Übrigen: In der (evangelischen) Forschung wird zwischen dem geschichtlichen und dem historischen Jesus unterschieden. Soweit ich mich an meine Vorlesungen erinnere, hat der (katholische) Professor diese Unterscheidung nicht gemacht, für ihn war der Begriff "historisch" die Übersetzung des Wortes "geschichtlich". Auch ich mache die Unterscheidung hier nicht, zumal diese Unterscheidung nach Paulusideologie und Jesusideologie sozusagen überflüssig ist. Denn bei der Paulusideologie geht es um den sehr fragwürdigen Christus des Neuen Testaments oder auch den Phantasiechristus des Kerygmas, und bei dem historischen oder geschichtlichen Jesus geht es um den Jesus, der aller Wahrscheinlichkeit nach wirklich existiert hat.

68. "Religionshistorische Methode" (s. S. 50 o): Deutsche protestantische Theologieprofessoren kamen in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts auf diese Theorie. Sie besagt, dass sich im Buch Genesis der Bibel wichtige Revolutionen der Menschlichkeit im Mittelmeerraum etwa 2000 - 1000 v. Chr. widerspiegeln, in der Bibel gibt es hierzu nun Geschichten von konkreten Menschen. So wurden die Menschenopfer (zumeist wurde der erste Sohn geopfert) durch Tieropfer ersetzt. In der Bibel finden wir dazu die Geschichte, wie Abraham seinen Sohn Isaak opfern will (oder wohl eher auf Geheiß von Götzenpriestern opfern muss) und das Sohnesopfer aber durch ein Tieropfer ersetzt. Wir kennen die Geschichte. Sie war sozusagen eine Revolte gegen den bis dahin gültigen Götzenglauben hin zu einem menschlichen Gott. S. auch Hinweis 137.
In diesem Sinn sehe ich auch die Adam-und-Eva-Erzählung (s. ab S. 22 u und Hinweis 31): Die im Götzenglauben übliche kultische Prostitution wird als "Dienst am Teufel" verurteilt und durch die einmalige Liebe und Partnerschaft von einem Mann und einer Frau, die ein neuer Gott will, ersetzt. Allerdings geschieht diese Veränderung nicht so leicht und so schnell, der historische Jesus hatte damit zu tun, weil das Problem zu seiner Zeit noch nicht zufriedenstellend gelöst war, und auch wir heute noch haben auch noch damit zu tun, wir kennen die Probleme.


69. "Der Name Eva" von Jan Heller" (s. Seite 23 m): Ich schicke Interessierten gerne eine Kopie dieser Arbeit zu!


70. Monogamie als Naturveranlagung des Menschen (S. 1 o): Die Wiener Psychologin Prof. Gerti Senger ist der Auffassung, dass der Mensch von Natur aus nicht monogam ist und dass die Monogamie eine Kulturleistung ist. Hier wird nun davon ausgegangen, dass es genau umgekehrt ist, dass also der Mensch von Natur aus eigentlich monogam ist. Zwangsläufig sieht nun, je nach der Grundannahme, was der Mensch ist, auch eine Pädagogik völlig unterschiedlich aus! Gehe ich von der These aus, dass der Mensch nicht monogam ist, werde ich Kinder zwangsläufig leibfeindlich erziehen müssen, wenn sie gleich oder später einmal monogam sein sollen, weil ja alles, was mit dem Körper zu tun hat, zur Übertretung des "Monogamiegebots" reizt. Und ich werde auch tunlichst Gespräche über das Thema Sexualität vermeiden, gerade auch gegenüber Kindern. Ist dagegen meine Grundannahme, dass der Mensch von Natur aus monogam ist, dann brauche ich in meiner Pädagogik überhaupt nicht leibfeindlich zu sein und kann auch über alles reden, was der Monogamie dient und was ihr nicht dient, ich weiß ja, er saugt geradezu alles begierig auf, was er für das Gelingen seiner Monogamie braucht. Dabei gibt es auch überhaupt keine Probleme mehr, den jungen Menschen die richtigen Tipps zu geben, wie sie es in ihrem Leben mit der Monogamie richtig machen können. In diesem Sinn ist also mein Engagement!


71. Nacktheit ist doch ekelhaft! (S. 19 o): Für Eltern, die ihre Töchter zur echten Monogamie erziehen wollen, sollte eine solche Einstellung ihrer Töchter ein Warnhinweis sein. Denn was vor der Pubertät mit Ekel und Scham befrachtet ist, wird in der Pubertät und gerade auch in der ersten Verliebtheit gerade interessant und faszinierend. Und wenn es für den Spaß an einer harmlosen Nacktheit eine Blockade gibt, dann heißt das, das die Aussicht auf Geschlechtsverkehr interessant und faszinierend wird und die Umsetzung in die Praxis geradezu gesucht wird.


72. Nervenzellen in der Scheide und Orgasmus (S. 10 ziemlich unten): Ich sehe mich hier als Mann als neutralen Dritten, denn es gibt hier sehr emotionsgelade Ansichten und wohl auch Erfahrungen der Frauen. Ein sehr plausibles Argument für die These, dass in der Scheide keine Nervenzellen sind, zumindest keine, die einen besonderen Einfluss auf den Orgasmus haben, ist die Verwendung von Tampons. Denn wenn in der Scheide Nervenzellen wären, wäre solche Verwendung unmöglich oder zumindest schlecht möglich, weil die immer als Fremdkörper empfunden würden.

Doch vielleicht ist das eine bessere und überzeugendere Begründung, auf das Eindringen (die "Penetration") zu verzichten bzw. es zu verweigern: Es gibt Situationen der Verliebtheit, da fühlt man sich "wahn-sinnig" zu einem Menschen hingezogen, der ganze Körper brennt einfach, steht in lodernden Flammen... Man (oder auch frau) ist völlig wehrlos und ist zu allem bereit, was der andere will. Gut, für ein Mädchen (oder eine Frau) steht auch die "Muschi" in Flammen Doch jetzt bitte einmal nachdenken über das "Innendrin"! Da steht nämlich gar nichts in Flammen, da ist alles ruhig. Warum also nicht nur das "löschen", was in Flammen steht - und das unangetastet lassen, wo ja gar nichts ist? Und darüber kann man ja auch mit dem Partner reden, dass er "das" doch bitte in Ruhe lassen möge, wenn es zu dem ersehnten "Hautkontakt" kommt. Ich denke, ein wirklich guter Mensch wird hier auch volles Verständnis haben und sich an die Abmachungen halten - zumal "er" bei dem "Hautkontakt" doch auch zu seiner "Entspannung" kommen wird ... Und wenn "er" dabei unten ist, wird davon auch nichts auf "sie" "fallen", also keine Probleme, und "ihn" trifft ja nur etwas, was "von ihm" stammt ....


73. "Brisante Enthaltsamkeit zu zweit, zu dritt, zu viert ..." (S. 42 ziemlich oben): Ich weiß, ein heikles Thema wegen möglicher Vergewaltigungen. Daher sollte sich jemand auf so etwas nur zusammen mit Menschen einlassen, mit denen man wirklich vernünftig miteinander reden kann - und nie unter Alkoholeinfluss. Es ist für mich sehr schwierig, hier gute Ratschläge zu geben, denn gerade Spontanentscheidungen haben ja auch ihren besonderen Reiz. Und ich denke doch, dass viele Menschen hier auch wieder sehr ehrlich sind und schon sagen, was sie wirklich wollen.


74. Leibfeindlichkeit (Seite 4 oben): Wenn diese Gleichgültigkeit bis hin zur Verachtung gegenüber einem solchen Wert wie der Jung­fern­schaft nicht eine Leibfeindlichkeit par excel­lence ist! Denn offens­ichtlich können die jun­gen Damen (wie auch alle jun­gen Leute über­haupt) mit ih­rem „Leib“ und dabei eben mit ihrer Sexualität nichts anderes anfangen als „Sex“ – egal was dabei herauskommt!

75. Rousseau (Seiten 5 - 30):  Interessant ist ja hier, dass Rousseau fünf Kinder hatte, die er allerdings nicht selbst erziehen konnte, sondern die im Findelhaus untergebracht wurden. Theorie und Praxis klafften also bei Rousseau sehr weit auseinander!
Doch mehr zu Rousseau:

Ich habe schon bei meiner Erwähnung des Anliegens von Rousseau darauf hingewie­sen, dass die Autoren der Urgeschichte der Bibel auch wie er zum Ursprung zurück­kehren wollten, jeder eben aus der Sicht seiner Kultur. Und der Geschlechtverkehr des Urmenschen mit einer Prostituierten ist ja nicht nur typischer “nichtmo­no­ga­mer Sex", sondern auch ein Akt zwischen der Unschuld des Naturmen­schen und der Verdorbenheit des Zivilisationsmen­schen. Im Prinzip haben – so wie ich es erkennen kann – die Urgeschichte der Bibel und Rousseau hier unterschiedliche Ansichten: Die Bibel hält den Men­schen von seinem Ursprung her für nackt und monogam, für Rousseau ist der Mensch von seinem Ursprung her eher polygam, dabei interessiert ihn die Klei­dung überhaupt nicht. Die Bibel ist, immer soweit ich erkennen kann, hier also aufgeklärter, im Gegensatz zu Rousseau, der üblicherweise als einer der Väter der Aufklärung gesehen wird. Und das ist wohl auch der Haken an dem hier vorgestellten Konzept, dass sich nämlich hinter der Bibel die wirklichere und echtere Aufklärung verbirgt. Das passt einfach nicht in die Köpfe ...

76. Jesus als Ethikpädagoge und Paulus mit der Idee des zweiten Adams: Es gibt ja die Theorie, dass Jesus ein Wanderprediger ohne tragfähiges Konzept war und dass erst Paulus eine "ordentliche Religion" aus den Ideen Jesu gemacht hat. Im Grunde spielten ab Paulus die Ideen Jesu allerdings kaum noch eine Rolle. Das heißt, dass wir heute eigentlich keinesfalls "Jesuisten" (oder "Jesuaner") sind, sondern "Paulisten" oder eben "Christen" in dem Sinn, wie Paulus den "Christus" erfunden hat. Man kann das auch so sehen, dass Paulus aus den Ideen Jesu den Grundstein für eine (spätantike) Mysterienreligion gelegt hat, während sich dieser Häuserbauer Jesus als zweiter Adam oder auch als Prophet gesehen hat in dem Sinn, dass es Prostitution und sexuellen Missbrauch zu überwinden galt und die Harmonie der Partnerschaft von Mann und Frau in der Einheit von Leib und Seele wieder "Mode" würde. Daher ging es ihm keinesfalls um eine Religion im üblichen Sinn, sondern um eine ganz praktische sittliche Erneuerung in Form einer "Bewegung für eine neue Lebenseinstellung" (die dann durch die "Ummodelung" des Paulus weitestgehend aus dem Blickfeld geraten ist). Meine Meinung hierzu ist nun: Möglicherweise war in der damaligen Zeit so etwas wie ein Vakuum im Hinblick auf eine zumindest einigermaßen vernünftige Religion. Und in dieses Vakuum passte die Religion des Paulus offensichtlich hervorragend, und Paulus war auch "ein Mann mit großem Arbeitseinsatz und Organisationstalent", denn nicht umsonst bekehrten sich viele Menschen zu ihr. Doch heute ist das anders, diese Religion des Paulus hat sich irgendwie abgenutzt, zumindest in unserer Wohlstands- und Fortschrittsglaubensgesellschaft. Mit Offenbarungen eines Gottes und mit einer sich daraus ergebenden Mysterienreligion können viele moderne Menschen einfach nichts mehr anfangen. Dagegen sind die Ideen Jesu zeitlos und in gewisser Weise auch "religionsübergreifend" und sogar – je nach der Sichtweise – atheistisch, und ich denke, dass eine "Bewegung nach den Ideen Jesu" - richtig rüber gebracht – gerade heute die Chancen schlechthin hätte.

Auf Paulus wird wegen der mit ihm verbundenen Mysterien (man kann das Wort sogar wörtlich nehmen im Sinn von "Geheimniskrämereien") hier nicht eingegangen. Schließlich entstanden daraus bedenkliche Entwicklungen.

Deutlich beschreibt auch der Talmudphilologe Hyam Maccoby die verhängnisvolle Rolle des Paulus in seinem Buch "Der Mythenschmied". Und selbst wenn die seher negative Sicht zu Paulus hier nicht stimmen sollte, so bleibt doch, dass er die Botschaft und das Anliegen Jesu entscheidend verändert hat.

Doch hier Zitate aus Maccobys Buch "Der Mythenschmied":

S. 188: "IN DEN VORANGEHENDEN KAPITELN haben wir alleine auf der Grundlage des NT ein Bild von Paulus rekonstruieren können, das sich von dem althergebrachten sehr unterscheidet. Wir haben gesehen, daß Paulus, wenn er sich selbst als profunde ausgebildeten Pharisäer hinstellt, nicht die Wahrheit sagt. Im Gegenteil, wir haben Gründe zu der Vermutung, daß Paulus seinen Mißerfolg beim Streben nach dem anerkannten Pharisäerrang dadurch verarbeitete, daß er eine synthetische Religion aus jüdischen und heidnischen Elementen kreierte, und daß das in seinem Jesuskonzept tief verwurzelte Heidentum mehr für eine außerjüdische denn eine jüdische Herkunft desselben spricht. Weiterhin ist uns aufgefallen, daß der Eindruck von Einmütigkeit zwischen Paulus und den Führern der Jerusalemer Jesusbewegung, der so eifrig vom Verfasser der Apostelgeschichte kultiviert wird, eine Fiktion ist und daß es sowohl in den Paulusbriefen wie in der Apostelgeschichte selbst viele Belege dafür gibt, daß ein heftiger Konflikt zwischen der paulinischen und der Jerusalemer Auffassung der Sendung Jesu bestand. Nachdem dieser Konflikt jahrelang geschwelt hatte, führte er am Schluß zu einem vollständigen Bruch, an dessen Ende die Gründung der durch und durch paulinistischen christlichen Kirche stand, der organisatorischen Hülle einer im Gehalt neuen Religion, die vom Judentum getrennt war, wohingegen die Jerusalemer Nazarener ihre Verbindungen zu jenem keineswegs kappten, sondern sich ihrem Wesen nach für gläubige Juden hielten, die zusätzlich noch an die Auferweckung Jesu, d.h. einer ihrer Natur nach menschlichen Messiasgestalt, glaubten." (Anmerkung: Ich möchte es hier offen lassen, wie die Gemeinde in Jerusalem zu dem Auferweckungsglauben kam, ich kann mir nur vorstellen, dass sich die Gemeinde nicht mit dem Tod Jesu abfinden konnte und ihn daher noch also "lebendig, wenn auch in anderer Form" betrachtete. Möglicherweise hatte Paulus davon gehört und nahm diesen Glauben zum Anlass, dann auf dem Weg nach Damaskus eine Erscheinung draus zu machen.)

S. 194: In diesem Zitat spricht Maccoby auch die Ursache des Antisemitismus an – und ich denke, wie Maccoby etwa die Rolle des Paulus sieht, ist das sehr plausibel. Allerdings sieht Maccoby alles Weitere politisch, ich sehe das dagegen nur indirekt politisch, das Problem sind m.E. viel mehr die zwischenmenschlichen Beziehungen:

"Der Glaube an ein tausendjähriges Reich auf Erden mit Jesus als König am Ende der Zeiten inspirierte zahlreiche politische Aufstandsbewegungen innerhalb des Christentums und bedrohte die Machtstellung von Papst und Kaiser: denn zu diesen Vorstellungen gehört, daß Gerechtigkeit auf Erden erreichbar sein muß und daß Gottes Reich ein verwirklichtes Utopia auf Erden sein soll, nicht die Seligkeit in einer anderen Welt. Die Rolle des Antichrist, der weltlichen Macht, die sich dem dann auftretenden Jesus redivivus (Anm.: "wiedererstanden") entgegenstellt, wurde gewöhnlich den Juden zugewiesen, was dazu führte, daß populistische Endzeitbewegungen oft bösartig antisemitisch waren … ; dann und wann aber wurden die tatsächlichen Unterdrücker der Armen mit dem Antichrist identifiziert, und bei solchen Gelegenheiten drohten die politischen Ziele, die aus dem Judentum und dem Judenchristentum stammten, das Christentum zur »Befreiungsreligion« zu machen, ganz im Gegensatz zu der Theologie des Paulus, die ihre Blicke auf die Welt, die da kommen soll, richtete und immer im Sinne der Herrschenden und der Fortsetzung der bestehenden Zustände funktionierte."

S. 226 ff: "Paulus war der größte Fantasy-Autor von allen. Er schuf den christlichen Mythos, indem er Jesus vergottete, eine jüdische Messiasfigur, dessen wirkliche Pläne sich in der Bandbreite des jüdischen politischen Utopismus bewegt hatten. Paulus schmiedete Jesu Tod in ein kosmisches Opfer um, in welchem die Kräfte der Finsternis die Macht der guten zu überwältigen suchten, aber gegen ihren Willen nur ein Heilsgeschehen zustande brachten. Dies verwandelt auch die Juden, wie die Paulusschriften ausführen, in Werkzeuge der Erlösung, die von ihrer Funktion nichts wissen; ihre Bosheit, mit der sie Jesu Tod bewirkten, schlägt zum allgemeinen Heil aus, weil dieser Tod genau das war, was die Menschheit zu ihrer Rettung benötigte. Die Kombination von Bosheit und Blindheit, die hier beschrieben wird, ist die genaue Analogie zum Baldurmythos der nordischen Mythologie, in der die Bosheit durch den bösen Gott Loki personifiziert wird, die Blindheit durch den blinden Gott Hödur, die beide zusammen den heilbringenden Tod Baldurs bewirken, der alleine eine gute Ernte bewirken kann, welche vor dem allgemeinen Hungertod errettet.

Paulus übernahm das kosmische Drama vom Kampf zwischen Gut und Böse von der Gnosis, und daher übernahm er auch die Juden als Dramenbestandteil, also als die Vertreter des kosmischen Bösen. Aber indem er den Mythos der Gnosis mit dem Mythos der Mysterienreligionen kombinierte (die selbst nicht judenfeindlich waren), verschärfte und intensivierte er den in der Gnosis schon präsenten Antisemitismus. Die Juden blieben nicht einfach die Gegner jener vom Himmel herabgestiegenen Lichtgestalt, sondern wurden die Vollzieher des kosmischen Opfers, durch welches allein der Besucher aus der Lichtwelt die Erlösung bringen kann. Damit verschmolzen die Juden mit den düsteren Figuren, die in Mythen jenen Tod von Göttern bewirken, welcher alleine die Rettung bewirken kann - mit Seth, Mot und Loki; und die Bühne steht offen für die lange imaginäre Laufbahn der Juden in der christlichen Einbildungskraft als das Volk des Teufels. Was immer Paulus vom Judentum übernahm, um seinen Mythos weiter aufzuputzen – das historisierend-religiöse Element, das Jesu Tod in ein welthistorisches Panorama versetzte —, verstärkte nur den dabei herauskommenden Antisemitismus, denn jetzt gab es einen Zug von Usurpation im paulinischen Mythos, eine Tendenz, das jüdische Zeugnis zwecks Rechtfertigung der christlichen Selbstüberschreibung der »Abrahamsverheißung« anzuschwärzen. Was immer den Juden in der bisherigen Geschichte begegnet war, wurde jetzt als Vorprägung ihrer zentralen Rolle ausgemünzt, nämlich der Ermordung des Gotteslammes, eine Rolle, die ich in meinem >Heiligen Henker< näher beleuchtet habe; sie wurden – in der christlichen Ideologie – von ihren Propheten abgeschnitten, die jetzt als Vorläufer der Christen galten und, ganz wie Jesus, von den Juden zu Tode gehetzt worden waren.

Der von Paulus vorgefertigte Mythos entfaltete später ein bilderreiches Leben in den Evangelien, die unter dem Einfluß seiner Ideen zum Einsatz in seiner Kirche geschrieben wurden. Eine abgerundete, romanhafte Erzählung von mythologischem Tiefgang wird dort auf der Grundlage historischer Materialfragmente ausgestaltet, wenn diese sich dafür eignen, ein Melodrama von Gut und Böse abrollen zu lassen. Es entsteht das wirkmächtige Bild des Judas Ischariot: eine Person, vom Schicksal oder sogar seinem Opfer Jesus dazu ausersehen, die böse Tat zu vollbringen, besessen von Satan und unter innerem Zwang seine üble Rolle erfüllend - eine perfekte Verkörperung der Rolle des Heiligen Henkers, designiert für den Vollzug seiner Bluttat und dennoch für deren Ausführung verflucht. Dabei füllt Judas seine Rolle auf der persönlichen Ebene aus, das jüdische Volk – im Evangelienmythos – auf der kollektiven: indem es abwechselnd von Blindheit oder Bosheit befallen wird und auf dem Höhepunkt der Erzählung in der Barabbas-Szene Jesu Kreuzigung fordert und zugleich für dieses Opfer die Verantwortung durch den Sprechchor übernimmt: »Sein Blut komme über uns und über unsre Kinder!« (Mt. 27,25). Was in den Paulusbriefen nur ein Umriß eines Mythos gewesen war, wurde jetzt ausgeformt und mit erzählerischer Qualität versehen, ein Instrument kultureller Indoktrination und ein Vehikel unzerstörbarer Kindheitseindrücke, wenn Kinder die Geschichte zu hören bekommen.

So wurde der von Paulus geschaffene Mythos auf sein Gleis gesetzt und begann die Welt zu durchqueren: eine Erzählung, die der Menschheit mancherlei Trost in Verzweiflung brachte, aber auch jede Menge Übel hervorrief.

Aus seiner eigenen Qual und Verzweiflung erschuf Paulus seinen Mythos. Sein Glaube daran, er habe ihn vom inzwischen im Himmel befindlichen Jesus persönlich erhalten, hat seine eigene Schöpferrolle verdunkelt. Die Mißverständnisse, die er über seine eigene Herkunft förderte und nährte, hielten die Leser des Neuen Testaments davon ab, den paulinischen Mythos von den historischen Tatsachen über Jesus abzupräparieren, über die Jerusalemer Kirche, über die Abenteuer Zusammenstöße des Paulus persönlich mit dessen Zeitgenossen. Sein Charakter war viel farbiger, als christliche Frömmigkeit es wahrhaben will; sein wirkliches Leben entspricht mehr einem Picaroroman als einer gewohnten Heiligenvita. Aber aus den Religionseinflüssen, deren Niederschläge in seinem Hirn spukten, schmiedete er ein bilderreiches Amalgam, das, ob zu ihrem Nutzen oder Schaden, die zentrale Phantasiegrundlage der abendländischen Kultur wurde."

Die Frage stellt sich natürlich, warum Paulus schließlich den Märtyrertod gestorben ist, wenn er doch nur ein Agent einer jesusfeindlichen Clique war und im Grunde überhaupt nicht hinter dem Engagement Jesu stand.
Ich denke, dass gerade von seinem Märtyrertod her auch alles auch ganz anders gewesen sein kann: Dass er etwa voll an den Jesus, den er sich geschaffen hatte, auch tatsächlich ehrlich geglaubt hatte. Wir müssen uns ja bewusst machen, dass Paulus alles, was er von Jesus wusste, sozusagen aus zweiter Hand erfahren hatte, wenn man mal von den Offenbarungen durch Jesus absieht, an die man ja glauben kann oder auch nicht. Und unter den Menschen, von denen er sein Jesuswissen hatte, waren gewiss die meisten guten Willens und hatten Paulus genau das erzählt, wie sie Jesus erlebt hatten und was er wollte – natürlich so, wie sie ihn verstanden hatten. Doch es dürften unter den Informanten auch solche Menschen gewesen sein, die Abgesandte der Halbweltmafia waren und die alles andere als ein Interesse an dem Engagement des wirklichen Jesus hatten und die Paulus in ihrem Sinn beeinflussten. Gerade bei der hier angesprochenen Thematik ist es ja auch heute schwierig, Wahrheit und Lüge auseinander zu halten. Wie einfach ist es da doch, Jesus zu erzählen, dass die Prostituierten (also die "Sünder") doch immer jammern, wenn sie auf einen Menschen wie Jesus gestoßen sind, der mal nett mit ihnen redet und sie zu verstehen sucht, und dass sie also seine Gutmütigkeit ausgenutzt und ihn in ihrem Sinn regelrecht eingelullt hätten. Doch dass die Prostituierten in Wirklichkeit ganz anders sind. "Die sind doch zu faul zum Arbeiten und vögeln doch zu gerne und machen das dann auch noch um des Geldes willen – und sind letztlich allesamt doch durchtrieben und verlogen." Wir kennen solchen Einstellungen ja auch heute. Aus diesem ganzen Wirrwar an Informationen ist eben das herausgekommen, was wir heute bei Paulus kennen. Und Paulus hatte sich dann auch quasi lebenslang für "diesen seinen Glauben" eingesetzt und sich durchaus mit ihm identifiziert, weil er ihn nicht zuletzt möglicherweise auch aufgrund eigener persönlicher Erfahrungen für besser hielt als das Engagement des Jesus. Und wir müssen ja immer bedenken, dass damals Jesus noch nicht so bedeutend war wie heute und daher auch noch nicht als unantastbar galt. Daher hatte Paulus auch keine Bedenken, "Anleihen" aus anderen Religionen zu nehmen, wie er sie gut fand. Zudem: Welche Chancen hätte Paulus denn im Hinblick auf seine Verurteilung zum Tode denn überhaupt gehabt? Hätte man ihm denn eine Heuchelei betreffs seiner Bekehrung geglaubt, selbst wenn also die Bekehrung nur eine Scheinbekehrung war? Ich bezweifle das, denn er hatte sich ja wirklich überzeugend für den christlichen Glauben eingesetzt, so wie er ihn verstand beziehungsweise wie er ihn sich zurecht gebastelt hatte. Also wäre ihm der Märtyrertod auf alle Fälle gewiss gewesen. Und schließlich gibt es auch so etwas wie Ehre, dass man also zu dem steht, wofür man kämpft – bis in den Tod.

Allerdings ist Hyam Maccoby der Auffassung, dass Paulus gar nicht den Märtyertod gestorben ist, dass das alles nur eine fromme Legende ist. Mehr darüber und über die Zwistigkeiten zwischen Paulus und den Judenchristen und den "Schlägern und Raufbolden des Hohenpriesters" siehe unter "Paulus" im Onlinelexikon, Teil 2.
Um den Lesern zugänglich zu machen, wie sich Maccoby den Grund der Bekehrung Pauli denkt, zitiere ich hier die entsprechende Stelle (S. 112):

"Während er die Jesusanhänger verfolgte, dürfte Saulus Jesus immer mehr als eine Figur wahrgenommen haben, die ihm seltsam vertraut vorkam, da sie auf ein seelisches Bedürfnis Antwort gab, das er unter dem Druck der jüdischen Ratio-nalität und des jüdischen Sinnes für Bewusstmachung und Wahrhaftigkeit ohne doppelte Böden niedergehalten hatte. Vor allem dürfte das Bild des langsam am Kreuz sterbenden Jesus seine leistungsfähige Vorstellungskraft entflammt haben. Denn dieses Bild muß ihn unwiderstehlich an die Ikonographie des Gottes Attis in dessen vielfältigen Erscheinungsformen erinnert haben, der er in Kilikien auf Schritt und Tritt begegnet war - der erhängte Gott, dessen blutender, mißhandelter Körper die Felder fruchtbar werden ließ und dessen Mysterien den Seelen seiner Gläubigen, die sich in einen heiligen Wahn hineingesteigert hatten, eine wundersame Erneuerung bescherten. Es ist bezeichnend, dass später die Phantasie des Paulus immer wieder um jene oben diskutierte Deuteronomiumstelle kreiste, in der es, wie Paulus sie verstand, um den Fluch ging, welcher dem Körper eines Gehängten anhaften sollte.

Damals freilich waren derlei Gedanken noch nicht ins volle Licht seines Bewußtseins getreten. Saulus hatte versucht, ein geistlich höchst anspruchsloses Polizistenleben zu führen, da sich seine Hoffnung, einen geachteten Rang als geistlicher Pharisäerführer zu erlangen, zerschlagen hatte. Aber damit konnte er seine innere Unruhe nicht dauerhaft zum Schweigen bringen; und als seine Seelenpein schließlich einen visionären Anfall auf dem Weg nach Damaskus auslöste, nahm eine Gestalt das Zentrum seiner inneren Verstörung ein, die schon lange in seinem Unbewussten rumorte: der Gehängte Gott, der Brennpunkt von Schuld und Hoffnung zugleich. Indem er diese Gestalt mit Jesus identifizierte, dessen Anhänger er bis zu dieser Sekunde verfolgt hatte, gab Saulus der Bedeutungslosigkeit einen Sinn, in welche sein Leben zuvor versunken gewesen war. Statt nur der Mietling eines mit Besatzern kollaborierenden Hohenpriesters zu sein, der gegen Bezahlung Menschen quälte, sah er sich jetzt auf einmal als Person von historischer Bedeutung, die er schließlich ja auch erlangen sollte - er, der den sterbenden und wieder auf erstandenen Gott verfolgt hatte, konnte durch genau diese Schuld jetzt in die Rolle von dessen Hauptverkünder überwechseln, vom Saulus zum Paulus eben. Dieser plötzliche Wechsel von tiefster Verworfenheit zu äußerster geistlicher Befreiung und Entsühnung wurde das Hauptmotiv der neuen Religion, die Paulus ausgehend von jener Vision zu entwickeln begann, welche ihn aus der gesamten Menschheit herausgegriffen und berufen hatte. -"

Auf alle Fälle war Paulus offensichtlich nicht nur sehr idealistisch, sondern auch sehr ehrgeizig und ganz schön selbstverliebt, doch alles das ist keine Sünde.

Doch auf alle Fälle ist eines richtig: Ob böswillig oder gutwillig, Paulus hat etwas völlig anderes aus dem Engagement Jesu gemacht als das, was der wirkliche Jesus wollte.

Anmerkung: Die Geschichte, wie sich ein Agent einschleust und dann sehr hoch emporsteigt, was vielleicht ursprünglich gar nicht beabsichtigt war, kommt uns Deutschen, die schon etwas älter sind, doch sehr bekannt vor. Sie erinnern sich an den Kanzleramtsspion Günter Guillaume, der auch "durch seinen großen Arbeitseinsatz und sein Organisationstalent" aufgefallen war (ich zitiere hier aus dem Stichwort "Günter Guillaume" in Wikipedia, dem berühmten Kanzleramtsspion, der sich bei der SPD eingeschlichen hatte)? Es gibt hier also durchaus starke Parallelen zu Paulus! Und zu den angeblichen Zeugen beim Damaskuserlebnis? Die waren doch auch von dem Hohenpriester mitgeschickt und waren also nicht neutral, also ist deren Zeugenaussage wertlos.


77. von ihren Gefühlen überrumpelt: Ich kenne mehrere dieser Fälle, die mir sehr nahe gehen, weil es sich immer um Menschen handelt, die im Grunde moralisch sehr hochstehend sind. Wie konnte das passieren, dass gerade sie (und ich denke hier vor allem an Mädchen) mit "Sexgeschichten" anfingen, mit denen sie nie gerechnet hatten und die man ihnen auch nie zugetraut hätte und die ihnen hinterher sehr leid taten? Die Erklärung ist ganz einfach: Sie hielten sich davor aufgrund ihrer Schammoral, an die sie felsenfest glaubten und die sie also sozusagen für einen perfekten Schutz hielten und die aber dennoch nur eine Scheinmoral war, immer für moralisch so integer (und das wurde ihnen auch von ihrer Umgebung so eingeredet, insbesondere von ihren Eltern), dass sie sich nie auf "den Fall X" vorbereitet hatten, also auf den Fall, dass es auch einmal anders laufen könnte. Also hatten sie alles, was mit Liebe und Sexualität zusammen hängt, aus ihrem Denken verdrängt und verbannt, weil das angeblich etwas Unanständiges oder sogar Unmoralisches war. Doch auch sie waren nun einmal lebendige Menschen und gerade gegen eine Verliebtheit nicht gefeit. Also kommt sie eines Tages – zu wem auch immer. Und wenn der "Betreffende" nicht alles "falsch" macht, überwindet er diese Schammoral (die ja nur eine Scheinmoral ist, denn eine echte Moral funktioniert völlig anders) und er bekommt, was er will.
An der Pädagogik könnte "Abgleiten von der hohen Moral" ja nicht liegen, denn was hatte man nicht alles getan, dass genau solche Überrumpelungen nicht passierten? Und – das ist die These dieses Engagements hier – man hatte eben doch nicht alles getan: Das Moralmodell, das der Erziehung der jungen Menschen zur (Sexual-)Moral zugrunde lag, nämlich das der Scham, war nämlich schlichtweg falsch oder auch ungeeignet für eine echte Moral: Man hatte die jungen Menschen eben zur Scheinmoral der Scham erzogen und nicht zu einer echten Moral. Und Scham und echte Moral sind eben zwei verschiedene Dinge und haben nur sehr bedingt etwas miteinander zu tun.

Zum Thema, wie starke Gefühlserregungen die Vernunft regelrecht austricksen können, was dann eben bei Gelegenheit zu dem Problem mit der Pädagogik im Fall einer Verliebtheit dazu kommt, erzählte uns im Studium ein Professor eine kleine Geschichte: Da kommt also in eine Klasse oder in eine Familie unversehens ein Polizeikommando und befiehlt, einer Person mitzukommen. Diese Person wird unter irgendwelchen Begründungen in ein Gefängnis gebracht mit der Aufforderung zu warten. Unsere Person ist sich keiner Schuld bewusst, vertraut darauf, dass sich alles klären wird und ergibt sich ansonsten in das Schicksal. Am Abend ist dann Essensausgabe und ein Wärter stellt unserer Person einen Teller Suppe hin - und flüstert allerdings dazu, dass diese Suppe vergiftet sei. Unsere Person glaubt dies und rührt die Suppe also nicht an. Am nächsten Tag dasselbe, wieder sonst nichts außer der angeblich vergifteten Suppe, und auch wieder am dritten Tag. Der Hunger unserer Person wird immer stärker und sie fängt an zu überlegen, ob das alles nur ein Test ist, etwas zu glauben, und dass die Suppe in Wirklichkeit gar nicht vergiftet ist. Die Gedanken kreisen also immer mehr darum, dass die Suppe in Ordnung ist und man sie also essen kann - und unsere Person ist schließlich voll und ganz überzeugt, dass die Suppe nicht vergiftet ist und isst sie. Das (Hunger-)Gefühl hat also den Verstand nicht nur so gerade beeinflusst, sondern sozusagen überrumpelt, also komplett umgekrempelt.

In diesem Sinn können wir nun auch eine Verliebtheit sehen: Das Gefühl hebelt den Verstand aus - und (nicht nur) der junge Mensch wirft seine Moral, die bisher galt, über Bord und macht etwas, was für ihn ohne diese Gefühlserregung unvorstellbar war und was er immer als unverschämte Zumutung empfunden hätte, wenn ihm jemand unterstellt hätte, dass es dazu einmal kommen könnte.

Die Idee dieses Konzept hier ist nun, dass dem jungen Menschen keine Leibfeindlichkeit anerzogen wird, sondern Spaß an harmlosen paradiesischen Erlebnissen  – und dass er also die zunächst einmal erleben will und dass er misstrauisch wird (dass er also kritisch nachdenkt), wenn ein Partner die nicht will und er auch noch nicht einmal über die mit ihm reden kann. Denn wenn er "in Ordnung" wäre, müsste er solche Erlebnisse doch auch gerne machen und auch darüber reden wollen. Siehe dazu etwa den Spaß eines Vaters mit seiner Tochter mit der Natürlichkeit und mit harmlosen Paradieserlebnissen (s. Hinweis 42) und dann auch mit den "natürlichen Drogen" (siehe im Heft Seite 53).


78. typisch katholische Monogamie: Ich nenne einmal die Monogamie so, die keine echte ist, weil sie die diversen vorehelichen Sexualbeziehungen nicht als monogamieschädlich ansieht. Vielleicht mögen hier manche protestieren, weil doch gerade die katholische Kirche diese Beziehungen als Sünde ansieht und also auch verurteilt. Hierzu kann ich sagen, dass das reine Theorie ist, in der Praxis interessieren diese vorehelichen Erfahrungen die Kirche nicht. Ich weise auf das nachsynodale apostolische Schreiben "Amoris laetitia" hin. Doch vor allem bin ich mit meinem Engagement für die echte Monogamie gerade auch bei meinen katholischen Glaubensbrüdern bisher immer auf Beton geprallt, die wussten überhaupt nicht, wovon ich rede. Wenn nun auch andere christliche Glaubensgemeinschaften diese "typisch katholische Monogamie" praktizieren (und auch Nichtchristen), so meine ich doch, dass ich sie katholisch nennen kann, weil gerade die katholische Kirche, die doch Vorbild sein sollte, mit schlechtem Beispiel voran geht. Im Übrigen: Zur Zeit Jesu galt der Geschlechtsverkehr als Zeichen einer Ehe, er war also auch ehebegründend neben dem Versprechen der gegenseitigen Partnerschaft. Daher waren Prostituierte "Ehebrecherinnen", weil sie immer wieder neue Ehen anfingen und diese dann wieder "abbrachen". Wir können also davon ausgehen, dass Jesus in demselben Sinn dachte, den ich hier vertrete, wenn er von Ehe redete: Geschlechtsverkehr und Ehe sind dasselbe. Dagegen haben wir und auch die katholische Kirche das römische Eheverständnis, dort galt nicht mehr der Geschlechtsverkehr als Zeichen der Ehe, sondern das Dokument des Zensors. Wenn wir Jesusanhänger sein wollen, müssen wir allerdings wieder zur Einstellung der Bibel und des Jesus zurück kehren. Gut, wir selbst können an der eigenen Ehe nichts mehr machen, doch wir sollten uns zumindest für die Ehemoral derer einsetzen, die die Ehe noch vor sich haben, also der jungen Menschen.


79. Jesus und Sexualmoral: Theologen bezweifeln im Allgemeinen, dass sich Jesus um Sexualmoral gekümmert hat. Sie meinen, dass mit bestem Willen bei Jesus nichts zu finden ist. Dazu kann ich nur sagen, dass hier das Problem ist, was diese Theologen unter Sexualmoral verstehen. Sie verstehen eigentlich immer etwas mit "Scham" – und natürlich hat Jesus nicht darüber geredet und also auch keine Kleidungsvorschriften gemacht, denn die Scham ist ja nur eine Scheinmoral und damit in gewisser Weise auch eine Heuchelei. Und bekanntermaßen hatte er etwas gegen die Heuchler. Die wirkliche Moral hat dagegen etwas mit der Einstellung von Männern gegenüber Frauen zu tun, wie diese hier nicht nur bisweilen, sondern sogar sehr oft zu seiner Zeit nicht nur verachtend sondern sogar ausgesprochen kriminell war. Das war dann auch Thema seines Engagements. Jesus hat sich also sehr wohl um die Sexualmoral gekümmert, allerdings um eine echte und nicht um eine Scheinmoral.


80. Eindringen ohne Ehe oder auch ohne Trauschein = Schlampe oder auch Hure? Wenn ich hier so krass bin, so liegt das nicht daran, dass ich diejenigen kränken oder gar beleidigen will, die sich "vor langer Zeit " einmal aus irgendeiner Unwissenheit und Naivität oder gar Dummheit auf Sex ohne Ehe eingelassen hatten - und jetzt damit weiter machen, weil es einfach keinen plausiblen Grund gibt, das zu ändern. Ich kann mich nur wiederholen: Wenn es hier irgendeine Schuld gibt, dann betrifft die doch diejenigen, die nichts an der Unwissenheit und Naivität der betreffenden Menschen getan hatten, als noch die Möglichkeit da war. Der Grund für die harten Worte ist vor allem, dass ich diejenigen motivieren möchte, die noch keinen Sex hatten, vor der Ehe erst einmal ausschließlich ihre Haut (das größte Organ des Menschen!) und ihren Körper zu erleben und zu genießen. Das scheint nun leider zumindest zur Zeit nur zu funktionieren, wenn der nicht-eheliche Sex als sehr negativ hingestellt wird. Und dann gibt es auch erfahrungsgemäß viele Mädchen "mit Sexerfahrungen", die diejenigen Mädchen, die noch keine solchen "Erfahrungen" hatten, als unemanzipierte und frigide Mauerblümchen, die niemand will, verlachen und verspotten – und ihnen damit Komplexe einreden. Denen möchte ich mit diesem sehr negativen Vergleich nun wirklich mal kräftig vors Schienbein treten, denn "so etwas" macht man einfach nicht ...

Von Schülerinnen wurde bisweilen auch eingewendet, dass ich mit einem Vergleich mit einer Hure falsch läge, denn das Kennzeichen einer Hure sei doch, dass diese Geld "dafür" nimmt, während eine normale emanzipierte Frau oder ein Mädchen dafür kein Geld nimmt (oder so ich: es also gratis macht). Ich pflege dann immer zu kontern, dass sie mal überlegen sollten, warum ihnen so ein Scheiß (das Wort passt hier wirklich!) eingeredet wird. Ja warum? Der Grund ist doch der, dass ihnen so etwas Männer erzählen, um in den Genuss von Gratissex gerade auch mit jungen Mädchen zu kommen. Ja, wie schön und günstig, dass die Mädchen das dann auch noch glauben und also sozusagen freiwillig und ohne Bezahlung "einvernehmlich" (wie es so schön im Amtsdeutsch heißt) mitmachen!
Und zum Wort "Eindringen": Ich bin kritisiert worden, dass dieses Wort aus der Sprache der Militärs übernommen wurde und also an eine kriegerische Handlung erinnert, also ein Macho-Begriff ist. Besser sei "dafür" der Begriff "Aufnehmen". Doch mit den kann ich mich schon gar nicht anfreunden, denn der klingt nach "Putzlumpen" - dann doch lieber der Begriff "Eindringen".


81. hohes moralisches Potential und Scheinmoral der Scham – und dazu etwas, damit die echte Moral nicht falsch verstanden wird: Eine sehr anschauliche Parallele sehe ich hier im Problem um die Magengeschwüre: Bis vor nicht langer Zeit galt es als ausgemacht, dass die Ursache für diese Geschwüre eine Übersäuerung des Magens sowie psychische Faktoren wie Stress sind. Bakterien galten als ausgeschlossen, weil man meinte, dass sich in der Umgebung einer derart aggressiven Säure wie der Magensäure einfach keine Bakterien halten können. 1983 haben dann zwei australische Ärzte (Barry Marshall und John Warren) herausgefunden, dass die Ursache für Magengeschwüre letztlich doch Bakterien sind, die schließlich "Heliobacter pylori" genannt wurden. Es dauerte dann noch weitere sechs Jahre, bis sich die beiden Ärzte mit ihrer Erkenntnis durchsetzten, schließlich brechen nicht bei allen Menschen, die diese Bakterien in sich haben, Magengeschwüre aus. Denn durch glückliche Umstände und etwa durch Vermeidung von Risikofaktoren können die Bakterien nicht wirksam werden. Und die Parallelen zu unserem Problem der echten Monogamie? Wie ich immer wieder betone, sehe ich die Ursache darin, dass gerade Mädchen mit sexuellen Beziehungen anfangen, die sich später als wenig glücklich herausstellen, dass sie ihr hohes moralisches Potential in die Scheinmoral der Scham stecken statt in eine echte Moral. Damit ist dann verbunden, den Geschlechtspartner zu wechseln, wodurch also die echte Monogamie hinfällig ist. Tiefster Grund dafür ist, dass ihnen in unserer Kultur genau diese Scheinmoral anerzogen wird, es ist also eine Frage der Pädagogik. Dieser Zusammenhang ist nun – genau wie bei den Magengeschwüren – nicht leicht zu erkennen, weil durch glückliche Umstände wie etwa eine liebevolle Fürsorge der Eltern, eine starke religiöse Einstellung (mit der dazu gehörenden Mystik und dem entsprechenden Kult, doch auch mit den damit verbundenen Ängsten) und auch Mangel an Gelegenheit etwa dank einer hohen ethischen Umgebung (also auch kein Zugang zu "schlechten Filmen" und nur Kontakt mit "anständigen Leuten") und schnelles Finden des richtigen Partners es einfach zu keinem "Ausbruch" der "wenig glücklichen sexuellen Beziehungen" kommt. Doch sie passieren eben dennoch oft genug. Der Vergleich mit den Magengeschwüren stimmt sogar bis in Einzelheiten: Bisweilen dachte man früher, dass davon eher Arme und Unterprivilegierte betroffen sind, also immer nur "die anderen in anderen Gesellschaftsschichten", doch ist offensichtlich, wenn man nur einmal genauer hinsieht, dass die "Krankheit" in allen gesellschaftlichen Schichten vorkommt. Daher hier: Der Grund ist die Scheinmoral der Scham! Würden die jungen Menschen statt zu dieser von vornherein zu einer echten Moral der Monogamie erzogen werden, wäre alles viel sicherer, unkomplizierter, risikoärmer und gewiss auch harmonischer und einem bewussten Leben dienlicher.
Anmerkung: Wie so eine "Krankheit der Verliebtheit" anfängt, die schon eine Naturgewalt ist, gegen die man machtlos ist, wenn sie erst einmal eintritt, siehe unter Hinweis 77.


82. Doppelt gemoppelt: Bei Atomkraftwerken mag doppelte Sicherheit sinnvoll sein, ja nicht nur doppelte Sicherheit, sondern sogar achtfache Sicherheit! Wir haben das beim Atomkraftwerk Fukushima in Japan gesehen, dass nämlich "doppelte Sicherheit" nicht ausreicht und wie sinnvoll unsere deutschen Sicherheitsstandards hier sind. Doch "doppelte Sicherheit" kann auch heißen, dass wir einer einzigen Sicherheit doch nicht trauen und also eine weitere und vor allem eine alte, die sich zwar letztlich als untauglich erwiesen hat, wenn es wirklich drauf angekommen wäre, dann doch lieber "zur Sicherheit" noch beibehalten wollen. Doch eine Anhäufung von keinen richtigen Sicherheiten gibt letztendlich doch keine richtige Sicherheit: Null mal Null bleibt eben Null, wie es so schön in dem Kölner Karnevalsschlager heißt. Und zudem: Bisweilen behindern sich Sicherheiten auch gegenseitig oder schließen sich gar aus (was denn nun: Vergnügen an der Nacktheit und dann doch wieder Badehose und Bikini?) und so können mehrere Sicherheiten die Wirksamkeit einer wirklich guten Sicherheit verhindern. In diesem Sinn wird also hier nicht mehr auf die Badehose und den Bikini als Sicherheit vertraut, sondern auf eine sinnvolle geistige Einstellung. Dass (gerade junge) Menschen dann doch bisweilen diese "Accessoires" einer untauglichen Moral benutzen, ist eine andere Sachen. Denn es hängt ja nicht nur von der eigenen Einstellung ab, was man macht, sondern die Mitmenschen müssen die auch verstehen, damit sie die nicht falsch verstehen. Von daher können auch Badehose und Bikini oder sogar Burka und Kaftan sehr sinnvoll sein. Dem Benutzer muss allerdings klar sein, dass diese Accessoires nur unvollkommen schützen und also nur vorübergehender Natur sein können.


83. Ulrich Becker und die Erzählung "Jesus und die Sünderin" (auch "Susannageschichte" oder "Geschichte von der Sünderin") und wie sie "entschärft" wurde: Auch der Autor U. B. kommt zu dem Ergebnis, dass diese Erzählung tatsächlich geschehen ist (S. 3): "Mochte die äußere Bezeugung noch so fragwürdig erscheinen, mochte man immer wieder neu versuchen, diesen Abschnitt, auch innerer Gründe wegen, aus dem NT zu verbannen: Letztlich überzeugte die Perikope von ihrem Inhalt her, und so blieb sie im NT. Denn hier fand man Geist vom Geiste Jesu, ja, vielleicht noch mehr, hier fand man solchen Geist besonders rein bewahrt. Kein Wunder, dass sich Kunst und Literatur ihrer mit besonderer Liebe annahmen, dass sie auch außerhalb des Christentums häufig zum Inbegriff der Verkündigung Jesu wurde und dass selbst kritische Theologen sich ihrem Eindrucke nicht entziehen konnten." Allerdings ist auch Becker ein typischer Studierstubentheologe und so kann er nicht den Wandel der Interpretation dieser Erzählung (oder auch Perikope) und damit ihre Entschärfung erkennen: Von einer Erzählung aus dem "Milieu", bei der es um die Befreiung einer Frau aus einer kriminellen Situation ging, hin zu einer theologischen Vergebungsgeschichte, die ja auch sehr schön ist, der jedoch die Brisanz des höchstwahrscheinlich ursprünglichen Zusammenhangs völlig fehlt.


84. Marc Gibbs: "Die Jungfrau und der Priester". Dieses Buch habe ich in meiner Arbeit nicht verwendet, es gehört jedoch zum Hin­ter­grund, der Autor sieht Jesus eher wie Johannes d. T. als Prophet. Er hat auch eine realistische Erklärung, wer der leibliche Vater Jesu war. Wie dem auch sei, konnte dieser “Tatbestand” natürlich nicht in die "Verkündigung von Jesus" einfließen. Da passte die Geschichte, wie der Erzengel der Jungfrau Maria erschienen war, viel besser.


85. Jan Heller ("Der Na­me Eva", Archiv orientalni, Prag 26, 1958) war allerdings kein “Anti-Theologe”, so viel ich weiß. Doch denke ich, dass in der Arbeit über den Namen “Eva” schon ein sehr kritischer Ansatz ist, den Heller allerdings, wieder so viel ich weiß, nicht weiter verfolgt hat – aus welchen Gründen auch immer. Im Prinzip hat Heller mit seiner Arbeit doch die ganze Erbsündenlehre der Kirchen entzaubert.


86. confirmatio: Ich verwende hier einen Ansatz, auf den ich in mei­ner Dip­lomarbeit im Fach Dogmatik zum Sinn des Firmsakraments ge­kommen war. Ich habe versucht, die Bedeutung der Worte im Urtext in unsere heutige Sprache zu übertragen. Siehe dazu die Abhandlung von Dr. Karl Schlütz: „Isaias 11,2 (die sieben Gaben des hl. Geistes) in den ersten vier christlichen Jahrhunderten“ in: Alttestamentliche Abhandlungen Breslau/Müns­ter, XI. Band, 4. Heft, 1932). Die Arbeit wurde mit „gut“ bewer­tet, damit habe ich also eine Bestä­tigung, dass ich zumindest nicht völlig falsch liege.

Wenn ich den Text näher betrachte und über ihn nachdenke und bedenke, dass es in der frühen Kirche vermutlich sowohl eine Jesus- als auch eine Paulustradition gab, dann gehörte dieser Text eindeutig zu einer Jesustradititon!


87. Zuhälter: Dazu einmal etwas über die Prostitution in Gesellschaften, in denen sie ver­boten ist. Es gibt sie ja doch, so etwas wie die Prostitution hat etwas mit ei­ner inneren Einstellung von Menschen zu tun, und ist nun einmal mit Gesetz­en nicht oder nur sehr schwer in den Griff zu bekommen. Und weil die Prostitu­tio­n nun einmal gerade in solchen Gesellschaften für Frauen so (le­bens-) ge­fährlich ist, brauchen sie „Beschützer“, also Zuhälter. Und die pas­sen so­zu­sagen die harten Gesetze „realitätsnah-menschlich“ dem jeweiligen Leben an, indem sie dafür sor­gen, dass die Gesetzeshüter nicht so genau hinschau­en und also ihre „Schütz­linge“ in Ruhe lassen – indem sie diese etwa mit Geld bestechen. Doch das hat natürlich für die Frauen seinen Preis, in­dem etwa diese „Be­schützer“ etwas von dem Geld abbekommen, was die Frauen durch ihren „Beruf“ ver­dienen. Je nachdem müssen die Frauen auch für „umsonste­nen Beischlaf“ für die dafür Empfänglichen unter den „Gesetzeshütern“ zu Verfü­gung stehen (wie das heute bisweilen auch läuft, siehe unter Hinweis 63), wie natürlich auch für die Zuhälter selbst. Und wenn eine Frau hier mal „zi­ckig“ sein sollte und nicht macht, was und wie die Männer es wollen, dann wird ihr eben schon mal gezeigt, was passiert, wenn der „Schutz“ nicht mehr funk­tioniert, auch zur War­nung für die anderen Frauen. So stell­te man damals also etwa einer Frau eine Falle und richtete es so ein, dass sie „auf frischer Tat“ ertappt wurde, wie es das damalige Gesetz vorschrieb, da­mit sie also vor den „Kadi“ kam und für ihre „Zickigkeit“ mit dem Leben be­zahlen musste. Ob die Ge­set­zeshüter nun wussten oder zumindest ahn­ten, was hier lief, ist letzt­lich gleich­gültig. Niemand traute sich jedenfalls diesen Sumpf auf­zudecken, schließlich war das ja auch für die „Aufdecker“ gefähr­lich, hier ging es nun einmal auch um Leben und Tod (siehe Hinweis 34), und wie sollte die­se „Auf­de­ckerei“ auch geschehen? Hier war ja sozu­sagen ein – wenn auch vermut­lich unaus­gesprochenes – Komplott von Tätern und Wegschauern am Werk, in dem auf teuflische Weise alle Beteiligten zu­sammenhielte!


88. Die Geschichte von der Sünderin nach Johannes 8 und warum diese Geschichte vermutlich wahrer ist als das ganze sonstige Johannesevangelium und überhaupt als das Neue Testament: Zwar ist die Erzählung, wie Jesus die Sünderin vor der Steinigung rettet, nachträglich in das Johannesevangelium eingefügt worden, doch – so der Jesuit Professor Rupert Lay – gerade deswegen ist sie wohl wahrer als das ganze übrige Johannesevangelium. Ich kann mich nicht mehr an seine Begründung im Einzelnen erinnern, doch ich gebe hier meine wieder mit dem Hintergrund der „Enttarnung“ des Neuen Testaments in dem Text "Der Kriminalfall Jesus": Diese Erzählung erinnerte bei der Konstruktion der Evangelien in dem Sinn, den ich für den ursprünglichen halte, einfach zu sehr an das Anliegen des wirklichen Jesus. Daher wurde sie weggelassen, denn genau die Erinnerung an den wirklichen Jesus sollte ja durch die paulinische Ideologie unterdrückt werden. Auch als dann um 100 n. Chr. das Johannesevangelium von wem auch immer verfasst wurde, war sie in diesem Evangelium zunächst einmal nicht enthalten. Doch weil nun Jesus in dieser Erzählung so brisant war, weil er einmal ein Mann war, der die große Ausnahme unter allen sonstigen Männern war, der sich wirklich für Frauen einsetzte, war sie im Volk noch in Erinnerung. Sie war eben immer wieder von den Müttern auf die Töchter und von denen dann auf ihre Töchter usw. weitergegeben worden nach der Devise: "Da war einmal ein Mann, der sich wirklich für uns Frauen eingesetzt hatte, doch wir wissen, wie es ihm ergangen ist." Als dann das Johannesevangelium auftauchte, wurde „vom Volk“ sein Wahrheitsgehalt daran gemessen, ob also auch diese Erzählung in ihm enthalten war. Und weil sie nicht enthalten war, wurde sie nachträglich eilends in es eingefügt – darauf spekulierend, dass der ursprüngliche Sinn vergessen war – jetzt also mit einem anderen Sinn, nämlich dem der Barmherzigkeit und Vergebung Jesu und dass wir uns daran ein Beispiel nehmen sollen. So wurde auch hier wieder der wirkliche Jesus entschärft – und dabei ist es bis heute geblieben, wenigstens vorerst.

Jedenfalls ist diese Geschichte ein wunderbares Beispiel, wie es Jesus um eine lebendige Moral ging, die zutiefst menschlich ist und die sich gegen die erstarrte Moral sei­ner Zeit richtete. Doch wichtiger als diese Einstellung Jesu ist m. E. der ursprüngliche Sinn, dass Jesus ganz offensichtlich die kriminellen Machenschaften im Zusammenhang mit Frauen durchschaute und sich für die Frauen einsetzte. Das wäre also meine Begründung, warum sie eher stimmen dürfte als das ganze sonstige Johannesevangelium.
Und nach der Lektüre der beiden Bücher von Maccoby ("Der Mythenschmied") und Lindtner ("Geheimnisse um Jesus Christus") meine ich sogar, dass diese Sünderingeschichte wahrer ist als das ganze sonstige Neue Testament. Siehe auch die Hinweise 63 und 65.

Natürlich: Vor allem mit dieser Geschichte begründe ich meinen Ansatz – und alle diejenigen, denen dieser Ansatz nicht passt, die versuchen es zumindest, den Wahrheitsgehalt dieser Geschichte oder auch ihre Identifizierung als Bestrafungsgeschichte aus der Halbwelt in Zweifel zu ziehen oder auch als belanglos hinzustellen. Ich meine allerdings, dass sich diese Kritiker mal fragen sollten, ob hinter ihre kritischen Haltung wirklich ein wissenschaftliches Interesse an der Person Jesu steht oder ob ihnen diese Identifizierung als Engagement für eine Aufwertung der Frauen einfach nicht passt, weil sie letztlich viel eher auf der Seite der Verbrecher stehen, die Jesus ans Kreuz gebracht und ihn hinterher verfälscht haben?

Ich weise auch hier darauf hin, dass die Einstellung zu Frauen "nur" der Gipfel der Frauenverachtung ist, die zur Zeit Jesu offensichtlich üblich ist, siehe unter "Zeitgeschichte".


89. "über die kriminellen Strukturen damals": Die klassische Geschichte, wie eine Frau wegen Ehebruchs mit dem Tod be­straft werden soll, was auch beinahe gelingt, ist die Geschichte von der schö­nen Susanna im An­hang des Buchs Daniel des Alten Testaments – und da wird auch dargelegt, dass der Hintergrund ein krimineller ist. Da wollen also zwei „Ältes­te“, nach außen hin ehrenwerte „Obere“ der jü­dischen Gesell­schaft, Sex mit der schönen Susanna, einer keuschen und gottesfürcht­igen Ehe­frau haben und stellen sie vor die Alternative, entwe­der ihnen „zu Willen zu sein“, also mit ihnen Sex zu machen, oder falls sie sich weigert, dass man sie an­zeigen und ver­klagen werde, dass man sie be­obachtet hätte, wie sie Sex mit einem jun­gen Mann hatte (der aller­dings „lei­der“ entwischt sei). Ich denke, es ist ei­ne span­nende Kriminalge­schichte, in der es auch ein getrenn­tes Verhör gibt, um die Wahrheit heraus­zufinden, und auch noch zwei Todes­strafen. Es ist jeden­falls lohnend, diese Ge­schichte ein­mal genau zu lesen (sie ist in ka­tholischen Bibeln und im In­ter­net zu fin­den), um das Den­ken in der damaligen Zeit bes­ser zu ver­stehen.
Warum nur kommt niemand nun auf die Idee, dass der Hintergrund der Erzäh­lung von der Sünderin in Joh. 8 auch ein krimineller ist? Dazu zunächst einmal zu den damaligen Rechtsverhältnissen: Daher die hier kurz: Sex außer­halb der Ehe galt damals bei den Juden als Göt­zen­dienst, schließlich gehörte die kultische Prostitution in vielen nichtjüdi­schen Religionen zum Kult für die Göt­ter, und wurde daher als Götzendienst, also mit dem Tod, bestraft. Das Prob­lem ist allerdings, wie man nun erkennt, wer mit wem solchen Sex treibt, da­mit es überhaupt zu einer Anklage und zu ei­nem Verfahren kom­men kann? Die Vor­schrift war also: Die „Schuldigen“ mussten dafür durch zwei (männli­che!) Zeu­gen auf frischer Tat ertappt worden sein. Aller­dings wer hatte „so etwas“ schon so ge­nau beobachtet, und auch noch zu­sam­men mit einem anderen Zeugen, und wer rennt dann auch noch gleich zum „Kadi“, wenn er doch weiß, dass das die Todes­strafe für die Be­treffen­den bedeu­tet? Und wer hat schon etwas davon, wenn er so gemein ist? In der Pra­xis kam es also so gut wie nie zu sol­chen Ankla­gen und zu Todesur­teilen, selbst wenn es solche Sex­geschich­ten und sogar Prostitu­tion zur Ge­nüge gab.

Aber wann kam es denn zu Anklagen und Verurteilungen? Vermutlich pas­siert­e das nur dann, wenn es gar nicht um eine Bestrafung aus morali­schen Gründen ging, sondern wenn die Gesetze bewusst missbraucht wur­den zur Erpressung von Frauen oder zur Bestrafung von Frauen, die bei sol­chen Er­pressungen nicht mitgemacht hatten – genau wie in der Susannageschichte.

So wird es also hier bei der Verurteilung und geplanten Stei­nigung dieser Sün­derin in Johannes 8 gewesen sein. Anders als Susanna hatte die Frau gewiss Sex, vermutlich war sie eine Prostituierte, doch man hatte ihr wohl eine Falle gestellt, um einen Grund zu haben, sie zu bestrafen – um ihren „“Kolleginnen“ und überhaupt alle anderen Frauen zu warnen, wie es ihnen ergeht, wenn sie nicht mitmachen, was die Männer oder besser Zuhälter im damaligen Sexgewerbe wollen. Für Jesus war diese Frau also nur ein Opfer, daher ging er so milde mit ihr um. Ihm ging es vielmehr um die Täter im Hintergrund, also um den Sumpf, der dahin­ter steck­te, um diejenigen, die die Ursache waren, dass es sol­che Prosti­tuierten über­haupt gab. Und zu diesen Tätern gehörten für ihn nun nicht nur die ver­brecheri­schen Ankläger, sondern vor allem auch alle diejenigen, die immer nur wegschauen und dazu noch gera­de den jungen Men­schen nur eine fal­sche Moral (oder besser eine Schein­moral) beibringen, so dass sie in 81 diese „kaputten Systeme“ immer wieder neu hi­neinschlitterten.

Und dabei musste er schließ­lich selber ster­ben bei seinem Engagement „ge­gen die Heuchler, gegen die Sünde, für die Liebe“.

Jeden­falls kann man von dieser Geschichte her und ähnlichen Fällen aus Kul­turen, in denen Ehebrecherinnen gesteinigt werden, nun den wirklichen Jesus sehr gut rekonstruieren, so denke ich doch! Die Geschichte ist zwar im Fall Jesus etwas an­ders als bei der Susannageschichte, doch so viel schält sich heraus, wenn wir über diese Geschich­te näher nachdenken: Die Frau wurde nicht zur Steinigung verurteilt, weil sie gesündigt hatte, son­dern wohl eher, weil sie NICHT bei dem, was kriminelle Männer von ihr wollten, mitgemacht hatte.

Und da es sich hier vermutlich nicht um einen Einzelfall in einer ansonsten sittlich hochstehenden Gesellschaft handelte, engagierte sich Jesus für eine Ände­rung. Und eine sol­che Änderung hätte zu einer wirklichen Revolution geführt. Doch die wollte niemand wirklich, also musste Jesus „aus dem Weg geräumt werden“.
Ergänzung im Sommer 2020: Inzwischen bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass es sich bei beiden Geschichten, also der Susannageschichte im Anhang des Buchs Daniel, und der Sünderingeschichte in Johannes 8, um Geschichten aus der Praxis der Halbweltmafia handelt: Die Susannageschichte beschreibt einen missglückten Versuch von Männern der Halbweltmafia, eine Frau zur Prostitution zu erpressen, und die Sünderingeschichte beschreibt einen missglückten Versuch, eine Frau mit dem Tod zu bestrafen, die sich den Wünschen von Männern der Halbweltmfia nicht gefügt hatte. Sollte ich einmal in die Verlegenheit kommen, ein Buch zu machen, werde ich alles neu schreiben ...und von vornherein besser ...


90. "Kniffe der Natur": Beim Besuch eines befreundeten Bauern in Ostpreußen (im heute polnischen Teil), der Schweine züchtet, fielen mir die zahlreichen Rattenlöcher um den Stall herum auf und ich sprach meinen Freund darauf an. “Ja”, meinte er, “mit diesen Tierchen müs­sen wir leider wohl leben. Wir haben zwar Hunde und brauchen die auch, die ab und zu einmal eine Ratte erwischen, doch im All­ge­meinen sind Hunde nicht für die Rat­ten­jagd geeignet. Geeignet wären eher Katzen. Doch leider kommen unsere Hunde nicht mit Katzen klar, wir haben es ja versucht, Katzen her zu holen, es ist auch schon einmal eine von alleine gekommen, doch die Hunde jagen immer die Katzen und beißen sie tot. Es hat einfach keinen Zweck.”

Ich habe nun diese Geschichte hier im Westen Deutschlands Freunden er­zählt und eine – offensichtlich sehr lebenskluge – Freundin meinte, dass ich meinem Freund doch den Tipp geben sollte, der besonders scharfen Hündin einfach mal kleine Kätz­chen “unterzuschieben”, die sie dann erfahrungsge­mäß als Mu­tter annehmen und großziehen würde – und mit diesen Katzen kämen die Hun­de dann auch aus. Zuerst war mein Freund ja skeptisch, ob das so funktionie­ren würde und er machte es einf­ach nicht, vermutlich hatte er auch niemanden, der Kätzchen loswerden wollte, also sprach ich ihn bei einem weiteren Besuch erneut darauf an. Und als ich ihn dann wieder einmal besuchte, fielen mir sich friedlich sonnende Hunde und Katzen vor seinem Haus auf – ja, er hatte es so gemacht, wie meine Freundin es gesagt hatte. Und es hatte funktioniert. Auch war sein Bauernhof jetzt weitgehend frei von Ratten.

Oder eine andere Geschichte: Ich hatte mir vor ca 20 Jahren günstig ein Grund­stück in Südfrankreich am Atlantik mit einem alten Supermarkt gekauft, den ich mit Freun­den gut für Ferienwohnzwecke umbauen konnte. Und da das recht große Grund­stück recht wild aussah, dachte ich, Bäume und Bü­sche anzu­pflan­zen, damit es ein wenig wie ein Park wird. Bei den einen jun­gen Pflänz­chen, den “Arbousiers”, wie Nachbarn sie nannten, die quasi als Unkraut an den Waldfändern wuchsen, klappte das sehr gut, Doch bei den anderen, den kleinen Pinien, klappte das gar nicht. Da gingen von 25 Bäum­chen, die ich ge­pflanzt hatte, nur zwei an. Zufällig kam ich mit einem Nach­barn darüber ins Ge­spräch und er erzähle mir den “Trick” bei den Pinien. Und von den 3 Pinien, die ich daraufhinn unter Berücksichtigung dieses “Tricks” gepflanzt habe, gingen alle an – und sind heute große, stattliche Bäume. Wer den Trick, der eigentlich ganz einfach ist, wissen will, möge mir bitte schreiben. Ich gebe ihn gerne weiter!

Und noch so eine “Geschichte”: Wenn man einen entflogenen Bienenschwarm eingefangen und einen idealen Bienenstock für ihn vorbereitet hat, darf man den Bienenschwarm keinesfalls in diesen Stock hineinlegen, die Bienen würden ihn nicht annehmen. Doch so geht´s: Man legt vor die Einflugöffnung ein weißes Brett und an das untere Ende des Bretts legt man den Bienenschwarm. Wenn man Glück hat, marschieren ein paar Kundschafterbienen das Brett hinauf zu der Öffnung und sie untersuchen das Innere des Stocks und sie marschieren zurück zu ihren Kameraden und holen sie nach. Man kann auch einigen Bienen mit einem Löffel nachhelfen, den Stock zu "finden".

Warum ich das alles erzähle? Ganz einfach: Beim Umgang mit der Natur darf man nie aufgeben, man muss eben nur die passenden “Tricks” (das Wort klingt et­was sa­lopp, doch es ist hier genau das passende Wort) kennen. Und wenn man die kennt und entsprechend anwendet, dann sind sogar Dinge möglich, die ansons­ten für ein­fach unmöglich gehalten werden. Ich denke, so ist das auch mit unserer menschli­chen Sexualität und vor allem mit der Sexualer­zie­hung im Hinblick auf eine hohe Mo­ral, also auf eine Moral der echten Mono­ga­mie!


91. Ausblick: Immer wieder: Barry Bennell, Harvey Weinstein, Rothenham, Oxfam, Ärzte ohne Grenzen, Odenwaldschule, katholische Priester, Kölner Dom­platte ...

Allerdings ist dann auch wieder bisweilen oft in eher lächerlicher Weise von Sexismus die Rede, wenn ich etwa an den Vorwurf wegen dieses Gedichts “Avenidas” an der Berliner Alice-Salomon-Hochschule denke.

Auf alle Fälle ist das alles doch nur die Spitze eines Eisbergs. Für mich ist die “Mutter von allem Sexismus”, dass in unserer ganzen Gesellschaft, und kei­nesfalls nur in den Religionen, Mädchen im Hinblick auf echte Monogamie dumm und unwissend gelas­sen werden, und sie dadurch im Endeffekt gera­dezu zu fragwürdigen “Be­ziehungen” manipuliert wer­den. Das funktioniert ganz einfach und sieht auch noch sehr moralisch aus, indem die jungen Men­schen mit ihrem hochmorali­schen Potential in Rich­tung einer Scheinmoral der Scham und des Nicht­re­dens geschickt wer­den. Da ist es schon bald kaum noch er­wähnens­wert, wenn ihnen schließ­lich “diese fragwürdigen Beziehun­gen” auch noch als Zeichen ihres Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung dar­gestellt werden, die dann auch noch angeblich zur besonders gelungenen Emanzi­pation gehören.

Ich sehe die tiefste Ursache von allem, dass wir nach wie vor immer noch ei­ne Macho-Gesellschaft mit allen möglichen und unmöglichen Rationa­li­sierun­gen sind. Ein wirkliches Fitmachen junger Menschen, dass sie ihre Moral in ihre eigenen Hände nehmen können, mit dem Ziel einer echten Moral, und das ist eine Moral der echten Monoga­mie, die will ja niemand wirklich. Natür­lich: Auch mit dieser weitgehend üblichen Beschützerei­men­talität kann biswei­len eine hohe Moral gelingen, doch nur, wenn einige glückli­che Umstände zu­sammenkommen. Doch wo kann man mit denen heute schon rechnen?

Ein schönes Bild, wie man junge Menschen wirklich fit macht, vor dem Ver­derblichen bewahrt zu werden, ist für mich etwa die Pockenschutz­impfung. Die funktioniert, indem der junge Mensch nicht vor allen Krank­heitserregern abgekapselt wird, sondern indem er durchaus mit Krankheitserregern infiziert wird, jetzt allerdings kontrolliert mit ab­geschwächten Krank­heitserregern, so dass er selbst Antikörper bildet. Und diese Antikörper machen ihn gegen die echten Pocken, wenn sie irgend­wann einmal kommen sollten, im­mun (“aktive Immunisierung”). Auf diese Weise wurden übrigens die Po­cken, früher eine gefürchtete Seuche mit weltweit vielen Todesopfern, ausge­rottet.

Wo gibt es nun etwa in unserer Gesellschaft Initiativen, wie eine solche aktive Immunisierung in der Sexualmoral aussehen könnte, die auch zur Diskussion gestellt werden? Hier könnte es gewiss unterschiedliche Wege geben.

Jedenfalls muss es in unserer christlichen Religion einmal anders gewe­sen sein. Denn wenn ich mir die alten Texte gerade von Taufe und Fir­mung anse­he, dann geht es in denen offensichtlich nicht darum, den Glau­ben zu bewah­ren, wie das heute gesehen wird, sondern dass die jungen Menschen, denen diese Sakramente vorwiegend gespendet wur­den, fit (und vor allem intelli­gent) gegen das Böse werden. Diese Texte lassen auf eine vorhergehende “Schulung” schließen, in der den jungen Men­schen also die geeigneten In­formaitonen beigebracht wurden, wie sie die echte Monogamie selbst in einer glaubens- und moralfeindlichen Welt leben können. Also gab es damals wohl so etwas wie eine Immunisierung.


92. "schöne brave Religion": Hyan Maccoby beschreibt Paulus als "Erfinder der christlichen Mysterienkults" bis hin zum Abendmahl ("Der Mythenschmied" S. 128): "In der Zusammenschau aller Belege läßt sich an dieser Stelle festhalten, daß Paulus und kein anderer der Schöpfer des Abendmahlsritus war. Er verlieh dieser Neuerung, die er in Wirklichkeit aus den Mysterienkulten abgeleitet hatte, Ansehen durch eine Vision, in der er Jesus beim Letzten Abendmahl dabei gesehen hatte, wie er seinen Jüngern Anweisungen über den Vollzug dieses Ritus gegeben hatte. Diese paulinische Vision wurde später als historische Tatsache in die Evangelien eingefügt, nämlich in deren Erzählungen vom Letzten Abendmahl, und wurde so als solche von der großen Mehrzahl der NT-Forscher (Anmerkung des Autors der Website: bis heute!) übernommen. Die Anhänger Jesu in Jerusalem, die als fromme Juden die Vorstellung, Jesu Fleisch zu essen und sein Blut zu trinken, als widerwärtig empfunden hätten, praktizierten diesen Ritus nie, sondern trafen sich schlicht zu gemeinschaftlichen Mahlzeiten, bei denen zuvor das Brot gebrochen wurde, ganz so, wie es die jüdische Überlieferung einzelnen Gemeinden innerhalb der gesamtjüdischen Gemeinschaft empfiehlt."


93. Wissenschaft: Ja, was ist überhaupt Wissenschaft? Günter Dueck, Mathematiker, Jahrg. 1951, kommt in seiner Trilogie "Omnisophie - Supramanie - Topothesie" auch auf das Thema "Wissenschaft" zu sprechen. Er sagt etwa: Wenn jemandem auf einer Gebirgswanderung bestimmte Bäume und Pflanzen auffallen, er bestimmte Verfärbungen des Bodens erkennt und welche Merkwürdigkeiten auch immer (was alles sonst niemandem auffällt) - und er daraus den Schluss zieht, dass hier etwa Gold im Boden sein muss und dass dies schließlich auch wirklich der Fall ist, so ist das ein Zeichen von Wissenschaftlichkeit dieser Person. Das Herausholen des Goldes aus dem Boden ist dagegen "nur" Kunsthandwerk.
Oder auch: Ein Professor berichtet am Semesterende über die Forschungen in seiner Fakultät. Dabei erwähnt er nicht die hervorragende Doktorarbeit eines seiner Assistenten. Der Assistent fühlt sich übergangen und ist ärgerlich. Nein, er muss es nicht sein, denn die Idee dieser Arbeit kam vom Professor, der hatte also die Vermutung, dass hier etwas Wichtiges zu erforschen war, die Arbeit war dann nur noch "Kunsthandwerk".
Also: Wissenschaft hat etwas mit dem Ungewöhnlichen, mit Intuition, sogar mit "Ver-rücktem" zu tun, etwas zu sehen, was sonst niemand sieht - und hier nicht aufzugeben, sondern mit Geduld, Kreativität und Durchhaltevermögen das Ziel bis zur Lösung zu verfolgen. Natürlich, es muss wirklich an dem Ziel etwas dran sein.


94. Pharisäer: Maccoby versucht, das negative Bild der Pharisäer, das wir Christen auch aufgrund der negativen Sicht der Pharisäer im Neuen Testament haben, zu korrigieren. Es waren also nicht die Pharisäer, die etwas gegen Jesus und seine Anhänger hatten, sondern vielmehr der Hohepriester und seine "Mannschaft", die mit den Römern zusammen arbeiteten. Allerdings kann ich nicht glauben, dass die Pharisäer bei dem, um was es Jesus ging, ganz unschuldig waren, sie werden hier genauso weggesehen haben wie das sonstige Establishment zur Zeit Jesu. Ich zitiere dazu zwei Passagen aus dem Buch von Maccoby über die Pharisäer und über die Priester und den Hohenpriester:

S. 19: "WENN WIR die Frage beantworten wollen, ob Paulus ein Pharisäer war oder nicht - oder auch die Bedeutung seines Anspruchs verstehen wollen, einmal einer gewesen zu sein -, dann ist es nötig, uns genauer als gewohnt damit vertraut zu machen, wer die Pharisäer waren und wofür sie standen. Hierbei dürfen wir nicht dem Pharisäerbild der Evangelien vertrauen, welches durch massive Feindseligkeit verzerrt ist. Die Evangelien zeichnen die Pharisäer als die Hauptwidersacher Jesu, die ihn dafür kritisierten, daß er am Sabbat Kranke heilte, und sogar planten, ihn wegen dieser Krankenbehandlungen zu töten. Ebenso stellen die Evangelien Jesus als jemanden hin, der die Pharisäer massiv kritisierte und als Heuchler und Volksbedrücker bezeichnete. Aufgrund dieses Evangelienbildes ist das Wort »Pharisäer« für den abendländischen Geist ein Synonym für »Heuchler« geworden, und die den Pharisäern zugeschriebenen Charaktermängel - Selbstgerechtigkeit, Schäbigkeit, autoritäre Rigidität und Ausschließlichkeitsanspruch - haben manches zu den Stereotypen des Antisemitismus beigetragen und wurden schließlich den Juden allgemein zugeschrieben.

In neuerer Zeit sind auch viele christliche Gelehrte dahintergekommen, daß dieses Pharisäerbild der Evangelien Propaganda ist und nicht Tatsache.2 Unsere Hauptquelle authentischer Information über die Pharisäer ist deren eigenes umfangreiches Schrifttum, das Gebete einschließt, Preislieder, Weisheitsbücher, Gesetzbücher, Predigten, Bibelkommentare, mystische Abhandlungen, Geschichtswerke und vielerlei mehr. Weit davon entfernt, öde und trockene Ritualisten zu sein, waren sie vielmehr eine der schöpferischsten Menschengruppen der Geschichte.

Des weiteren aber waren die Pharisäer - alles andere als starre und mechanische Gesetzesanwender und religiöse Vorschriftenverpasser - für die Milde ihrer Gesetzesentscheidungen bekannt (wie der im ersten nachchristlichen Jahrhundert schreibende Historiker Josephus ausführt [Ant. XIII 294] und wie dies die pharisäischen Gesetzesausführungen in aller Breite bestätigen), ebenso wie für die Menschlichkeit und Elastizität, mit welcher sie das »Gesetz« der Bibel in den sich wandelnden Bedingungen und höher entwickelten Moralkonzepten ihrer Zeit anzupassen suchten. ..."

S. 27: "Unter den Priestern waren es hauptsächlich ein paar Familien von erheblichem Reichtum und politischem Einfluß bei den (fremden und kollaborierenden) Herrschaftsträgern, die Sadduzäer waren. Die Sadduzäer bildeten in der Tat nur eine kleine Minderheit im jüdischen Volk, meist reiche Grundbesitzer oder ähnlich reiche Priester. Solche Leute waren die natürlichen Verbündeten aller gerade regierenden Machtträger, seien das ptolemäische Griechen, seleukidische Griechen, Hasmonäer, Herodianer oder Römer. Von der Unruhe im Volk waren sie demgemäß isoliert. Den Tempel als das sichtbare Zentrum des Judentums konnte jede beliebige herrschende Macht übernehmen und seine Funktionärsstellen mit Kollaborateuren besetzen. Aber mit den wahren Zentren der jüdischen Religion, die diese Funktion durch ihr Ansehen erworben hatten, nämlich den Synagogen, in denen die Pharisäer dominierten, ließ sich das nicht machen, da sie zu unscheinbar und zu verstreut waren; sie wären nicht »pluralistisch« durch eingeschleuste Einflußagenten umzufunktionieren gewesen, auch wenn die Römer dies als besten Weg zur Aushöhlung des jüdischen Widerstands erkannt hätten. Zu Zeiten Jesu und Pauli waren die Römer die Besatzungsmacht, welche für die Einsetzung eines ihnen genehmen Hohenpriesters sorgten, genau wie vor ihnen Herodes. Sie dachten, durch die Einsetzung eines dienstfertigen Quislings als Hohenpriester schon Kontrolle über die jüdische Religion gewonnen zu haben, kaum bemerkend, daß in dieser Religion das äußerlich sichtbare Haupt, der Hohepriester, in Wirklichkeit wenig zählte, da ihn die Mehrheit der Juden verachtete und ihm sogar im Bereich seiner offiziellen Zuständigkeiten wenig echte Autorität zuschrieb."


95."splitternackt": Hier gibt es doch offensichtlich einen Widerspruch in der Überlieferung des Neuen Testaments. Auf der einen Seite sind die Täuflinge bei der Taufe nackt, auf der anderen Seite kennen wir die Passagen am Anfang des 1. Korintherbriefs 11, dass die Frau beim Gebet ihr Haupt verhüllen soll usw. Und die Taufe ist ja auch so eine Art Gebet, wieso bei dem also nackt? Wie passt das zusammen? Die Lösung ist vermutlich ganz einfach: Es gibt nun einmal zwei "Sprösslinge" unseres Glaubens. Der eine ("splitternackt") ist der "Sprössling Jesus", und der steht für Offenheit, Lebensklugheit, Mut, Rationalität, Progressivität, echte Moral, gegen Spießigkeit und gegen Aberglauben, und der anderen steht für den "Sprössling Paulus", und der steht für genau das Gegenteil von allem, also für Mystizismus, Geheimniskrämerei, Glaube an Irrationales, mehr oder weniger blinder Gehorsam an alles, was "von oben" kommt, ja auch Frauen- und Judenfeindlichkeit. Leider hat nun der "Sprössling Paulus" die Botschaft Jesus bisher weitestgehend verfremdet - die Frage ist, wie lange noch? Denn wenn ein Problem erst einmal erkannt ist, dann kann es auch zu einer Lösung kommen.


96. "griechische und römische Kultur": Ja, was im Christentum ist griechisch-römisch, was jüdisch? War Jesus nun derjenige, dem es um die echte Monogamie der Menschen ging, also um eine echtes jüdisches Anliegen, um die es nach allem, was wir wissen, zu seiner Zeit auch nicht so gut bestellt war? Nicht zuletzt zitiert in diesem Sinn auch Papst Benedikt in sei­ner Regensburger Rede den evangelischen Theologen Adolph von Har­nack (1851-1930): “Als Kerngedanke erscheint bei Harnack die Rück­kehr zum ein­fachen Menschen Jesus und zu seiner einfachen Botschaft, die al­len Theolo­gisierungen und eben auch Hellenisierungen voraus liege: Diese einfache Botschaft stelle die wirkliche Höhe der religiösen Entwick­lung der Menschheit dar. Jesus habe den Kult zugunsten der Moral verab­schiedet. Er wird im letz­ten als Vater einer menschenfreundlichen morali­schen Bot­schaft darge­stellt. Dabei geht es Harnack im Grunde darum, das Christen­tum wie­der mit der mo­dernen Vernunft in Einklang zu bringen, eben indem man es von scheinbar philosophischen und theologischen Ele­menten wie etwa dem Glau­ben an die Gottheit Christi und die Drei­ein­heit Gottes be­freie.“


97. "die Rolle des Paulus .... nicht unwidersprochen": Maccoby kommt hier auf die frühe judenchristliche Sekte der "Ebioniten" zu sprechen, die in der Tradition der Jerusalemer Urgemeinde standen und die Ideen esu besonders beachtet hätten. Ich zitiere hier ab Seite 197:

"Dennoch ist das, was von ihrem Zeugnis über die Ursprünge des Christentums überliefert ist, von einzigartiger Bedeutung, denn im Unterschied zur katholischen Kirche standen sie in direkter Kontinuität zur »Kirche von Jerusalem« und dementsprechend zu Jesus selbst. Was sie über Paulus und die Umstände schreiben, unter denen er mit der »Kirche von Jerusalem« brach, verdient Beachtung und Respekt, nicht, wie üblich, Häme und Ablehnung.

Das Zeugnis der Ebioniten ist uns in zweierlei Gestalt überliefert. Zunächst finden sich in den Schriften der Kirchenväter Justinus Martyr (2. Jhd.), Irenäus, Hippolyt und Tertullian (Ende 2. Jhd./i- Hälfte 3. Jhd.), Origenes (Mitte 3. Jhd.), sowie Epiphanius und Hieronymus (4. Jhd.), wie schon erwähnt, Zusammenfassungen ihrer Anschauungen. All diese Autoren bestätigen, daß die Ebioniten sich gegen Paulus wandten, den sie als falschen Propheten ablehnten.

Der zweite Zweig der Überlieferung ist eher indirekter Art, Ergebnis der Detektivarbeit neuzeitlicher Gelehrter, nichtsdestoweniger aber sehr überzeugend. Bestimmte Texte, die uns aus der Antike und dem Mittelalter überliefert sind, stammen nach außen hin nicht von den Ebioniten, sondern von anderen religiösen Gruppierungen; doch aufwendige Analysen von Spezialisten konnten zeigen, daß alle diese Schriften eine Textebene enthalten, die von einem ebionitischen Autor stammt und später von einem nicht-ebionitischen Verfasser übernommen und überarbeitet wurde. Folgende zwei Schriften sind für unser Thema am aussagekräftigsten:

Die pseudoclementinischen Schriften. Diese Schriften blieben als anerkannte Schriften der Kirchenväter erhalten, da man fälschlicherweise annahm, sie stammten von dem ziemlich legendären Papst Clemens L, von dem man seinerseits gemeinhin annahm, er sei Schüler von Petrus selbst gewesen. In Wirklichkeit - das hat F. C. Baur im 19. Jahrhundert schon nachgewiesen, und nachdem eine Zeitlang gestritten und Baurs Arbeit verleumdet wurde, wird es mittlerweile vom größten Teil der Fachwelt akzeptiert - ist das Kernstück dieser Schriften judenchristlicher oder ebionitischer Provenienz; es kommt aus dem Syrien des 2. Jahrhunderts. Es zeugt von einer standhaften Treue zur Thora und enthält einen leidenschaftlichen Angriff gegenüber Leuten, die Petrus gegen die Thora gerichtete Ansichten unterstellen. Paulus wird nicht namentlich erwähnt, aber es gibt überdeutliche Hinweise auf ihn als den schlimmsten Feind unter der Maske des »Simon Magus«, gegen den Petrus im Text polemisiert. Petrus greift den nur oberflächlich verkleideten Paulus mit der Begründung an, er sei ein falscher Prophet, er habe Lügen über ihn, Petrus, verbreitet und, was das Wichtigste ist, er wisse nichts über die wahren Lehren Jesu, da er ihn nie von Angesicht getroffen habe und seine Vorstellungen über Jesus nur auf trügerische Visionen baue. Daß es sich bei diesem »Simon Magus« wirklich um Paulus handelt, wird mittlerweile von der Fachwelt akzeptiert, nachdem zahlreiche Religionswissenschaftler Baurs Ergebnisse in dem verzweifelten Versuch angegriffen hatten, eben diese Schlußfolgerung nicht nachvollziehen zu müssen, da ihnen durchaus klar war, zu welch weitreichenden Folgerungen ein solches Zugeständnis führen würde. Denn damit ist bewiesen, daß Paulus keineswegs eine einmütig akzeptierte Stütze der Kirche war wie Petrus, sondern eine umstrittene Figur, über deren Rolle bei der Gründung des Christentums erbittert gestritten wurde.

Die arabische Handschrift, die Shlomo Pines entdeckte. Der israelische Wissenschaftler Shlomo Pines entdeckte ein interessantes Zeugnis der Ansichten einer judenchristlichen Gemeinde zu einem späteren Zeitpunkt, vermutlich im Syrien des 5. Jahrhunderts. Er untersuchte in Istanbul ein arabisches Werk aus dem 10. Jahrhundert, verfaßt von einem Abd al-Jabbar, und konnte dabei zeigen, daß ein Abschnitt dieses Werkes in Wirklichkeit aus judenchristlicher Quelle stammt und in das arabische Manuskript eingearbeitet worden war. Der Text verrät eine ebionitische Grundhaltung: Glaube an die fortdauernde Gültigkeit der Thora, Bestehen darauf, daß Jesus ein Mensch und Prophet war, und entschlossene Gegnerschaft zu Paulus als dem Fälscher der Lehren Jesu. Folgen wir diesem Text, dann hat Paulus vor allem deswegen die Befolgung der Thora aufgegeben, um dadurch die Rückendeckung Roms sowie Macht und Einfluß für sich selbst zu erreichen. Der Text gibt Paulus sogar Schuld an der Zerstörung des Tempels in Jerusalem durch die Römer: seine antijüdische Propaganda habe die Römer gegen die Juden aufgehetzt. Sein Christentum, so unsere Quelle, war in Wirklichkeit »Römertum«; anstatt die Römer zu Christen zu machen, machte er aus den Christen Römer.

Diese judenchristliche Quelle enthält gleichzeitig einige Äußerungen heftiger Kritik an den Evangelien, von denen es heißt, sie seien nicht vertrauenswürdig und widersprächen sich selbst. Zuverlässig sei einzig und allein das ursprüngliche, hebräisch geschriebene Evangelium; ob jedoch die Gemeinde, die unsere Quelle hervorgebracht hat, immer noch über ein Exemplar dieses Evangeliums verfügte, bleibt unsicher. ...

Insgesamt ergibt sich aus dem Text das Bild einer judenchristlichen Gemeinde aus dem 5. Jahrhundert, die in vielerlei Hinsicht die Verbindung zu den eigenen Quellen verloren hat und es gerade eben schafft, im Untergrund zu überleben, aber immer noch an Glaubenselementen festhält, die aus einigen Jahrhunderten vor ihrer Zeit stammen, einer Gemeinde, die an bestimmten Punkten immer noch die Verbindung zu den allerfrühesten Judenchristen überhaupt bewahrt hat, der Nazarener-Gemeinde von Jerusalem unter der Führung von Jakobus und Petrus.

Die Ebioniten konnten nicht überleben - aus dem einfachen Grund, weil sie erbarmungslos von der katholischen Kirche verfolgt wurden. Wurde jedoch diese Unterdrückung aus irgendeinem Grund unwirksam (z.B. dadurch, daß ein Landstrich aus christlicher unter moslemische Herrschaft geriet), kamen sie gelegentlich aus ihren Verstecken und konnten sich offen zu ihrem Glauben bekennen. Es gibt sogar Anzeichen dafür, daß dies noch im 10. Jahrhundert vorkam, und zwar im Werk des jüdischen Philosophen Saadia.  In den allermeisten Fällen jedoch waren die Ebioniten gezwungen, sich hinter der Maske der Rechtgläubigkeit zu verbergen, und nach und nach führte dies zu vollständiger Assimilation. Während der Zeit allerdings, als sie an ihrem heimlichen Glauben noch festhielten, hatten sie oft einen tiefgehenden Einfluß auf das gesamte Christentum; es gibt Gründe für die Annahme, daß zahlreiche »juda'isierende« Ketzereien in der Geschichte des Christentums einschließlich des Arianismus auf im Untergrund aktive ebionitische Gemeinden zurückzuführen sind. Ihr Einfluß ging in Richtung Humanisierung und Sorge für das Diesseits, richtete sich gegen die schlaffe Anpassung an Sklaverei und Unterdrückung und war bemüht, den Antisemitismus der Christen in Schranken zu halten. Die Ebioniten standen für eine alternative Tradition im Christentum, die nie vollständig ausstarb.
Aus diesen Gründen sind die Ebioniten keineswegs eine zu vernachlässigende oder gar lächerliche Gruppe. Ihr Anspruch, die wahren Lehren Jesu zu vertreten, muß ernstgenommen werden. Es ist daher auch ganz falsch, ihre Aussagen und Wertungen über Paulus als nicht der Beachtung wert abzutun.

Beschäftigen wir uns also genauer mit der ältesten noch nachweisbaren Formulierung der ebionitischen Einschätzung des Paulus, die sich in den Schriften des hl. Epiphanius (4. Jhd.) findet! »Sie sagen, er sei Grieche gewesen [...] Er ging hinauf nach Jerusalem, und als er dort eine Weile gelebt hatte, ergriff ihn eine große Leidenschaft für die Tochter des Priesters, und er wollte sie heiraten. Aus diesem Grunde trat er zum Judenrum über und ließ sich beschneiden. Als er das Mädchen schließlich doch nicht bekam, packte ihn rasende Wut, und er verfaßte Schriften gegen die Beschneidung, gegen den Sabbat und gegen das Gesetz« (Epiphanius, Panarion XXX 16,6-9). Dieser Bericht entspricht natürlich nicht der geschichtlichen Wahrheit. Er entspricht dem, was Epiphanius als Aussagen der Ebioniten im 4. Jahrhundert wiedergibt, und trägt den Stempel sowohl der Feindseligkeit des Epiphanius gegenüber den Ebioniten als auch der Feindseligkeit der Ebioniten gegenüber Paulus. Dennoch findet sich ein Kern in diesen Aussagen, der durchaus der Wahrheit entsprechen könnte.

Vor allem zwei Elemente der Geschichte haben sich schon in unseren vorherigen Erwägungen als wichtig herausgestellt: die Tatsache, daß Paulus »Grieche« war (d.h. ein Nicht-Jude aus dem hellenistischen Umfeld) und daß er mit dem Hohenpriester (hier einfach »Priester« betitelt) zu tun hatte. Als drittes Element, das historische Wahrheit beanspruchen kann, findet sich darin, daß Paulus mit seinem Ehrgeiz gescheitert sei, unter den Juden etwas zu gelten, und daß er daraufhin aus den Diensten des Hohenpriesters desertierte und sich in der Jesusbewegung engagierte. Daß Paulus hier als enttäuschter Liebhaber dargestellt wird, ist ein typisches Produkt volkstümlicher Einbildungskraft, geht aber doch nicht ganz am Kern der Sache vorbei. Paulus war tatsächlich verliebt, wenn auch nicht in die Tochter des Hohenpriesters, so doch in das Judentum, dessen Symbol (wenn auch nicht gültiger Repräsentant) der Hohepriester war. Es war die enttäuschte Liebe zum Judentum, die Paulus zur Erfindung des Christentums trieb.

Auf einer weniger emotionalen, realistischeren Ebene war der Hohepriester ja wirklich die Schlüsselfigur im Leben des Paulus: er war sein Dienstherr, als er die Nazarener verfolgte, er war sein unerbittlicher Feind, als er durch seinen Abfall von dessen Kollaborateursregime in Damaskus aus seinen Diensten desertierte, und er stand ihm wieder als Todfeind gegenüber, als er, der feindseligen nazarenischen Volksmenge entkommen, sich unter den Schutz der römischen Polizei geflüchtet hatte.

Der Bericht des Epiphanius ist eindeutig unvollständig, denn er enthält keinerlei Hinweis auf die Beziehungen zwischen Paulus und den Nazarenern von Jerusalem. Die Ebioniten zu Epiphanius' Zeiten hatten sicherlich eine eigene Einschätzung des Verhältnisses zwischen Paulus auf der einen und Jakobus und Petrus auf der anderen Seite.

Dennoch: so unvollständig und romantisierend der von Epiphanius überlieferte Bericht sein mag, so ist er doch in mehreren Aspekten genauer als der Bericht über Paulus, den die Kirche weitergibt, oder gar die Angaben, die Paulus über seine Person in seinen Briefen macht. Anstelle des respektablen Pharisäers makellos jüdischer Abstammung, anstelle des Freundes von Jakobus und Petrus und mit ihnen ranggleichen Führers entdecken wir hinter den verstümmelten und verzerrten Aussagen im Bericht des Epiphanius über die Ansichten zeitgenössischer Ebioniten doch noch Spuren des realen, historischen Paulus - Spuren eines innerlich zerquälten Abenteurers, der mit List und Verstellung seinen Weg findet, sich immer wieder knapp aus gefährlichen Situationen windet und schließlich eine Religion stiftet, die ganz und gar seine individuelle Schöpfung ist."

Die Frage stellt sich natürlich, warum bei Maccoby, der doch offensichtlich sehr gut recherchiert hat, bei Jesus (und natürlich auch bei Paulus) nichts von dem auftaucht, was ich hier als Kern des Engagements Jesu ausgemacht habe. Ich denke, dafür gibt es mehrere Gründe:

1. Auch Maccoby ist typischer Studierstubengelehrter und findet daher nach der These Albert Schweitzers nur das, was seinem "Hobby" entspricht (siehe Hinweis 139), und das ist bei Maccoby nun einmal das Problem des Antisemitismus. Dagegen taucht das Problem der Frauenfeindlichkeit in seinem Buch überhaupt nicht auf.
2. Auch die Eboniten hatten vermutlich sehr große Angst, sich genauso die Finger zu verbrennen, wie sie sich Jesus verbrannt hat - und auch sie dachten, "das Problem" durch besondere Gottesfürchtigkeit zu lösen, ohne es ausdrücklich anzusprechen,
3. Möglicherweise hatten sie das Problem des Engagements Jesu auch gar nicht richtig verstanden, wegen der wohl zu allen Zeiten üblichen Tabuisierung von allem, was mit der Moral der Sexualität zusammen hängt.

Hier noch einige Worte zu Maccoby: Es ist gewiss ein hervorragendes Buch. Aber: Er schreibt lang und breit über die Steinigung des Stephanus und dass die ganze Geschichte etwas wirr klingt. Dabei ist doch ganz einfach: Ich habe zwar nicht viel Griechisch gelernt und war dann auch noch ein sehr schlechter Schüler. Doch so viel habe ich mitbekommen: "Stephanos" ist ein griechisches Wort und bedeutet so viel wie "Siegeskranz" (oder auch im kirchlichen Gebrauch "Märtyrerkranz"). Und dass einer gleich so heißt wie das, was ihm später widerfahren ist, ist doch absolut unwahrscheinlich. Das heißt also, dieses Ereignis von der "Steinigung des Stephanus" hat es nie gegeben, es ist also frei erfunden, die Geschichte wurde geschrieben zur Erbauung der Gläubigen. So ähnlich ist das auch mit der Geschichte von der Veronika, die Jesus während seines Kreuzwegs das "Schweißtuch" reicht und mit ihm das Gesicht Jesu abtrocknet – und hinterher auf dem Schweißtuch das Bild Jesu vorfindet, also das "wahre Bild". Und sie heißt also auch gleich so, "Veronia" ist lateinisch-griechisch und bedeutet "wahres Bild". Zur Ehre der Verfasser der Evanglien muss allerdings gesagt werden, dass diese Episode in ihren Schriften gar nicht enthalten ist, das ist spätere von der Kirche initiierte Volksfrömmigkeit.

Und das andere ist der Grund der Kreuzigung Jesu. Maccoby rätselt herum: "....Zu vermuten ist daher, daß der Galiläer Jesus aus dem gleichen Grunde am Kreuz starb wie viele andere Galiläer: weil er für die römische Besatzungmacht eine Bedrohung oder Herausforderung darstellte..." (S. 49f). Oder auch: "Es bleibt also nur noch eine Anklage der politischen Rebellion übrig..." (S. 51 u.). Auch Maccoby fehlt also jede Phantasie, dass es noch etwas anderes gibt als eine Rebellion aus politischen Gründen .... Wie ich immer sage: "typisch Studierstubengelehrter", also auch Hyam Maccoby, schade ...

98. Auftragstaktik: Die funktioniert aber auch nicht immer. Möglicherweise ging der erste Weltkrieg für Deutschland verloren, weil das eigenmächtige Vorgehen des Generalobersten Alexander von Kluck den sorgfältig vorbereiteten Schlieffenplan durchkreuzte, der Anfang September 1914 zur Einnahme von Paris und zum schnellen Kriegsende führen sollte.

99. Literatur siehe unter Literatur


100. Halbweltmafia.
Siehe unter "Jesusanhänger".


101. Nacktheit.
Da es über 20 Fotos sind, die wohl anlässlich einer Nacktradeltour in Deutschland (?) aufgenommen wurden und ich auch noch etwas Text dazu geschrieben habe, habe ich dafür eine eigene URL gemacht. 


102. Zum Thema "Wissenschaftlichkeit" möchte ich hier aus der Arbeit "Naturwissenschaften und manifestes Weltbild - Über den Naturalismus"
von Ansgar Beckermann (Bielefeld) ab Seite 13 zitieren, wie der österreichisch-ungarische Arzt Ignaz Semmelweis mit einer ganz "ursprünglichen Wissenschaftlichkeit" die Ursache des Kindbettfiebers herausgefunden und das Problem gelöst hat, weil sein Erkenntnisweg ganz einfach so interessant ist:

***

Ein Hauptanliegen wissenschaftlicher Untersuchungen ist die Elimination möglicher Fehlerquellen und das Ausschließen alternativer Erklärungen der zu erklärenden Phänomene.

Ich kann diesen Punkt hier nicht weiter theoretisch entfalten, möchte ihn aber doch durch ein Beispiel veranschaulichen.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden immer mehr Entbindungen in Krankenhäusern durchgeführt. Doch dies führte auch zu Problemen. So stieg im Allgemeinen Krankenhaus in Wien seit den 1830er Jahren die Zahl der Mütter sprunghaft an, die am Kindbett- beziehungsweise Puerperal-Fieber starben. Allerdings unterschieden sich die Ansteckungs- und Todesraten der Ersten Geburtshilflichen Abteilung deutlich von denen der Zweiten.

1844 starben nicht weniger als 260 von 3157 Müttern der Ersten Abteilung (8,2 Prozent) an dem Leiden; 1845 betrug die Todesrate 6,8 und 1846 waren es 11,4 Prozent. Diese Zahlen waren um so alarmierender, als in der benachbarten Zweiten Geburtshilflichen Abteilung des gleichen Krankenhauses, die fast genauso viele Frauen versorgte, die Todesrate durch Kindbettfieber in denselben Jahren viel niedriger lag: 2,3 2,0 und 2,7 Prozent.“ (Hempel 1974, 11)

Einer der Ärzte, denen diese Entwicklung große Sorgen bereitete, war Ignaz Semmelweis, der zunächst verschiedene Erklärungen untersuchte, die zu jener Zeit gängig waren. „[E]inige davon wies er sofort als unvereinbar mit außer Frage stehenden Tatsachen zurück; andere unterwarf er spezifischen Tests.“ (Ebd.) Eine Vermutung lautete: Das Kindbettfieber gehe auf epidemische Einflüsse zurück, „die vage beschrieben wurden als ‚atmosphärisch-kosmischtellurische Änderungen‘“ (ebd).

Aber wie, so überlegte Semmelweis, hätten solche Einflüsse die Erste Abteilung jahrelang befallen können und die Zweite dabei verschont? Und wie konnte diese Ansicht mit der Tatsache in Einklang gebracht werden, daß, während das Fieber im Krankenhaus wütete, kaum ein Fall sich in der Stadt Wien und seiner Umgebung ereignete: eine echte Epidemie, wie z. B. Cholera, würde nicht so selektiv sein. Endlich fiel Semmelweis noch auf: einige Frauen, die für die Erste Abteilung aufgenommen waren, aber weit entfernt vom Krankenhaus wohnten, wurden auf ihrem Weg von Wehen befallen und entbanden auf der Straße; trotz dieser widrigen Umstände war die Todesrate durch Kindbettfieber bei diesen Fällen von ‚Straßen-Geburt‘ niedriger als der Durchschnitt in der Ersten Abteilung.“ (Ebd., 11 f.)

Eine zweite Vermutung war: Die höhere Ansteckungs- und Sterberate in der Ersten Geburtshilflichen Abteilung gehe auf die Überbelegung dieser Abteilung zurück. Doch Semmelweis fiel auf, dass die Belegung in der Zweiten Abteilung sogar noch höher war. Außerdem gab es zwischen den beiden Abteilungen auch keinen Unterschied im Hinblick auf die Verpflegung und allgemeine Behandlung der Patientinnen. 1846 äußerte eine Kommission eine dritte Vermutung: Die höhere Zahl der Fälle von Kindbettfieber auf der Ersten Abteilung liege an den Verwundungen, die durch die zu grobe Untersuchung durch die Medizinstudenten entstanden sein sollten, die alle in dieser Abteilung ihre Ausbildung erhielten.

Um diese Ansicht zurückzuweisen, führte Semmelweis an, daß a. die Verletzungen, die natürlicherweise beim Geburtsverlauf entstehen, viel schwerer sind als die durch grobe Untersuchung eventuell hervorgerufenen; daß b. die Hebammen, die auf der Zweiten Abteilung ausgebildet wurden, ihre Patientinnen fast auf die gleiche Art untersuchten, jedoch ohne die gleichen verderblichen Folgen; daß c., als in Reaktion auf den Bericht der Kommission die Anzahl der Medizinstudenten halbiert und ihre Untersuchungen der Frauen auf ein Minimum reduziert wurden, die Sterblichkeit nach kurzem Abfall auf ein höheres Niveau stieg als je zuvor.“ (Ebd., 12)

Eine vierte Hypothese lautete: Die höhere Zahl der Fälle von Kindbettfieber in der Ersten Abteilung gehe darauf zurück, „daß der Priester, der den sterbenden Frauen die Kommunion bringe, erst fünf Stationen passieren müsse, um den dahinterliegenden Krankensaal zu erreichen: das Erscheinen des Priesters, begleitet vom Meßdiener mit einer Klingel habe auf die Patientinnen der Stationen angeblich eine so erschreckende und entkräftende Wirkung, daß es sie zu leichteren Opfern des Kindbettfiebers mache. In der Zweiten Abteilung fehlte dieser widrige Faktor, da der Priester zum Krankenzimmer direkten Zugang hatte.“ (Ebd., 13)

Semmelweis entschloß sich, diese Vermutung zu überprüfen. Er überredete den Priester, auf einem Umweg und ohne Klingel zu kommen, um das Krankenzimmer leise und unbeobachtet zu erreichen. Die Sterblichkeit in der Ersten Abteilung sank jedoch nicht.“ (Ebd.)

Schließlich beobachtete Semmelweis, dass in der Ersten Abteilung die Frauen auf dem Rücken liegend entbunden wurden, in der Zweiten dagegen auf der Seite liegend. Konnte dies der entscheidende Faktor sein? Semmelweis „führte auf der Ersten Station die laterale Stellung ein, aber wiederum blieb die Sterblichkeit unverändert“ (ebd.).

Schließlich führte Anfang 1847 ein Unglücksfall Semmelweis auf die richtige Spur. „Einer seiner Kollegen, Kolletschka, erhielt von dem Skalpell eines Studenten, mit dem er eine Autopsie durchführte, eine punktförmige Verletzung am Finger und starb nach einer quälenden Krankheit, in deren Verlauf er die gleichen Symptome erkennen ließ, die Semmelweis bei den Opfern des Kindbettfiebers beobachtet hatte. Obwohl die Rolle der Mikroorganismen bei solchen Infektionen zu jener Zeit noch nicht bekannt war, begriff Semmelweis, daß ‚Leichensubstanz‘, vom Skalpell des Studenten in Kolletschkas Blutstrom geraten, die tödliche Krankheit des Kollegen verursacht hatte. Die Ähnlichkeiten im Krankheitsverlauf bei Kolletschka und bei den Frauen in seiner Klinik führten Semmelweis zu dem Schluß, daß seine Patientinnen an der gleichen Art von Blutvergiftung gestorben waren: er, seine Kollegen und die Medizinstudenten waren die Träger des infektiösen Materials, denn sie kamen gewöhnlich direkt in die Stationen, nachdem sie im Autopsie-Saal Sektionen durchgeführt hatten, und untersuchten die in Wehen liegenden Frauen, nachdem sie sich nur oberflächlich die Hände gewaschen hatten, denen auch oft noch ein charakteristischer Verwesungsgeruch anhaftete.“ (Ebd., 13 f.)

Semmelweis testete diese letzte Hypothese. Da Chlorkalk auch bisher schon zur Reinigung und Desinfektion der Präparierbestecke eingesetzt wurde, ordnete er an, dass alle Studenten, die von einer Sektion kamen, die Hände mit Chlorkalk-Lösung waschen mussten, bevor sie auf die Wöchnerinnenstation gingen. „Die Sterblichkeit an Kindbettfieber begann prompt zu sinken; sie fiel 1848 auf 1,27 Prozent in der Ersten Abteilung, gegenüber 1,33 Prozent in der Zweiten.“ (Ebd., 14)

Seine Idee, oder – wie wir auch sagen werden – seine Hypothese, wurde wie Semmelweis bemerkte, auch durch die Tatsache gestützt, daß die Sterblichkeit in der Zweiten Abteilung durchweg so viel niedriger lag: dort wurden die Patientinnen von Hebammen gepflegt, deren Ausbildung keinen Anatomie-Unterricht mit Leichensektion umfaßte. Die Hypothese erklärte auch die niedrigere Sterblichkeit bei ‚Straßen-Geburten‘: Frauen, die mit ihrem Kind auf dem Arm ankamen, wurden nach der Aufnahme kaum noch untersucht und hatten somit eine größere Chance, der Infektion zu entkommen.“ (Ebd.)

Weitere Beobachtungen brachten Semmelweis schließlich dazu, seine Hypothese zu erweitern. „Zum Beispiel untersuchten er und seine Kollegen, nachdem sie sich sorgfältig ihre Hände desinfiziert hatten, bei einer Gelegenheit eine in Wehen liegende Frau, die an einem eitrigen Gebärmutterkrebs litt; daraufhin setzen sie ihre Untersuchungen an zwölf weiteren Frauen in diesem Raum fort, nachdem sie sich nur routinemäßig ohne erneute Desinfektion gewaschen hatten. Elf der zwölf Patientinnen starben an Puerperalfieber. Semmelweis folgerte daraus, daß Kindbettfieber nicht nur durch Leichensubstanz, sondern auch durch ‚verfaulende Materie aus lebendigen Organismen‘ verursacht werden kann.“ (Ebd.)

Semmelweis’ Vorgehensweise illustriert das systematische Vorgehen bei wissenschaftlichen Untersuchungen in besonders eindrucksvoller Weise. Wenn man herausfinden will, was für ein Phänomen A verantwortlich ist, muss man erstens Fälle, in denen A auftritt, sorgfältig mit Fällen vergleichen, in denen A nicht auftritt. Wenn man einen Faktor B gefunden hat, in dem sich Fälle der ersten Art von Fällen der zweiten Art unterscheiden, ist man aber noch nicht am Ziel. Denn dann muss man zweitens überprüfen, ob hier nicht nur ein zufälliger Zusammenhang besteht. Dies lässt sich zum Beispiel feststellen, indem man untersucht, ob man A erzeugen kann, indem man die Bedingung B selbst schafft, und ob man A verhindern kann, indem man dafür sorgt, dass B nicht der Fall ist. Experimente dienen genau diesem Zweck: Mit ihnen versucht man, wirklich relevante von nur scheinbar relevanten Faktoren zu unterscheiden. Natürlich lassen sich nicht in allen Fällen Experimente durchführen; dann muss
man auf andere Weise versuchen, relevante von nur scheinbar relevanten Faktoren abzugrenzen. Wissenschaft ist also nicht auf experimentelle Verfahren festgelegt; sie sind nur für die Klärung bestimmter Fragen besonders nützlich. Aber nicht, weil es um Naturbeherrschung geht, sondern weil Experimente besonders geeignet sind, wenn man tatsächlich relevante von bloß scheinbar relevanten Faktoren unterscheiden möchte.

Um es auf den Punkt zu bringen, meine These lautet: Es gibt nicht so etwas wie eine einzige oder die wissenschaftliche Methode. Was es gibt, ist eine Vielzahl von Methoden, die allerdings ein gemeinsames Merkmal haben – alle sind Teil eines besonders methodischen oder systematischen Vorgehens bei dem Versuch, Belege zu finden und zu bewerten. Aber dieses Vorgehen ist immer geboten, wenn man herausfinden will, wie die Welt wirklich beschaffen oder was für ein Phänomen tatsächlich verantwortlich ist. Und: Dieses Vorgehen schließt nichts aus; es gibt nichts, was sich auf diese Weise nicht untersuchen ließe.

***

Ja, das ist doch noch echte Wissenschaftlichkeit, und völlig anders als etwa diese moderne Sexualwissenschaft, deren Basis "naturalistische Fehlschlüsse" sind, siehe Frage und Antwort 29 unter https://basisreli.lima-city.de/fragen.htm!
 
Bei meinen "Untersuchungen", warum "unschuldige Mädchen" ohne irgendeine Not mit dem Sex anfangen, bin ich im Prinzip genauso vorgegangen wie dieser Arzt Ignaz Semmelweis - und ich stoße bei manchen Menschen auch erst einmal auf großes Unverständnis (aber nicht bei allen!). Siehe hierzu in der online-Broschüre "Echte Monogamie von der Vernunft her" https://basisreli.lima-city.de/ehe-krim.pdf ab Seite 8 und die Lösung ab Seite 31.


103. Vorsatz und Gebet um ein intelligentes ethisches Leben: Es fällt auf, dass es in diesem Text 86  offensicht­lich um etwas völlig ande­res geht, als um das, das wir heute in dem Sakrament der Firmung sehen, zu dem dieses Segensgebet gehört. Das hier frei übersetzte Gebet um die sie­ben Geistesgaben war nach dem Kir­chenvater Justin (um 100-165) in der frü­hen Kirche üblich. Es handelt sich also offensichtlich um einen früh­christlichen Segen, der eigentlich von allen heutigen Konfession­en an­erkannt werden soll­te. Aus dem Zusammenhang (Justin dial. 87,5 <Mg PG 6 683/684 A>) geht ganz deutlich hervor, dass es da­mals nicht um eine Glau­bensbe­teuerung an wen oder an was auch immer (so etwas wie ein Glaubensbekenntnis gab es ja auch noch gar nicht) ging, son­dern um eine mo­rali­sche Ein­stellung und um eine kreative und intelli­gente Treue zu dieser Ein­stellung. Auch ist von einem Ge­löbnis des Gesegneten dabei nicht die Rede. Damit scheint dieses Segensgebet noch zur Jesusideologie zu gehören und nicht zur Paulusideologie – und somit kann es hier nicht nur akzeptiert werden, sondern es ist so etwas wie eine zentrale Orientierung!

Wenn wir nun beden­ken, dass ein Gebet um Geistesgaben, die offensicht­lich das Wichtigste in diesem Gebet sind, vor al­lem jun­ge Men­schen be­trifft, die ja in ihrem persönlichen Le­ben vor nicht gera­de einfachen morali­schen Entscheidungen stehen, und dass an­de­rerseits ganz offensichtlich die Scham da­mals nicht als Grund­lage der Sexualmo­ral galt (bei der­ Taufe waren die Täuf­linge sogar splitternackt), sondern der Geist oder eben die „In­forma­tion“, dann dürf­te das Gebet damals genau in der Weise einge­setzt wor­den sein, für die ich auch heute plädiere. Denn „diese zwi­schenmenschli­chen Prob­leme“ gab und gibt es doch zu al­len Zeiten – und doch auch „im alten Rom“. Der Hinter­grund der christlichen Pädagogik kann also damals nicht diese Frühsexualisierungs­h­ysterie gewesen sein, wie sie heute immer noch man­che Pädago­gen beherrscht, die sich oft genug auch noch für sehr christlich halten. Sie muss viel­mehr so konkret gewesen sein, dass die jungen Men­schen begriffen hat­ten, um was es ging, damit sie in ein Kon­zept einer echten Monogamie früh- und rechtzei­tig hin­ein­wachsen konnten. Nur so konnte ja vermieden wer­den, dass sie erst einmal „falsch“ an­fingen, denn dann wäre ja das Ziel der echten Mo­nogamie schon in der Ju­gend ver­passt worden. (Wie man es bes­ser machen könnte, siehe un­ter Hinweis 48.)

Jedenfalls würde der Text durchaus als krönender Abschluss einer sol­chen realistischen Pädagogik (auch heute noch!) passen (lateinisch unter 40):

Heiliger Geist (oder auch bestmögliche Intelligenz) komme über Euch und die Kraft des Allerhöchsten be­wahre Euch vor Sünden (al­so vor Fehlern in Euren menschlichen Beziehungen)!

Höchster ewiger Gott! Der Du diesen Deinen Kindern die Wie­dergeburt aus dem Wasser und aus heiligem Geist gewährt hast, Dich bit­ten wir:

Gieße auf sie Deinen siebenfältigen Geist aus:

  • Den Geist der Weisheit und des Verstandes. Dass ihr also das Gute vom Schlechten, das Vernünftige vom Dummen, das wirklich Morali­sche vom Scheinmoralischen, das Pro­blematische vom Unproblema­tischen unterschei­den könnt.

  • Den Geist der richtigen Entscheidung und des Durchhaltevermög­ens. Dass ihr die für Euch die passen­den Ent­scheidungen trefft, das Proble­matische nicht zu tun und das Unprob­lemati­sche zu tun, und diese auch durch­haltet.

  • Den Geist der Erkenntnis und der Demut. Dass Ihr er­kennt, welche Ideen und Ideologien gut und nützlich sind und Ihr also nicht falschen Ideen und Ideologien hin­terher lauft. Und dass Ihr Euch im­mer bewusst seid, dass Ihr nicht alles wisst und Ihr also auch nicht den komplet­ten Über­blick habt und dass Ihr schon von daher immer offen für sinnvolles Neues seid.

  • Den Geist der Furcht Gottes. Dass bei allem die Gebote Got­tes oder eben auch die Spielregeln des Paradieses un­ter allen Umstän­den für euch Gültigkeit haben.“

Und jetzt für jeden Gesegneten einzeln:

Ich bezeichne dich mit dem Zeichen des Kreuzes, also dem Zei­chen desjeni­gen, der sich bis zu und mit seinem Tod für die Ver­wirklichung der Liebe ein­gesetzt hat und dem du dich hiermit ver­pflichtet sehen solltest.“

Zum Ursprung der confirmatio s. unter Hinweis 86.

Die Folge dieser offensichtlich realistischen Pädagogik war, dass schon die jungen Christen damals so sehr Christen waren, dass sie sogar lieber für ih­ren Glauben starben als gegen ihn zu handeln. Ja, wer will schon auf die wirkliche Liebe im Leben verzichten, wenn er erst einmal weiß, um was es da­bei geht?

In der frühen Kirche gab es dazu dann eben noch eine Ganzkörpersal­bung (also des nackten Körpers – durch den Bischof) mit geweihtem Öl. Das Öl wur­de hier von sei­ner heilenden Kraft her gesehen, das auch für die Din­ge der See­le und des Geistes wirksam ist. Wir denken hier nun heu­te et­was an­ders und wollen gewiss nicht einem fremden Mann, der der Bischof ja ist, eine Ganzkörper­salbung unserer Kinder zumuten. Doch könnte es ja auch hier so et­was wie ein „Dreiecksverhältnis Eltern-Kirche-Kinder“ geben: Eltern und Kir­che sind sich also beim Erziehungsziel der echten Monogamie einig, also in­formiert die Kirche im Gruppenrahmen die jungen Leute über die Idee der echten Moral und begeistert sie auch davon und die Eltern übernehmen die „Praxis“. Das wäre doch mal etwas, wenn der Vater also die Ganzkörpersal­bung vornimmt!

Doch sollte nicht alles, was mit Sexualerziehung zu tun hat, Aufgabe der El­tern sein? Ich habe hier meine Bedenken. Denn das Problem einer solchen Elternerziehung ist doch, dass auf diese Weise in der Praxis doch immer nur ein­zelne junge Men­schen anges­prochen würden. Um auch hier wieder ein Bild zu ge­brauchen: Was hätten ein­zelne Kinder davon, wenn ihnen El­tern, die alle aus anderen Ländern stam­men, ihre speziellen Herkunftsspra­chen bei­bringen, die eben bei ihnen zu Hause gesprochen wurden? Die Folge wäre doch ein Turmbau-von-Ba­bel-Chaos, keiner versteht die anderen – oder im­mer nur falsch! So also auch in der Moral: Es funktioniert einfach nicht, es den Eltern zu überlassen, ihre Mo­ral ihren jungen Leuten beizubringen. Also kann eine Moralerziehung immer nur eine Gemeinschaftssache sein!


104. Oder ist alles ganz anders?  Ich habe einmal das Buch „Himmlische Lust“ von Ruth Westheimer und Jonathan Mark (Bertelsmann 1996) näher angesehen, um etwas über die Praxis in der jüdischen Religion, hier über die des zwischenmenschlichen Lebens, zu erfahren. Die amerikanisch-deutsch-jüdische Sexualtherapeutin Ruth Westheimer schreibt etwa: „Deshalb trägt die Braut weiß … Wie promiskuös die Braut vor der Ehe auch gewesen sein mag, die Hochzeit reinigt sie, sie trägt weiß als die Farbe der Reinheit, so frisch wie neugefallener Schnee. Eine Hochzeit kann das alles wieder festfügen, was zerbrochen schien, wie etwa eine anrüchige Vergangenheit, sie kann alte Wunden heilen... „ (S. 125f)

Natürlich, eine tolle Einstellung gegenüber denen, die – aus welchen Gründen auch immer – die Gebote einer hohen Sexualmoral nicht immer gehalten und sich aber schließlich zum „richtigen Weg“ „bekehrt“ haben! Doch ich denke, diese tolle Einstellung macht die Theologen auch empathielos und faul! Sie kümmern sich gar nicht mehr um das ursprüngliche Grundanliegen einer Moral der echten Monogamie, es wird ja eh alles vergeben, es ist eh alles egal... So auch die Stelle auf S. 48 aus der Praxiserfahrung von Ruth Westheimer: „Wenn ein orthodoxes Mädchen in meiner Praxis sitzt und erzählt, dass ihr etwas Schlimmes passiert sei, erzähle ich ihr aus der Tiefe meiner jüdischen Tradition heraus: `Was geschehen ist, ist furchtbar, einfach schrecklich, es sollte jemandem wie dir überhaupt nie passieren. Wie traurig, dass du diese schlechte Erfahrung machen musstest. Aber du mußt weiter leben. Wir wollen dafür sorgen, daß du, wenn die Erinnerung oder der Gedanke daran auftaucht, sie mit guten Gedanken erlöst. Denke an Miriam, die nach der Durchquerung des Roten Meeres ...´

Mir drängt sich hier eine Einstellung auf: „Du bist nichts, die große Idee ist alles.“ Und da kommt gerade bei mir als Deutschem sehr schnell eine Assoziation aus unserer unsäglichen jüngeren Geschichte auf: "Du bist nichts, deine Nation oder auch die Partei ist alles .." Na ja, bei den Juden ist es nicht die Partei, sondern die Gemeinschaft, die Religion. Doch es ist in jedem Fall nicht das Individuum. Daher: Ist diese Einstellung, die Frau Westheimer hat und die irgendwie überhaupt die jüdische zu sein scheint, nicht irgendwie faschistoid? Allerdings: Wenn ich mir so die anderen Religionen ansehe, dann ist es ja bei denen nicht viel anders. In ähnlicher Weise werden die „Sünden“ ja auch in der katholischen Beichte „weggewischt“: Der Therapeut oder der Beichtvater erfährt also von den „Pannen des Lebens“ (und ich denke, dass es sich hier um dasselbe dreht, dass frau sich hier im Liebespartner vertan hatte), doch weder bei den Juden noch bei den Katholiken kommt jemand auf die Idee, dass hier ein pädagogisches Problem vorliegt, dass also die jungen Menschen nicht angemessen auf die „Fallgruben des Lebens“ vorbereitet werden und dass sie diese von daher auch nicht wirklich vermeiden können. Und statt dass die Kirche bzw. die Synagoge endlich mal beginnt, eine vernünftige Sexualmoral für die jungen Menschen zu entwickeln, damit solche „Pannen“ nicht passieren, lässt sie diese ein kommerzielles Unternehmen (bei uns das Jugendmagazin „BRAVO“ bzw. die dazu gehörige Website) und inzwischen auch glaubensferne Soziologen und Pädagogen machen, die natürlich ihre areligiöse Einstellung an die jungen Menschen entsprechend rüber bringen. Das führt dann auch schließlich dazu, dass sich die jungen Leute fragen, wozu überhaupt noch Religion, und dass sie sich zumindest von den Grundsätzen der Religion weitestgehend lösen. Übrig bleiben vielleicht nur noch äußere Formen und ein Glaube, den man eher als Aberglaube bezeichnen kann. Und die Theologen und Rabbiner zucken mit den Schultern und fühlen sich nicht zuständig und sind untätig („man kann eben nichts machen“) und versprechen das Heil nach dem Tod. Wie finden Sie das, lieber Leser?

Unter dem Gesichtspunkt "faschistoid" kann man sich ja auch einmal die Beschneidung der männlichen Babys ansehen. Ich zitiere hier - auch aus dem Buch "Himmlische Lust" (S. 27): "Rabbi Nachman von Breslau ... lehrte ..., die Beschneidung bestehe aus zwei unterschiedlichen Akten. Im ersten wird die orla, das Fleisch, das die "Krone" des Penis bedeckt, entfernt. Danach wird die krum, die Membrane unterhalb der Haut abgeschält, bis das Fleisch der Krone sichtbar wird. Rabbi Nachman erläutert, daß die orla das Böse symbosiert, das vollständig entfernt werden muß. Die krum wird als Bindeglied zwischen orla und Fleisch betrachtet und verweist darauf, dass das Gute zuweilen mit dem Bösen vermischt ist. Das Abschälen der krum symbolisiert, dass das Gute vom Bösen getrennt werden muss. Der Geschlechtstrieb und -akt ist zur höchsten Würde fähig - der Erschaffung von Leben. Doch derselbe Penis und derselbe Akt können eine Kettenreaktion von Schmerz auslösen und zum Tod führen. Es ist diese Dialektik, die der Geschichte der jüdischen Haltung zum Sex zugrundeliegt."

Meine Meinung dazu: Man kann natürlich auch alles positiv begründen! Doch unter dem Strich bleibt die Beschneidung ein grausamer und grauslicher und im wahrsten Sinne des Worte ein un-menschlicher Akt - und dann noch an unschuldigen kleinen Jungen! Wir können also sagen: Bei den Jungen die Zwangsrekrutierung durch die Beschneidung und bei den Mädchen Dummheit und Unwissenheit, damit sie solches „Vertun in der Liebe“ schließlich auch noch wollen und so in eine "un-menschliche" Ideologie hineinrutschen, hier in die der jüdischen Religion... Kann man das alles denn auch anders sehen als "äußerst faschistoid"?

Und unter diesem Gesichtspunkt noch einmal zur Befreiung der Sklaven und der Sklavinnen: War das überhaupt je beabsichtigt, dass Mädchen vor der Ehe nicht mehr Sex-Sklavinnen oder eben Prostituierte waren? Hat sich das auch nach dem Ende der Sklaverei bei den Ägyptern oder bei wem auch immer je wirklich geändert? Und sind die befreiten Sklaven wirklich emanzipierte und souveräne Menschen geworden? War Emanzipation und Souveränität je beabsichtigt? Das war vielleicht einmal die Grundidee und das Ziel der "jüdischen Ur-Religion", doch das ist lange her. Jedenfalls stelle ich mir wirklich emanzipierte und souveräne Mädchen eher wie das Mädchen auf Seite 29 ff vor! Und da kann man doch hinkommen! War das am Ende nicht das Anliegen des wirklichen Jesus? Also "Jesus also gegen den Faschismus", hier allerdings nicht als politisches System, sondern als menschenfeindliche Philosophie? Wenn eine Änderung hier nicht eine gemeinsame Aufgabe von Juden und Christen wäre! Und die Beschneidung der Jungen kann dann gleich auch noch mit überwunden werden! Sie ist zwar mit der Strafe der Exkommunikation belegt, wie ich bei Westheimer gelesen habe, doch sollte man sie endlich einmal eben nicht als göttliches Gebot, sondern als überholten Steinzeitbrauch sehen, der nicht zum "Grundinventar" der jüdischen Religion gehört, und für die Änderung eines solchen Brauchs gibt es nun einmal auch keine Bestrafung von wem auch immer!

Hierzu etwas über einen amerikanischen Versuch: Da haben Forscher einmal ein Experiment durchgeführt, wie man verfeindete Gruppierungen zusammen bringen kann („verfeindet“ sind Juden und Christen nicht gerade, doch es könnte ja besser sein): Dazu haben sie Zeltlager von zwei solchen verfeindeten Jungengruppen organisiert, natürlich in gehörigem Abstand – mit jeweiligen „Unvollkommenheiten“ in beiden Lagern, beispielsweise eine nicht funktionierende Wasserleitung. Doch die „Unvollkommenheiten“ konnten gelöst werden, allerdings nur wenn die verfeindeten Jungengruppen zusammen arbeiteten. Und siehe, das hat funktioniert und die Gruppen kamen sich auch sonst näher! Haben wir hier nicht irgendwie „auch so ein Problem“, das Juden und Christen zwar auch jeder für sich, doch viel besser beide gemeinsam lösen könnten? Ich habe also in dem Text „Der Kriminalfall Jesus“ ein Konzept hierfür entworfen – für die Jugend – und die Jugend ist doch die Zukunft! Hier gibt es doch dasselbe Anliegen, eine gemeinsame Aufgabe: Von den Juden die Schönheit des Erlebnisses der Sexualität und von der Reform durch Jesus die Überwindung des Missbrauchs, also wäre eine Zusammenarbeit doch das Ideale – gegen die Manipulation durch kommerzielle Unternehmen usw.! „Christsein“ geht gewiss nicht für alle, doch „Jesusanhänger“ könnten doch alle sein! Das würde auch eine Befreiung von jeglicher Ideologie sein, die auch nur entfernt mit „faschistoid“ zu tun hat und die Rückkehr zu dem ursprünglichen jüdischen Grundanliegen. Also die jesuanische Vision in ihrem jüdischen Kontext? Vielleicht geht es gar nicht anders, zumindest nicht auf Dauer?

105. Mafia: Darauf, dass es auch damals schon so etwas wie eine Mafia gab, bin ich durch einen Artikel vom 28.5.2018 in der Zeitung DIE WELT Datei 2  "Russische Mafia ist im Westen allgegenwärtig" über ein Buch von Mark Galeotti, Leiter des Zentrums für Europäische Sicherheit in Prag gekommen. Und wenn ich überlege, was ich bisher von diversen Mafia-Organisationen gehört habe, die es heute so gibt, also von der süditalienischen und sizilianischen Mafia in Italien, von der italienischen in den USA, von der Mafia in Japan und in Indien – und um was es da alles geht, also um Prostitution, Drogen, Glücksspiel, Subventionsbetrug, Geldwäsche, Schutzgelderpressung, Vergabe von (öffentlichen) Aufträgen und Stellen, dann heißt das für mich, dass es Mafias wohl zumindest in allen anonymen Gesellschaften gibt. Bedingung ist, dass etwas in einer Gesellschaft verboten ist, was es aber trotzdem gibt, und/oder dass es relativ leicht mit irgendetwas (viel und einfach) Geld zu verdienen gibt und vor allem wonach Bedarf bis zur Sucht besteht und die Menschen bereit sind, dafür (viel) Geld auszugeben. Und wenn es solche Mafias heute gibt, warum soll es die nicht auch vor zweitausend Jahren schon gegeben haben, wo es doch dieselben oder vergleichbare Bedingungen gab wie heute, also "anonyme Gesellschaft" und "Verbot von etwas, das es trotzdem gab, und wonach großer Bedarf besteht"? Natürlich, es ist nie leicht, zu erkennen, wo es eine Mafia gibt und wie sie arbeitet und wie sie geführt wird, und es ist so nur eine Vermutung, dass es auch damals in Israel eine Mafia gab, doch eine mit sehr guten Gründen. Und dann ist es auch nahe liegend, dass nicht alle Menschen einer Zeit "dabei" einfach mitmachen, sondern dass es bisweilen intelligente und beherzte Menschen gibt, die etwas gegen solche Mafias unternehmen – und hier könnte Jesus so jemand gewesen sein. Ich bin jedenfalls der festen Überzeugung, dass es so war. In dieser Überzeugung sehe ich mich bestätigt, weil dieses Thema nirgendwo angesprochen und noch nicht einmal im Entferntesten angedacht ist, dabei ist das alles´doch sehr nahe liegend. Hier fehlt einfach nur die Wahrnehmung.
Im Übrigen schadet es gewiss nie, wenn man vor einer Mafia auf der Hut ist, also wachsam ist, so wenig wie es nie schadet, wenn sich etwa eine Stadt vor Hochwasser schützt, das es noch nie gab, wo aber die Bedingungen für dieses Hochwasser gegeben sind. Und gibt es nicht unsere militärische Rüstung auch unter dem Aspekt, dass ein Staat gegen etwas gewappnet ist, das es gar nicht gibt, wo aber diese Wappnung doch sehr sinnvoll ist?


106. Paulus und das Neue Testament: Ich habe Anfang September 2019 zu dem dänischen Sanskritspezialisten Christiam Lindtner Kontakt aufgenommen. Und er schrieb mir, dass eindeutig auch Paulus eine Erfindung der Autoren des Neuen Testaments ist, auch Paulus gehört also zum Plagiat aus den buddhistischen Texten. Die Lösung dafür kann sein, dass die Halbweltmafia den mit einer Neuinterpretation beauftragten buddhistischen Spezialisten freie Hand gelassen hat, wie sie diese Neuinterpretation des Neuen Testaments anstellen, ob sie nur ihren Buddhismus einbauen oder Teile aus anderen Religionen und auch aus dem, was über Jesus noch in Erinnerung war. Hauptsache der echte Jesus wird radikal ausgelöscht. Und Lindtner zu Paulus: "You can trace Paulos back to Pûrnas in The Lotus sitra – the most eloquent of all disciples", na ja, auch die Eloquenz würde ja passen.
Dass auch Paulus quasi eine "Erfindung" der buddhistischen Mönche oder eben Spezialisten ist, würde auch erklären, warum Maccoby ihn nicht als Pharisäer einschätzen kann, weil er eben nicht wirklich pharisäisch gedacht und geschrieben hat. Ja, so wie es im Neuen Testament über Paulus geschrieben ist, so haben sich eben buddhistische Spezialisten die Pharisäer gedacht. Ob es Paulus nun gegeben hat oder nicht, an dem echten Jesus ändert das nichts – und allein der ist für uns wichtig und entscheidend.


107. Missbrauch der Sexualität: Ja, was ist alles Missbrauch der Sexualität? Ganz klar, der natürliche Zweck des Geschlechtsverkehrs ist zunächst einmal die Fruchtbarkeit, denn er dient nun einmal dazu, dass sich ein "Spermateilchen" mit einer Eizelle der Frau verbindet, so dass es zu neuem Leben kommt. Lange Zeit galt nun in der Kirche als Missbrauch, wenn dieser erste Zweck vor allem bewusst durch Verhütungsmittel ausgeschlossen wurde. Doch inzwischen denkt man auch in der Kirche anders. Denn damit neues Leben entsteht, reicht es ja nicht gerade, dass ein Kind gezeugt, ausgetragen und geboren wird, es muss ja auch aufgezogen werden, bis es selbst lebensfähig ist - und selbst wieder Nachwuchs zeugen und versorgen kann. Und wir müssen ja bedenken, dass der Mensch nicht in einem die Bürger gut versorgenden Sozialstaat entstanden ist, sondern in einer oft sehr lebensfeindlichen Umgebung. Und da war es schon sinnvoll, wenn die Frau mit ihrem Kind einen "Versorger" hatte, der ihr also Nahrung brachte und die beiden (und auch zumeist noch weitere Kinder) auch beschützte. Und um einen Versorger und Beschützer nun zu motivieren, bei der Frau zu bleiben, und dass er dieses Versorgen und Beschützen auch noch gern zu tun, hat die Frau ihn also mit der Gewährung von Geschlechtsverkehr belohnt, denn es wäre zumindest auf Dauer für einen Mann doch recht umständlich und aufwendig, immer neue Frauen für die Triebabreaktion zu finden. Also war es schon von Vorteil für ihn, wenn er "eine bestimmte feste Frau" dafür hatte. Und so kam es dann durchaus auch durch den "Kitt" des häufigen Geschlechtsverkehr zu einer besonders innigen Gemeinschaft - und das mit dem "Kitt" klappte natürlich am besten, wenn die Frau auch ihr Vergnügen dabei hatte, eben den Orgasmus. Wir können also davon ausgehen, dass die Fähigkeit der Frau zum Orgasmus die Familie und vielleicht sogar die Monogamie "erschaffen" hat.

Und um zum Missbrauch der Sexualität zu kommen: Ein Geschlechtsverkehr ohne den Zweck der Fruchtbarkeit ist also keinesfalls unbedingt "Missbrauch", denn auch die Förderung der Gemeinschaft von Mann und Frau ist ein völlig legitimer Zweck! Die Religion sollte sich also hier auch gar nicht einmischen, wie Eheleute diesen "legitimen Zweck" der "Förderung der Gemeinschaft" gestalten. Doch problematisch wird es, wenn dieser "legitime Zweck" gar nicht da ist, wenn es also lediglich um Triebbefriedigung oder um Zeitvertreib oder um Selbstbestätigung oder auch um Partnersuche geht, also darum, verschiedene Partner "auszuprobieren", bis man (oder natürlich auch frau) den richtigen oder die richtige gefunden hat. Und hier kommt dann nicht nur der Begriff "Missbrauch", sondern auch der Begriff "Sünde" ins Spiel.

In den Beichtspiegeln der katholischen Kirche (solange es die noch gab) ging es nun um alle möglichen und unmöglichen Sünden im Zusammenhang mit der Sexualität. Manches kann durchaus Unsinn sein wie zumindest einige Verstöße gegen die Sexualscham, manches hat aber durchaus Sinn und ist dann auch durchaus "Sünde" und sogar "schwere Sünde". Das ist dann vor allem alles, was mit dem Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehe zu tun hat, ohne dass er irgendetwas mit Partnerschaft zu tun hat. Dazu gehört vor allem auch die Pädophilie, also Geschlechtsverkehr oder sonst irgendeine sexuelle Handlung mit Kindern, denn mit Partnerschaft hat so etwas ja eindeutig nichts zu tun.

Ein schwieriger Fall ist dabei der Geschlechtsverkehr vor der Ehe, denn es kann sich hier auch um eine "vorgezogene Ehe" handeln, das heißt, beide Partner leben schon eine Ehe und die ist auch voll beabsichtigt, doch aus irgendwelchen Gründen ist es noch nicht zu einer Eheschließung gekommen. Das Problem bei einer solchen "vorgezogenen Ehe" ist allerdings, dass einer der Partner ja sehr gutwillig sein kann, dass er auch ausdrücklich eine Ehe will, doch weiß er sicher, ob der andere auch so gutwillig ist oder ob hinter dem schönen Schein nicht doch ein mehr oder weniger raffinierter Betrug steckt? Ja, wie kann man sich sicher sein, dass es dem anderen nicht doch nur um ein Abenteuer und/oder um einen Zeitvertreib geht und/oder um "sie" als "Übungsmatratze" und/oder als "Protzobjekt" zu missbrauchen ("die habe ich auch schon vernascht")? Woher weiß man, dass es "dem anderen" (oder auch "der anderen") letztlich doch nur um unverbindlichen Geschlechtsverkehr geht? Ich denke, dass diese Möglichkeit ein guter Grund auch für die Gutwilligen ist, die geschützt werden sollen und auch geschützt werden wollen, bis zur Ehe zu warten. Immerhin ist bis dahin ja nicht alles ausgeschlossen und wenn gerade die Frau bei einem harmonischen Hautkontakt den Orgasmus erlebt, dann dürfte sie auch mehr als voll zufrieden sein – und der Junge oder Mann, der ein Mädchen wirklich liebt, auch! Denn was ist es denn am Körper, was eigentlich so brennt, wenn man so richtig verliebt ist? Mit dem "Unterleib" werden wir doch wohl noch fertig – ist es nicht vielmehr die Brust, in der das Herz schlägt, und vielleicht auch noch der Bauch? Na also, löschen wir doch das Feuer der Brust und des Bauchs – und überlassen wir "das darunter" sich selbst ohne das Eindringen ... (Zum Orgasmus siehe besonders unter Hinweis 124.)


108. Vorsatz eines intelligenten ethischen Lebens: Wie das mit der Sexualerziehung bei uns heute läuft, ist eigentlich unglaublich: Die macht nämlich ein kommerzielles Unternehmen (die Website der Jugendzeitschrift "Bravo" wird im Monat über 2 Millionen mal besucht!). Die Grundlage dafür ist ein "naturalistischer Fehlschluss" (also eine Pseudowissenschaft nach der Masche: "Was alle machen, muss doch richtig sein!", mehr dazu unter Fragen und Antworten Nr. 29) und diese Grundlage ist inzwischen auch die der schulischen Sexualerziehung. Und unsere Kirchen? Die machen einen leeren Kult mit dem Sinn, einer mehr oder weniger lebensfernen Ideologie treu zu bleiben, nämlich der, die sie verkünden – dabei wäre eine Sexualerziehung oder besser eine sinnvolle Moralerziehung doch genau deren Aufgabe – wenigstens wenn sie in der Nachfolge des wirklichen Jesus wären.


109. Jesus und das Menschsein: Ich gebe zu, dass ich hier etwas "aus dem Bauchgefühl" urteile, was "echt-Jesus" ist und was nicht. Doch ich meine, dass es im Neuen Testament durchgängig zu erkennen ist (und daran konnten auch die Autoren des Neuen Testaments nichts ändern), dass Jesus zwar Jude war, doch dass er eine aufgeklärte Einstellung zum jüdischen Glauben hatte, um es einmal so auszudrücken. Deutlich wird diese aufgeklärte Einstellung etwa im Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk. 10, 25ff). Der Priester und der Tempeldiener gingen an dem Verletzten vorbei, nicht, weil sie zu faul oder zu geizig waren, ihm zu helfen, sondern weil er blutete und weil sie durch die Berührung mit Blut unrein geworden wären – und um wieder rein zu werden, hätte es komplizierter Reinigungsriten bedurft. Jesus verurteilt hier also solchen Kult – und stellt den (im Sinne der frommen Juden) ungläubigen Samariter, der frei von solchen religiösen Behinderungen ist, als leuchtendes Beispiel hin. Das heißt doch, dass für Jesus das Menschsein wichtiger war als die (jüdische) Religion.


110. Manipulation: Eine Manipulation ist immer eine Beeinflussung zum Nachteil eines Menschen. Dabei ist das Kennzeichen einer Manipulation, dass sie so geschickt geschieht, dass der Manipulierte selbst gar nicht merkt, wie mit ihm verfahren wird, und am besten noch meint, dass alles, wozu er in Wirklichkeit manipuliert wird, von ihm selbst ausgeht. In unserem Fall, bei dem es um die Sexualität geht, wird also das eigentlich Harmlose und sogar Paradiesische (nämlich die Freude an der Nacktheit, die doch zutiefst menschlich ist) so mies gemacht und oft sogar ausdrücklich verboten, dass es geradezu zu einer Blockierung kommt: Die Nacktheit gilt also fortan als unmoralisch. Wie die Manipulation dann geschieht, siehe in dem Kasten, wie der Oberteufel dem Halbweltobermafioso Ratschläge gibt.


111. Ideal des Judentums. Ich zitiere dazu einmal, was Maccoby schreibt ("Mythenschmied", S. 148):

"Andererseits war der Messias auf indirekte Weise auch für Nichtjuden von Bedeutung, denn die Ankunft des Messias würde ja das Ende imperialistischer Militärmächte auf der ganzen Welt bedeuten, insbesondere das des Römischen Weltreiches. Obwohl der Messias kein Weltherrscher sein würde, würde er Führer eines Priestervolkes sein, das messianischen Zeitalter die ihm zukommende Rol­le als geistiger Führer der Welt einnehmen würde: die Lehren des Monotheismus, Friede und Nächstenliebe, für die die Juden als erste eingetreten waren, würden von allen Völkern zur Richtschnur erhoben, und dem auserwählten Volk würden besondere Ehren für seinen jahrhundertelangen Kampf für diese Ideale gezollt.
Zahlreiche Nichtjuden fühlten sich vom Judentum angezogen, schon wegen seiner Regeln für das Alltagsleben ohne seinen messianischen Aspekt, und waren daher entweder Volljuden oder »Gottesfürchtige« geworden. Eine jüdische Bewe­gung, die sich durch einen starken messianischen Impetus auszeichnete und die baldige Ankunft des messianischen Zeitalters versprach – eines Zeitalters des Frie­dens, wo Schwerter zu Pflugscharen umgeschmiedet würden –, musste auch auf Nichtjuden, die der Politik des Schwertes überdrüssig waren, einen besonderen missionarischen Reiz ausstrahlen."

Wir können uns vorstellen, dass Jesus bei seinem Engagement ganz und gar Jude war. Allerdings darf ich anmerken, dass es ihm offensichtlich nicht nur um die Nächstenliebe ging, die ja auch in anderen Religionen ein Ideal ist, sondern um die Liebe schlechthin, also um die Liebe, die mit der Sexualität zu tun hat und dann auch mit unserem ganzen Menschsein. Und eine allgemeine Sehnsucht nach dem Gelingen dieser Liebe im Hinblick auf eine realistische Chance – beginnend bei jungen Menschen – hätte dann vermutlich auch eine weltverändernde Wirkung, wie sie Ortega y Gasset sah (s. S.19f bzw. 21f u.) – und eben auch Jesus. Also setzte er sich dafür ein.
Leider was das Bewusstsein für diese weltverändernde Liebe nicht nur zur Zeit Jesus im Judentum verloren gegangen, es ist offensichtlich auch heute noch so. Jedenfalls ist es nicht Kennzeichen der jüdischen Religion. Stattdessen gibt es Steinzeitbräuche wie die Beschneidung der Jungen und Männer und die grausame Quälerei von Tieren bei der Schlachtung durch das Schächten. Für mich haben diese Bräuche jedenfalls eher eine abschreckende Wirkung und ich denke, anderen Menschen geht das genauso. Damit die jüdische Religion wieder eine Ausstrahlungskraft auf das Menschsein hat, wäre also eine Reform gewiss sinnvoll. Die könnte sich etwa auch auf die Bar Mizwa, also auf das jüdische Gegenstück zur confirmatio (bei den Jesusanhängern) auswirken, indem es bei der nicht mehr um das Judesein geht, sondern in erster Linie um das Menschsein. Ja, ist das Menschsein denn nicht das dringlichere Anliegen gerade in unserer heutige Welt und nicht irgendeine Gruppenzugehörigkeit? Und bei diesem dringlichsten Anliegen könnten sich dann Juden und Jesusanhänger treffen und auch noch andere mitreißen ...

(Anmerkung zum Ritus der Bar Mizwa: Bei Google findet man heute ja (fast) alles. Wenn ich also nach der Geschichte dieses jüdischen Initiationsritus google, stelle ich fest, dass sie bis zum ersten nachchristlichen Jahrhunderts zurück reicht, also bis zu der Zeit, in der auch die christliche confirmatio entstanden ist. Mir drängt sich hier die Vermutung auf, dass beide Riten einen gemeinsamen Ursprung haben, und zwar im Jüdischen! Nicht zuletzt stammt ja der Text des Segensgebets der confirmatio aus dem (jüdischen) Alten Testament, nämlich aus dem Buch Jesaia (Is 11,2). Könnte es nicht sein, dass es hier also zunächst einen jüdischen Ritus für Jungen gab, möglicherweise angeregt durch den Juden Jesus, der natürlich auch von den Jesusanhängern praktiziert wurde? Doch dass dieser Ritus dann bei den Juden in dieser Form dann in Vergessenheit geraten und er wurde im Laufe der Zeit durch einen Ritus der Treue zur jüdischen Religion ersetzt, dagegen hat er bei den Christen jedoch überlebt, wenn allerdings auch nur "äußerlich", das heißt, dass das Ziel des Segensgebets nach Jesaia auch hier vergessen oder auch verdrängt wurde? Nicht zuletzt ging und geht es bisweilen auch hier um einen Ritus der Treue – je nachdem – zum katholischen oder zum evangelischen Glauben – und eben auch nicht um einen Segen für ein gelingendes Menschsein.)

112. Gespräche mit Prostituierten: Die Frage stellt sich, wie Jesus dazu kam, sich mit Prostituierten zu unterhalten, warum er sich also mit Prostituierten unterhielt, vor allem auch, wenn er doch ein moralisch hochstehender Mensch war und also höchstwahrscheinlich kein typischer "Prostituiertenkunde". Johannes Lehmann (L. "studierte Theologie, Psychologie, Publizistik und und Philosophie" und "unternahm viele Reisen in den Vorderen Orient, nach Israel und in den Sinai") vertritt in seinem Buch "Das Geheimnis des Rabbi J." (Knaur 1990 – mit "Rabbi J. ist Jesus gemeint) die These, dass Jesus ein Mitglied der Sekte von Qumran war, also ein Essener. Doch, so Lehmann, lebten durchaus nicht alle Essener streng abgeschlossen von der Öffentlichkeit, sondern "konnten offensichtlich außerhalb des Klosters einem Beruf nachgehen" (S. 86). Dabei durften sie natürlich auch ihre essenische Grundsätze in die Welt übertragen: "Und dies sind die Wege in der Welt: zu erleuchten das Herz des Menschen und zu ebnen vor ihm alle Wege des Rechts ..."(S. 85). Wir können uns also auch von daher sicher sein, dass er sich für die Hintergründe der Prostitution interessiert hat und also dazu mit Prostituierten geredet hat.

Und wie das dann bei Jesus war, so ist es auch heute immer noch. In der Biografie "Venusdienst" (a.a.O.) gibt es eine Stelle, wo die Prostituierte schreibt, wie Männer sie fragen, wie sie zu ihrem "Beruf" gekommen ist. Sie behandelt das Thema nur kurz (S. 242): "`Weshalb machst du das, wie bist du zu deinem Beruf gekommen?´ Das war die am öftesten gestellte Doppelfrage während meiner elf Jahre, und sie hing mir schon nach wenigen Monaten aus dem Hals heraus. Ich denke, die wenigsten Klienten werden ihren Rechtsanwalt fragen, weshalb er mit der Juristerei seine Brötchen verdient." Die Frau mag die Frage hier eher schnippisch abhandeln, doch ganz so leicht mag sie das Thema wohl nicht wegstecken, denn wozu sonst hat sie dieses Buch geschrieben, es sind zumindest längere Passagen drin, wie "alles" angefangen hat? – Und um hier wieder auf die möglichen Gespräche von Jesus mit Prostituierten zu kommen: Ich halte es nicht nur für wahrscheinlich, sondern auch für absolut normal, dass sich Jesus mit ihnen auch über dieses Thema unterhalten hat. Und ich denke, gerade wenn diese Frauen zu ihrem Beruf erpresst wurden, möchten sie diese Geschichten doch einmal an einen Mann loswerden, den sie als vertrauenswürdig empfinden. Es ist für mich unverständlich, dass es hier für viele meiner Zeitgenossen schwierig oder gar unmöglich ist, die Zusammenhänge zu sehen.

Die Seiten, wo die Autorin von "Venusdienst" mich zitiert und kommentiert, siehe unter Venusdienst-Text.


113. Zur Dauer einer Lüge: Dem Reichspropagandaminister Joseph Goebbels (1897 - 1945) wird der Ausspruch nachgesagt: "Eine Lüge muss man nur lange genug behaupten, dann wird sie irgendwann zur Wahrheit." Es ist nun nicht belegt, dass er das wirklich gesagt hat, es ist auch unwahrscheinlich, doch an diesem Satz ist schon etwas dran! Je länger eine Lüge als Wahrheit hingestellt wird, desto schwieriger wird es, sie zu überwinden, selbst wenn es immer weniger sachliche Argumente für ihre Glaubwürdigkeit gibt und sich auch noch viele darüber geradezu lustig machen. Ein typisches Beispiel hierfür ist der Hexenwahn und was man sich also alles über angebliche Hexen erzählte und vermutlich auch glaubte. Gegen Ende dieser "Plage" waren schon längst alle möglichen sachlichen Gründe bekannt, dass das mit den Hexen Un-Sinn ist, dass es also keine Frauen gibt, die mit dem Teufel im Bunde stehen usw. Doch Frauen wurden immer noch angeklagt und hingerichtet allein aus dem Grund, dass doch nicht falsch sein kann, was schon immer so war. Denn wenn etwas länger läuft, dann erscheint das für viele als "schon immer". Und es war eben doch falsch! – Und so sehe ich das auch mit der Paulusideologie, sie wird nun noch etwas länger behauptet und gilt für viele immer noch als wahr, obwohl sie schon längst selbst von theologischen Koryphäen angezweifelt wird: Sie ist eben wirklich nicht wahr und muss endlich einmal überwunden und "entsorgt" werden! Ich denke, am ehesten hat eine Chance, dass diese Überwindung gelingt, wenn ein plausibler und gut belegbarer wirklicher Jesus mit einem Engagement, das auch für uns heute noch der "Knüller" schlechthin ist, in den Mittelpunkt gerückt werden kann.


114. Zur Mitfühlsamkeit der Juden: In dem Buch des Dalai Lamas "Das Herz der Religionen - Gemeinsamkeiten entdecken und verstehen" (Herder 2012) fand ich auf Seite 150 folgendes Zitat: "Das Wort Chassid ist vom hebräischen chesed abgeleitet, das im biblischen Sprachgebrauch "liebevolle Güte", "Erbarmen" und "Liebe" bedeutet und die Wechselseitigkeit der mitfühlenden Beziehungen zwischen Mensch und Gott und der Menschen untereinander impliziert. So sagt ein berühmter Weise, der "Maharal" Judah Löw von Prag (1525-1609):
Die Liebe zu allen Geschöpfen ist auch Liebe zu Gott, denn wer immer den Einen Gott liebt, liebt auch alle Werke, die Er gemacht hat. Wenn man Gott liebt, ist es unmöglich, nicht auch Seine Geschöpfe zu lieben. Auch das Gegenteil ist wahr: Wenn man die Geschöpfe hasst, kann man unmöglich Gott lieben, der sie geschaffen hat."
Die Frage ist, wie passt diese Selbsteinschätzung der Juden, die sie ja auch dem Dalai Lama erzählt haben, zur Beschneidung von Babys und zur Schächtung von Schlachttieren?


115. "von Natur aus gutwillig und hochmoralisch": Der bedeutende jüdische Theologe Leo Baeck (1872 - 1956) sieht im Christentum zwei Hauptströmungen der Tradition: 1. Paulus-Augustinus-Martin Luther und 2. Jesus-Pelagius-Calvin. Ich denke, es ist sinnvoll, hier den Rabbiner und Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs an der Universität Potsdam zu zitieren (aus seinem Buch "Jesus von Nazareth im Spiegel jüdischer Forschung" (2010, S. 80):

Baecks Beschäftigung mit dem historischen Jesus ist exemplarisch für zahlreiche jüdische Versuche, die Lehre Jesu als integralen Bestandteil der jüdischen Tradition und Geschichte zu begreifen. Baecks Kritik am Christentum entfaltet sich dabei in einem Modell der »Polarität«: dem Gegensatz von »klassischer« und »romantischer« Religion und dem Spannungsverhältnis von »Geheimnis« und »Gebot« in jeder Religion. Aus dieser Polarität lassen sich dann die Bewertungskriterien für eine tiefergehende Analyse von Judentum und Christentum ableiten. Für das Christentum identifiziert und unterscheidet Baeck zwei Hauptströmungen der Tradition: Paulus, Augustinus und Martin Luther repräsentieren das Element des »Geheimnisses«, die Domäne der romantischen Religion, – Jesus, Pelagius und Calvin das Element des »Gebots«, die Domäne der »klassischen Religion«. Während nun aber in den »klassischen« Religionen, denen das Judentum zuzurechnen sei, ein vollkommenes Gleichgewicht zwischen »Geheimnis« und »Gebot« herrsche, sei das Christentum überwiegend von Paulus und Luther geprägt und verkörpere daher die »romantische« Religion, die dem Menschen ethische Gestaltungskraft letztlich abspreche.
Baecks Typologie entreißt dem Christentum ganze Stützpfeiler, weist aber auch in eine wichtige Richtung zum Verständnis seines Anliegens: die Lehre vom Menschen. Denn nicht in der Person Jesu sei der Unterschied zwischen Judentum und Christentum zu sehen: »Der grundsätzliche Unterschied zwischen Judentum und Christentum, wie er von der paulinischen Theologie herkommt, hat seinen entscheidenden Ausgangspunkt in der Lehre vom Menschen. Es ist die alte biblische Auffassung, |...] dass der Mensch im Gleichnis Gottes geschaffen ist, dass damit eine schöpferische Kraft ihm innewohnt und die Fähigkeit der Entscheidung, die Freiheit ihm gegeben ist, so dass das Gottesgebot als sittliche Aufgabe vor ihn hintreten kann« Der Mensch kann in seinem Leben frei zwischen Gut und Böse entscheiden. Irrt er, so kann er umkehren. Und weil er es kann, soll er es.
Dieser Anschauung steht die Gnadenlehre des paulinischen Christentums mit ihrer Erlösungsbedürftigkeit des Menschen klar entgegen. Und hier, im Bereich des Sittlichen und der Ethik, sei die eigentliche Kluft zwischen Judentum und Christentum zu sehen.“

Es lohnt sich, hier ein paar Worte zu Pelagius zu sagen: Pelagius (350/360 – 418/420) war ein Zeitgenosse und Gegner des Kirchenvaters Augustinus (354-430). Pelagius lehnte die Erbsündenlehre des Augustinus ab und unterstellte ihm Manichäismus, also eine Lehre, dass es überall ein gutes und ein schlechtes Prinzip gäbe und dass der Mensch von Natur aus eine Neigung zum schlechten Prinzip hätte und dass er daher erlösungsbedürftig ist. Pelagius vertrat dagegen eine positive Anthropologie, dass also der Mensch wesenhaft gut ist und dass der menschliche Wille folglich imstande ist, nur aufgrund seines natürlichen Vermögens Gottes Geboten zu gehorchen.
Obwohl Pelagius auf einer Synode 415 vom Vorwurf der Häresie freigesprochen wurde, gelang es Augustinus durch seinen größeren Einfluss, dass er 418 auf der Synode von Karthago endgültig als Häretiker verurteilt wurde.
Ich, also der Autor des vorliegenden Konzepts, möchte mich allerdings Pelagius anschließen, dass der Mensch wesenhaft gut ist usw. Wichtig ist nur, dass Hindernisse für sein Gutsein aus dem Weg geräumt werden, damit er sein Gutsein auch entfalten kann.


116. Warum Paulus etwas anderes geschrieben hat als das, was das Anliegen Jesu war? Die Theologen scheinen hier hilflos zu sein, beziehungsweise die Frage wird gar nicht gestellt. Der amerikanische Theologe James M. Robinson versucht wenigstens, sie in seinem Buch "Jesus und die Suche nach dem ursprünglichen Evangelium" (2005/2007) zu beantworten (S. 75): "Die Evangelisten schrieben mehr als ein halbes Jahrhundert nach Jesu öffentliche Wirksamkeit - in einer Zeit, als die ersten Jünger, hauptsächlich Bauern und Fischer, von Christen der zweiten Generation abgelöst waren, von denen einige gebildet genug waren, um Evangelien auf griechisch zu schreiben. Sie dürften unbewusst Jesus anders verstanden haben als er sich selber verstand. Sie gehören in die Reihe der vielen, die sich ein Jesusbild nach ihrem eigenen Bild von Jesus gemacht haben. So entstand ein schriftkundiger Jesus."
Ich denke nun, dass plausibler der Grund ist, auf den ich bei meinem Engagement gekommen bin, dass nämlich das Anliegen Jesu den einflussreichen Personenkreisen nicht passte und dass daher ein neuer Jesu und ein neues Glaubenskonzept in die Welt gesetzt wurde. Denn das, auf was ich gekommen bin, dürfte nicht so leicht in Vergessenheit geraten oder falsch zu verstehen sein. Von "Jesus unbewusst anders verstehen" ist mehr als unwahrscheinlich. Hier muss schon ein bewusstes Vergessenwollen und/oder Falschverstehen vorliegen. Und wenn sich die Autoren dann lieber ein eigenes Bild machen, ist das schon ziemlich dreist.

117. Sexualwissenschaft eine Scheinwissenschaft? und "Naturalistischer Fehlschluss": Dass die heutige Sexualwissenschaft weitgehend keine besonders seriöse Wissenschaft ist, wird an zwei Indizien deutlich:
1. weitestgehend unkritische Übertragung von Beobachtungen am Sexualverhalten von Affen, besonders Bonobos, auf Menschen. Affenweibchen gehen also bisweilen „fremd“, was zwar nicht direkt beobachtet wurde, doch sie bekommen schon mal Nachwuchs, der nach genetischer Untersuchung nicht vom Pascha der Gruppe stammt. Und aus mancher Ähnlichkeit von Menschen und Bonobos schließen nun viele Sexualforscher, dass die Menschenfrauen besonders unter kulturbedingten Zwängen der Monogamie zu leiden haben und dass es eigentlich in ihrer Natur liegt, dass auch sie gerne „fremdgehen“ würden (wenn sie denn dürften).
Ein m. E. sehr plausibles Argument gegen diese These moderner Sexualforscher ist die Scham. Wenn Affenweibchen promisk sind, also bisweilen gerne fremdgehen, so liegt das offensichtlich in ihrer Natur – das Kennzeichen dafür ist, dass sie deswegen keine Scham kennen. Sie verbergen ihr "Fremdgehen" zwar vor "ihrem Pascha", doch so etwas wie eine "Körperteileversteckenscham" gibt es bei ihnen nicht. Doch wenn Menschenfrauen fremdgehen, dann brauchen sie auch eine solche Scham. Ich finde, dass das ein sehr sicheres Indiz ist, dass die tierische Sexualität nicht auch die menschliche ist, dass die tierische Sexualität also nicht in der Natur des Menschen liegt und dass die Übertragung einer Bonoboweibchenmoral auf Menschenfrauen Unfug ist.
Vor allem auch, sind die Übertragungen von Verhaltensweisen von Affen auf Menschen nicht nur ungenau, sondern es werden auch Aspekte, die nicht passen, einfach übersehen und weggelassen, siehe zu meinen Beobachtungen bei jungen Wollaffen unter Hinweis 145.

2. Durchaus auch von den Forschungen an den naturnahen Einwohnern der Südseeinseln wie Samoa der "nicht unumstrittenen" amerikanischen Anthropologin Margret Mead schließen moderne Pädagogen oder Sexualpädagogen darauf, dass es in der menschlichen Natur liegt, dass schon Kinder damit beginnen, die Sexualität bis hin zum Geschlechtsverkehr „spielerisch zu lernen“ - wenn sie nicht daran gehindert werden. Und wenn schon Kinder solche kindliche Sexualität ungezwungen und spielerisch praktizieren können, dann werden sie angeblich später ausgeglichene Erwachsene ohne übertriebenes Macht- und Besitzstreben usw.. Es ist von daher also Aufgabe einer menschengerechten Sexualerziehung, auch und gerade Kinder so zu informieren bzw. zu lassen, dass sie dieses spielerische Erlernen der Sexualität auch gefahrlos praktizieren können, also ohne dass sich die Kinder mit Geschlechtskrankheiten anstecken und ohne dass Mädchen schwanger werden.
Das wichtigste Argumente gegen solche Pädagogik ist vor allem, dass dahinter ein pseudowissenschaftlicher "naturalistischer Fehlschluss" steckt, das heißt, dass der Maßstab für das Ziel dieser Pädagogik ist, was der Durchschnitt einer Gesellschaft macht. Das scheint dann das Natürliche und Normale zu sein, zu dem junge Menschen erzogen werden sollen. Doch ich denke, dass das noch lange nicht richtig sein muss! Und abgesehen davon, dass es einfach nicht stimmt, dass die Südseeinsulaner ihre Kinder bewusst nach diesem Schema erziehen, scheint es weitgehend dennoch solches freies Verhalten der Kinder zu geben. Das Problem in Samoa usw. nun ist nicht, dass die Erwachsenen solches Verhalten der Kinder gut finden und sie also dahin erziehen, sondern weil sie einfach nicht wissen, was sie gegen solche "Spielereien" der Kinder tun können. Denn es ist auch in Samoa so, dass die Folge solcher Spielereien in der Kindheit später keinesfalls ausgeglichene Menschen sind, sondern dass es relativ viele psychisch gestörte Menschen gibt: Die Rate der Selbstmorde ist weltweit wohl die höchste, und dann gibt es noch ungewöhnlich viele gerichtliche Verfahren wegen persönlicher Probleme. Googeln Sie doch mal nach "Margret Mead" und "Derek Freeman"! Derek Freeman ist nämlich der neuseeländische Anthropologe (1916 - 2001), der sich nun wirklich lange in Samoa aufgehalten hat und die Sprache der Samoaner beherrschte und der die "Forschungen" von Margret Mead weitestgehend widerlegt hat.

Es sieht also alles danach aus, dass die Moral der hohen Monogamie doch die typisch menschliche ist.

Doch die mehr oder weniger kritiklose Übernahme der angeblichen Erkenntnisse "aus der Anthropologie Margret Meads" hat schließlich dazu geführt, dass die Sexualmoral der jungen Menschen bei uns vor allem von einem kommerziel­len Un­ternehmen ge­macht wird, das dabei natürlich die entspre­chen­den eige­nen Inter­essen des Unternehmens ver­tritt. (Die Webseiten von „Bravo“ haben im Monat über zwei Millio­nen Zugrif­fe – und die Pseudowissenschaft, die deren Hinter­grund ist, hat längst auch in die schu­lische Sexualer­ziehung Einzug gehalten.) Nach der Logik des naturalistischen Fehlschlusses wäre es auch nicht falsch, junge Menschen zum Alkohol-Trinken und zum Rauchen und zum Drogenkonsum zu erziehen, wenn das alle machen. Und es wäre auch nicht falsch gewe­sen, Hexen und Juden zu er­mor­den, weil das ja alle taten bzw. gut hießen, zumin­dest aus der Sicht der Wachmannschaften. Und es war eben doch falsch und sogar verbrecherisch.

Sinnvoll und positiv wissenschaftlich wäre also nicht, die jungen Menschen zu dem zu erziehen, was alle machen, egal wie gut oder schlecht das ist, sondern Ideale als Maßstab zu nehmen und Wege zu entwickeln, die jungen Menschen zu diesen Idealen zu erziehen. So wie ich sehe, käme für solch ein "Verfahren" unsere christliche Religion infrage – zumindest wenn sie sich am echten Jesus orientiert. Denn der Maßstab unserer Religion ist nun wirklich ein anderer als der der profanen Sexualwissenschaften oder sollte es doch sein! Hier sollte es um die Erziehung zu echten Werten der Liebe, der Treue, der Partnerschaft, der (echten) Monogamie gehen. Und weil das sehr oft nicht so recht gelingt, wurde und wird auch hier bisher immer nur an Symptomen herumge­dok­tert, wo­durch sich im Endeffekt gar nichts geändert hat bzw. ändert. Eine Sexual­erzie­hung, die ei­ne wirkli­che ist, muss sich einfach an echten Werten orientieren.

Und wenn sich die Religion hier nicht einsetzt, dann wä­re es vielleicht die Aufgabe anspruchsvoller Medien, hier aktiv zu wer­den und etwa den Kirchen „auf die Füße zu treten“. Aber auch die wollen nach meinen Erfahrungen erst recht nicht …

118. "moralischer Nährwert der Scham": Es gibt keine wissenschaftlichen Untersuchungen (ich kenne jedenfalls keine, und ich habe doch intensiv danach gesucht), ob die Pädagogik der Sexualscham überhaupt einen „moralischen Nährwert“ hat, dass sie also zu einer höheren Moral führt, und eine höhere Moral kann doch nur eine Moral der echten Monogamie sein? Dazu erst einmal ein wenig Ursachenforschung: Der spanische Philosoph Ortega y Gasset hat in seinem Büchlein "Über die Liebe" von seiner Beobachtung berichtet, dass es nicht die Männer sind, die eine Frau „verführen“, sondern dass die Frauen damit anfangen – die Männer nehmen sich also nur, was sich bietet. Y Gasset meint das grundsätzlich, das gilt also auch für das „erste Mal“ von Mädchen (ohne allerdings diesen „Fall“ direkt anzusprechen). Darauf bin ich einmal die Fälle vom „ersten Mal“ durchgegangen, von denen mir berichtet wurde, entweder von den Frauen selbst, wie es bei ihnen angefangen hat, oder auch von Jungen bzw. Männern, mit welchen Begründungen Mädchen mit ihnen ihren ersten Sex hatten oder haben wollten, bei dem keine Ehe zustande kam bzw. von vornherein gar nicht beabsichtigt war. Es ist verblüffend, aber  Verliebtheit kam da gar nicht vor, auch nicht Gier (oder auch "Geilheit"), dass ein Mädchen es nicht ohne Sex aushalten konnte, und erst recht nicht Spaß an einem Nacktstrand, aus dem dann "mehr" wurde. Auch Erpressung zum Liebesbeweis gab es nicht, allerdings kann es sein, dass diese Fälle zur Ehe geführt haben, und dass ich daher nichts davon erfahren habe.
Ich habe einmal im Text „
Monogamie von der Vernunft her“ zusammen gestellt, was ich herausgefunden habe. Ich zitiere hier daraus:
"Bei manchen Mädchen war es sicher Verliebtheit, die sie wehrlos mach­te, 15 „nein“ zu sagen zum Drängen des Freundes, zumal sie keine wirklich plausib­len Gründe für das Neinsagen hatten. Doch andere hatten damit angefan­gen, bei denen überhaupt keine Ver­liebtheit oder ein erkennbarer anderer Druck da war. Manche hatten ein­fach nur deswegen angefangen, weil sie meinten, dass das ein Zei­chen von Emanzipation und Erwachsensein sei und dass sie das Gefühl von Minderwertigkeit hatten, wenn sie mit 17 noch Jung­frau seien. (Es ist schon interessant, dass im Englischen das Wort für „Un­zucht“ eine Ableitung des Wortes für „erwachsen“ ist.) Doch das passte nun gar nicht zu Mädchen, die wirk­lich gut aussahen und offensichtlich auch in­telligent waren, die hatten doch solche Komplexe gar nicht nötig. Andere dach­ten, dass „das“ auf eine Heirat hinausliefe, die sie eigent­lich auch woll­ten, und wieder anderen war von vorn­herein klar, dass sie die­sen ersten Mann nie hei­raten wollten, denn – so vie­le – „der erste Mann“ sei erfah­rungs­ge­mäß so­wieso nie „der Richtige“. (Das sagen ja angeblich alle so – auch nur zu oft die Mütter.) Oder auch, so ein Mädchen: „Die Ehe meiner Eltern ist offen­sichtlich beschissen; soweit ich sehe, liegt das daran, dass meine Mutter jung­fräulich in die Ehe gegangen war, wie sie mir immer erzählt hatte. Also will ich es vernünf­ti­ger ma­chen und nicht so dumm und naiv in die Ehe gehen wie sie und wenigs­tens vorher ei­nen hei­ßen Einstieg in die Sexualität haben, egal mit wem.“ (Anm.: Das Mädchen machte also einen solchen „Einstieg“, doch der war die reinste Kata­strophe. Und hinterher bekam das Mädchen her­aus, dass die Mutter immer ge­logen hat­te, sie war vor ihrem <Ehe->Mann gar nicht jungfräulich. Also war die Ursache der Beschissenheit der Ehe ihrer El­tern gar nicht, dass ihre Mutter jungfräulich in die Ehe gegangen war!) Und wieder an­dere wollten ein­fach nur von zuhau­se raus, weil sie in ihrer Familie nicht klar kamen, und das ging „zwi­schen 16 und 18“ am ein­fachs­ten, wenn sie zu ei­nem Mann zogen. Doch wie­der andere ka­men mit ihrer Familie durch­aus klar, die Mutter war für sie so­gar die beste Freun­din, und sie fingen trotz­dem an. Und noch andere wollten „es“ einfach nur hin­ter sich ha­ben. Auch hat­te die Religion offensichtlich keinen Ein­fluss, die einen, die „damit“ anfin­gen, waren sehr religiös und gläubig, andere waren gar nicht religiös und gläu­big. Besonders beeindruckend für mich war, wie eine Mutter meinem En­gagement lebhaft zustimmte, das damals aller­dings noch sehr unausgereift war, doch immerhin, ein Ansatz war da. Ihre Tochter sei also eines Tages von einer Klassenfahrt zurückgekommen und hätte ihr über ihre „Erfah­rung“ ge­klagt: „Mutter, Mutter, von allem hast du mir erzählt und über alles hast du mich aufgeklärt, aber darüber nicht.“ Die Mutter machte mir jeden­falls Mut, mich nicht beirren zu lassen und meinen Weg weiter zu gehen, den Eltern klar zu machen, wie schnell ihre Töchter eines Tages von ihren Gefühlen über­rum­pelt werden können, gegen die sie dann machtlos sind – wenn sie nicht (s. Hinweis 77) ange­messen darauf vorbereitet sind. Denn Eltern oder andere Pädagogen kön­nen hier sehr wohl etwas machen – natürlich vorher. Von einer älte­ren Da­me hörte ich schließ­lich von einer Erpres­sung, denn eigent­lich wollte sie gar nicht. Doch in den letz­ten Kriegs­ta­gen hatte ihr ein befreundeter deut­scher Sol­dat vor­gehalten, dass sie damit rech­nen müs­se, wenig spä­ter von russi­schen Solda­ten verge­waltigt zu werden, doch für ei­nen deut­schen Solda­ten, der sie doch mit sei­nem Leben ver­teidi­gen würde, für den hielte sie sich zu schade. Ja, ihr waren nie Argumen­te bei­ge­b­racht word­en, hier etwas Plausib­les dagegen zu sagen und ihm et­wa er­satzweise eine „unschuldige Alter­na­ti­ve“ an­zu­bieten, z. B. eine „therapeutische Ganzkörpermassage zur Stärkung“, die doch gerade bei einem Soldaten näher gelegen hätte? Dabei wollten die meisten – und auch die, die „freiwillig“ angefangen hatten – schließlich schon einem Mann treu sein, doch ihre Einstellung war, dass dazu frau nun einmal vorher
wissen muss, wem sie treu sein will und ob ihr das Zu­sammensein mit diesem Mann wirklich gefällt. Al­so ist es letztlich egal, mit wem frau „es“ anfängt. Hauptsache sie fängt irgendwann an."
Das war dann al­so of­fensichtlich in den meisten Fällen der Grund für den sogenann­ten „ers­ten Freund“, den sich Mäd­chen „nur dafür“ ge­su­cht hatten. Die Jungfernschaft war dabei nur lästig gewesen, daher weg mit ihr wie mit ei­nem dreckigen Lappen (s. Hinweis 14)! Wenn ein solcher Umgang mit unserem Körper allerdings nicht auch eine Art „Leib­feindlichkeit“ ist? (S. auch Hinweis 74.) Und heute wird es nicht anders sein, die "ersten Erfahrungen" eines Mädchens dürften immer noch so anfangen.

119. „die Mädchen dumm und uninformiert lassen“: Zur Zeit, da ich dies schreibe, ist das Thema der Feministen, und nicht nur der, die Metoo-Debatte. Dabei geht es immer nur um Vergewaltigung, „Anbaggerei“ und anderes „unziemliches Verhalten“. Damit sich nun Männer trauen, das zu praktizieren und gegebenenfalls auch dabei „erfolgreich“ sind, gehört auch eine Empfänglichkeit und eventuell auch eine Bereitschaft der Mädchen und Frauen dazu mitzumachen. Eine Anbaggerei kann nun einmal sowohl als lästige sexistische Annäherung empfunden werden aber auch als durchsichtige unreife und unbeholfene Annäherung und mehr oder weniger humorvoll abgewehrt werden. Und je nachdem, wie gut informiert frau ist, könnte sie die Anbaggerei ja auch humorvoll „zurückgeben“. Es gibt auch Untersuchungen zu Vergewaltigungen. Opfer sind hier interessanterweise nicht die kessen, die mutigen, die selbstbewussten Frauen und Mädchen, sondern eher die braven, die zrückhaltenden, die naiven. Es sieht so aus, als ob die kessen und selbstbewussten Frauen und Mädchen eine unsichtbare aber dennoch sehr wirksame Aura um sich haben, so dass sie die Vergewaltiger und sonstigen Hallodris gar nicht an die herantrauen. Aufgabe einer sinnvollen Pädagogik wäre also, die jungen Menschen weniger auf "brav und zurückhaltend" zu erziehen, sondern auf "kess und selbstbewusst". Und wer hierzu die Möglichkeit hat und das aber nicht tut, ist der nicht mindestens genauso schuldig wie die Harvey-Weinstein- und Placido-Domingo-Typen? Ja, wie heißt das in dem ergreifenden Kriegslied von Matthias Claudius so passend: "Und ich begehre nicht schuld daran zu sein!" Daher versuche ich, diese Zurückhaltung und Bravheit durch das vorliegende Konzept zu ändern.

Das Problem bei dem "die Frauen und Mädchen uninformiert lassen" war damals ja nicht nur diese Erpresserei "mal einer Frau hier, mal einer Frau dort", sondern die Unsicherheit und die Ängste bei allen Mädchen und Frauen, die damit verbunden waren. Da die wirklichen Hintergründe bei den normalen gutwilligen Menschen nicht bekannt waren und sie ihnen ja auch nicht erzählt wurden, hatte man also den Mädchen und Frauen gesagt, wie das immer so ist, dass sie selbst an allem schuld seien, weil sie durch ihr „Verhalten“ die Männer reizen. Und „Verhalten“ konnte und kann ja alles Mögliche und Unmögliche sein, „nicht züchtige Kleidung“, „Lachen in der Öffentlichkeit“, „mit fremden Männern reden“ usw. Und ist das im Prinzip nicht auch bei uns heute immer noch so – nur wird das, was dann eventuell an Sex passiert, als normal und als Zeichen von Emanzipation hingestellt – selbst wenn es im Grunde nur Dummheit ist? Gelöst ist das Problem jedenfalls nicht!


120. echte Monogamie: Ob schon in der Bibel das Ideal der echten Monogamie bestand, ist ein schwieriges Thema. Nicht zuletzt sieht ja die Praxis der namentlich bekannten Personen der Bibel sehr oft ganz anders aus, von einer Monogamie hielten da manche nicht viel. Doch werden die Eskapaden der Betreffenden in der Bibel nicht schön geredet, sondern eindeutig verurteilt, etwa die Liason des Königs David mit der Frau des Urias oder auch die vielen Frauen des Königs Salomo.
Und wenn sich vielleicht auch kein ausdrückliches Gebot der echten Monogamie in der Bibel findet, so denke ich doch, dass es sich einfach ergibt.
1. In der Adam-und-Eva-Erzählung geht es um Sex mit einer Prostituierten – und der wird sehr stark verurteilt, indem er als Ursache des Verlust des Paradieses gesehen wird

2. das Ideal der Nacktheit, das in der Paradiesgeschichte ausdrücklich erwähnt wird, kann nur oder zumindest am einfachsten gelebt werden bei echter Monogamie
3. Bedingung für den Orgasmus der Frau ist, dass sie sich bei einem Mann unbedenklich fallen lassen kann, und auch das ist nur oder zumindest am einfachsten möglich bei echter Monogamie
4. Die Zehn Gebote gehören zu der Entstehungsgeschichte des jüdischen Volkes (nicht die Abrahamgeschichte mit der Anordnung der Beschneidung, die ist eine Geschichte aus dem Nachhinein!) – und da ist „des Nächsten Weib“ tabu. Und wenn wir bedenken, dass bei den Juden der Geschlechtsverkehr und nicht die Ehe vor dem „Zensor“ (wie bei den Römern) die Ehe begründete, dann heißt das doch, dass eine Frau, die bereits mit einem Mann Sex hat, als verheiratet gilt – und nicht mehr für andere Männer frei ist.
5. Alternative zu den Zuständen in der Sklaverei (s. Hinweis 152): Die einzige echte Alternative zu den "unordentlichen Beziehungen" in der Sklaverei sind doch "ordentliche Beziehungen", wie es sie nur in einer echten Monogamie gibt.
6. Die strenggläubigen Juden (also die orthodoxen Juden) befolgen die strenge Monogamie, das weist darauf hin, dass die strenggläubige Monogamie durchaus zum jüdischen Glauben gehört. Leider geschieht diese Befolgung und vor allem auch die Erziehung zu dieser Befolgung allerdings so verkrampft und weltfremd, dass "echte Monogamie" für Außenstehende eher etwas Abschreckendes ist. Daher wird sie selbst von normalen Juden nicht mehr oder nur selten praktiziert. Doch was wäre, wenn die echte Monogamie den jungen Menschen anders gelehrt würde – so wie ich das hier versuche?
7. Wenn es bei der Forderung nach der Monogamie in unserem Glauben nicht um die echte Monogamie gehen sollte, wozu dann der ganze Aufwand? Da Menschen nun einmal üblicherweise Dünnbrettbohrer sind, bliebe sowieso alles beim Alten.

Da bleibt doch nach der ursprünglichen jüdischen Tradition nur das Gebot der echten Monogamie übrig, selbst wenn es für uns heute nicht so deutlich ausgesprochen wird. Die Frage stellt sich natürlich, ob dieses Gebot auch unter den Aspekten der modernen Sexualwissenschaft haltbar ist, oder ob der Mensch hier nicht zu einer Lebensweise vergewaltigt wird, die nicht die seine ist. Immer wieder äußern sich ja Sexualwissenschaftler, dass die echte Monogamie nicht menschengemäß ist, nicht nur Männer, sondern auch Frauen sind von der Natur nicht nur für einen einzigen Sexualpartner geschaffen.

Ich denke allerdings, dass die monogame Lebensweise doch die typisch menschliche ist, und wenn die nicht funktioniert, dann liegt das daran, dass die Pädagogik dieser Lebensweise nicht professionell bzw. nicht genügend professionell ist:

1. die Auffassung ist weitestgehend, dass die (Sexual-)Scham die Bedingung für eine ordentliche (Sexual-)Moral, also auch für die echte Monogamie ist, dafür gibt es weder wissenschaftliche Untersuchungen, noch irgendeinen Beweis. Allenfalls gibt es ein wissenschaftliches Tierexperiment, siehe Hinweis 145.

2. die katholische Kirche sagt, dass die Sexualerziehung der Kinder Aufgabe der Eltern ist. Die Frage stellt sich, was ist, wenn einige Eltern diese Aufgabe vernünftig wahr nehmen und andere aber nicht. Die jungen Menschen sind ja bei einer Partnerwahl nach den Grundsätzen der echten Monogamie darauf angewiesen, dass die anderen jungen Menschen genauso denken wie sie. Wenn nun alle Eltern ihren Kindern unterschiedliche Einstellungen beibringen, ist die echte Monogamie nicht mehr gewährleistet. Die Umsetzung der echten Monogamie in die Praxis ist also eine Gemeinschaftsaufgabe! Und da es sich um eine spezielles ethisches Problem handelt und nicht alle Menschen auf dieses spezielle ethische Problem festgelegt werden können, wäre sie eine Aufgabe der oder einer Religion. Die Religion kann man schließlich wählen.
3. Ein vernünftiger Unterricht der jungen Menschen wird zumindest bisher gerade von kirchentreuen Menschen sehr oft abgelehnt, weil der "Frühsexualisierung" der jungen Menschen bedeuten würde. Siehe hierzu die Hinweise 41, 45 und 103.

Es ist eigentlich unglaublich, wie Pädagogen überhaupt auf die Idee kommen können, dass bei allen diesen offensichtlichen kapitalen Fehlern eine Monogamie durchgängig erreicht werden kann. Erklären lassen die sich eigentlich nur durch eine Kulturbedingtheit, "es war eben immer so" - oder dass gar kein wirkliches Interesse besteht. Doch das heißt auch, dass diese Fehler irgendwann geändert werden können oder gar geändert werden müssen. Bei vielen Menschen mag nun die echte Monogamie trotz der Fehler funktionieren, herzlichen Glückwunsch! Doch wird es oft auch so sein, dass irgendwann die gegenseitige Anziehung, die es ja gewiss zunächst vor allem aufgrund von Äußerlichkeiten gab (man fand den anderen einfach wunderschön und interessant und auch sehr nett und da war auch die Aussicht auf eine gepflegte Triebbefriedigung...), vorbei ist. Und dann setzt sich die Wirklichkeit durch, dass man also feststellt, dass man gar nicht wirklich zusammen passt. Auch war es nicht einmal zum Orgasmus der Frau gekommen – also sucht sie sich einen anderen Partner – auch einen anderen Sexualpartner, der ihr mehr Erfüllung verspricht. Die Sexualwissenschaftler sagen dann, dass das normal ist, die Frau ist eben nicht für die Monogamie geschaffen, der Mann sowieso nicht. Doch würde die Sexualmoral nicht auf dem Verstecken von Körperteilen und auf Unwissenheit und auf mangelhafter Kenntnis des anderen beruhen, würden die wichtigen zwischenmenschlichen Beziehungen also anders und vernünftiger zustande kommen – würden die Menschen auch monogamer sein.

Es ist mir unverständlich, warum die Sexualwissenschaftler (und auch die Religionen) nicht auf diese doch sehr offensichtlichen Zusammenhänge kommen. Es sieht so aus, als ob die These von der Polygamie – bei uns heute eher Polyamorie genannt – von vornherein als eine Art Dogma fest steht und sich kaum jemand oder auch niemand mehr die Mühe macht, dieses Dogma zu hinterfragen und schließlich auch als völlig unstimmig "über Bord zu werfen"..

Und wer meint, dass der Mensch nicht zur Monogamie veranlagt ist, der soll nicht verlangen, dass sich eine Religion, die auf die Monogamie "setzt", dazu hinbiegt, sondern der soll seine Freiheit nutzen und sich eine andere Religion suchen, die seinen Vorstellungen eher entspricht.

121. "wie Frauen keine Chancen hatten ... das hatte Jesus nun mitbekommen": Die Frage kommt immer wieder auf, wie die Beziehung Jesu zu Frauen war. War er verheiratet, wie stand er zu Prostituierten, mit denen er ja offensichtlich befreundet war, hatte er mit solchen Frauen Intimitäten, gehörten zu seinem Kreis auch Jüngerinnen, und auch solche, mit denen er auch Intimitäten hatte? Meine Meinung hierzu: Wir wissen es nicht und was wir wissen, ist vermutlich alles frei erfunden. Doch wird bei den Forschungen über die (sexuellen) Beziehungen Jesu zu Frauen immer etwas übersehen (so auch im Buch "Jesus und die Frauen" von Hubertus Mynarek, in dem es um ein angeblich reges Liebesleben Jesu geht): Es gibt gerade im Bereich der Sexualität auch so eine Art "Placebo-Effekt". Placebo-Effekt heißt ja, dass das Wissen um die Wirksamkeit eines Medikaments seine Wirksamkeit beeinflusst. Wenn ich also über die Wirksamkeit eines Medikaments gut belogen und betrogen werde, dass es also sehr gut gegen eine Krankheit wirkt, dann wirkt es auch – zumindest bisweilen! Umgekehrt heißt das dann auch, dass ein Medikament nicht hilft, wenn ich fest glaube, dass es gar kein richtiges Medikament ist, selbst wenn es in Wirklichkeit doch eins ist. Bei der Beziehung zu Frauen läuft das nun ähnlich, und nicht nur wenn es sich um verheiratete Frauen oder Frauen in einer festen Beziehung handelt, diese Frauen sind ja zumindest für die meisten Männer ohnehin "tabu": Wenn mir klar ist, dass mich eine Frau nur wegen meines Geldes liebt oder auch wenn ich weiß, dass eine Frau eine gefährliche Geschlechtskrankheit hat, dann kann einem durchaus "die Lust vergehen", dann kann also auch bei denen der Sexualtrieb auf Null herabsinken.
Wir sollten ja einmal bedenken, wie die Prostituierten, mit denen Jesus zu tun hatte, damals zu ihrem "Job" gekommen sein mögen. Jesus hatte also mit Sicherheit mitbekommen, wie Frauen und Mädchen unter Missbrauch der damaligen Gesetze zum Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehe zumindest am Anfang regelrecht erpresst worden waren. Denn nach diesen Gesetzen galten Frauen als des Straftatbestands des Ehebruchs überführt und wurden mit dem Tod bestraft, wenn sie von zwei Zeugen auf frischer Tat ertappt worden waren. Und jetzt wurde dieses Gesetz von brutalen Männern missbraucht nach der Devise: „Entweder du hast Sex mit uns oder wir zeigen dich an, dass wir dich erwischt haben mit einem Mann, der nicht der deinige ist, dann wirst du mit dem Tod bestraft“. Da nun die Frauen keinen für andere glaubwürdigen Ausweg sahen, sie hatten ja auch gar keine Chance, sich erfolgreich zu wehren (wer würde ihnen schon glauben, wenn sie vor Gericht und auch sonst erzählten, dass sie überhaupt nichts "in dieser Richtung" getan hatten?) und leben wollten, willigten sie ein, was die Männer wollten – und das war dann der Anfang ihrer zweifelhaften „Karriere“ als Prostituierte – in immer weiterer Abhängigkeit von diesen „brutalen Männern“ (wir würden heute sagen „Zuhältern“). Wer einmal in deren Fängen war, kam da nicht mehr heraus. Jesus aber war mal ein Mann, der diesen Frauen glaubte, was sie erzählten, wie sie zu ihrem "Job" gekommen waren, und der hier etwas ändern wollte und sich mit öffentlichen Reden „gegen die Sünde, gegen die Heuchler, für die Liebe“ engagierte. Schließlich hatte er von solchen Erfahrungen immer wieder gehört. Und die Schuldigen hier waren für ihn nicht nur die typischen Täter, die die Frauen erpresst hatten, sondern auch alle die nach außen hin so braven Autoritäten in der Gesellschaft, und das waren damals eben vor allem Priester und Schriftgelehrte, die hier wegguckten und also nicht wahrhaben wollten, was da lief, und daher auch nichts Sinnvolles dagegen unternahmen.
Jedenfalls könnte das der Hintergrund sein, dass Jesus in den Frauen nicht mehr „Triebbefriedigungsobjekte“ sah, sondern Menschen, denen er einerseits helfen musste, ihr Schicksal zu ertragen, beziehungsweise für die er Konzepte entwickeln musste, damit sie nicht in solches Schicksal hineinrutschten, wenn sie etwa noch "alles vor sich" hatten. – Ich denke, dass es so bei Jesus gewesen sein könnte. Merkwürdig ist nur, ich weiß, ich wiederhole mich, dass auf diese Zusammenhänge sonst niemand kommt.


122. "... auf der heißen Spur des wirklichen Jesus": Zu dem Jesus, auf den ich gestoßen bin, würde die Bibelstelle bei Matthäus 11,19 voll passen: "Der Menschensohn ist gekommen, er isst und trinkt; darauf sagten sie: Dieser Fresser und Säufer, dieser Freund der Zöllner und Sünder! Und doch hat die Weisheit durch die Taten, die sie bewirkt hat, recht bekommen." Es ging dem wirklichen Jesus eben nicht um irgendeinen atemberaubenden tiefen Gottesglauben und um weltferne Askese und um eine Verachtung aller irdischen Freuden, sondern er wollte einen einzigen Missstand ändern, und das wäre der schäbige und sogar kriminelle Umgang mit den Frauen. Und um den zu ändern, muss man kein trister Moralapostel sein und sich nicht selbst kasteien und anderen solche Kasteiung predigen, sondern man muss vor allem ein wirklicher Mensch sein und Mitgefühl haben und sachlich denken können!


123. "... in erster Linie um eine Gemeinschaft ...": So viel ich sehe, ist "das Besondere" der Paulusideologie gar nichts so Besonderes, sondern typisch für alle bekannten Religionen! Wenn ich etwa das Buch des Dalai Lama "Das Herz der Religionen" lese, dann geht es immer nur um den Gottesglauben und die Fragen nach den letzten Wahrheiten, um das Mitgefühl, um Vergebung und Versöhnung, um den Schutz der Umwelt, um Frieden, um gegenseitige religiöse Verständigung ... Das alles mag ja schön und gut sein, doch ich denke, das sind alles typische Ziele in patriarchalischen Systemen (man kann auch sagen in "Macho-Systemen"). Ganz krass fällt der Machismo der Religionen auf, wenn sie wie die Juden und die Moslems neue Mitglieder schon als Babys oder als willenlose Kinder per Beschneidung "zwangsrekrutieren", ohne dass diese jungen Menschen eine echte Chance haben, sich dagegen zu wehren und anders zu entscheiden. Um die idealistischen Ziele betr. der zwischenmenschlichen Beziehungen, wie ich sie gleich am Anfang des "Kriminalfalls" als "Knüller" des ursprünglichen Glaubens beschrieben habe und wie sie aller Wahrscheinlichkeit auch Jesus sah, geht es jedenfalls nirgends. Diese Ziele werden auch im Buch des Dalai Lamas noch nicht einmal erwähnt. Dabei dürfte die Erfüllung dieser Ziele doch die Basis sein, dass sich alles andere sozusagen automatisch von alleine ergibt. Daher engagiere ich mich für diese (ursprünglichen jüdischen) Ziele!


124. "... das Erlebnis des Orgasmus ..." (der Frau) und ... (diese Religion) "wird gewinnen...": Irgendwann bin ich dazu auf eine hübsche und sehr interessante "Geschichte" aus dem Orient bzw. aus Tunesien gestoßen – und zwar im Buch "Der duftende Garten" (Scheik Nefzaui, frühes 15. Jahrhundert). Es geht hier darum, wie ein "kümmerlicher" Mann sich bei einem Weisen beklagt, dass seine Frau nichts von ihm wissen will und er daher auch nicht an ihr Vermögen herankommt. Der Weise erklärt dem bedauernswerten Mann, dass er wissen muss: "Die Religion der Frau liegt in ihrer Ritze" und so gibt er ihm ein Rezept für ein Heilmittel seines entsprechenden Körperteils – und ab der Anwendung dieses Heilmittels funktioniert die Beziehung zu der Frau blendend, auch stellt sie alles, was sie ist und hat, ihm zu Verfügung. – Ich denke nun, dass mit diesem "Heilmittel" nichts anderes erreicht wird, als das, was auch Wilhelm Reich meint und mit ihm die ganze moderne Sexualwissenschaft, also ein "technisch" besserer Geschlechtsverkehr. Doch in Wirklichkeit geht es nicht oder zumindest weniger darum, mit welcher Perfektion der Mann sein Glied in die Scheide der Frau hineinstößt, sondern ob sie einen echten Orgasmus erlebt. Und dazu gehören nun einmal vor allem "die besonderen persönlichen Gefühle". Die Aufgabe eines Mädchens ist nun, den Partner zu finden, bei dem es "diese besonderen persönlichen Gefühle" gibt – und der natürlich auch sonst seine Verantwortung für es spüren lässt. Und ich denke, dass die Religion oder auch Weltanschauung, die den jungen Menschen hier brauchbare Konzepte vermittelt, wie Frauen (oder auch Mädchen) "dies" in ihrem Leben erreichen können, "gewinnen" wird. Das heißt auch, dass alle Religionen, die das nicht schaffen, verschwinden werden und nur die Religion bleiben wird (bzw. die Religionen bleiben werden), die den Menschen hilft bzw. helfen, ihre menschlichen Aufgaben zu lösen.
Doch was ist eigentlich Orgasmus? Ich denke, es ist nicht das Gezucke und Gestöhne, wie das so im Allgemeinen in Pornofilmen zu sehen ist, denn der Orgasmus ist etwas sehr Persönliches und ich bezweifle sehr, ob es überhaupt dazu kommen kann, wenn ein Filmteam um ein Paar herumsteht, um es "dabei" zu filmen. Wenn ich jungen Menschen oder auch Kindern erklären wollte, was ein Orgasmus ist, habe ich ihn etwa mit einem Erdbeben verglichen - er ist eine völlig neue andersartige Reaktion des menschlichen und gerade auch des weiblichen Körpers. Von allen Reaktionen, die wir so an uns kennen, ist er vielleicht am ehesten mit dem Niesen "verwandt", auch das ist ja auch eine "völlig andere" Reaktion unseres Körpers. Und so wie beim Niesen gibt es auch einen Drang, ihn zu erleben, wenn er erst einmal "in Aussicht" ist. Und immer wieder: Mit dem Eindringen hat das nicht unbedingt etwas zu tun - es reichen dann sogar leichte Berührungen an der Oberfläche der Geschlechtsteile.
Und wie wichtig der Orgasmus ist, wenn ihn eine Frau erst einmal erlebt hat, und wie sie ihn immer wieder erleben möchte, darüber kann ich aus einem Erlebnis während meiner Studienzeit berichten. Da hatten wir Studenten also in einem kleinen Kreis eine Gesprächsrunde mit einem Psychologenpaar, das uns etwas aus der Praxis erzählte, ich war damals in der Gruppe der Frau. Und zwar führte sie uns eine Tonbandaufnahme vor, die sie in einem Gesprächskreis gemacht hatte, in dem Paare waren, deren Ehen kriselten, die aber, etwa weil sie "gut katholisch" waren, an einer Fortsetzung der Ehe höchstes Interesse hatten. Ich gebe hier einmal die Aussage einer Frau in meinen Worten wieder, soweit ich mich noch an sie erinnern kann, die für mich nicht nur besonders eindrucksvoll, sondern die sogar ausgesprochen prägend war, wie ich denke. Die Frau also: "Da kommen wir hier immer wieder zusammen, doch mein Problem wird überhaupt nicht angesprochen, daher möchte ich also endlich einmal darauf kommen! Zwischen mir und meinem Mann stimmt das sexuelle Erlebnis einfach überhaupt nicht, es ist sogar so, dass mir die Sexualität mit ihm völlig unangenehm ist. Wenn ich schon sehe, wenn er mit einer Flasche Wein ankommt, dann weiß ich schon, auf was das hinaus laufen soll - und in mir kommt irgendein Widerwillen hoch. Dabei denke ich, dass ich keinesfalls asexuell und frigide bin. Denn ich hatte vor meiner Ehe schon mal eine Beziehung und da war alles völlig anders. Wenn ich den Freund schon in der Ferne kommen sah, dann brannte alles in mir und da war auch immer der Orgasmus da, doch irgendwann war mit dem Freund Schluss, weil der in eine andere Stadt zog. Und als ich dann meinen Mann kennen lernte, dachte ich, das alles sei auch mit ihm so, doch da ist leider "in dieser Richtung" nun "gar nichts". Und jetzt begegne ich ab und zu in der Nähe unseres Hauses einem Mann, bei dem ich wüsste, dass alles wäre wie bei meinem ersten Freund, doch ich will nicht...ich liebe meinen Mann, meine Kinder, meine Familie - und ich will das alles nicht zerstören. Aber es ist schrecklich, dass ich weiß, dass ich "so etwas" wie früher nie wieder erleben werde." Und man konnte hören, wie die Frau weinte.
Ja, was soll ich nach einer solchen Erfahrung anders machen, als zu versuchen, jungen Menschen nahe zu bringen, dass sie bei ihrer Partnerwahl genau darauf achten sollten? Immerhin hat uns die Natur ja die Chance gegeben, den Orgasmus zu "testen" ohne "vollendete Tatsachen", also ohne "Eindringen" und sogar ohne Petting (wobei ich unter Petting das gegenseitige Berühren mit den Geschlechtsteilen verstehe). Es reicht allein ein schöner Kontakt und insbesondere ein harmonischer Hautkontakt, bei dem sich die Frau so richtig fallen lassen kann. Und ich denke, diese Erfahrung sollten Paare, die für immer zusammen bleiben möchten, also schon vorher gemacht haben. Und das ist auch genau die Erfahrung, von der in dem Buch "Der duftende Garten" die Rede ist.


125. "...was andere über Paulus denken ...", Paulusideologie: Unter Theologen ist die zweifelhafte Rolle des Paulus längst bekannt, doch viele halten dennoch an ihm fest und halten das, was Maccoby schreibt und was ich hier zitiere und auf dem ich aufbaue, für Spinnerei oder auch für Verschwörungstheorie. Daher möchte ich zwei Quellen zitieren, auf die ich gestoßen bin und die im Prinzip über Paulus dasselbe sagen wie ich. Der Unterschied ist allerdings, dass die Verfasser dieser Quellen dem Paulus noch etwas Gutes oder auf alle Fälle etwas Verständliches und Entschuldbares unterstellen, während er für mich ein bewusster Betrüger ist, dessen Hauptanliegen war, den wirklichen Jesus aus der Welt zu schaffen. Zum Zitat von Augstein: "Was ihn angestoßen hat, wissen wir nicht" – und wir wissen es jedoch doch!

Und hier die Zitate:

Johannes Lehmann „Das Geheimnis des Rabbi J.“ (mit "Rabbi J." ist Jesus gemeint), Knaur 1990 S. 287ff:

"Zwar stützen sich solche Aussagen, wie »der Heilstod Jesu« ist die »zentrale christliche Heilstat« oder »will der Mensch gerettet werden, so wird er allein auf Jesus Christus verwiesen, der am Kreuz für alle Menschen starb und den Gott von den Toten auferweckt hat«, alle auf die im christlichen Abendland als selbstverständlich empfundene »Theologie des Kreuzes«, wie sie Paulus formuliert hat: »Ist aber Christus nicht auferweckt worden, so ist damit auch unsere Predigt nichtig, und nichtig ist euer Glaube . . . dann ist euer Glaube unsinnig, dann seid ihr noch in euren Sünden.« Aber auf Paulus trifft ja doch Verdacht zu, daß er an der Wahrheit des Rabbi J. gar nicht interessiert war, sondern daß er aus »intrapsychischen Prozessen« heraus die Tatsache des Todes Jesu umdeutete, um seine Glaubensschwierigkeiten zu beseitigen. »Die Tragik des Paulus liegt.. darin«, J schreibt der jüdische Religionswissenschaftler Schalom Ben-Chorin, »daß dieser vertikale Christus auch Jesus von Nazareth ausgelöscht hat, so daß eigentlich nur noch eine theologische Abstraktion übrigblieb, die etwas Gespenstisches an sich hat: Der Schatten einer Vision.« Denn sowenig Paulus aus der Realität die Erlösung fand (er fand sie statt dessen in einer Vision), sowenig hat er sich um die Realität gekümmert. Er paßte die Welt seiner Vision an, nicht seinen Glauben der historischen Wirklichkeit. Paulus, der erste Theologe, war auch der erste Ideologe der Kirche.
....
Seit der Entdeckung der gnostischen Bibliothek von Nag Hammadi haben wir auch Indiz mehr, daß kurz nach dem Tod des Rabbi J. fremde Gedanken die Lehre des Rabbi zu überlagern begannen und daß Paulus eine Lehre verbreitete, von der Rabbi J. nichts wußte."

und Rudolf Augstein, „Jesus Menschensohn“, Bertelsmann 1972, S. 107 ff:

"Dieser mediale Theologe (Paulus) war selbst die Botschaft. Das paulinische Christentum mit seiner Leibfeindlichkeit und seinem Sündenbewußtsein, seiner Prädestination und seinem Sendungswillen ist so sehr von ihm geprägt, daß wir uns ein nicht-paulinisches Christentum gar nicht vorstellen können. So wenig wir Jesus fassen können, so plastisch wird uns, auch wenn wir nur die unzweifelhaft von ihm stammenden Sendschreiben zugrunde legen, der Mann aus Kilikien im Süden der heutigen Türkei. Einen Rechtfertigungstornado, wie ihn Paulus im 11. und 12. Kapitel seines zweiten Sendschreibens an die Korinther losläßt, wird man in der antiken Literatur vor ihm nicht finden. Wenn Paulus beteuert, er habe in seiner Missionarsarbeit mehr geleistet als die anderen Apostel (alle zusammen? – 1. Korinther 15,10), darf man das für bare Münze nehmen. Laut Freud war er »ein im eigentlichsten Sinn religiös veranlagter Mensch; die dunklen Spuren der Vergangenheit lauerten in seiner Seele, bereit zum Durchbruch in bewußtere Regionen«.
Ein historischer Jesus bleibt bei ihm ohne irgendeine Kontur, ja es scheint so, als sei ihm lieb, »Christus im Fleisch« - Paulus benutzt den Würdetitel »der Gesalbte« als einen, je nachdem, Vor- oder Zunamen - gar nicht zu kennen. Er beruft sich auf direkte Inspiration, niemals auf einen, der Jesus gekannt hat; der Herr selbst hat ihm seine Ansichten mitgeteilt. Den Aussendungsbefehl des Herrn an die Jünger (»Gehet hin in alle Welt«), der erst in einer späteren Schicht der Evangelien behauptet wird, hat er unmittelbar nach Jesu Tod vernommen. Er faßt die Absurdität beim Schopf, er dreht die Negativität um und entwirft eine Theologie des Scheiterns. Credo quia!

Was ihn angestoßen hat, wissen wir natürlich nicht. Aber es ist glaubhaft, daß er, als junger Mensch von vielleicht zwanzig oder fünfundzwanzig oder dreißig Jahren, die urchristliche Gemeinde im jüdischen Land mit seinem Haß verfolgte, weil er mit einer neuen Theologie schwanger ging, und nur noch nicht wußte, an wem er sie festmachen sollte. Ein Himmelssohn schwebte ihm vor Augen, voller gewaltiger Eigenschaften, aber in seiner menschlichen Stufe doch ohne Realität. Daß es diesen Jemand gegeben hatte, und zwar so, daß er sich mit ihm nicht mehr auseinandersetzen mußte, diese beseligende Erkenntnis widerfuhr ihm wie ein Überfall. Wie gut, daß er das Objekt seiner neuen Liebe nicht kannte! Nur ein toter Jesus war für ihn ein guter Jesus.
Jesus war nun gar kein Mensch gewesen, sondern gewissermaßen nur in die, deshalb bedeutungslose, Hülle eines Menschen eingekehrt. Er, der in göttlichem Dasein lebte, hatte sich dessen entblößt, um in ein Sklavendasein einzutreten (Philipper 2,6-7), war von Gott in unser von der Sünde bestimmtes Dasein gesandt (Römer 8,3), war arm geworden, obwohl er vorher reich war (2. Korinther 8,9), stammte (1. Korinther 15,47) aus dem Himmel. Es war »urchristliche Überzeugung«, sagt Wilckens, daß »Christus vor seiner Geburt bei Gott im Himmel gewesen sei«. Paulus hat diese urchristliche Überzeugung ausgeprägt und durchgesetzt, wenn nicht begründet."


126. "... unter Missbrauch der damaligen Gesetze": Es stellt sich sowieso die Frage, inwieweit in ethischen Dingen Gesetze wirklich zu einer Verbesserung oder gar Veränderung führen können. Ethisches Verhalten ist nun einmal Einstellungssache, und Einstellungen lassen sich nicht oder nur sehr schwer durch Gesetze beeinflussen, meistens finden sich doch immer irgendwelche Schlupflöcher, so dass die Bösen dann doch ihre Bosheit weiter tun können oder zumindest glauben, tun zu können. Ja es kommt bisweilen noch viel schlimmer: Ein befreundeter amerikanischer Rechtsanwalt (+ Henry Cohn, Albany N.Y.) erzählte mir einmal, dass diejenigen, die die Gesetze machen, von vornherein einplanen und also auch wissen, wie sie ihre Bosheiten gerade durch diese Gesetze noch schlimmer treiben können. Und so ein perverses Gesetz, das alles nur noch schlimmer gemacht hatte, war also das, dass Frauen, die beim Sex mit einem Mann erwischt werden, der nicht der ihre ist, mit dem Tod bestraft werden müssen. Wurde mit diesem Gesetz irgendetwas besser? Im Gegenteil!


127. Echte Moral und Scheinmoral oder Ersatzmoral: Nach meiner Erfahrung hinterfragen selbst gestandene Psychologen nicht die Sexualscham (also den kulturbedingten "Bedeckungszwang") nach ihrer Wirkung (und nach ihrem Wert) für eine wirkliche Moral und kommen so gar nicht auf die Idee, dass sie nicht nur keine natürliche Moral ist, sondern sogar jede natürliche Moral durcheinander bringen oder gar zerstören kann und das üblicherweise auch tut. Wir sind doch heute so für "Natur", doch ausgerechnet hier nicht! Natürlich, man kann diese "unnatürliche Ersatzmoral" nicht einfach weglassen, sondern man muss sie durch eine echte Moral ersetzen - und das kann nur eine Moral "vom Geist her" sein – und der Geist muss gebildet werden!


128. Zur "Wahrheit" der Frühgeschichten der Bibel: Immer wieder kommt der Einwand, dass gerade die Frühgeschichten der Bibel doch alles Märchen seien – und dann wird auf die Erschaffung von Adam und Eva hingewiesen und auf die Erschaffung der Welt in sieben beziehungsweise in sechs Tagen. – Über Adam und Eva habe ich inzwischen genug geredet, doch das Problem der Schöpfung und des Schöpfergottes ist noch viel einfacher:  Wir müssen uns zunächst einmal klar machen, dass die Bibel kein naturwissenschaft­liches Lehrbuch ist, sondern ein Buch, in dem es um Ethik geht, und der Sinn des Schöp­fungs­glaubens in der Bibel ist nicht der Glaube an einen Schöpfergott, sondern die Über­windung von menschenverachtenden Götzenkulten wie Menschenopfer und Sex zu Ehren aller möglichen Götter, in der Fachsprache der Theologen "kultische Prostitution". Doch so einfach lassen sich diese "Bräuche" nun einmal nicht abschaffen, denn dahinter stecken auch immer handfeste Ängste und Zwänge: "Wie mögen die Götter uns bestrafen, wenn wir sie nicht mehr richtig verehren und ihnen nicht mehr richtig opfern?" Wir müssen uns dazu bewusst machen, dass im typischen heidnischen Glauben hinter Sonne und Mond die Götter Sonnengott und Mondgöttin stecken und auch hinter den sonstigen Gestirnen und den Pflanzen und Tieren und Naturphänomenen wie Erde, Wind, Wasser und Feuer irgendwelche weitere Götter. Daher ließen sich Menschenopfer und (kultische) Prostitution nicht so einfach überwinden. Das Effektivste und Sinnvollste war daher, irgendwie die Götter abzuschaffen, und das ging am einfachsten, indem sie zu Sachen degradiert wurden und so die Vergöttlichung dieser Naturphänomene überflüssig gemacht werden konnte - und die "Verehrung" damit dann auch abgestellt werden konnte. Dazu haben die Autoren der Urgeschichte der Bibel einen Schöpfergott konstruiert, der diese Naturphänomene, um sie einmal so zu nennen, erschaffen hatte. In diesem Sinn ist nun die Schöpfungserzählung „Gott schuf ...“ eine geniale frühe Entgöttlichung von diesen Naturphänomenen und damit auch eine Aufklärung nach der Devise: „Die dummen Heiden glauben, dass diese Naturphänomene alles Götter sind und opfern denen ihre Erstgeborenen und stellen den Götzenpriestern und anderen Männern ihre Frauen und Töchter zum Sex zu Verfügung, und bezahlen auch schuften sich auch noch kaputt auf den tempeleigenen Feldern, und die Priestercliquen legen sich auf die faule Haut und leben davon in Saus und Braus. Dabei wissen doch alle modernen aufgeklärten Menschen, dass Sonne und Mond nur Lampen am Himmel (also Sachen) sind, die die Jahreszeiten und die Festtage usw. anzeigen ...“

Auch hier: Es geht vor allem auch um die Überwindung der Promiskuität aus welchen Gründen! Und da die Promiskuität bei uns heute nicht mehr aus irgendeinem Götterglauben heraus läuft, sondern aus anderen Gründen, und da uns ein Gott, der gegen diese "Kulte" konstruiert wurde, auch nichts mehr sagt, versuche ich eben, diese „anderen Gründe“ wirkungsvoll aufzuarbeiten, und sie also vor allem ohne Leibfeindlichkeit zu überwinden.

Es ist also wirklich alles ganz einfach, umso befremdlicher ist, dass Kindern weitestgehend immer noch alles so erzählt wird, als ob es Märchen sind – und manche Sekten und andere auch noch fanatisch daran festhalten, dass alles so war, "wie es da in der Bibel geschrieben steht". Und dabei sind auch Sekten, die ansonsten durchaus für eine hohe Moral ihrer Gläubigen sind.


129. "damnatio memoriae" ("Vernichtung der Erinnerung"): Wir müssen uns eine solche "Vernichtung der Erinnerung" vorstellen wie die Löschung einer Datei etwa auf der Festplatte eines Computers. Wenn die nur einfach gelöscht wird, dann ist die ja noch vorhanden, es wird nur nicht angezeigt, dass es sie noch gibt, also kann sie normalerweise nicht gefunden werden. Wirklich gelöscht ist die Datei nur, wenn sie etwa mit einem neuen Text überschrieben wurde, dann ist sie wirklich "weg". Und so müssen wir uns das mit dem Engagement Jesu vorstellen: Seine Person und sein Anliegen wurden mit einem "neuen Jesus" und einem "neuen Engagement" so perfekt "überschrieben", dass heute nur noch dieses "Neue" im Bewusstsein ist. An den wirklichen Jesus und an sein Engagement ist nur sehr schwer heranzukommen. Jedenfalls sind dabei die Texte, mit denen der wirkliche Jesus "überschrieben" wurde, mit äußerster Vorsicht zu verwenden, denn ihnen wurde höchstwahrscheinlich ein anderer Sinn untergeschoben als der ursprüngliche Sinn, den sie bei Jesus hatten. So wurde aus der Sünderingeschichte nach Johannes 8 eine Vergebungsgeschichte oder zumindest eine Frauenfreundlichkeitsgeschichte. Dass es ursprünglich eine Geschichte war, wie Jesus die Methoden der Halbweltmafia durchschaute, wie sie in krimineller Weise mit Frauen umging, ist zumindest im allgemeinen Bewusstsein, gerade auch in dem der Theologen, völlig "gelöscht" worden. Auf den ursprünglichen Sinn kann man nur kommen, wenn man auf ihn durch "Fachleute", hier eben Leute, die sich in der Halbweltbranche zumindest ein wenig auskennen, aufmerksam gemacht wird - und wenn man dazu auch noch offen ist.
Eine "Vernichtung der Erinnerung" kennen wir gerade auch in unserer christlichen Religion etwa von Festtagen und von Wallfahrtsorten, also von beliebten "Denk-Malen" früherer Religionen. So wurden aus dem Fest des "Sol invictus", des "unbesiegbaren Sonnengotts", das Fest der Geburt Jesu, also Weihnachten, und aus manchen alten heidnischen Wallfahrtsorten neue christliche Wallfahrtsorte.
Eine berühmte "Vernichtung der Erinnerung" wurde auch bei dem ägyptischen Pharao Echnaton und seinem monotheistischen Gottesglauben an den Gott "Aton" versucht, hier wurde alles "gelöscht", was nur irgendwie an ihn erinnerte. So wurde die prächtige Stadt Amarna, die er erbaut hatte, so gründlich zerstört, dass man nur an dem verschiedenfarbigen Schotter auf dem Gelände der früheren Stadt erkennen kann, dass hier einmal Gebäude aus unterschiedlichen Steinen gestanden haben. Doch war eben die Auslöschung nicht so perfekt wie bei Jesus, denn es gelang nicht so recht, das, was er wollte, mit einem neuen Sinn zu "überschreiben". Oder gelang das doch? Kennen wir wirklich den ursprünglichen Sinn des Atonglaubens? Es wird immer erzählt, dass er die zu seiner Zeit üblichen Priesterkasten entmachten wollte. Doch war es nicht mehr, ist hier nicht der Ursprung des jüdischen Eingottglaubens mit dem hohen ethischen Anspruch der Zehn Gebote zu finden?

Hier könnte man auch mal überlegen, wie das war, dass die Evangelien ja vermutlich nicht in dem Gebiet geschrieben wurden, in dem Jesus lebte und wirkte, sondern weit weg davon in griechischem Gebiet und wieso das auch hier mit den Prostituierten und der Halbweltmafia interessierte. Wir müssen dazu zunächst bedenken, dass auch heute noch der weltweite Frauenhandel eines der größten Geschäftsfelder ist, und um wie viel mehr wird das in der Antike gewesen sein – so waren in Pompeji in jeder Straße zwei Bordelle, d. h. dass das, was in dem Gebiet Jesu "auf diesem Gebiet" passierte, auch überall sonst in der damaligen Welt passierte und dass viele Frauen gebraucht wurden. Und die Frauen müssen ja irgendwo her gekommen sein. Auf der einen Seite waren das sicher Kriegssklavinnen (die Römer führten ja bisweilen Kriege allein aus dem Grund, um an Sklaven und Sklavinnen zu kommen, siehe Hinweis 7) und auf der anderen Seite Frauen, die man weltweit aufkaufte. Wie sie zum Kaufobjekt gekommen waren, war ganz gewiss nicht nur nie schön, sondern oft sogar ausgesprochen kriminell. Und die Frauen hatten natürlich auch "je nach Qualität" unterschiedliche Preise. Es wird vermutlich so gewesen sein wie bei den Gladiatoren. Im Allgemeinen waren das Sklaven woher auch immer, die auch unterschiedlichen Werte hatten je nach ihrem Aussehen und nach ihrer Fähigkeit zu kämpfen. Es waren auch Freie darunter, die besonders "gut" waren und für die der Gladiatorenkampf ein Geschäft war. So wird das also bei den "Kämpferinnen in den Betten" - also den Frauen auch gewesen sein. Ich denke, wir müssen das bei einer Frau wie der schönen Susanna auch so sehen, dass sie "nach weit weg" verkauft worden wäre, wenn ihre "Eroberung für die Prostitution" denn gelungen wäre. Sie wäre gewiss nicht in einem billigen Dorfbordell in ihrer alten Umgebung verschlissen worden, wo ja immer die Gefahr bestand, dass sie jemand kannte und dass sie daher auch gehemmt gewesen wäre, sondern eben weit weg, vielleicht sogar in einem Luxusbordell in Korinth oder sogar in Rom oder in einem Privatharem.

(Vielleicht hier noch etwas zu den Preisen damals: Ein einfacher Legionär verdiente etwa 1000 Sesterzen pro Jahr, Luxussklaven und natürlich auch -sklavinnen kosteten bis zu 100 000 Sesterzen. Und das war für alle Beteiligten immer auch ein lohnendes Geschäft, selbst wenn selbst jüdische Spitzenfrauen vielleicht nicht ganz so viel brachten. Doch weiß man´s? Vielleicht galten ja gerade jüdische Frauen als besonders rassig und waren daher sehr gefragt und hatten einen besonders hohen Marktwert, so dass sich der Verkauf von ihnen lohnte, gerade auch weil beim "Zwischenhandel" immer noch einiges hängen blieb? Dann man sich schon vorstellen, dass gewissenlose Älteste beim Anblick der schönen Susanna nicht nur an den Sex mit ihr, sondern auch an ein irres Geschäft dachten und sich etwas einfallen ließen, damit es auch zu diesem Geschäft kam, selbst wenn das mit einem gewissen Risiko verbunden war. – Dazu zwei Anmerkungen: Mir ist klar, dass die Susannageschichte etwa 200 Jahre vor der Zeit Jesu passiert war, doch es wird zur Zeit Jesu nicht viel anders gewesen sein und: Die Preise nach Prof. Hartwin Brandt/Universität Bamberg in der Zeitung DIE WELT vom 3. Nov. 2020, S. 26.) 


130. "erfolgreich vor den Karren gespannt" / "... dass es um mehr ging, als nur gerade mal Sex mit der Frau zu haben ..." / "auch noch sehr viel Geld im Spiel": Es kann also durchaus sein, dass Paulus und Konsorten (oder vielleicht auch besser "Mitarbeiter") im Auftrag einer internationalen (Halbwelt-)Mafia das Neue Testament geschrieben haben und dabei erpresst wurden nach dem Verfahren "Entweder Ihr arbeitet für uns oder Ihr lebt nicht mehr lange und wir finden euch, wo auch immer Ihr euch in der Welt befindet, oder auch eure Familienangehörigen". Und Paulus und andere haben dann das Beste draus gemacht und kamen damit auch klar.

Hierzu muss auch noch etwas gesagt werden: Es geht ja nicht nur darum, dass ab und zu einmal eine Frau auf diese Weise zur Prostitution gebracht wird, sondern um ein allgemeines Klima der Angst. Denn irgendwie sprechen sich "solche Verfahren", an Prostituierte zu kommen, natürlich herum – jedoch ohne dass Näheres bekannt wird. Übrig bleibt also ein diffuses Klima der Angst, das heißt, dass Frauen sich grundsätzlich nicht mehr trauen, offen zu Männern zu sein, dass sie sich verstecken mit dem, wie sie aussehen und was sie denken, dass sie - kurz gesagt - unnahbar sind. Natürlich: Ganz ist das nicht praktikabel und die Ängste können schließlich auch überwunden werden, indem es eine Einstellung bei Frauen und Mädchen gibt, dass eh alles egal ist und dass Sex mit wem auch immer keine Frage der Moral ist. Und dass die Mädchen und Frauen "locker" werden und von sich aus "sexuelle Begegnungen" ohne Ehe suchen. Doch ich denke nicht, dass das eine gute Lösung ist, zumal schließlich bei Frauen und Mädchen der Eindruck entsteht, dass alle Männer sowieso Schweine sind (und wenn sie es nicht sind, dann sind sie Langweiler) und dass man die Männer nun einmal nehmen müsste, wie sie sind.

Ich denke, hier sollte auch etwas zur mehr oder weniger intensiven Verschleierung der Frauen und Mädchen in manchen Kulturen gesagt werden. Der Grund für diese Verschleierung ist m.E. weniger die Sorge, dass die Frauen und Mädchen durch ihre "Offenheit" Männer zur Vergewaltigung reizen könnten, sondern dass vor allem in patriarchalischen Gesellschaften, in denen es Herrschende gibt, die sich nach Belieben die schönsten Mädchen und Frauen als Konkubinen "aus dem Volk" suchen oder zuführen lassen, sich diese vor solcher "Sucherei" schützen wollten. Und das gelang nun einmal am besten, indem sie versuchten, sich möglichst unattraktiv, also hässlich, zu machen. Dafür trieben sie also die Verschleierei bis hin zur Hässlichkeit von Vogelscheuchen. Und da die Verschleppung einer Frau in einen Harem o. ä. schon irgendwie als unmoralisch galt (die Frauen waren hier die Unmoralischen und nicht die Verschlepper!), wurde die Verschleierung zum Zeichen für eine hohe Moral. Das heißt, wer moralisch sein und sich nicht verschleppen lassen wollte, musste sich eben hässlich machen und verschleiern. Und die Einstellung daraus, was hohe Moral ist, nämlich sich hässlich zu machen, ist eben in manchen Gesellschaften bis heute so geblieben. (Ich habe mal gehört, dass zumindest manche moslemische Prostituierte beim Sex ihr Kopftuch anlassen – zum Zeichen, dass sie moralisch sind. Verrückter kann es ja nicht mehr werden, wenn Menschen ihre Moral demonstrieren wollen, die sie eindeutig gar nicht mehr haben ...)

Ich denke also, dass die Ängste, wie immer sie sich äußern, am ehesten in einer Moral der hohen und echten allgemeinen Monogamie verschwinden. Daher wäre diese Moral unvergleichlich besser als alles, was wir in dieser Hinsicht kennen. Also setze ich mich für eine solche bessere Moral ein!


131. "Insofern haben die traditionellen Religionen immer auch ein "leichtes Spiel": Das ist es ja, wir Menschen wollen geradezu eine solche Religion! Von diesem "Willen"  leben nicht nur die Sekten, auch die großen Religionen leben davon und oft nicht schlecht: Von dem Gemeinschaftsgefühl von Menschen, die eigentlich "Opfer" sind, und sogar ihre Opfer sind, von den schönen Gottesdiensten, von den alten Traditionen, von den Wallfahrten und nicht zuletzt auch von den Totenzeremonien. Dass mit solchen Religionen leider vergessen wird, die jungen Menschen fit zu machen, dass sie ihr eigenes Leben ganz anders in die Hand nehmen, damit sich bei ihr das Schicksal der Generationen vor ihnen nicht wiederholt, sehen sie nicht. So ist es wie in einem Teufelskreis, es geht immer so weiter ... Wie es auch anders sein und wie schön das sein könnte, können wir bei anderen Bereichen des menschlichen Lebens sehen: Ja, warum pflanzen wir eigentlich junge Bäume, was doch viel Geld kostet, wenn wir die alten Bäume "geerntet" haben, wir haben doch gar nichts mehr davon? Das heißt doch, dass wir durchaus nicht so eigennützig und spießig sind, wir können doch durchaus an die uns nachfolgenden Menschen denken! Und warum nicht also auch hier, wenn es um eine hohe Moral geht? Und wie bei der Freude bei einem Spaziergang oder gar einer Wanderung durch einen jungen Wald können wir uns doch auch an glücklichen und lebensfrohen jungen Menschen erfreuen? Die haben doch auch einen Wert, selbst wenn wir unmittelbar nichts mehr von ihnen haben? (Und zudem: viele Feste usw. können ja auch bleiben!)


132. Sinnlose Ängste: Zu den sinnlosen (oder auch irrationalen) Ängsten gehören natürlich auch die Ängste vor einer "göttlichen Bestrafung" wegen nicht moralischen Verhaltens, sei es hier und jetzt durch irgendein Unglück oder erst nach dem Tod durch ein Schmoren im Feuer der Hölle. Solche Ängste sind (natürlich) sinnlos und führen im Allgemeinen auch nicht zu wirklicher Moral, sondern allenfalls zu einer Scheinmoral und damit auch zum Gegenteil, nicht zuletzt wirft man dann sehr oft gleich die ganze Religion über Bord. Und da das nach Meinung der Theologen ja nicht geschehen soll, weil dann Kirchensteuerzahler verloren gehen, pflegen sie die These, dass einem "guten Christen" durch das Sühneopfer Christi ja sowieso alles vergeben wird, wenn er nur den richtigen Glauben hat. Oder er kann sich ja - je nach Konfession - auch von einer Bestrafung frei kaufen - früher etwa mit den Ablassbriefen und heute mit guten Werken (was auch immer die sind).

Ich bin zu dem Thema "Was nicht zusammen passt" in dem Buch "Was man für Geld nicht kaufen kann" (von Michael J. Sandel, New York und Berlin) auf einen interessanten Gedankengang gestoßen, dass sich bisweilen die Aussicht auf eine Belohnung mit Geld auf eine idealistische Einstellung eher negativ auswirkt. Der Harvard-Professor Michael J. Sandel bringt hier als Beispiel die Befragung der Einwohner des Dorfes Wolfenschiessen (2100 Einwohner/Zentralschweiz). Es ging darum, eine Endlagerstätte für radioaktive Abfälle einzurichten, und der Untergrund des Dorfs wäre hierfür ideal gewesen. Als man an den Gemeinsinn der Einwohner appellierte, denn die Abfälle müssen ja irgendwo gelagert werden und die Lagerung sei auch absolut ungefährlich für die Einwohner, erklärten sich 51 % der Einwohner einverstanden. "Offenkundig überwog ihr Gefühl für Bürgerpflicht ihre Bedenken wegen der Risiken. Anschließend versüßten die Ökonomen die Zumutung: Angenommen, das Parlament schlüge vor, das atomare Endlager in ihrer Gemeinde zu errichten, und böte an, alle Einwohner mit einer jährlichen Ausgleichszahlung zu entschädigen - würden Sie dann zustimmen? Ergebnis: Die Unterstützung wurde schwächer, nicht stärker. Der finanzielle Ansporn halbierte die Zustimmungsquote von 51 auf 25 Prozent. Das angebotene Geld minderte die Bereitschaft der Bürger, das Endlager anzunehmen. Mehr noch: Als die Ökonomen den Betrag erhöhten, blieb die Quote unverändert. Die Einwohner blieben sogar standhaft, als ihnen jährlich umgerechnet 8700 Dollar geboten wurden - mehr als das durchschnittliche Monatseinkommen. Ähnliche, wenngleich weniger dramatische Reaktionen auf finanzielle Angebote haben sich auch in anderen Orten ergeben, wo die ansässige Bevölkerung sich atomaren Endlagern widersetzte." (S.143f) Fazit: Das Gefühl für Gemeinwohl und eine  finanzielle Belohnung passen einfach nicht zueinander, das Angebot einer finanziellen Belohnung macht einfach das Gefühl für das Allgemeinwohl kaputt.

Und ich denke, bei "unserem Thema" ist es dasselbe: Angst vor Strafe und echtes moralisches Verhalten passen einfach auch nicht zueinander, moralisches Verhalten kann man nicht mit Ängsten erreichen, und gerade auch nicht mit irrationalen Ängsten. Das funktioniert vielleicht zunächst bei einigen Menschen, vor allem bei jungen, die einen sehr festen Glauben haben und die (noch) alles, was ihnen so an frommen Geschichten erzählt wird, für bare Münze nehmen. Doch ist auf eine solche Einstellung zumindest kein Verlass, weil im Fall einer starken "Versuchung" dann doch immer der Zweifel auftaucht, ob diese frommen Geschichten nicht nur Märchen sind, die man nicht ernst zu nehmen braucht. Zudem soll es ja auch sowieso die Vergebung Gottes geben, allerdings kommt es nach der "Tat" dann zu neuen Ängsten, weil man deswegen ein schlechtes Gewissen hat. Also haben solche Ängste und gutes moralisches Handeln im Grunde nicht viel oder auch gar nichts miteinander zu tun. Eine Verknüpfung von Moral (und gerade auch Sexualmoral) mit Angst vor Strafen bringt nun einmal kein zuverlässiges festes Fundament für ethisches Handeln. Zudem ist eine solche Verknüpfung sogar eher kontraproduktiv und also auch tödlich für jede echte Moral, weil die Werte, die hinter einer Moral stehen sollten, damit nicht kultiviert werden. Moral hat viel mehr etwas mit einer ethischen Einstellung, mit einem Gefühl für Ehre und Würde, mit dem Gefühl für Ästhetik und Schönheit und Niveau, mit Information und Intelligenz und Lebensklugheit und Lebensfreude zu tun, kurz mit einer echten Humanität – und das alles wird mit Angst vor Strafe nur kaputt gemacht und keineswegs gefördert (wie vielleicht manche Kleingeister meinen). Ich gehe nun davon aus, dass je besser und fester und einsichtiger die Spielregeln einer Moral sind, desto mehr ist möglich, desto freier und menschlicher wird der Mensch. Da werden auf einmal Dinge möglich, die heute üblicherweise als unmöglich gelten.

Anmerkung zu unserer heutigen Zeit: Eine Angst vor Strafe wird den jungen Menschen im Allgemeinen nicht mehr gelehrt. Doch "nichts" ist auch "nichts", denn damit überlässt man das Feld anderen, die dann den jungen Menschen eine Moral in ihrem Sinn lehren. Es muss nun einmal auch noch etwas Positives hinzu kommen. Ich hoffe, in meiner Arbeit dargelegt zu haben, dass eine Moral nicht nur über Ängste, sondern auch über "Freude an der Moral" gelehrt werden kann. Und das ist doch gerade heute sehr gut möglich, wo man endlich einmal wirklich "über alles" reden kann und gerade auch schon zu Kindern. D. h., auch schon denen muss man nicht erst einmal etwas Falsches erzählen!


133.
Jesus von Nazareth im Spiegel jüdischer Forschung“ (Walter Homolka, Berlin 2/2010, S. 80f): Es ist im Grunde gar nicht neu, was ich hier schreibe. Jüdische Forscher  haben schon längst genau diesen jüdischen Jesus gesehen, den ich hier sehe, allerdings nicht so konkret, wie er sich gegen den Missbrauch der Frau und der Sexualität engagiert hatte. Daher sieht der bedeutende jüdische Theologe Leo Beck auch nicht ein konsequentes Konzept, dass der Mensch gar nicht erst einmal einen falschen Weg geht, sondern er sieht in erster Linie vor allem die Möglichkeit der Umkehr. Und diese Sicht ähnelt dann doch wieder sehr der paulinischen Ideologie ... Ich denke, das ist auch der Grund, dass Christen und Juden bisher nie wirklich zusammen fanden. Die Ursache der Kluft liegt also nicht nur bei den Christen, sondern auch bei den Juden.

Ich zitiere hier aus dem Buch von Homolka:

"Baecks Beschäftigung mit dem historischen Jesus ist exemplarisch für zahlreiche jüdische Versuche, die Lehre Jesu als integralen Bestandteil der jüdischen Tradition und Geschichte zu begreifen. Baecks Kritik am Christentum entfaltet sich dabei in einem Modell der »Polarität«: dem Gegensatz von »klassischer« und »romantischer« Religion und dem Spannungsverhältnis von »Geheimnis« und »Gebot« in jeder Religion. Aus dieser Polarität lassen sich dann die Bewertungskriterien für eine tiefer gehende Analyse von Judentum und Christentum ableiten. Für das Christentum identifiziert und unterscheidet Baeck zwei Hauptströmungen der Tradition: Paulus, Augustinus und Martin Luther repräsentieren das Element des »Geheimnisses«, die Domäne der romantischen Religion, Jesus, Pelagius und Calvin das Element des »Gebots«, die Domäne der »klassischen Religion«. Während nun aber in den »klassischen« Religionen, denen das Judentum zuzurechnen sei, ein vollkommenes Gleichgewicht zwischen »Geheimnis« und »Gebot« herrsche, sei das Christentum überwiegend von Paulus und Luther geprägt und verkörpere daher die »romantische« Religion, die dem Menschen ethische Gestaltungskraft letztlich abspreche. (Anm. des Verf.: Zu der Linie Paulus-Augustinus-Luther gehört auch die Theologie der katholischen Kirche.)

Baecks Typologie entreißt dem Christentum ganze Stützpfeiler, weist aber auch in eine wichtige Richtung zum Verständnis seines Anliegens: die Lehre vom Menschen. Denn nicht in der Person Jesu sei der Unterschied zwischen Judentum und Christentum zu sehen: »Der grundsätzliche Unterschied zwischen Judentum und Christentum, wie er von der paulinischen Theologie herkommt, hat seinen entscheidenden Ausgangspunkt in der Lehre vom Menschen. Es ist die alte biblische Auffassung, |...] dass der Mensch im Gleichnis Gottes geschaffen ist, dass damit eine schöpferische Kraft ihm innewohnt und die Fähigkeit der Entscheidung, die Freiheit ihm gegeben ist, so dass das Gottesgebot als sittliche Aufgabe vor ihn hintreten kann«. Der Mensch kann in seinem Leben frei zwischen Gut und Böse entscheiden. Irrt er, so kann er umkehren. Und weil er es kann, soll er es.

Dieser Anschauung steht die Gnadenlehre des paulinischen Christentums mit ihrer Erlösungsbedürftigkeit des Menschen klar entgegen. Und hier, im Bereich des Sittlichen und der Ethik, sei die eigentliche Kluft zwischen Judentum und Christentum zu sehen.

Im Mittelpunkt des Streites stand aber die Frage nach der Messianität Jesu. Immer wieder wurde in diesem Zusammenhang Harnacks Wendung, das Evangelium Jesu sei »nichts Neues« gewesen, zitiert. In Anknüpfung an diese Aussage betonten jüdische Theologen und Wissenschaftler, die Elemente, die Juden- und Christentum voneinander schieden, seien erst durch Paulus in das Christentum hineingetragen worden."


134. "Gipfel der Frauenverachtung"
und "...noch viel weniger Wert als heute": Ich zitiere zunächst aus dem Stichwort "Zeitgeschichte" aus dem Standardwerk “Umwelt des Urchristentums” Band I von Johannes Leipoldt und Walter Grundmann, 1966/1982, Berlin (S. 172ff), damit wir einen Eindruck bekommen über die Situation der Frau zur Zeit Jesu:

Das Gesamtgefälle des jüdischen Denkens in nachalttestamentlicher Zeit zeigt...eine durchgängige Herabsetzung und Minderachtung der Frau, auch im Unterschied zu ihrer Stellung im alten Israel”....”In der Zusammenstellung `Frauen, Sklaven, Kinder´ kommt die geringe Achtung zum Ausdruck, die man der Frau entgegen bringt. Für Josephus (Anm.: römisch-jüdischer Geschichtsschreiber 37/38 – nach 100 n.Chr.) ist sie dem Manne `in allem unterlegen´. Rabbi Jud ben Elai sagt: `Drei Lobpreisungen muß man jeden Tag sprechen: Gepriesen sei, der mich nicht zum Heiden machte! Gepriesen sei, der mich nicht zur Frau machte! Gepriesen sei, der mich nicht zum Unwissenden machte! Gepriesen, der mich nicht zum Heiden machte: alle Heiden sind wie nichts vor ihm. Gepriesen, der mich nicht zur Frau machte: denn die Frau ist nicht zu Geboten verpflichtet. Gepriesen, der mich nicht zum Ungebildeten machte: denn der Ungebildete fürchtet die Sünde nicht´....Damit ist die Stellung der Frau zum Gesetz berührt. Von Rabbi Eliezer wird der Satz überliefert: `Wer seine Tochter Thora lehrt, lehrt sie Albernheit´”...

Schon Sir. 9,9 heißt es: `Mit einer verheirateten Frau pflege nicht viel Unterhaltung und führe nicht lange Gespräche mit ihr, damit sich nicht dein Herz ablenken lasse und du mit schuldigem Blute in die Unterwelt hinabsteigest.´ Jose ben Jochanan sagt: `Rede nicht viel mit der Frau´ (Abot 1,5); `wegen eines unnötigen Gesprächs, das zwischen dem Manne und seiner Frau vorfällt, wird der Mann in der Stunde des Todes zur Rede gestellt.´ Das alles enthüllt: Die Frau wird wesentlich als Geschlechtswesen gesehen, die auf den Mann verführerisch wirkt....In gesetzesstrengen Kreisen werden Frauen und Töchter in die Frauengemächer eingeschlossen und dürfen sich nur verschleiert in der Öffentlichkeit zeigen. Von den heranwachsenden Töchtern heißt es bei Sirach (42,9ff): `Eine Tochter ist für den Vater ein Schatz (Anm.: aber wohl nicht im ideellen Sinne – s.o.), der ihm Unruhe macht, und die Sorge um sie stört ihm den Schlaf....Wo sie weilt, sei kein Fenster, und wo sie übernachtet, kein Zugang ringsherum. Vor keinem Manne lasse sie sich sehen, und unter Frauen soll sie nicht vertraulich verkehren´...

Die Erwerbung (Anm.: der Frau) steht in Parallele zur Erwerb eines Sklaven: `Die Frau wird erworben durch Geld, Urkunde und Beischlaf... der heidnische Sklave wird erworben durch Geld, Urkunde und Besitzergreifung (d.h. durch den ersten Dienst, den er seinem Herrn tut)´....Die junge Frau geht aus dem Besitz des Vaters in den des Mannes über... Läßt sich die Braut (Anm.: also vor der Hochzeit, nach der rechtsgültigen Verlobung) mit einem anderen Manne ein, gilt sie als Ehebrecherin, die mit Steinigung bestraft werden kann, während die verheiratete Frau durch Erdrosseln bestraft wird. Da in beiden Fällen zwei Zeugen den Ehebruch bezeugen müssen, ist allerdings die Todesstrafe verhältnismäßig selten vollstreckbar. (Anm.: Vermutlich also geschah die nur, wenn von Seiten der Zeugen ein falsches Spiel getrieben wurde, siehe Jesus und die Sünderin.)...

Es gibt kaum Zeugnisse, aus denen erkennbar ist, dass zwischen Mann und Frau eine Gemeinschaft des Verstehens und Lebens besteht...(Anmerkung: dass es also so etwas wie Partnerschaft gab). Da nur der Mann, nicht aber die Frau die Ehe scheiden konnte, war sie der Willkür des Mannes ausgeliefert."

Wie diese Halbweltmfia mit den Frauen zur Zeit Jesu umging, war also offensichtlich etwas völlig Normales damals, es war allenfalls etwas extremer, eben der Gipfel - und es ist mehr als bemerkenswert, dass diesem Jesus auffiel, dass hier etwas nicht in Ordnung war und dass er offensichtlich versuchte, etwas dagegen zu unternehmen ...

Das Problem unseres christlichen Glaubens ist leider immer noch die alte Frau­enverachtung und der Antisemitismus, die bzw. der nun einmal auch in ihm steckt. Durch die Un­terscheidung Jesus – Paulus kön­nen wir ganz klar sagen, dass die Frauenverachtung (und auch der Antisemitismus) mit der Pauluslehre zusammen hän­gen, Paulus war offensichtlich in der alten Einstellung zu Frauen stecken geblieben, und ich denke voll bewusst. Was ich zum Punkt „Frauenverachtung“ schon merkwürdig finde: Seit lan­gem gibt es Theologin­nen und in nichtkatholischen Kirchen auch Pfarre­rin­nen und sogar Bischöfinnen. Doch einen grundle­genden Wandel in unserer Theo­lo­gie, was die Frauen betrifft, hat das auch nicht ge­bracht, näm­lich die Ursache der Frauenver­ach­tung (oder sogar der Frauenfeindlichkeit) herauszufinden und da­bei also die verhee­ren­de Wirkung der Pauluslehre zu erkennen. Da muss dann doch wieder ein Mann mit einer kras­sen These und einem daraus entwickel­ten Kon­zept kom­men, das die Pauluslehre endlich überwinden könn­te. Ob da­mit auch der An­tisemitismus überwunden werden kann, der seine Ur­sa­che ja auch in der Pauluslehre und damit in unse­rem traditionellen christ­li­chen Glauben hat, wä­re schön. Ich bin jedenfalls optimistisch! 


135. Akzeptanz des Konzepts:
Ich habe das Konzept auch einigen katholischen Fakultäten vor­ge­legt (allerdings noch nicht in der vorliegenden Form). Immerhin hat mir der De­kan der Fakultät in Münster geantw­ortet und ich habe dem darauf auch die vor­lie­gende Version geschickt. Er schrieb da­zu, dass das dann hieße, dass 1800 Jahre in der Theologie nur Unsinn geforscht wurde und dass auch die mehre­re hundert Jahre Jesusforschung umsonst waren. Nein, nein, ha­be ich ge­ant­wor­tet, die 1800 Jahre sagen nur aus, wie gut die Fälscher (oder auch Be­trüger) damals wa­ren, und das, auf was ich gekommen bin, ist sozu­sagen die Quintes­senz aus der Jesus­forschung, die ich in meinem Studium und auch sonst mitbe­kom­men habe. Auf die hätte doch jeder kommen kön­nen, dem die entspre­chen­den Zufälle auch so wie mir über den Weg „gelaufen“ wären – vielleicht so­gar noch eine viel bessere.


136. "Etwas so unfassbar Flüchtiges wie die Luftgebilde": Dieses Zitat von Ortega y Gasset gefällt mir besonders, vor allem erinnert es mich an das Ideal Jesu: Die Geschichte verändern "ohne den Stahl des Kriegsgottes", also ohne Waffen und ohne Krieg – das ist doch noch etwas! Ob Ortega y Gasset hier vielleicht sogar haargenau dasselbe gemeint hat wie Jesus? Bewusst oder unbewusst?


137. Zur Konstruktion Gottes: Ist Gott also nur eine Konstruktion? Wir müssen uns hierzu in die Menschen vor vielleicht 3000 Jahren hineinversetzen – und statt von der Ehemoral rede ich vielleicht besser einmal von den Menschenopfern, die vor allem Opfer der erstgeborenen Söhne waren. Man glaubte damals also felsenfest daran, dass Krankheiten, Schicksalsschläge, Seuchen, Hungersnöte usw. das Werk von Göttern waren – und dieser Glaube wurde dann auch von Priesterkasten geschürt, wo immer es möglich war. Denn dieser Glaube bedeutete Ängste und Ängste waren (und sind es immer noch) nicht nur das perfekte Geschäftsmodell von Religionen – und das heißt Opferungen und Plackerei für die Götter! Was kann man den Menschen nicht alles erzählen, wichtig ist nur, dass sie es glauben! Und es geht nicht nur ums Geschäft, Ängste bedeuten auch Macht für diejenigen, die "am Hebel sitzen".
Und je krasser die Opfer, desto größer die Ängste! Gerade so etwas wie die Opferung von Söhnen, das kann doch nicht alles umsonst sein!
Natürlich gibt es irgendwann auch schon mal Zweifel, doch wer traut sich die schon laut zu äußern? Gottesglaube gilt ja als schlimmer Frevel, den die Götter bestrafen werden! Und zu denen, die bestraft werden, gehören natürlich auch diejenigen, die von solchen Freveln gewusst haben und nichts dagegen taten, d. h. die also solche Frevler nicht angezeigt haben usw.

Doch irgendwann wurden die Zweifel bei vielen Menschen doch zu groß, irgendwann kam so etwas wie ein kritischer Punkt.

Und dieser kritische Punkt war erreicht, als mal ein "Oberer", eine "Herrscherperson", auch seinen Sohn opfern sollte. Und derjenige beschloss nun, das selbst zu machen – vermutlich sogar von Anfang an mit entsprechenden Hintergedanken. Also schickte er auf dem Weg zum Opferplatz auf einem bestimmten Berg die beiden Knechte fort – er wollte nur noch alleine mit seinem zur Opferung bestimmten Sohn sein und mochte für das, was er wollte, keine Zeugen haben. Und so wurde der Sohn nun in die Geschichte eingeweiht, wie wir sie aus der Abrahamerzählung der Bibel kennen. Also: "Lieber Isaak, eigentlich musst du jetzt sterben, weil du für die Götter geopfert werden musst. Doch ich kann mir vorstellen, dass Du nicht sterben willst, dass du lieber leben möchtest. Dafür gibt es nur die Möglichkeit, dass uns beiden auf dem Berg ein neuer, ein besserer, ein höherer Gott erschienen ist, der mir den Befehl gegeben hat, dass wir ab sofort allein ihm gehorsam sein müssen - und der uns dann noch den Befehl gegeben hat, dich nicht zu opfern, sondern einen Schafbock, der sich mit seinen Hörnern zufällig im Gestrüpp verfangen hatte. Und das alles müssen wir dann, wenn wir beide gesund und munter zu unserer Familie und zu unseren Mitmenschen zurück kommen, die natürlich sehr erstaunt sind, dich wieder lebend zu sehen, stock und steif erzählen! Und du musst hier absolut dicht halten, denn wenn Du hier die Wahrheit ausplauderst, dann sind wir beiden dran!"
Und hier beginnt eine neue Religion, eine Religion der Humanität: Nicht mehr der Mensch ist für die Götter da, sondern Gott (es gibt jetzt nur noch einen Gott!) ist für die Menschen da! Und so hören auch die Opfer der Mädchen und Frauen für die Götter auf, die natürlich zumeist etwas anders aussehen als die Hinrichtungen, klar, wer bringt schon schöne Mädchen und Frauen um, mit denen kann man doch lieber "etwas anderes" anfangen!

Das also ist der Beginn des Gottesglaubens, wie wir ihn heute kennen. Allerdings hat sich dieser Gottesglaube verselbständigt, er hat sich völlig von dem Anlass der Opferung eines Sohnes oder einer Tochter gelöst und ist jetzt nur noch Selbstzweck. Und Menschenopfer würden heute als Morde gelten und von staatlichen Instanzen geahndet und bestraft werden. Und die Lösung des Problems des Sexes ohne Ehe, also das Problem der strengen Monogamie (d.h. nur einen einzigen Sexualpartner zu haben), klappt heute auch nicht mehr mit Gottesglauben, dass muss heute anders funktionieren. Daher setze ich mich hier für andere Wege ein.

Und was ist mit dem Gottesglauben? Den überlasse ich Ihnen, liebe Leser! Ich möchte mich hier nicht in Ihre Privatsphäre einmischen .... S. auch Hinweis 68.


138. "als ein mit böswilliger Absicht konstruiertes Phantom zu bezeichnen": Ich habe lange gegrübelt, ob ich das so krass schreiben darf, denn sehr viele sehr gutwillige Menschen hängen doch an all diesen wundersamen Geschichten. Diese Abwertung von vermeintlich unverzichtbaren christlichen Glaubensinhalten mag also sehr brutal klingen, und sie ist mir auch nicht leicht gefallen. Doch ich denke, irgendwann einmal ist der Ofen einfach aus - und man muss das akzeptieren nach dem Verfahren "Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende ..."  Ich erinnere mich jedenfalls, wie ich immer versucht habe, diese Glaubensinhalte (oder auch "Glaubenswahrheiten") meinen Schülern beizubringen. Dabei konnte ich die Jungfrauengeburt ja noch leicht aus irgendwelchen heidnischen Mythen ableiten, ohne den ganzen Glauben infrage zu stellen, doch die Auf­erweckung oder Auferstehung Jesu? Auch da gibt es doch Parallelen zu heidnischen My­then (s. Hinweis 27), doch was würde dann von unserem Glauben übrig bleiben, wenn dieses "Superwunder" wegfiele? Doch wenn ich nun, etwa seit 2019, das Engagement Jesus anders und das Neue Testament mit allen seinen Glaubensinhalten als grandioses Ablenkungsmanöver von dem wirklichen und sehr berechtigten Anliegen Jesu sehe, dann kann (oder muss es sogar) ich mich auch über "diese Glaubensinhalte" hinwegsetzen und darf sie durchaus auch als Unsinn bezeichnen. Denn nur so kann das tatsächliche Anlie­gen Jesu, nämlich sein Engagement gegen den Missbrauch der Sexualität, die Bedeutung erlangen, die ihm zukommt. Und es geht ja auch nicht einfach darum, etwas nicht zu tun, sondern um viel mehr. Denn wenn wir wissen, wo "Etwas-falsch-zu-machen-Möglichkeiten" sind, dann wissen wir auch, wo sie nicht sind - und wir können viel freier, bewusster und intensiver leben - siehe auch Hinweis 149.

Und man kann ja auch einmal so fragen: Was waren das für Menschen damals, die ein "Neues Testament" geschrieben und in die Welt gesetzt haben mit solchen erfundenen "Glaubenswahrheiten", um gutgläubige und gutwillige Menschen von den wirklichen Problemen und vor allem auch vom Anliegen des Urhebers (Jesus) abzulenken und in die Irre zu schicken? Waren die nicht wirklich brutal und sogar kriminell? Seriös waren die jedenfalls nicht. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass die sich kaputt gelacht haben, wie sie die Jesusanhänger in ihrem Schmerz um den gekreuzigten Jesus herumgekriegt haben, an den Unsinn zu glauben, den sie fabriziert und in das Denken der Menschen der Urkirche und schließlich auch in die heiligen Schrif­ten erfolgreich lanciert haben, und dass schließlich auch noch Dogmen draus wurden und immer mehr Gläubige in diesem Sinn hinzukamen – und auch in ferner Zukunft immer wie­der hinzukommen. Ist es also nicht an der Zeit, hier endlich einmal etwas richtig zu stellen – auch und gerade im Namen des wirklichen Jesus?

139. „als ein Leben-Jesu zu schreiben“ bzw. "es hat mit dem wirklichen Jesus nichts zu tun":  Zunächst ein Lob dem deutschen Protestantismus, dem wir die Leben-Jesu-Forschung zu verdanken haben, aus der Feder von Albert Schweitzer („Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, Siebenstern-Taschenbuch 77/78, 1966, S. 42): „Zum Wesen des Protestantismus gehört, dass er eine Kirche ist, die nicht kirchgläubig, sondern christgläubig ist. Dadurch ist ihm verliehen und aufgegeben, durchaus wahrhaftig zu sein. Hört er auf, unerschrockenes Wahrhaftigkeitsbedürfnis zu besitzen, ist er nur noch ein Schatten seiner selbst und damit untauglich, der christlichen Religion und der Welt das zu sein, wozu er berufen ist.

Die Leben-Jesu-Forschung ist eine Wahrhaftigkeitstat des protestantischen Christentums. In der Darstellung ihres Verlaufes lasse ich eine Epoche wissenschaftlicher protestantischer Theologie vor den späteren Generationen wieder aufleben. Mögen sie den Willen zur Wahrhaftigkeit, der jene Generationen beseelte, miterleben und dadurch in der Erkenntnis gefestigt werden, dass unbeirrbare Wahrhaftigkeit zum Wesen echter Religiosität gehört.

In allen Schwierigkeiten, die die geschichtliche Erkenntnis dem Glauben schafft, dürfen wir uns des Wortes Pauli »Wir vermögen nichts wider die Wahrheit, sondern nur für die Wahrheit« (2 Kor 13,8) getrösten. Lambarene, den 19. August 1950“ (Anm. zum Zitat aus dem Werk des Paulus: Ob das, was einer unter Wahrheit versteht, auch die Wahrheit ist, ist eine andere Frage. Hieß die kommunistische Parteizeitung nicht auch „Wahrheit“ ( = Prawda), und was in ihr nur zu oft stand, war alles andere als „Wahrheit“? Wer es nötig hat, so viel von Wahrheit zu reden, der ist doch von vornherein verdächtig - und das gilt gerade auch für Paulus!

Und dann weiter auf S. 45: „Das Problem: Wenn einst unsere Kultur als etwas Abgeschlossenes vor der Zukunft liegt, steht die deutsche Theologie als ein größtes und einzigartiges Ereignis in dem Geistesleben unserer Zeit da. Das lebendige Nebeneinander und Ineinander von philosophischem Denken, kritischem Empfinden, historischer Anschauung und religiösem Fühlen, ohne welches keine tiefe Theologie möglich ist, findet sich so nur in dem deutschen Gemüt.

Und die größte Tat der deutschen Theologie ist die Erforschung des Lebens Jesu. Was sie hier geschaffen, ist für das religiöse Denken der Zukunft grundlegend und verbindlich.

In der Dogmengeschichte legt sie den negativen Grund des religiösen Denkens. Indem sie die Besitzergreifung der Ideen Jesu durch den griechischen Geist beschreibt, verfolgt sie den Aufbau von etwas, das uns fremd werden mußte und fremd geworden ist. Ihre Bestrebungen, ein neues Dogma zu schaffen, erleben wir als solche, die sich selber Geschichte sind. Wohl ist es interessant zu verfolgen, wie die modernen Gedanken in das alte Dogma hereinfluten, um sich dort mit ewigen Ideen zu neuen Gebilden zu verbinden, in das Wesen der Denker einzudringen, in denen sich dieser Prozeß vollzieht: aber die wahre Wirklichkeit dessen, was uns da als Geschichte entgegentritt, erleben wir an uns selbst.“

Doch dazu eine Bemerkung vom Autor der Website: Alles schön und gut mit der Leistung des deutschen Protestantismus! Doch ist der Jesus, auf den der deutsche Protestantismus gekommen ist, eigentlich farblos (wie Papst Benedikt in seinem Jesusbuch schreibt) und für eine wirkliche Erneuerung wenig tauglich. Vermutlich deswegen ist das Anliegen von Albert Schweitzer, nämlich den richtigen Jesus zu finden, heute (2021) kaum noch bekannt, auch nicht bei deutschen Protestanten. Da muss erst wieder ein Katholik kommen, der die Lösung bringt, dass es sich beim "Jesusproblem" nämlich um einen Kriminalfall handelt. Und von daher kann man dann auf das Engagement des echten Jesus schließen und es in die heutige Zeit umsetzen!

Und hier nun zum Zitat über den historischen Jesus (S. 47 f):
„.... Für Reinhard, Heß, Paulus (gemeint ist der Theologe H.E.G. Paulus, 1761 – 1851) und die übrigen rationalistischen Darsteller ist er der wunderbare Offenbarer der wahren Tugend, die mit der Vernunft übereinstimmt. So fand jede folgende Epoche der Theologie ihre Gedanken in Jesus, und anders konnte sie ihn nicht beleben.

Und nicht nur die Epochen fanden sich in ihm wieder: jeder einzelne schuf ihn nach seiner eigenen Persönlichkeit. Es gibt kein persönlicheres historisches Unternehmen, als ein Leben-Jesu zu schreiben. Kein Leben kommt in die Gestalt, es sei denn, daß man ihr den ganzen Haß oder die ganze Liebe, deren man fähig ist, einhaucht. Je stärker die Liebe, je stärker der Haß, desto lebendiger die Gestalt, die ersteht. Denn auch mit Haß kann man Leben-Jesu schreiben – und die großartigsten sind mit Haß geschrieben: das des Reimarus, des Wolfenbüttler Fragmentisten, und das von David Friedrich Strauß. Es war nicht so sehr ein Haß gegen die Person als gegen den übernatürlichen Nimbus, mit dem sie sich umgeben ließ und mit dem sie umgeben wurde. Sie wollten ihn darstellen als einen einfachen Menschen, ihm die Prachtgewänder, mit denen er angetan war, herunterreißen und ihm die Lumpen wieder umwerfen, in denen er in Galiläa gewandelt hatte.

Weil sie haßten, sahen sie am klarsten in der Geschichte. Sie haben die Forschung mehr vorwärtsgebracht als alle ändern zusammen. Ohne das Ärgernis, das sie gaben, wäre die Wissenschaft heute nicht, wo sie ist. »Es muß ja Ärgernis kommen: aber wehe dem Menschen, durch welchen das Ärgernis kommt.« Reimarus entging dem Wehe, indem er das Ärgernis zeitlebens für sich behielt und schwieg. Seine Schrift »Vom Zwecke Jesu und seiner Jünger« wurde erst nach seinem Tode durch Lessing veröffentlicht. Aber an Strauß, der als Siebenundzwanzigjähriger das Ärgernis der Welt preisgab, erfüllte sich der Fluch. Er ging zugrunde an seinem Leben-Jesu; aber er hörte nicht auf, stolz darauf zu sein, obwohl ihm alles Unglück von dorther kam, »Ich könnte meinem Buche grollen«, schreibt er 25 Jahre später in der Vorrede zu den Gesprächen von Ulrich von Hutten (1), »denn es hat mir (von Rechts wegen! rufen die Frommen) viel Böses getan. Es hat mich von der öffentlichen Lehrtätigkeit ausgeschlossen, zu der ich Lust, vielleicht auch Talent besaß; es hat mich aus natürlichen Verhältnissen herausgerissen und in unnatürliche hineingetrieben; es hat meinen Lebensgang einsam gemacht. Und doch, bedenke ich, was aus mir geworden wäre, wenn ich das Wort, das mir auf die Seele gelegt war, verschwiegen, wenn ich die Zweifel, die in mir arbeiteten, unterdrückt hätte - dann segne ich das Buch, das mich zwar äußerlich schwer geschädigt, aber die innere Gesundheit des Geistes und Gemüts mir, und ich darf mich dessen getrösten, auch manchem anderen noch, erhalten hat.«

Siehe auch Hinweis 54.


140. Heilige Drei Könige: Diese Erzählung ist eine typische "Bestätigungsgeschichte" für die Menschen im Osten. Es ist nämlich genau die Geschichte, wie in Ostasien, ich denke hier gerade an Tibet, nach dem Tod des alten Dalai Lamas oder auch des Gottkönigs der neue gefunden wird. Man glaubt dort nämlich an die Seelenwanderung, das heißt, dass beim Tod das alten Gottkönigs die Seele in dasjenige männliche Kind übergeht, das als nächstes geboren wird. Das Problem ist nun, wie dieses Kind nun zu finden ist. Daher werden also in allen Pagoden des entsprechenden Gebiets, also etwa Tibets, Geburtsregister geführt mit genauen Datumsangaben – und die Zeitbestimmung lief eben früher über die Sterne. Wenn also der alte Gottkönig gestorben war, dann schwärmten Mönche aus, um im ganzen Land die Geburtsregister zu überprüfen. Dann kamen sie wieder zusammen und berieten, welches nun das nächstgeborene männliche Kind war. Und zu diesem gingen dann schon "höhere Mönche", die man auch als "Sterndeuter" sehen kann, weil sie sich nach den Sternen richteten, und brachten ihm "Geschenke" aus dem Besitz das alten Gottkönigs mit. Das dauerte natürlich in dem großen Land einige Zeit, schließlich musste alles zu Fuß bewältigt werden und dann kam auch bisweilen der Winter dazwischen, wo die Pässe zugeschneit und also unpassierbar waren. Und wenn nun das "ausgesuchte Kind" gefunden war und es nun begierig nach den "Geschenken" griff, dann entnahmen die Mönche daraus, dass es der richtige Nachfolger ist, weil er "seine Sachen" wieder erkennt. Daher also diese merkwürdigen Geschenke der Drei Könige für ein Kind: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Das sind die typischen Kennzeichen für einen Priesterkönig. Natürlich, man kann dieses "begierig Danachgreifen eines Kindes" auch anders interpretieren, dass es also neugierig und interessiert, also gesund ist - und dass es also höchstwahrscheinlich die in es gesetzten Erwartungen eines Priesterkönigs erfüllen wird. Der Rest ist dann Erziehung. Wenn nun diese Geschichte so ähnlich auch von Jesus erzählt wird, dann ist das eine Geschichte, durch die den Ostasiaten, die an eine Seelenwanderung glauben, gesagt wird, dass Jesus auch für sie der Richtige ist, auf den sie schon lange gewartet haben. Und so wie diese Geschichte für die Ostasiaten in das Neue Testament eingefügt wurde, damit die nach ihren Erwartungen glauben können, so wurden auch die anderen Geschichten von Jungfrauengeburt usw. eingefügt, damit auch die westlichen Völker entsprechend ihren jeweiligen Erwartungen glauben können.


141. Dreifaltigkeitskonstruktion:
Hier also etwas zur Dreifaltigkeit, in die ja Jesus als eine der drei Personen "befördert" wurde: Auch hier gibt es Religionen vor dem Christentum mit dieser "Gotteskonstruktion". Und zwar etwa im Hinduismus. Die Gottheiten sind Brahma, der Urgrund von allem (könnte etwa unserem Gottvater entsprechen), Vishnu, der uns vom Bösen erlöst hat und das immer noch tut durch seine Wiedergeburten (könnte etwa dem Sohn Gottes entsprechen), und Shiva, der Gott des Geistes, der zerstört und neu schafft und im Himalaya auf den Bergen wohnt und ab und zu zu den Menschen kommt und Jungfrauen befruchtet (könnte unserem Heiligen Geist entsprechen). Wenn man gegenüber Hindus darauf zu sprechen kommt, dass Brahma, Vishnu und Shiva drei verschiedene Gottheiten sind, dann wird gleich protestiert: Nein, nein, das sei nur ein und dieselbe Gottheit, doch man könne Gott nun einmal nicht vorschreiben, unter welcher Gestalt er sich zeige. Irgendwie findet sich hier dieselbe Problematik wie mit der christlichen Dreifaltigkeit (drei Personen, aber ein Gott). (Anmerkung: Die Dreifaltigkeitsvorstellung gibt es erst recht spät im Christentum, beginnend im 4. Jahrhundert. Es ist nicht auszuschließen, dass sie vom "Osten" beeinflusst wurde, also von östlichen Religionen. Auf alle Fälle gab es immer regen Austausch mit dem Osten, und gewiss nicht nur in materiellen, sondern auch in geistigen Dingen.)

Ich möchte hier anmerken, dass in nicht denke, dass der Dreifaltigkeitsglaube bewusst-böswillig in den Glauben der frühen Kirche lanciert wurde (um den wirklichen Jesus auszulöschen), wie das mit der Jungfrauengeburt und den Wundern und der Auferstehung bis zur Himmelfahrt der Fall war. Ich denke viel eher, dass sich hier schlicht und einfach eine Glaubensentwicklung verselbständigt hatte: Wenn man schon mal dabei war, einige Anleihen aus anderen Religionen, die nichts mit einem "gesunden Menschenverstand" zu tun hatten, zu übernehmen, dann kam es dann auch sonst nicht mehr auf den "gesunden Menschenverstand" an und man blieb in dem einmal eingeschlagenen Fahrwasser. Warum also nicht auch noch weitere Anleihen aus anderen Religionen? Genau in diesem Sinn mag es dann auch zur Gottesmutterverehrung gekommen sein. Siehe Hinweis 142.


Dreifaltige Lingams (Phallen) im Nationalmuseum in Pnom Penh in Kambodscha. Unten viereckig (Brahma), in der Mitte achteckig (Vishnu), oben "Kuppe" oder auch "Eichel" (Shiva). Zwischen den beiden vorderen Lingams ein Lingam in einer Yoni (Symbol für das weibliche Geschlechtsteil).


142. Gottesmutterverehrung: Vorläufiger Höhepunkt war im Jahre 431 in Ephesus das 3. Ökumenische Konzil, auf dem Maria offiziell zur Gottesgebärerin oder eben zur "Gottesmutter" erklärt wurde. Hintergrund dieses Dogmas war der Streit zwischen griechischen und ägyptischen Christen: Im Zuge der "Verjenseitigung" des Zieles des christlichen Glaubens wurde natürlich die Erfüllung des Diesseits immer mehr vernachlässigt und es riss auch bei den Christen wieder der alte Schlendrian ein mit den üblichen Folgen "persönlicher Kummer und persönliche Enttäuschungen". Wir wissen beispielsweise, dass etwa die in Ägypten übliche Beschneidung der Frauen auch bei den ägyptischen Christen weiter praktiziert wurde, was ein sicherer Hinweis ist, dass sich die erbärmliche Situation der Frau letztlich nicht grundlegend geändert hatte. Geändert hatte sich mit der neuen Religion schließlich nur der Name und die Geschichte der Gottheit und der Ritus. Damit wurde wieder eine Muttergottheit oder eben eine Gottesmutter als Trösterin der Betrübten und schließlich als Fürsprecherin bei Gott für das ewige jenseitige Heil notwendig – und weil gerade bei den Ägyptern noch die Erinnerung an die Göttin Isis lebendig war (bei der man das alles hatte, was man jetzt vermisste), lag der Kult einer großen Muttergottheit sehr nahe – und dafür stand nun eben die Mutter Jesu bereit. Und so war dann auch die Erhebung Mariens zur Gottesgebärerin bei dem Konzil ein ausgesprochenes Volksfest unter den angereisten Ägyptern, das war das, was die Menschen wollten, weil es das damals schon weitgehend degenerierte Christentum wenigstens wieder einigermaßen menschlich machte.

143. Opfertodideologie: Ich zitiere hier zunächst aus „Der Mythenschmied“ von Hyam Maccoby. Maccoby ist allerdings nicht so „krass“ wie ich, denn er nimmt keine Betrugshypothese an; zu der bin ich ja auch erst durch Kombination mit weiteren Quellen gekommen. Hier also die Zitate, die bezeugen, dass es eine Opfetodideologie längst vor Jesus in den heidnischen Religionen gab:
S. 112: „Während er (Saulus bzw. Paulus) die Jesusanhänger verfolgte, dürfte Saulus Jesus immer mehr als eine Figur wahrgenommen haben, die ihm seltsam vertraut vorkam, da sie auf ein seelisches Bedürfnis Antwort gab, das er unter dem Druck der jüdischen Rationalität und des jüdischen Sinnes für Bewußtmachung und Wahrhaftigkeit ohne doppelte Böden niedergehalten hatte. Vor allem dürfte das Bild des langsam am Kreuz sterbenden Jesus seine leistungsfähige Vorstellungskraft entflammt haben. Denn dieses Bild muß ihn unwiderstehlich an die Ikonographie des Gottes Attis in dessen vielfältigen Erscheinungsformen erinnert haben, der er in Kilikien auf Schritt und Tritt begegnet war - der erhängte Gott, dessen blutender, mißhandelter Körper die Felder fruchtbar werden ließ und dessen Mysterien den Seelen seiner Gläubigen, die sich in einen heiligen Wahn hineingesteigert hatten, eine wundersame Erneuerung bescherten.“

S, 226: „Paulus war der größte Fantasy-Autor von allen. Er schuf den christlichen Mythos, indem er Jesus vergottete, eine jüdische Messiasfigur, dessen wirkliche Pläne sich in der Bandbreite des jüdischen politischen Utopismus bewegt hatten. Paulus schmiedete Jesu Tod in ein kosmisches Opfer um, in welchem die Kräfte der Finsternis die Macht der guten zu überwältigen suchten, aber gegen ihren Willen nur ein Heilsgeschehen zustande brachten. Dies verwandelt auch die Juden, wie die Paulusschriften ausführen, in Werkzeuge der Erlösung, die von ihrer Funktion nichts wissen; ihre Bosheit, mit der sie Jesu Tod bewirkten, schlägt zum allgemeinen Heil aus, weil dieser Tod genau das war, was die Menschheit zu ihrer Rettung benötigte. Die Kombination von Bosheit und Blindheit, die hier beschrieben wird, ist die genaue Analogie zum Baldurmythos der nordischen Mythologie, in der die Bosheit durch den bösen Gott Loki personifiziert wird, die Blindheit durch den blinden Gott Hödur, die beide zusammen den heilbringenden Tod Baldurs bewirken, der alleine eine gute Ernte bewirken kann, welche vor dem allgemeinen Hungertod errettet.“

Und dann noch aus "Das Ur-Evangelium" von Herbert Ziegler und Elmar R Gruber (zwar sind beide keine akademischen Theologen, doch sind ihre Erkenntnisse m. E. gut recherchiert und sie belegen ihre Erkenntnisse durchaus mit "akademischen Theologen") S. 43 f: "Schon 1903 wies William Wrede (1859-1906 – Anm. durch MP: ab 1893 ev. Theologe in Breslau, schon er sah in Paulus den Begründer einer zweiten christlichen Religion!) in seiner wichtigen Schrift »Das Messiasgeheimnis in den Evangelien« darauf hin, daß der Glaube an Jesus als Messias erst lange nach der Kreuzigung unter den Anhängern der Jesus-Bewegung entstanden ist. Mit ungeschichtlichen literarischen Mitteln wurde in den Schriften der Bewegung versucht, diese Tatsache zu verdecken.
Jesus freilich wußte von einem »Christus« nichts, auch nichts von seiner angeblichen Erlöserrolle. Die Kerngedanken des Christentums gehen ausschließlich auf den durch Paulus zum Gott erhobenen Christus zurück. Umgekehrt – und das muß jeden Christen verwundern - wußte Paulus so gut wie nichts vom Leben und den Lehren des Menschen Jesus. Die moderne Textkritik konnte das nachweisen, und es war wahrlich nicht leicht, diesen Befund zu erbringen. Denn fast alle unter dem Namen des Paulus im Neuen Testament zusammengefaßten Briefe sind Fälschungen. Nur sehr geringe Teile einiger weniger Briefe gehen auf Paulus zurück. Der Rest sind Interpolationen, Anreicherungen und Neuschöpfungen seiner Anhänger aus späterer Zeit. Die Motive, die zu diesen Fälschungen führten, sind vielfältig und können hier nicht im einzelnen dargestellt werden. Aber sie haben alle eine »religionspolitische« Basis.
Die große Leistung des Paulus war gleichzeitig eine Absage an die ursprünglichen Lehren Jesu. Paulus erfand die Auferstehung und stellte sie in das Zentrum seiner Theologie. Aber er dachte die Idee der Auferstehung nicht in leiblicher Form. Paulus meinte ein überirdisches Geschehen."
Das bei Maccoby Gesagte gilt auch hier: Auch Herbert Ziegler und Elmar R. Gruber denken nicht an eine Betrugshypothese - und so versuchen sie es eben mit "anderen Lösungen".

144. "Götterkreuzigungen" bzw. "Kreuzigung Jesu": Auch für mich ist dies ein sehr heikler Punkt, bin ich doch davon überzeugt, dass es die Kreuzigung Jesu tatsächlich gegeben hat. Nicht zuletzt ist sie unter Theologen allgemeiner Konsens – und vor allem von Anfang der Kirchengeschichte an. Doch auch sie wird heute von manchen Theologen und natürlich auch von Gegnern unseres Glaubens bezweifelt, vor allem auch, weil sie in anderen alten Religionen vorkommt und daher eine Art Plagiat sein könnte – und immer mit ähnlichem Sinn und in ähnlichem Zusammenhang.

Meine Meinung dazu: Es könnte mit diesem Jesus durchaus einmal dieselbe Kreuzigung wie in anderen Religionen tatsächlich geschehen sein. Und warum also nicht so eine Kreuzigungsgeschichte, die immerhin realistisch ist und die dann mit Sicherheit auch noch über Jahrzehnte im Bewusstsein vieler Menschen lebendig war? Denn es handelte sich doch um einen offensichtlichen Justizmord an einem beliebten Menschen, der auch noch als besonders gerecht und fürsorglich insbesondere für Frauen empfunden wurde? Für Gegner des echten Jesus, die die Erinnerung an das Anliegen des wirklichen Jesus auslöschen wollten, lag es also nun nahe, aus dieser Kreuzigungsgeschichte eine Opfertodgeschichte zu machen, wie sie in der damaligen Zeit von den üblichen Göttermythen her bekannt war, und somit ihren Sinn ins Nebulöse zu verlegen. Und dann war es kein weiter Weg, auch noch all diese wundersamen Geschichten, die man sonst noch aus den diversen Mythologien kannte (und auch noch weitere realistisch klingende Geschichten, etwa auch solche aus der Buddhamythologie) um diese Opfertodgeschichte herum zu konstruieren. Anders als etwa bei Dionysos (und anderen) dürfte die Kreuzigung also bei Jesus wahr sein, nur alle diese wundersamen Geschichten und manche andere Geschichten sind es eben nicht.

Doch falls ich hier falsch liege und die Kreuzigung also auch bei Jesus nicht geschehen ist, so ist das m.E. nicht unbedingt der Untergang unserer Religion. Denn das Engagement Jesu zur Befreiung und Aufwertung der Frau und für die echte Monogamie hat auch seinen Sinn, wenn er dafür nicht am Kreuz gestorben wäre. Und einen solchen Einsatz für die Frauen bei gleichzeitigem Durchblick über die oft sogar ausgesprochen hinterhältigen kriminellen Machenschaften gegen Frauen in einer Gesellschaft wie bei Jesus habe ich sonst nirgends gefunden (auch nicht bei anderen Religionsstiftern wie Moses, Buddha und Mohammed), und ich denke, dieser Einsatz stimmt auf alle Fälle. Vergleichsweise hat auch das Engagement gegen die Sklaverei des Quäkers William Wilberforce (1759-1833) einen Sinn und gilt auch heute noch als großartig human – ohne dass Wilberforce wegen seines Engagements einen Martyrertod starb. Damit ein Mensch bedeutend von der Humanität her ist, braucht es nun wirklich keinen Märtyrertod.

Doch hier die Absätze zur Kreuzigung von Göttern bzw. von Göttersöhnen aus dem Buch "Der gefälschte Glaube" von Karlheinz Deschner" 1988/1991 ab S. 48: 
"Gekreuzigte Götter sind Prometheus, Lykurgos, Marsyas, Dionysos. Die Dionysosgemeinden haben, wie feststeht, schon vor der christlichen Zeitrechnung ihren Gott über einem Altartisch mit Weingefäßen am Kreuz verehrt. Nach dem Theologen Hermann Raschke ist die Kreuzigung Jesu nur eine Entwicklungsform der Kreuzigung des Dionysos. Mögen aber auch andere Traditionen eingewirkt haben, darf man doch mit Raschke resümieren: »Dionysos, der auf dem Esel reitet« – der Esel ist bei Dionysos, wie später beim biblischen Jesus, das Tier des Friedens –, »Dionysos zu Schiff und als der Herr des Meeres, Dionysos und die trockenen Feigen, Dionysos und der Weinstock, die Verspottung und das Leiden des Dionysos, Dionysos, dessen Fleisch gegessen und dessen Blut getrunken wird, ja der bacchische Orpheus am Kreuze – es bedarf nur dieser flüchtigen Hinweise, um zu erkennen, daß der evangelische Mythenbestand (Anm.: „der Mythenbestand der Evangelien“) von Dionysosmotiven durchsetzt ist.« (Hermann Raschke „Das Christusmysterium“, 1954, (154) 95, 97 ff., 218 f)
Zum Teil bis in geringste Einzelheiten wiederholt sich beim Tod Jesu, was schon beim Tod der heidnischen Gottheiten geschehen. So wurde Bei Marduk, die meistgeschätzte Gottheit Babylons, die als Weltschöpfer, Gott der Weisheit, der Heilkunst, des Beschwörungswesens galt, als vom Vater gesandter Erlöser, Erwecker der Toten, Herr aller Herren und der gute Hirte, gefangengenommen, verhört, zum Tod verurteilt, gegeißelt, mit einem Verbrecher hingerichtet, während ein anderer Verbrecher freikam - und eine Frau wischte das Herzblut des Gottes ab, das aus einer Speerwunde quoll. (vgl. Brückner …) Beim Tod Cäsars – das athenische Volk hat ihn als Heiland gepriesen, das römische allgemein geglaubt, daß er zum Himmel aufgefahren und Gott geworden sei – verhüllte sich die Sonne, eine Finsternis trat ein, die Erde barst, und Gestorbene kehrten zur Oberwelt zurück. (Trede 98; Vergil, Georgica 1, 463 ff) – Herakles, schon um 500 v. Chr. als Gottessohn und Mittler für die Menschen, zur Zeit Jesu aber als Weltheiland verehrt, wird schließlich für seine Taten vom göttlichen Vater erhöht und befiehlt diesem scheidend seinen Geist: »Nimm meinen Geist, ich bitte dich, zu den Sternen auf ... Siehe, mein Vater ruft mich und öffnet den Himmel. Ich komme, Vater, ich komme.« Im Lukasevangelium heißt es später: »Da rief Jesus mit lauter Stimme die Worte aus: >Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist !<« (Lk 23, 46)

Noch bemerkenswerter sind die Übereinstimmungen zwischen der Heraklesreligion und dem Johannesevangelium.

Während in den drei älteren Evangelien der Lieblingsjünger unterm Kreuz fehlt – ebenso die Mutter Jesu; schauen doch hier die Frauen »von ferne« zu: Lukas schreibt sogar: »Alle [!] seine Bekannten aber standen von ferne« – (Mk 14, 40 f; Mt 27, 55f; Lk 23,49), stehen im Widerspruch hierzu im Johannesevangelium Jesu Mutter und der Lieblingsjünger beim Kreuz: wie bei Herakles' Tod dessen Mutter und Lieblingsjünger anwesend waren! Wie der erhöhte Herakles ruft: »... klage nicht, Mutter ... ich gehe nunmehr in den Himmel ein«, so sagt dann der auferstandene johanneische Christus: »Frau, warum weinst du? ... Ich fahre auf zu meinem Vater.« (Joh. 20, 15 ff). Wie Herakles mit dem Wort stirbt: »Es ist vollbracht«, so der johanneische Christus. (Joh 19,30 usw.). Wie Herakles ja auch den Namen »Logos« schon vor dem johanneischen Christus führte. Und hieß es in der Heraklesreligion: »Denn nicht um zu schaden oder zu strafen, sondern um zu retten, ist der Logos da«, heißt es im Johannesevangelium: »Denn nicht hat Gott seinen Sohn in die Welt gesandt, um die Welt zu richten, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde.« (C. Schneider 1954 Bd. 1, 142) Und wie der am Tod des Herakles Schuldige sich vor Reue und Entsetzen erhängt, so erhängt sich schließlich Judas, den die ältesten christlichen Schriften freilich gleich dreimal umkommen lassen, wobei jede Variante die andere ausschließt. (vgl. Deschner <1962> 120 ff)
Auch die berühmte biblische Geschichte vom leeren Grab - »Offen steht das Grab«, höhnt Goethe. »Welch herrlich Wunder, der Herr ist / Auferstanden! Wer's glaubt! Schelmen, ihr trugt ihn ja weg.« - konnte man schon vorher in dem weitverbreiteten griechischen Roman Chaireas und Kallirhoe von Chariton lesen. Dort eilte nämlich, im dritten Buch, Chaireas am frühen Morgen zum Grab von Kallirhoe.
Er ist voller Verzweiflung, aber siehe, der Stein ist weggewälzt, der Eingang frei. Vor Schreck wagt Chaireas das Grab nicht zu betreten. Andere eilen auf das Gerücht herzu, auch sie voller Furcht, bis endlich einer hineingeht., das Wunder bemerkt: Der Tote ist fort, das Grab ist leer. Nun tritt auch Chaireas hinein und findet das Unglaubliche bestätigt. (Nach Carl Schneider „Geistesgeschichte des antiken Christentums“, 1954, Bd. 1, 73 ff, und Richard Reitzenstein „Hellenistische Wundererzählungen“ 1906, 94 Anm. 3)"

145. "kontraproduktiv für eine echte Moral" bzw. "völlig kontraproduktiv": Es gibt tatsächlich eine wissenschaftliche Untersuchung zur Wirksamkeit der Scham für eine echte Moral – und zwar an Ratten! Ich zitiere hier das kurze Interview aus dem Magazin Geo vom Februar 2015

RATTENSCHARFE JACKEN
Jim Pfaus, Psychologieprofessor aus Montreal, hat Ratten einen Jacken-Sex-Fetisch antrainiert
GEO: Herr Professor Pfaus, wie kommt man darauf, Ratten Reizwäsche anzuziehen?
Durch Zufall. Die Jacken benutzten wir ursprünglich nur, um männliche Ratten bei einem anderen Experiment auseinanderhalten zu können. Als wir die Tiere später in einer neuen Studie einsetzten, kopulierten sie plötzlich nicht mehr - obwohl die Weibchen erkennbar heiß waren. Wir überlegten hin und her. Irgendwann zogen wir den Männchen ihre Jacken wieder an - und sie hatten wieder Sex.
Was kam dann bei der Studie heraus?
Rattenmännchen, die bei ihren ersten sexuellen Erfahrungen selbst eine Jacke tragen oder mit einem Weibchen mit Jacke kopulieren, entwickeln eine Art Fetisch: Die Jacken stimulieren sie sexuell, ohne Kleidung läuft nichts – oder jedenfalls sehr wenig.
Was sagt das über menschliche Sexualität?
Frühe Erfahrungen, die belohnt werden, verändern das Gehirn und damit unser Verhalten – und lassen uns auf Reize anders reagieren: Ein Fetisch ist also etwas Natürliches – und schwer wieder abzulegen.
Ein 40 -jähriger Mann, der bereits Sex hatte, aber noch nie Reizwäsche gesehen hat, würde also von einem schönen BH nicht stimuliert?
Demnach wahrscheinlich nicht, nein.

Es gibt es also auch heute noch: Zufälle, die zu einer wissenschaftlichen Untersuchung anregen oder zumindest anregen könnten. Leider ist das hier offensichtlich bis auf eine eher ironische Bemerkung unterblieben. Ich nehme diese Beobachtung jedenfalls ernsthafter und komme jedoch zu einem etwas anderen Schluss: Es ist nun einmal so, dass alle Kleidungsstücke, die wir üblicherweise tragen (und nicht nur die Reizwäsche – bei den Ratten ging es ja auch nicht um Reizwäsche, sondern um völlig normale Jäckchen), nicht natürlich sind und irgendwie eine Fetischwirkung haben und von daher unsere natürliche menschliche Sexualität, und das ist nun einmal meiner Überzeugung nach die monogame, durcheinander bringen. Wir müssen immer bedenken, dass wir Menschen im heißen Afrika entstanden sind, wo wir keine Kleidung brauchten, das heißt, dass unsere sexuelle Veranlagung nur "normal" funktioniert in der Hitze und ohne Kleidung. Das heißt nun, dass wir in den sogenannten zivilisierten Gesellschaften eher durch die "bestimmten Körperteile" sexuell stimuliert werden, wenn sie unter Textilien verborgen sind, und weniger durch das Wesen eines Menschen. Dadurch kommt es dann zu oberflächlichen sexuellen Begierden und schließlich auch zu Beziehungen zu Menschen, die gar nicht zu uns passen und die normalerweise für uns sexuell total uninteressant wären – und natürlich erst recht für Kinder. Wenn dagegen die Nacktheit üblich wäre oder auch nur "normal in bestimmten Situationen" (also etwa in einem Schwimmbad oder an einem Strand) sein würde, das heißt, wenn wir "natürlich" leben würden, würde es gar keine Attraktivität ausgehend von den Körperteilen, die üblicherweise "versteckt" werden, mehr geben. Das bedeutet, dass "die Beziehungen zwischen den Geschlechtern" ernsthafter würden – und moralischer. Natürlich gehört auch eine geistige Einstellung dazu, doch wozu haben wir denn unser Gehirn von der Natur mitbekommen?

Ich kann hierzu von einer interessanten Erfahrung mit jungen Affen berichten. Und zwar ergab es sich völlig ungeplant, dass ich bei meiner letzten Südamerikareise (November/Dezember 2019) eine Woche "Volunteer" auf einer "Affeninsel" im Amazonas bei Iquitos in Peru war. Auf dieser Insel werden also junge Wollaffen aufgezogen, die bei der Jagd auf die Mütter "übrig geblieben" waren. Die Äffchen waren sozusagen alle von den Brüsten ihrer toten Mütter weggerissen worden und sind also eigentlich alle irgendwie traumatisiert. Doch scheinen sie sich auf der Insel sehr wohl zu fühlen, zumal es dort viele Äffchen in ihrer Situation gibt - und die meisten scheinen sich auch sehr gut miteinander zu verstehen. Interessant für mich war auch, wie diese Äffchen bisweilen in Bäumen mit offensichtlich sehr elastischen Ästen herumturnten, mit unwahrscheinlicher Ausdauer und ohne irgendein Anzeichen von Ermüdung.

Und irgendwann habe ich überlegt, ob ich hier nicht etwas zu "meiner Thematik" erkennen kann.

Mir fiel also auf, dass die Geschlechtsteile der Äffchen, wie das nun einmal bei Tieren so ist, durchaus voll sichtbar waren. Doch sie waren für die Tierchen offensichtlich völlig uninteressant. Das bestätigten mir auch andere "Ranger", die ich dazu fragte. Und da wir nun heute dazu neigen, Beobachtungen des Verhaltens von Tieren auf Menschen zu übertragen, stellte sich mir die Frage: "Wie kommt es, dass sich schon menschliche Kinder spielerisch mit ihren eigenen Geschlechtsteilen beschäftigen und vor allem mit denen des anderen Geschlechts - bis hin zum Geschlechtsverkehr - was die (umstrittene) Anthropologin Margret Mead hat bei ihren Forschungen in der Südsee angeblich beobachtet hatte (siehe Hinweis 117) - und diese Tierchen offensichtlich nicht?" Das Problem ist ja, dass Margret Mead und in ihrer Tradition unsere Sexualforscher solches Verhalten von Kindern für natürlich-typisch-menschlich-gesund halten und dass dieses Verhalten von Kindern also zu ihrer Gesundheit gefördert werden muss. Kann es nicht sein - ausgehend von meinen Beobachtungen an den Äffchen, dass dieses Interesse menschlicher Kinder an den Genitalien nur daher kommt, weil diese auch schon bei ihnen üblicherweise "versteckt" werden müssen und dass sie nur dadurch interessant werden - und dass sich das Problem lösen würde, wenn diese genauso natürlich-nackt und unbefangen sein könnten wie die Affenkinder? Doch darauf gehen unsere superklugen Sexualforscher nicht ein! Und warum nicht? Sie wissen es oder sie ahnen es zumindest, dass diese Überlegungen die "bedeutenden Ergebnisse" ihrer Forschungen infrage stellen könnten!

Es stellt sich hier auch die Frage, warum es bei uns Menschen erst ab der Pubertät eine Schambehaarung gibt. Bei den Jungen bzw. Männern wirkt sie sich ja auf die Sichtbarkeit der Geschlechtsteile nicht aus, jedoch bei den Mädchen und Frauen. So viel ich weiß, gibt es hier keine Untersuchungen, was für einen Sinn das hat, dass es die Schambehaarung erst ab der Pubertät gibt. Und wieder unter dem Gesichtspunkt, dass wir Menschen im heißen Afrika entstanden sind, wo also immer ansonsten "alles" sichtbar war, weil der Mensch ja nackt war: Kann es nicht sein, dass durch die "freie Sicht" auf die Körperteile von jungen Mädchen alles Geheimnisvolle und Spannende bei ihnen fehlte – und es daher in diesen frühen "natürlichen" Kulturen auch keine Pädophilie gab? Und dass die sexuelle Attraktivität der Mädchen und Frauen erst kam, als die speziellen Körperteile unter der Schambehaarung versteckt waren? Für uns heute würde das heißen, dass es bei einem natürlichen Umgang unter uns Menschen gar keine Pädophilie mehr geben würde. (Ich würde mich freuen, wenn ich hier auf wissenschaftliche Untersuchungen aufmerksam gemacht würde, wenn es denn solche gibt!)


146. Erlöserfunktion Jesu: Die Frage stellt sich natürlich, von was Jesus uns eigentlich erlöst hat. Von der Erbsünde? Doch was verstehen wir darunter? Dass Adam und Eva verbotenerweise einen Apfel gegessen hatten, den sie nicht essen durften? Oder eine Erlösung von der ewigen Verdammnis in der Hölle?

Was es mit Adam und Eva und dem Sündenfall auf sich hat, habe ich kurz  auf Seite 60 f in "Es ist alles ganz anders ..." beschrieben. Und das mit der Bewahrung vor der ewigen Verdammnis in der Hölle ist leider eine typische religiöse Angstmacherei, wir können auch diese Bedeutung also vergessen.

Ich zitiere einmal, was Deschner zur Erlöserfunktion Jesu sagt (S. 44): "Vor Beginn seiner Lehrtätigkeit geht Jesus in die Einsamkeit; er fällt dabei in Versuchung, man führt ihn auf einen hohen Berg, zeigt ihm alle Königreiche der Welt – nicht anders wie schon Herakles vor Beginn seines öffentlichen Wirkens in die Einsamkeit geht, in Versuchung fällt, auf einen hohen Berg geführt wird, wo man ihm das Reich des Königs und des Tyrannen zeigt. Auch von Zarathustra gibt es eine solche Versuchungsgeschichte; ebenso von Buddha, der als etwa Dreißigjähriger, im gleichen Alter wie der biblische Christus, seine Laufbahn beginnt, zuerst (wie nachher Jesus) zwei Brüder als Anhänger gewinnt, in freiwilliger Armut, begleitet von zwölf Hauptjüngern, darunter ein Lieblingsjünger auch und ein Verräter, umherzieht, sich in Sprüchen, Bildern, Gleichnissen mitteilend. Wie später Jesus, verbietet bereits Buddha das Töten, Stehlen, Lügen, den unerlaubten Geschlechtsverkehr; wie nach ihm Jesus, fordert er die Verehrung der Eltern, preist er die Friedfertigen; er lehrt, das Böse mit Gutem zu überwinden, predigt Feindesliebe, verwirft unnützes Sammeln von Schätzen und zieht Barmherzigkeit dem Opfer vor. Wie Jesus nennt sich schon Buddha »Menschensohn«, wie Jesus heißt er »Prophet«, »Meister«, »Herr«; und Buddhas Bezeichnungen als »Auge der Welt« und »Licht ohnegleichen« entsprechen der Bezeichnung Christi als »Licht der Welt« und »das wahrhaftige Licht«. Doch auch die anderen heidnischen Heilande sind bereits vor Jesus Mittler, Offenbarer, Erlöser. Schon sie verkünden: »Ich bin ein Licht für die Menschheit«, »wer glaubt, wird gerettet, wer nicht glaubt, dem Gericht verfallen«, und dergleichen. Schon sie handeln aus Liebe zu den Menschen, weisen sich durch Prophezeiungen, durch Wunder aus. Von Buddha, Pythagoras, Sokrates und vielen anderen werden Weissagungen überliefert; und wie die Christen diskutierten schon die Heiden, ob eine Weissagung dem Wortlaut oder nur dem Inhalt nach von der Gottheit stamme."

Doch ich denke, es bleibt doch etwas von einer ganz besonderen Erlöserfunktion Jesu: Sein Einsatz für die Frauen, vor allem wie er begann, die Methoden und Tricks der Männergesellschaft zu durchschauen, Frauen ihrem Willen gefügig zu machen, das war schon einmalig und einzigartig. Das gab und gibt es sonst bei keinem Religionsstifter oder auch "Erlöser".


147. "Zusammenhänge erkennen" und "indem das Potenzial an hoher Moral ins falsche Objekt investiert wird": Manchmal habe ich den Eindruck, dass manche Men­schen das Problem Scheinmoral und echte Moral einfach nicht erkennen wollen. Da ich mir dieses "Nichtwollen" aber nicht vorstellen kann, habe ich hier - wie ich denke - zwei passende Beispiele zur Hand, die diesen "Nichtwollenden" das Problem vielleicht für sie plausibel erklären können:

  1. Vor etwa 25 Jahren erzählte mir eine Deutschtürkin (sie war damals vielleicht Mitte zwanzig) von einem "Kindheitsproblem", das offensichtlich noch lebhaft in ihrer Er­innerung war. Als sie vier oder fünf Jahre alt war, waren ihre Eltern also einmal mit ihr im Auto in die Türkei gefahren. Unterwegs hatte sie fürchterliche Probleme mit dem "auf die Toilette gehen" – und sie tat es nicht, wodurch sie sogar wahnsinnige und kaum auszuhaltende Schmerzen hatte. Denn die Toiletten, die es unterwegs so gab, waren ihr alle zu schmutzig, da ekelte sie sich und ging nicht hin. Und im Wald? Da hätte ja jemand ihren Po sehen können und natürlich auch Allah, nein, das ging auch nicht. Denn davor hatte sie schreckliche Angst, das wäre nämlich nach ihrer Meinung etwas ganz Schlimmes mit wohl unabsehbaren bösen Folgen gewesen.

  2. Doch auch vom genauen Gegenteil habe ich erfahren! Und zwar in dem Buch von Heinz Helfgen "Ich radle um die Welt", das in den 50er Jahren heraus kam und das ich damals begeistert gelesen habe. Da radelte also dieser Heinz Helfgen einmal irgendwo im Vorderen Orient auf einer unbefestigten Straße mehr schlecht als recht. Und sah in der Ferne ein Kind, offensichtlich ein sehr junges Mädchen, das ihm entgegenkam. Doch als er etwa an der Stelle war, wo er auf das Kind oder eben auf das Mädchen hätte treffen müssen, war da nichts, das Mädchen war wie vom Erdboden verschluckt. Er stieg also ab und suchte. Und schließlich entdeckte er es, angstvoll hinter einem Busch vornübergebeugt auf den Knien kauernd – sei­nen Rock hochgezogen und mit ihm seinen Kopf verhüllt – und dabei seinen blan­ken Po in die Höhe gestreckt. (Das muss ein Bild für die Götter gewesen sein! Ja, wir lachen darüber, doch welche Ängste muss das Mädchen ausgestanden haben, ja, welche Ängste müssen beide Mädchen gehabt haben, dass sie sich so unsinnig verhielten, was muss da in ihren Köpfchen für ein Schrott gewesen sein?)

So kommt es also, wenn man Kindern etwas als etwas Böses hinstellt, das doch über­haupt nicht böse ist! Möglicherweise hatte ja niemand diesen Kindern das so ausdrücklich eingeredet, dass unter allen Umständen den Po oder das Gesicht vor Fremden versteckt werden müssten, doch die Kinder hatten in ihrer natürlichen Veranlagung zu einer hohen Moral das nun einmal so verstanden. Auf jeden Fall hatten die beiden Mädchen daher ab­soluten Horror, dass Fremde etwas von ihnen sehen könnten, was doch ihrer Meinung et­was ganz Schlimmes gewesen wäre und was vielleicht so etwas wie ein göttliches Zorngericht ausgelöst hätte. Denn über so ein Gericht hatte man ihnen vermutlich auch erzählt. Doch das eigentliche Problematische, um das es doch gehen sollte, das wurde ihnen über­haupt nicht bewusst. Und die Ängste gegenüber dem einen erzeugen nun einmal nicht auch automatisch Ängste gegenüber dem anderen, wo sie vielleicht eher sinnvoll wären.

Wir meinen jetzt vielleicht hochnäsig, na gut, das waren kleine Mädchen in noch recht wenig zivilisierten Kameltreiberkulturen, bei uns ist das natürlich alles gaaaaanz anders! Na, wirklich? Was machen wir denn? Ich habe immer wieder erlebt, dass gerade Mädchen ängstlich ihre Brustwarzen und Schamteile verstecken, doch den Sex, sogar mit verschie­denen Partnern, die oft sogar ohne jedes akzeptable Niveau sind und die sie noch nicht einmal lieben, eine Ehe können sie sich schon gar nicht vorstellen, den machen sie. Sie machen also genau das Gegenteil von dem, was eigentlich sinnvoll und auch moralisch wäre. Wie kommt´s? Ganz einfach: Das eigentliche Natürliche und Normale, dass sich etwa die jungen Leute "so richtig" sehen und zeigen können (schließlich auch im Zusam­menhang mit der Partnersuche), wird ihnen ja in unseren Kulturen sehr erfolgreich aberzogen. Also machen sie mit "Personen des anderen Geschlechts" das, was irgendwann sowieso sein muss, was aber eigentlich erst passieren sollte, wenn sie den Richtigen oder die Richtige gefunden haben und eine feste Verbindung eingegangen sind, eben den Ge­schlechtsverkehr. Sie wollen "es" einfach hinter sich haben wie eine unliebsame Operation, die nun einmal sein muss. Natürlich: Unsere so tollen und oft auch so frommen Pädagogen trifft hier natürlich absolut keine Schuld, schuld sind immer nur die anderen, die Kameraden, die Medien, die Familie, die Veranlagung, der schulische Sexualkundeunterricht, die unmoralische Zeit heute .. Dass die­se Moralpädagogen es aber sind, die das natürliche hohe moralische Potenzial gerade jun­ger Menschen immer nur auf Nebensächliches oder auch auf völlig Belangloses fokus­sie­ren (oder auch nichts Sachdienliches dagegen unternehmen, wenn es solche Fokussie­run­gen gibt), und ihnen auf diese Weise nur eine Scheinmoral beibringen, die dann die Ursa­che für Fehlentscheidungen mit der echten Moral ist, auf den Gedanken kommen sie nicht.

Ich hoffe doch, dass ich das Problem in dem "Heft" gut und plausibel dargelegt habe, wie man als Pädagoge die Dinge um die Sexualität besser den jungen Menschen anerziehen kann – und warum eine Erziehung zur "Offenheit", also durchaus auch zur Freude an der Nacktheit, einen sehr hohen moralischen Wert haben kann, wenn sie nur richtig gemacht wird.


148. "Segen der Kirche": Es soll hier eigentlich um den möglichen Ausspruch Jesu nach Matthäus 19,6 gehen: "Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen."

Üblicherweise wird diese Bibelstelle immer so gedeutet, dass zwei Menschen, die sich vor einem Priester ihr Ja-Wort gegeben haben (oder wenn sie nicht katholisch sind, auch anderweitig), sich nicht mehr trennen dürfen, dass also ihr gegenseitiges Versprechen „ewig“ halten muss, also „bis dass der Tod sie scheidet“: Die Frage stellt sich allerdings, ob so eine Beziehung wirklich Gott verbunden hat. Waren das nicht viel mehr zwei Menschen – und war Gott allenfalls so eine Art Zeuge (weil das Versprechen eben in einer Kirche und vor einem Priester statt fand)? Na, und wenn Gott wirklich etwas verbunden hat, woran erkennt man das, dass es wirklich Gott war?

Ich denke, dass wir diesen Ausspruch Jesu (falls er ihn überhaupt je getan hatte) möglicherweise völlig falsch interpretieren. Wir müssen dazu einmal bedenken, wie zu seiner Zeit Ehen geschlossen wurden. Das waren doch wohl in den seltensten Fällen die Brautleute selbst, die hier etwas veranlassten, sondern das waren die Eltern, die die jungen Menschen zusammen brachten – und eine echte Wahlfreiheit bestand doch für die jungen Menschen nie oder nur sehr eingeschränkt. Und dieses Zusammenbringen funktionierte doch nur, weil die jungen Menschen sehr beschützt und prüde gehalten wurden – und wenn man eben sehr beschützt und prüde gehalten wird, dann wird man eher leicht auf Menschen des anderen Geschlechts so scharf, dass man schon fast jeden nimmt – Hauptsache ist „man hat einen“ und ist von zu Hause raus. Die Folge ist, dass in solchen Beziehungen die Menschen sehr oft nicht wirklich zusammen passen und dass die Frauen schließlich dann auch nur bessere „Triebbefriedigungs- und Gebärmaschinen“ (und dann natürlich auch Arbeitstiere) sind, von echter Liebe und Partnerschaft kann da oft also keine Rede sein. Wohl nicht umsonst gibt es in solchen Gesellschaften auch immer eine ausgiebige Prostitutionskultur, denn bei den Prostituierten hat man wenigstens die Wahl. Aber natürlich muss das nicht so sein, zumal sich wohl die meisten Eltern schon alle Mühe geben, die passenden Partner für ihre Kinder zu finden.
Und hier dürfte dieser Ausspruch Jesu eine ursprüngliche jüdische Partnerwahlmethode angesprochen haben, dass sich junge Menschen und gerade auch Mädchen in voller Freiheit ihren Partner selbst suchen können und dass andere da nicht reinfunken sollen. (Am besten können wir uns die Rolle Gottes bei der Partnerfindung vielleicht vorstellen, wenn wir einen Blick auf die heidnischen Religionen werfen, welche Rolle bei denen die Götter spielten. Denken wir an den göttlichen Knaben "Eros" mit seinem Flitzebogen und den Pfeilen, die er verschickt, wie es ihm beliebt. So wie man sich gegen diese Pfeile nicht wehren soll, so eben auch nicht, wenn der jüdische Gott etwas gelenkt hat ....) Jesus also der Erfinder der romantischen Liebe – warum nicht? Allerdings soll dieses Suchen natürlich auch nach göttlichen oder eben nach den typischen ur-jüdischen "Spielregeln" geschehen, damit man auch sagen kann, dass eine Beziehung tatsächlich Gott verbunden hat – so wie es dieses Mädchen, das im dritten Jahrtausend angekommen sein möchte (ab Seite 38), versucht. Und Aufgabe der Eltern bzw. anderer Pädagogen ist es nun einmal, nicht für ihre jungen Menschen die Partner zu suchen, sondern ihnen nur die entsprechenden Spielregeln für ihre Suche wirkungsvoll nahe zu bringen.

Jesus war also bei dem Ausspruch „Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen“, voll und ganz „alter Jude“.
Und ich denke, gerade heute wären diese Spielregeln eine gute Idee für alle!


149. "ein bewusstes raffiniertes Machwerk der Desinformation über Jesus": Natürlich habe ich Bedenken, das komplette Neue Testament als Machwerk gegen den echten Jesus einzustufen und somit abzuwerten. Denn ganz so krass kann der echte Jesus, von dem ja noch immer etwas in den Köpfen war, doch nicht ausgelöscht werden. Auf jeden Fall würde ich die drei synoptischen Evangelien, also Matthäus, Markus und Lukas und natürlich auch die Paulusbriefe, egal ob sie nun echt sind oder nicht, als weitestgehend problematisch sehen. Dagegen kann ich mich mit dem Johannesevangelium und mit den Johannesbriefen, die ja alle noch viel später als diese drei Evangelien verfasst wurden und im Allgemeinen als noch unhistorischer angesehen, was den wirklichen Jesus angeht, schon eher "anfreunden". Siehe dazu Hinweis 159.


150. "Paulus und seine `Mannschaft´ (oder auch seine Komplizen)": Ich möchte mich hier nicht festlegen, wie die "Paulusideologie" damals entstanden ist, ich denke, es ist auch nicht so wichtig. Es kann sein, dass es hier einen einzigen Ansprechpartner der "Halbweltmafia" gab, doch es kann auch sein, dass es mehrere Ansprechpartner gab, die noch nicht einmal von einander wussten, und die sich dann gegenseitig mit wundersamen und abstrusen und hochgeistig und fromm klingenden Geschichten über Jesus zu übertrumpfen suchten. Da würden dann nicht nur die Geschichten über Jungfrauengeburt, Wunder und Himmelfahrt Jesu hinein passen (s. S. 18 in "Es war alles ganz anders ..."), sondern auch die Plagiate aus dem Buddhismus.


151. „Durcheinander in der frühen Kirche“: In ihrem Buch „Adam und Eva und die Schlange“ beschreibt die ame­rikani­sche Religions­wissenschaftlerin (a. d. Princeton Universität) Elaine Pa­gels (1988/1991, dt. bei Rowohlt), wie sie zu ihrer Beschäftigung mit dem frü­hen Christentum kam. Sie war ursprünglich davon ausgegan­gen, dass sie das wah­re Christentum „im Rück­gang auf die Ur- und Frühgeschichte der Kir­che finden würde“. Doch sie stieß bei ihrer Suche auf das Gegen­teil von dem, was sie er­wartet hatte. Ein „goldenes Zeitalter“ reine­ren und einfa­cheren Christen­tums konnte sie jeden­falls nicht fin­den, sondern sie fand nur „eine Viel­falt bis zur Gegensätzlichkeit divergierender Stimmen und Stand­punkte“ (S. 306f). Das würde die These des Konzepts "Jesusideologie" unterstützen, dass es gera­de in der frühen Kirche Kreise gab, die als Gegner des echten Jesus sich in die Gemeinschaften der frühen Jesusanhänger eingeschleust haben, um den wirklichen Jesus ganz be­wusst zu ver­fälschen - vor allem auch mit all diesen Geschichten aus den heidnischen Mythologien und auch aus dem Buddhismus. Dies durften sie natürlich nicht zuge­ben, son­dern sie haben ihre wahren Ab­sichten  ge­schickt ver­schlei­ert (siehe Hinweis 149). Möglicherweise gab es sogar verschiedene "Influencer", die unabhängig voneinander geradezu wetteiferten, wer die besten Geschichten in die Köpfe der frühen Jesusanhänger bringt – einzig mit dem Ziel, die Erinnerung an das Engagement des echten Jesus zu zerstören. So mag es dann zu diesen „divergieren­den Stim­men und Standpunkten“ gekommen sein.

Ich werde schon mal gefragt, was denn nun von diesem Jesus übrig bleibt, wenn denn alles oder das meiste Plagiate aus heidnischen Mythologien oder aus dem Buddhismus sind. Ja, es gibt wirklich einiges!
–  Natürlich ist da die hier ausgiebig behandelte Sünderingeschichte aus Johannes 8. Und dann:
–  die Erzählung vom "Verlorenen Sohn". Ich bin nicht der einzige, er diese Erzählung für autobiografisch von Jesus selbst hält. Interessanterweise wird ja dieser Sohn vom Vater sogar mit einem Festmahl empfangen, obwohl man doch eigentlich meinen müsste, dass er eigentlich vom Vater getadelt werden sollte. Aber nein! Der Grund dürfte sein, dass der Vater es schon irgendwie gut findet, dass dieser Sohn sich etwas getraut hatte, er war in die Welt gezogen und hatte sich den Wind um die Ohren sausen lassen. Und er wird das Geld ja nicht nur mit Dirnen verprasst haben, denn auch ihm müsste klar gewesen sein, dass das Geld vom Vater irgendwann zu Ende ist und dass er also um "Nachschub" sorgen müsste. Also hatte er sich vermutlich auf riskante Geschäfte eingelassen - und sich dabei verspekuliert. Und so landete er dann "auf der Straße". Aber eben, er hatte sich etwas getraut! Für einen braven Bürger ist das natürlich unverständlich, doch für eher rebellisch gesinnte Menschen, wie es vielleicht der Vater zumindest immer noch ein wenig ist, ist das eher eine Lehre, aus der man lernen kann, und daher nicht unbedingt negativ.
–  das Gleichnis vom "Barmherzigen Samariter". Es geht hier weniger darum, dass der Priester und der Tempeldiener an dem zusammen geschlagenen und ausgeraubten Opfer eines Überfalls aus Geiz und mangelnder Empathie vorbei gingen und Jesus sie deswegen tadelte, sondern es geht darum, dass die beiden auf dem Weg zum Gottesdienst waren und sich bei einer Hilfe für den Geschundenen wohl mit Blut befleckt hätten. Und das hätte sie unrein gemacht und also untauglich für den Gottesdienst, an dem sie ja teilnehmen wollten oder vielleicht sogar mussten  Möglicherweise tat auch ihnen der Geschundene leid, doch wegen des Gottesdienstes ging eine Hilfe einfach leider nicht. Und hier bringt Jesus die Kirche wieder ins Dorf: Wenn es darum geht, einem Not Leidenden zu helfen, ist das der wahre Gottesdienst – und wer diesen Gottesdienst tut, der hat den "wahren Gott" begriffen – anders als der Priester und der Tempeldiener mit den üblichen kultischen Zeremonien. Die Frage stellt sich hier, ob Jesus überhaupt an einen "Gott der Zeremonien" glaubt.
–  das Gleichnis von den beiden Söhnen, in dem der eine Sohn auf den Befehl des Vaters, er solle in den Weinberg gehen und dort die notwendigen Arbeiten tun, sagt, dass er geht, dann aber doch nicht geht, während der andere Bruder sagt, dass er nicht geht, dann aber doch geht. Jesus will damit sagen, dass es nicht darauf ankommt, was einer sagt, sondern was er tut. Möglicherweise hatte dieser Sohn nach seiner Weigerung gesehen, was alles so im Argen lag, und sich besonnen, dass er etwas tun müsste, damit das Arge weniger wird.

Sicherlich gibt es noch mehr Stellen im Neuen Testament, die auf den wirklichen Jesus hinweisen. Ich denke, sie kann man daran erkennen, dass sie vor allem sehr lebenspraktisch und vielleicht auch irgendwie rebellisch sind. Und vor allem das bleibt: Es geht diesem Jesus nicht um irgendeinen Kult und um einen Gottesglauben, sondern um das volle Menschsein! Und wenn ein Gottesglauben oder/und ein Kult dieses Menschsein fördert, warum nicht? Ich habe etwa von verfallenen oder verfallenden Dorfkirchen in den neuen Bundesländern gehört, die auch mit Hilfe von nicht gläubigen Dorfbewohnern restauriert werden, einfach weil diese Kirchen zum Dorf gehören und weil die Menschen einen Dorfmittelpunkt haben wollen und auch einen Ort, wo sie sich für Gemeinschaftserlebnisse treffen können, etwa um schöne Konzerte zu erleben. Und wenn diese Konzerte dann sogar Messen von Bach und Mozart und Haydn sind – so haben sie auch einen Wert ohne ausdrücklichen Gottesglauben!


152. "ursprüngliche jüdische Religion": Wie mag es überhaupt zur „ursprünglichen jüdischen Religion“ ge­kom­men sein? Ja, wie ist es überhaupt zum Volk der Juden gekommen? Zunächst: Die Ge­schichten der Bibel (also des Alten Testaments) darüber, et­wa die von Noah, Abraham bis hin zu Jakob und seinen Söhnen Josef, Ben­ja­min und den an­de­ren, sind wohl alles Geschichten, die sich fromme Autoren der Juden aus­ge­dacht haben, um ihrem Volk eine Geschichte zu geben.Leider ist auch die Geschichte von der Sklaverei in Ägypten und von der Be­frei­ung daraus mit dem Zug durch die Wüste und also auch von Moses nach neu­eren Erkenntnissen weitestgehend Legende. Am ehesten ist vielleicht wahr, dass sich in der Gegend des heutigen Israels Nomaden mit freigelas­se­nen oder auch entlaufenen Sklaven woher auch immer und mit aus anderer Unter­drückung Überlebenden zusammen gefunden haben. Und das waren Men­schen, die vernünftig miteinander reden konnten und sich also auch ge­mein­sam um eine Le­benseinstellung kümmerten, nach welchen Regeln sie mitei­nander fortan le­ben könnten. Es ist nun durchaus vorstellbar, dass dabei diese Re­geln einmal nicht nur von alten Männern aufgestellt und ihren Mit­men­schen auf­ge­zwungen wurden, sondern dass zunächst einmal alle über die dis­ku­tierten, also auch die Frauen, und auch junge, die ja einmal Sklavinnen ge­we­sen waren. Das heißt, dass es auch um die Überwin­dung der verachten­den und entwür­di­genden „unordentlichen Lie­besbezie­hun­gen“ der Frauen ging, wie sie in der Sklaverei nun einmal üblich waren. Denn Frauen und Mäd­chen waren in der Sklaverei ja auch immer Sexsklavinnen ih­rer Be­sitzer mit allen ihren mehr oder weniger perversen Wünschen und/oder auch Ge­schäfts­interessen. Sol­che Frauen konnte man ja auch nach Belieben „ver­mieten“, schließlich wollte man das Geld, das man in sie hineingesteckt hatte, ja wie­der „erwirtschaften“. Dabei ging es ja immer nur um die Gier und das Ge­schäftsinteresse der Männer, die Gefühle der Frauen und deren morali­sche Einstellung waren völlig gleichgültig. Und so ging es bei der „neuen Lebens­einstellung“ um die volle Eman­zipa­tion der Frau, über die gewiss auch disku­tiert wurde: Ist die Fortführung der „unordent­lichen Liebes­beziehungen“, wie sie in der Sklaverei üblich waren, jetzt aber un­ter anderen Vorzeichen, die wahre Emanzipation oder ist es das Konzept einer „ordentl­ichen Liebesbe­zie­hung“ in Partnerschaft und Liebe von Mann und Frau? Dabei muss wohl ein herausragender Kopf, der in der weiteren Ge­schichte zum „Anführer Moses“ wurde, mit einem Machtwort einen Schlussstrich gesetzt ha­ben mit der Idee der „ordentlichen Liebesbeziehung“ – und die durch die Ge­bo­te, die er vom Gott des Berges Sinai (angeblich) erhalten hat­te, als un­um­stöß­liche Regel festgelegt haben. Und so kam es dann auch, dass die ursprüngliche jüdi­sche Reli­gion die einzi­ge ist, in der auch die Frau das Recht auf sexu­elle Erfül­lung, also auf den Or­gasmus, hat – bei gleichzeitiger Bedingung der ech­ten Mo­no­ga­mie. Und die Idee der Nackt­heit des Paradieses möchte ich hier noch hin­zufü­gen, denn die ist nur umsetzbar, wenn alles, was mit der Monoga­mie zu­sam­men hängt, aus einer inneren Einstellung heraus gelebt wird – und auch gerne und aus tiefster Überzeugung. Eine Datierung für das alles ist unmöglich, ich setze hier einmal die Zeit um 1000 v. Chr. an, also vor etwa 3000 Jahren.
Ein m. E. gutes Argument, dass ich hier richtig liege, ist die Tatsache, dass jüdi­sche Männer heute noch beschnitten werden, wie ebenfalls heute noch die Ägypter, und jüdische Frauen nicht beschnitten werden, anders als heute noch die Ägypterinnen. Es ist schlichtweg das Erbe der Sklaverei! Denn die männli­chen Sklaven mussten auch wie die männlichen Besitzer beschnitten werden, weil man die Beschneidung als Vorbeugung gegen Geschlechts­krank­heiten an­sah – und man konnte ja nicht verhindern, dass sich die Sex­skla­vinnen auch mal mit ihren männlichen Leidensgefährten der Sklaverei „trös­teten“. Wären die also unbeschnitten, wären sie eine Quelle der Gefahr für die Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten gewesen. Bei den Frauen hat die Be­schneidung dage­gen direkt nichts mit der möglichen Ansteckung mit Ge­schlechtskrankheiten zu tun. Also wurden Sklavinnen nicht beschnitten, denn sie sollten ja Lust haben, „da­bei“ mitzumachen, die sie mit der Beschnei­dung nie so recht hätten. Denn die Beschneidung bedeutet sehr oft eine Wun­de, die nie richtig verheilt und daher gerade auch beim Sex immer schmerzt. (Auch heu­te wer­den in Ägypten die „nor­malen“ Ägypterinnen sehr wohl, jedoch die Töch­ter von Prostituier­ten nicht be­schnitten, weil die „ja doch wieder“ Pro­sti­tuier­te werden …) Bei den bef­rei­ten Skla­vin­nen ersetzte man die­se Beschnei­derei durch das Gesetz einer dra­konischen Strafe, also der To­desstrafe, falls sie „un­or­dent­li­che Liebesbe­zie­hungen“ hat­ten. An den möglichen Missbrauch dieses Ge­setzes dachte man nicht – oder doch? Siehe Hinweis 104.
Es ist mir un­ver­ständlich, dass meines Wis­sens bei den heu­tigen Juden noch nicht einmal darüber nachgedacht wird, dass die Beschnei­dung der Män­ner ein aufge­zwungener Brauch aus der Zeit der Skla­verei ist und dass sie schon von daher bei frei­en (oder eben emanzipierten) Menschen verboten gehört! Denn eigentlich hätte die jüdische Religion das Zeug dazu, die modernste und aufgeklärteste Religion zu sein – siehe Hinweis 169.


153. "islamische Religion" und "Ideologie": Zum Vorteil des Konzepts, auf das ich gekommen bin, gehört, dass eine ethische Lebens­praxis nicht mehr wie in der traditionellen Theologie ein An­hängsel an diese Theolo­gie ist („aus Dankbarkeit für die Erlösung durch Je­sus sollen wir jetzt moralisch sein und uns an die göttlichen Gebote halten“), son­dern dass diese Ethik Kern des Anliegens Jesu ist. Ich denke, dass ein sol­cher Praxisbezug ein Indiz ist, dass wir auf der Spur des echten Jesus sind, denn der echte Jesus war Hand­wer­ker und kein Theologe – und das In­diz für einen Handwerker ist nun ein­mal, dass er immer auch einen Praxisbe­zug hat. Und wenn dieser Praxisbezug, auf den ich gekommen bin, funk­tio­nie­ren soll­te, was nach meinen Er­fahrungen als Berufsschulreligions­lehrer durch­aus größte Chan­cen hat, dann dürfte das auch ausstrahlen auf Nicht­christen und sogar Atheis­ten, denn gerade die jungen Men­schen „aus allen diesen Krei­sen“ haben doch auch die­selben Probleme und Fragen – und befinden sich allerdings auch in einer weltfremden Ideologie. Ja, ich se­he hier durchaus gerade die islamischen Mädchen, aber auch die Jungen: Da gibt es doch auch sehr intelli­gente unter ihnen, die etwa durchaus se­hen, was in der typischen islami­schen Ehe auf sie zukommt und dass das gar nicht so er­stre­benswert ist. Doch un­ser traditionelles christliches Moralmodell, um es ein­mal so zu nennen, ist für sie auch kei­ne Option. Jedenfalls könnte ein anderes Mo­ralmo­dell, und ich meine das, das (endlich einmal!) im Sinn des ech­ten Jesus ist, durch­aus den gan­zen Islam für sie in Frage stellen dürfte. Ja, für mich ist keine Religion „un­kaputt­bar“ bis in alle Ewig­keit, es muss nur der richtige „An­stoß“ und das geeig­nete Konzept fürs Leben kom­men. Und ein solcher An­stoß wird nie von alten Leu­ten kommen, insbesondere nicht von alten Män­nern, die ja unsere Religio­nen bestimmen, der kann nur von jun­gen Men­schen kommen. Unab­hängige Me­dien hätten hier ihre Aufga­be! Und nicht zu­letzt ent­sprach das, was zur Zeit Jesu in der jüdischen Gesell­schaft lief und wo­gegen sich Jesus enga­gierte, in vielem ge­nau dem, was heu­te im Islam läuft.


154. "eine brutale Bande":  Ein Personen­kreis, der keine Hem­mungen hat, sei­nen Gegenspieler ans Kreuz zu bringen, dem ist auch zuzutrauen, dass er sich et­was durch­triebenes Geist­reiches ein­fallen lässt, um die Er­innerung an ihn und an sein Engagement gründ­lichst aus­zu­lö­schen (siehe auch "damnatio memoriae", Hinweis 129), und sich das auch et­was kosten lässt, um es in die Praxis umzusetzen. Und zur Akzeptanz des Konzepts s. Hinweis 135.


155.„Spaß an der Mo­ral und am Triebverzicht“: Das Problem des Konzepts dürfte sein, dass es auf eine sehr rigide Se­xualmoral hinaus läuft, doch immerhin eine ohne Ängste und die auch noch so attraktiv und lebensklug ist und Lebensfreude bereitet, dass sie auch gera­de von jungen Menschen gern gelebt wer­den kann. Erfahrungsgemäß kommt es für junge Menschen doch nicht darauf an, ob etwas nicht rigide und also leicht zu leben ist, sondern dass es attraktiv und intelligent und vor allem span­nend ist. Ich wäre jedenfalls mit dem Konzept gerne wieder Lehrer!

Ich verweise hier noch mal auf das Zitat aus der Biografie einer Prostituierten auf Seite 30. Die Frau stimmte mir zu, dass wir doch in unse­rer Moralerziehung in die falsche Rich­tung einer Scheinmoral ge­schickt werden – und dass eine Erziehung zu einer echten Moral doch leicht anders gestaltet werden könnte. Für heutige Erwachsene mag das alles, was ich bringe, nun keinen Vorteil bedeuten, doch wir engagie­ren uns ja auch sonst für Verände­rungen, die für die heute leben­de Ge­nera­tion eher keinen Vorteil bedeuten, wenn ich et­wa an man­ches zum Schutz der Umwelt denke. Hier denken wir doch auch an künf­tige Gene­ratio­nen. Wir sind also doch gar nicht so kleinkariert egoistisch, dass wir bei dem, für das wir uns einsetzen, immer nur danach gehen, ob wir auch selbst einen ganz großen unmittelbaren Vorteil dabei habe!


156. "Es gibt heute keine Totenerweckungen", bzw. zum "Jenseitsglauben": Hierzu habe ich von einer guten Bekannten erheblichen Protest bekommen. Ich gebe einmal die Mail wieder – und meine Antwort:
„Es tut mir leid, dass ich ein paar Dinge klarstellen muss.
Du sagst: es gibt heute keine Totenerwe­ckungen, also gab es die vor 2000 Jah­ren auch nicht, es gibt heute keine Him­melfahrten ….
Ich möchte nicht behaupten, dass es physische Totenerweckungen oder Himmelfahrten gibt oder jemals gegeben hat. Meine Erfahrung mit meinem Mann ist aber, das solche Dinge sehr wohl auf spiritueller Ebene geschehen können.
Als mein Mann seinen Körper verließ, hörte er nicht auf zu leben. Ich konnte seine Liebe und Dankbarkeit so stark spüren. Ich kann es immer noch fühlen. Er leuchtet. Es gibt keinen Tod, hat mein Mann immer gesagt und er hat es mir bewiesen.
Ich habe das gleiche Problem mit der Aussage: Dazu zunächst der Justizmord der Kreuzigung und dann dieses genial-raf­finier­te gigantische Ablenkungsmanöver mit der Er­findung eines „Neuen Testa­ments“ mit den wundersamen Geschichten und der Vertröstung auf ein Leben nach dem Tod!
Es ist wahr, dass die Kirche oft eine Belohnung in einem Leben nach dem Tod versprochen hat, anstatt zu versuchen, die Probleme der Menschen in ihrem Leben auf der Erde zu lösen. (Es gibt Berichte von Pater Damien, Abbé Pierre und Schwester Theresa)
Aber es gibt ein Leben nach dem physischen Tod, denn in der Tat haben wir eine Seele, die in einem physischen Körper lebt, wie ein Fahrer in einem Auto, und das ist nicht nur eine persönliche Erfahrung, sondern auch die meiner Schwester und meines Großvaters. Dr. Raymond Moody und der Wissenschaftler, Skeptiker und Neurochirurg Dr. Eben Alexander haben dies erklärt und gelebt. Sogar meine Nachbarin hat als Kind eine Erfahrung gemacht wie sie, in einer sehr schweren Krankheit, ihren Körper verlassen hat. Viele Menschen, die jemanden wirklich geliebt haben, haben die gleiche Erfahrung gemacht wie ich mit Martin. Ich finde, dass du das spirituelle Leben nicht verleugnen musst, um deine Geschichte zu erklären.“

Hierzu möchte ich sagen: Bei den Berichten im Neuen Testament, etwa von Auferstehung und Himmelfahrt, drehte es sich gewiss nicht um solche zutiefst menschlichen Erfahrungen, sondern sie waren von vornherein als Ablenkungsmanöver vom wirklichen Anliegen Jesu gedacht. Der Sinn des Anliegen Jesu war ja, dass Menschen die Fülle des jetzigen Lebens erleben. Und damit das nicht vernünftig geschieht, sollten sie von wem auch immer von Jugend an verwirrt und mit einem Glauben an ein Leben nach dem Tod davon abgelenkt werden, wie sie das jetzige Leben und dabei vor allem den Umgang mit der Sexualität bewusst gestalten können. Sie sollten also regelrecht weiter wie immer manipuliert werden, wie es zu seiner Zeit üblich war, weil es auch den Gegnern Jesu nur so passte.
Ich würde das Problem „Jetziges Leben und Leben nach dem Tod“ so sehen, wie wenn man jungen Menschen Tipps für die Besteigung eines hohen Berges gibt: „Sorgt Euch, wie Ihr erfolgreich den Weg bewältigt! Sucht Euch dabei die richtigen Gefährten, mit denen Ihr den Weg gemeinsam schafft! Vergeudet bei Nacht nicht die Energie Eurer Taschenlampen nicht, um den Gipfel zu suchen und anzustrahlen, sondern den Weg, denn der Weg das Ziel! Vielleicht ist die Besteigung der Eiger-Nordwand ein passendes Bild: Dabei kommt es ja auch nicht so sehr auf den Gipfel an (denn den kann man von einer anderen Seite des Berges bequemer erreichen), sondern auf den Weg. Und wenn Ihr oben angelangt seid, ergibt sich alles Weitere von alleine! Darum solltet Ihr Euch während des Weges lieber nicht kümmern, denn solches Darum-Kümmern würde von der Bewältigung des Weges, der ja nicht nur eine Anstrengung, sondern auch ein schönes Abenteuer ist, so sehr ablenken, dass der Weg nicht mehr die Hauptsache ist und Ihr Fehler begeht!

Aber es muss nicht gleich um eine großartige Kraxelei auf einen berühmten Gipfel gehen, eine schöne Wanderung irgendwo tut´s auch! In einem Artikel über das Wandern "Hauptsache draußen!" in der Zeitung DIE WELT vom 24.4.2021 fand ich den schönen Absatz: "Letztlich ist das Ziel zweitrangig, es geht der Mehrheit um den Genuss. Auch Christian Hlade, Autor des neuen Ratgebers `Wandern kompakt´, Inhaber des Reiseveranstalters Weltweitwandern, sagt: `Wandern wirkt wie ein Heilmittel. Man erhält neue Perspektiven, atmet frische Luft ein, lüftet so sein Gehirn aus, kann abschalten und gewinnt Abstand zu Problemen. Auch sehr viele junge Menschen entdecken nun das Wandern für sich - das ist super!´"
Und die Aufgaben von Pädagogen in der Nachfolge Jesu sind die einer Bergsteigerschule oder eben auch eines Wanderberaters, dass junge Menschen lernen, den Weg erfolgreich zu gehen. Dieses "Erfolgreich-Gehen" ist dann auch der Gipfel - und Menschen, denen das gelingt, die werden merken, dass sie eigentlich keinen weiteren Gipfel oder kein weiteres besonderes Ziel mehr brauchen.


157. "der macht schließlich alles": Zunächst verweise ich hier auf den Hinweis 21 (Ganzkörpermassage), ob solches Verhalten junger Menschen miteinander von der Anspannung her überhaupt möglich ist.
Und zum Hintergrund, warum diese Möglichkeit nicht jungen Menschen erzählt wird, zitiere ich ein paar Sätze aus dem Buch "Das Kreuz mit der Kirche" von Karlheinz Deschner, Heyne Sachbuch 1973/1996, Seite 209: "Die Heuchelei gehört zu den typischen Charakterzügen des Christentums. Sie bestimmt, neben seinen Gewaltverbrechen, seinen Kriegen und seiner Ausbeutung, wie nichts sonst seine Physiognomie, den Inbegriff seines Wesens. Da nämlich die neutestamentlichen Gebote teils zu rigoros, teils zu pervers sind, um befolgt werden zu können, bleibt nur noch die Theologie des Als-ob, die frömmlerische Verschlagenheit, die Doppelmoral. "Viele", gesteht schon Origines, der größte christliche Theologe in vorkonstantinischer Zeit, "lehren Keuschheit, sie haben sie aber nicht beobachtet. Sie lehren anders öffentlich und handeln anders im Geheimen und im Verborgenen; alles tun sie aus Rücksicht auf die Menschen und wegen eitlen Ruhmes."
Ich denke, bei der Heuchelei geht es nicht nur um "eitlen Ruhm", es geht vor allem darum "weiterzumachen, womit man einmal angefangen hat, weil man sonst nichts anderes hat". Und dass auch heute vieles hier nicht stimmt, kann man daran erkennen, dass die Prediger der Keuschheit entweder Empfehlungen für Wege geben, die nachweislich nicht funktionieren (s. die Absolutsetzung der Scham als Grundbedingung der Sexualmoral) oder die von vornherein überhaupt keine Empfehlungen geben und also alles laufen lassen. Natürlich: Es kann auch sein, dass diese Zurückhaltung bzw. Fehlinformiererei ihnen in ihrer Ausbildung beigebracht wurde und dass sie daher nichts oder eben Falsches unternehmen.
Die These des Konzept "Jesusideologie" ist, dass in jedem Fall der tiefste Grund für diese Heuchelei bzw. Untätigkeit, was die lebenslange Enthaltsamkeit betrifft, die Paulusideologie ist, weil sie einfach gegen die Natur ist – mit der Jesusideologie wäre das alles ganz anders! Also auf zur Jesusideologie!


158. "Die Evangelien sind keine Biografie Jesu.": Ich denke, es ist am einfachsten, wenn ich hier einmal aus dem Buch "Der Jesus-Mythos" des Autors Peter de Rosa (S. 29) zitiere, damit meine Leser auch mal eine andere Stimme erfahren:

"Die meisten Christen in den Kirchenbänken halten die Evangelien für bewegende, den Tatsachen entsprechende Geschichten von Jesus. Sie haben keine Ahnung, dass sie die wahrscheinlich komplexesten, widersprüchlichsten literarischen Konstruktionen aller Zeiten sind. Deshalb haben sie auch keine Ahnung, wie sie sie lesen sollen. Sie beharren leidenschaftlich darauf, die Evangelien seien das eine, was sie nicht sein können: unterschiedliche und komplementäre Biographien Jesu.
Die meisten Bibelwissenschaftler sagen seit Generationen – meistens zueinander allerdings, in Wälzern von labyrinthhafter Komplexität –, dass die Evangelien keine Jesusbiographien sind und kein Material für seine Lebensgeschichte liefern. Es gibt keine Jesusbiographie, und der Natur der Sache nach kann es nie eine geben. Die Suche nach einer detaillierten Lebensgeschichte Jesu ist von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Wir müssen bestimmte liebgewordene Vorstellungen aufgeben. Erstens, dass das vierte Evangelium von Johannes, einem der zwölf Apostel, stamme. Er wurde höchstwahrscheinlich vierzig Jahre bevor es geschrieben wurde, zusammen mit seinem Bruder Jakob, getötet. Zweitens, dass das vierte Evangelium verlässliche Geschichte sei. Es ist vielmehr eine lange theologische Meditation. Jesus hat jene herrliche Rede beim Letzten Abendmahl nicht gehalten. Er sprach nicht in der Nacht mit Nikodemus und auch nicht mit der Samariterin in der Mittagshitze am Brunnen. Auch vertraute er seine Mutter nicht am Kreuz dem Lieblingsjünger an. Er verwandelte nicht einmal in Kana auf wunderbare Weise Wasser in Wein. Vielleicht tut Christus diese Dinge jetzt; Jesus hat sie nicht getan. Sie gehören in die Entwicklung des Mythos, dass Jesus der Christus, der Sohn Gottes, war. Wenn wir sie als Geschichte der Ereignisse aufgeben, können wir sie noch immer als Mythologie dessen annehmen, was unaufhörlich mit uns geschieht.

Im Neuen Testament steht keine einzige Zeile über Jesus. Jede Zeile ist über den Jesus, der Herr und Christus wurde. Kurz, die Evangelien sind verschiedene Glaubensbilder Jesu, von dem geglaubt wird, dass er der Herr und Messias ist. Zum Christus wurde er erst bei seinem Tod und seiner Auferstehung. Dort enden die christlichen Evangelien nicht – dort beginnen sie.

Deshalb stören sich die Evangelisten nicht an gegenseitigen Widersprüchen und gelegentlichen Selbstwidersprüchen. Bei Tatsachen sind Widersprüche unannehmbar; bei Mythen, Legenden und Bildern können sie interessant sein und zu Gedanken anregen. Die Evangelien sind nicht geschichtlich im modernen Sinn, sondern mythische Erzählungen. Die Evangelisten lassen die Geschichte fast gänzlich außer acht. Oft erfinden sie »Geschichte« wie im Fall von Jesu Geburt und Auferstehung. Manchmal verzerren sie die Geschichte absichtlich aus theologischen Gründen, wie wenn sie von ihren eigenen, bitteren Auseinandersetzungen mit Juden schreiben, als wären es Kontroversen Jesu zu seinen Lebzeiten.
Die schlimmsten Verzerrungen – nicht nur im quantitativen Sinn – weist das vierte Evangelium auf. Um seine Leser zu überzeugen, dass die Juden und nicht die Römer für die Kreuzigung verantwortlich waren, erfindet »Johannes« die Tatsache, dass die Juden nicht befugt waren, Jesus oder sonst jemanden hinzurichten, der gegen das jüdische Gesetz verstieß (18,31). Warum machten sie dann Stephan den Prozess und richteten ihn mit der Steinigung hin? Warum wollten dann einige Mitglieder des Hohen Rates Paulus töten (Apg 5,31) - ein Schicksal, dem der Apostel nur durch Berufung auf seine Rechte als römischer Bürger entging? Wir müssen anerkennen, dass »Johannes« nicht nur ein religiöses Genie war, sondern auch ein großer Feind der Geschichte, und – wann immer es seinen apologetischen Zwecken diente – ein Lügner. Dies ist um so empörender, als er die Juden anklagte, Söhne des Satans» zu sein, des Lügners von Anbeginn.
Jesus wurde mit Sicherheit gekreuzigt. Dieser Skandal ist von Christen gezähmt worden, die sich ebenso natürlich bekreuzigen, wie sie sich kratzen. Jesus ist der Junge, der es zu etwas gebracht hat, dessen gekreuzigtes Abbild sich an unserer Wand, über unserem Bett schön macht, der so respektabel war, dass er aus einer alten Bostoner Familie stammen, ein »von« vor seinem Namen haben oder Gründungsmitglied eines Londoner Gentlemen's Club sein könnte, der erste, der sich meldet, wenn christliche Institutionen Abweichlern Konformität beibringen möchten. Kurz, Jesus, die tragende Säule des Establishments.
Tatsächlich war Jesu Respektierlichkeit völlig posthum. Er war ein Unangepasster, ein Außenseiter, ein Mischling unter Mischlingen, ein Paria unter Parias. Er verkehrte mit Kollaborateuren und Huren. Er war eine anti-institutionelle Figur, ein Aussteiger, den wir möglichst weit von leicht zu beeindruckenden jungen Leuten fernhalten würden, in keiner Weise ein Gentleman. Er mochte es nicht einmal, wenn jemand ihn »gut« nannte – solche Worte waren für Gott reserviert. Ebenso schlecht hätte er reagiert, wenn man von ihm verlangt hätte, erkennbar »religiöse« Tracht zu tragen oder sich als »Hochwürden«, »Exzellenz« oder »Heiliger Vater« ansprechen zu lassen. Wenn er heute zurückkäme und auf uns stieße, die wir uns seine Jünger nennen, so kann man sich kaum vorstellen, wem es peinlicher wäre, ihm oder uns."

Anmerkung von MP: Ich sehe das mit dem vierten Evangelium (also dem Johannesevangelium) etwas anders als PdR: Es ist gewiss das am wenigsten historische Evangelium, doch muss der Verfasser auf Überlieferungen gestoßen sein, die vor allem etwas vom Anliegen Jesu aussagten, das die Evangelisten vor ihm übersehen haben oder einfach nicht sehen wollten. Siehe Hinweis 149.


159. "es ist ein viel intensiveres und erfüllteres Leben möglich" oder "da werden auf einmal Dinge möglich" oder "Vision einer Harmonie der Menschen ohne Ängste":  Im Allgemeinen wird das Johannesevangelium mehr in der Richtung gesehen, das beginnende Christentum im griechischen Denken zu verwurzeln – und daher wird es gerade auch von kritischen Theologen sehr skeptisch gesehen, weil es nichts mehr mit der jüdischen Welt, in der Jesus ja lebte und wirkte, zu tun hat.

Doch kann es nicht auch sein, dass der Verfasser des Johannesevangeliums (er hat nichts mit dem Lieblingsjünger "Johannes" zu tun und der Täufer "Johannes" war ja eh schon lange tot) doch noch auf Überlieferungen gestoßen war, die in ihm eine zutreffende Ahnung vom Anliegen des wirklichen Jesus aufkommen ließen und mit denen er dann sozusagen einen Bogen über die synoptischen Evangelien hinweg in seine griechische Welt schlagen wollte? Im Johannesevangelium und in den Johannesbriefen (die nach allgemeiner theologischer Auffassung von demselben Verfasser sind) sind die Geschichten von einer Jungfrauengeburt und von einer Himmelfahrt gar nicht enthalten, möglicherweise weil diese schon der damalige Verfasser als Plagiat aus anderen Mythologien erkannt hatte und daher als völlig unzutreffend auf Jesus empfand und also weggelassen hat, und beim Abendmahl geht es nur ums Brotbrechen, von irgendwelchen Einsetzungsworten, dass es sich hier also um Fleisch und Blut Jesu handelt, keine Spur. Allerdings gibt es schon lange vor dem Abschiedsmahl und also auch vor der Kreuzigung eine Verwandlung von Wasser in Wein bei der Hochzeit von Kanaa und eine wunderbare Brotvermehrung – mit einer Philosophie über ein himmlisches Brot, das uns zu unserem Heil geschenkt wird. Aber es ist eben nicht vom Fleisch und Blut die Rede. Und dann ist von den „größeren Dingen“ (die berühmten "meizona erga"), die wir erreichen werden, wenn wir im rechten Glauben leben <Joh. 14,12>, und sehr eindringlich ist dabei vom „Gebote halten“ die Rede. Vermutlich ist mit den "größeren Dingen" ein "intensiveres und erfüllteres Leben" gemeint . Vielleicht geht es um das Feuer, von dem Jesus in Lukas 12,49 redet ("ich bin gekommen, Feuer zu bringen, und was will ich anderes, als dass es brenne") – es könnte ein ganz anderes Feuer sein als das, was Prometheus gebracht hatte! Nicht zuletzt ist Prometheus eine mythologische Gestalt und das Feuer wäre auch ohne ihn gekommen – doch zu dem Feuer der echten Liebe braucht es schon einen "Überbringer" und entsprechende Gebote  ...  Und die sind gar nicht einmal schwer, man muss sie nur wissen <Johannesbriefe 5,3>. Ja, dass wir die Gebote halten, ist im Johannesevangelium sozusagen das Indiz dafür, dass wir Gott erkannt haben. Ich sehe hier und auch sonst jedenfalls deutliche Parallelen zu dem Glaubenskonzept, auf das ich gekommen bin und für das ich mich engagiere. Hier geht es ja auch um Größeres oder - mit anderen Worten – um intensiveres Leben.

In gewisser Weise kann auch "Auferstehung" als Erwachen zu einem humanen Leben gesehen werden – sobald die "Sünde" überwunden wird. Nur eben, so wie die Auferstehung Jesu im Johannesevangelium dargestellt wird, hat sie mit einer "Überwindung der Sünde" nichts zu tun, sondern es wird hier ausdrücklich eine "Auferstehung von den Toten" geschildert.

Und nicht zuletzt ist auch die Sünderingeschichte (siehe Hinweis 88) nur im Johnnesevangelium enthalten, wenn auch in einem anderen Sinn als in dem von mir vermuteten, aber immerhin, sie ist enthalten. Auch das ist für mich ein Hinweis, dass der Autor irgendwoher noch Informationen über den echten Jesus hatte, die die Synoptiker möglicherweise bewusst unterdrückt hatten. Vielleicht hatte es bei dem Verfasser des Johannesevangeliums auch so einen Wissensdrang nach dem "Ursprünglichen" gegeben so wie bei den Gebrüdern Grimm viele Jahrhunderte später, die sich ja auch bei Menschen herum gehört hatten, die noch alte Geschichten kannten? Und so hatte sich dieser Verfasser eben auch bei "altgläubigen" Jesusanhängern herum gehört - und dann auch etwas über den echten Jesus erfahren?


160. "viele neue Möglichkeiten der Selbstverwirklichung ohne faden Beigeschmack" und "eine ganz große Rolle spielt dabei eine hohe Sexualmoral": Ich weise hier auf die Seite mit den Radlerinnen hin, doch da gibt es natürlich noch viel mehr! Ich erinnere mich an ein Kurzvideo (also ein Clip), das ich vor vielen Jahren einmal erhielt. Da kam also ein hübsches Mädchen oder besser eine junge Frau, ich schätze das Alter lag bei Anfang bis Mitte 20, mit "nichts" als mit einer Geige und mit einem Geigenbogen auf die Bühne und klemmte sich den Geigenbogen in den Schritt und spielte mit der Geige darauf das bekannte angelsächsische Weihnachtslied "Jingle Bells" – also mal nicht wie normal mit dem Geigenbogen auf der Geige, sondern umgekehrt mit der Geige auf dem Geigenbogen! Beabsichtigt oder unbeabsichtigt bewegte sich das Mädchen dabei auch ihren Körper vor und zurück, was aber überhaupt nicht anstößig wirkte, irgendwie passte das zu der Mühe des Mädchens, das Lied "vernünftig" zu spielen. Irgendwie sah das sogar wie eine Persiflage auf typische Pornofilme aus – irgendwie gelungen. Es war nicht zu erkennen, was das für eine Veranstaltung war (wohl in den U.S.A.?), nach meiner Erinnerung bestand das Publikum aus jungen Männern in Anzug und Krawatte. Jedenfalls strahlte das Mädchen ein unschuldiges Vergnügen an der Vorführung aus.  -   Ich kenne nun die Einstllung des Mädchens leider nicht, eigentlich hätte ich die gerne gewusst, doch für mich wäre solche Offenheit und Natürlichkeit das Ziel einer Jesusideologie!


161. "die mit dem Engagement des wirklichen Jesus nichts zu tun hat": Üblicherweise wird gesagt, dass diese Andichterei vor allem von dem "Hinzukömmling" Paulus (aber auch von anderen) aus lauter Frömmigkeit gemacht wurde. Doch da gibt´s ein ganz großes Problem: Einem geliebten und verehrten verstorbenen Menschen dichtet man doch nicht mit gutem Gewissen irgendeinen offensichtlichen Unfug aus Frömmigkeit an. Und mit einem guten Gewissen dürfen wir doch wohl bei Menschen, die einen Verstorbenen lieben, rechnen. Wer also und warum macht jemand also so etwas? Wie kann man herausbekommen, was wirklich war?

Ich erinnere mich hier an den Bericht aus einem Dumont-Reiseführer über Kreta, wie die  Archäologen G. und E. Sakellaraktis 1979 die Ausgrabungen um das Heiligtum Anemospilia am Berge Jouchtas deuteten. Der kleine aus drei Kammern bestehende Tempel war offensichtlich bei einem besonders heftigen Erdbeben zerstört worden. In der einen Kammer war ein Altar und auf dem lag noch das Skelett eines offensichtlich mit einem Prunkschwert getöteten jungen Mannes, das Prunkschwert lag noch neben ihm. Und in einem anderen Raum lagen die Skelette von offensichtlich vom herabfallenden Tempelgebälk erschlagenen älteren Männern. Und daneben oder dazwischen lagen die Scherben einer Opferschale. Die Archäologen deuteten die Fundsachen so: "Die Erde bebt, das Beben wird immer schlimmer. Was tun? Die Priester kommen zu der Vermutung, dass die Götter zornig sind und nur durch ein Menschenopfer besänftigt werden können, eine Maßnahme, die lange nicht mehr praktiziert wurde. Doch jetzt geht es offensichtlich nicht anders. Und alles muss sehr schnell geschehen: Ein junger Priester wird auf den Altar gelegt (oder er legt sich sogar selbst drauf?) und mit dem prunkvollen Opferschwert umgebracht. Das aus dem Toten quellende Blut wird in einer Opferschale aufgefangen und in den Nachbarraum gebracht, um es dem Götterbild darzubringen. Doch dabei stürzt der Tempel ein, die Priester werden erschlagen, die Schale fällt zu Boden und zerschellt." Das war also damals. Das Götterbild ist inzwischen vermodert und nicht mehr vorhanden, so auch das Tempelgebälk, denn das alles war aus nicht haltbarem Material – doch anderes ist erhalten und daraus also kann diese Geschichte gut rekonstruiert werden. Und sie ist heute in der archäologischen Forschung auch so anerkannt.

Man kann also etwas durchaus rekonstruieren – und vermutlich auch sehr korrekt. Und so dürfte das auch bei Jesus funktionieren, hier allerdings aus den schriftlichen Überlieferungen. Nur man muss die "Fundsachen" entsprechend kritisch deuten: Also warum liegt etwas an dieser Stelle und nicht an einer anderen? Warum ist einiges erhalten und anderes offensichtlich nicht? Warum passiert etwas so und so und nicht anders, obwohl das andere doch eigentlich das eher Normale wäre? Warum wird die Erzählung von der Sünderin (Jo 8) immer nur im Hinblick auf die Sünderin gedeutet und nicht im Hinblick auf die Möchtegernsteiniger? Und vor allem sollten wir endlich einmal aus diesen "Geschichten" in der Bibel, die üblicherweise von heidnischen Göttern erzählt werden, nicht auf die Gutwilligkeit der Verfasser schließen – sondern auf eine Böswilligkeit. Es ging offensichtlich nicht darum, den wirklichen Jesus aufzuwerten, sondern das Anliegen der Verfasser war, ihn zu verfälschen und sein Anliegen zu entschärfen. Alles Weitere in dieser Arbeit.


162. Auftragswerk: In einem Buch, bei dem ich mich weder an den Autor noch an den Titel erinnern kann, ich war im Internet darauf gestoßen, vertrat der  Autor die These, dass das Neue Testament ein Auftragswerk aus dem Julianischen Kaiserhaus war, um entweder eine neue Universalreligion zu schaffen oder um diesen "allgemeingefährlichen Jesus" zu entschärfen. Auch den Zweck dieser Jesuskonstruktion weiß ich nicht mehr. Irgendwie schien mir die Thesen des Autors absurd. Doch brachte mich das Buch auf die Idee des "Auftragswerks", um einen unproblematischen Jesus zu konstruieren, der keinem weh tut und der allerdings mit dem wirklichen Jesus nichts oder fast nichts zu tun hat.


163. Zweizeugenverfahren: Zum „Zweizeugenverfahren“ ein kleines Erlebnis von meiner letzten Ostasien­tour, bei der ich auch auf Bali war. In einem Straßenrestaurant, in dem viele Leute waren (das ist für mich ein Indiz, dass das Restaurant gut ist), setzte ich mich an ei­nen der lan­gen Tische einem Gast gegenüber, der europä­isch aussah, in der Hoff­nung, dass ich mich mit ihm ein wenig zumindest auf Englisch unter­halten könn­te. Wie es sich herausstellte, war er ein ägyptischer Geschäfts­mann, der mit „handcraft“ (so sagte er) handelte und der mir auch of­fen­sicht­lich gerne von den miesen Bedingungen heute in Ägypten und von sei­nen Geschäf­ten und auch von seiner Einstellung zur islamischen Religion (s. Hinweis 153) er­zähl­te. So würde er die­se „handcraft“ in Indonesien con­tai­nerweise günstig einkau­fen und sie dann in Europa als „Made in Thailand“ ganz gut weiter ver­kaufen.

Als er irgendwann davon genug erzählt hatte, dachte ich, dass ich auch mal etwas erzählen sollte, und so kam ich auf meine Konzeption des wirklichen Je­sus und dabei also auch auf das „Zweizeugenverfahren“ (oder besser „Zwei­zeu­genmasche“) zu sprechen. Und da lachte er und meinte: „Genau wie heu­te im Islam, nur müssen es da vier Zeu­gen sein. Doch wann passiert das schon, dass eine Frau beim Sex mit ei­nem Mann, der nicht der ihre ist, mit vier Zeu­gen auf frischer Tat erwischt wird? Das passiert doch nie – und wenn das an­geblich mal pas­siert, dann steckt doch immer et­was anderes dahinter, etwa dass man die Frau loswerden möchte oder sonst was Kriminelles!“ “Ja“, so ich, „genauso hätte ich das meinen Schülern auch im­mer erzählt, doch ein wenig unsicher war ich schon, ob ich auch wirklich rich­tig lag. Doch jetzt sei mir klar, dass ich auf der richtigen Spur sei, was es da­mals mit Jesus auf sich hatte…“
Jesus kannte also offensichtlich zumindest manche dieser Zusammenhänge – und die konnte er nur von betroffenen Frauen, also von Prostituierten, selbst wissen.


164. "mit einzigartigen Beerdigungsriten": Die Verstorbenen werden dort nämlich nicht bald nach ihrem Tod "aus dem Bereich der Lebenden entfernt", sondern sie werden erst einmal irgendwie "aufbewahrt", bis das Geld für eine vernünftige Totenfeier beisammen ist und vielleicht auch der Schmerz der Trauer weitgehend vorbei ist. Und das kann ein Jahr oder sogar zwei Jahre dauern. Und dann werden auf dem Anwesen des Verstorbenen oder in der Nähe aus armdicken Bambusstangen, die dort überall wachsen, Aufenthaltsräume oder besser Pavillons für die Trauergäste gebaut – auch für die Touristen, die allein zu dem "Festort" finden oder von Fremdenführern hingebracht werden. Denn der Tote nimmt Abschied von seiner Familie, von der Nachbarschaft und von der Welt, die eben durch die Touristen repräsentiert wird. Und alle bringen etwas mit – vorzugsweise Büffel und Schweine, die dann in der Nähe des wunderschön verzierten Sarges auf dem "Festplatz" rituell durch Schächtung geschlachtet werden. Und je reicher und je einflussreicher der Tote war, desto schöner und wertvoller sind die Tiere, ein Führer hatte mich einmal zu einem Markt gebracht, wo besonders schöne weiße Büffel bis zu 70 000 US$ kosteten (also arm sind die Menschen dort wirklich nicht). Bei diesen "Beerdigungsfeiern" (ich nenne sie mal so) ist vieles sehr eingespielt: Es gibt einen "Organisator", der auch seinen besonderen erhöhten Platz hat, wo er den Überblick hat, und die nächsten Angehörigen haben einen anderen erhöhten Platz, sie mischen sich also nicht unter die Trauergäste, alle sind festlich gekleidet. Am Eingang des "Festplatzes" ist eine kleinere Bambusbude, in der ein Finanzbeamter sitzt, denn die Tiere müssen versteuert werden und bekommen auch eine Steuermarke (die nachher auch kontrolliert wird). Und dann kommen die Gäste in "Prozessionen" und werden am Eingang des Festplatzes von phantastisch gekleideten Mädchen mit tollen Frisuren in Empfang genommen und am Sarg vorbei zu ihrem "Bambuspavillon" geleitet. Natürlich gibt es auch einen Totentanz von einer Gruppe und Essen für die Gäste. Die toten Tiere werden sofort nach der Schlachtung ruckzuck auseinander genommen und in dunklen Plastiktüten verstaut, die am Ende der Zeremonie an die Trauergäste verteilt werden – wohl die Eiweißversorgung der Bevölkerung (die Fleischempfänger versorgen dann ihrerseits wieder die Bevölkerung, wenn sie mal mit einer Totenfeier dran sind).
Und schließlich wird der Sarg in eine Höhle gebracht oder in vorbereitete Löcher in einer Felswand, teilweise "hochoben", wo die Toten dann der Auferstehung entgegen sehen können. Diese Art der "Beerdigung" ist in der Gegend von Tanja Torada traditionell und wird heute von allen praktiziert, also von Reformierten, Katholiken, Moslems. Ich meine mich zu erinnern, allerdings nicht von christlichen Alternativkirchen (um das Wort "Sekten" nicht zu verwenden), die lehnen solche Riten als unbiblisch ab.

Es ist jedenfalls ein irres Schauspiel aus einer anderen Welt.


165. "Vision eines Mädchens" und "tiefere Spuren eingraben als der Stahl des Kriegsgottes": Es mag verrückt und unlogisch erscheinen, wenn ich hier vor allem bei den Mädchen anfange, denn normalerweise würde man doch bei den "alten Männern" anfangen, um in einer Gesellschaft etwas zu ändern, denn die "alten Männer" sind doch die, die etwas zu sagen haben und die also auch bestimmen, "wo es entlang geht".  Doch es gibt hierzu einen interessanten Versuch aus Japan. Da war also eine kleine Insel, auf der wilde Makaken lebten, eine Affenart. Und denen warf man schmutzige Kartoffeln hin, die sie auch gleich begierig fraßen – mit allem Dreck, der dran war. Doch irgendwann entdeckte einer der Makaken, es war ein junges Weibchen, dass man die Kartoffeln in einem vorbei fließenden Bach waschen konnte – und dann schmeckten sie offensichtlich viel besser. Und nach und nach übernahmen alle anderen Makaken dieses Verfahren, die Kartoffeln vor dem Essen erst einmal zu waschen. Nur die alten Männchen, die machten hier nicht mit, die fraßen immer noch die schmutzigen Kartoffeln. Eines Tages entdeckte einer der Affen, es war wieder ein junges Weibchen, dass man die Kartoffeln auch im nahen Meer, also im Salzwasser, waschen konnte, denn dann schmeckten sie offensichtlich noch besser. Und nach und nach übernahmen die anderen Makaken auch dieses Verfahren – nur nicht die alten Männchen, die fraßen immer noch "dreckig" ... Und was sagt uns das? Es gibt also Verhaltensweisen, die können noch so vernünftig und vorteilhaft sein, doch braucht man gar nicht erst versuchen, die "alten Männchen" für sie zu begeistern, die machen das sowieso nie - aus welchen Gründen auch immer. Wenn es um eine Verhaltensänderung geht, also bei den jungen Weibchen anfangen!


166. "nach der Masche `verdeckter Ermittler´ einschleusen": Dazu zunächst: Theologen rätseln immer, warum dieser Judas von Iskariot Jesus verraten hatte. War der Grund, dass Judas gehofft hatte, dass Jesus einen Aufstand gegen die Römer organisieren und beginnen würde, und er enttäuscht war, als er merkte, dass Jesus nur etwas von der Liebe daher redete und auch noch dafür war, seine Feinde zu lieben, oder war der Grund, dass Judas eine Rolle im Heilsplan des Sühneopfers Jesu spielen musste und eben als Verräter "dran" war? Ich kann hier nur sagen, dass diese Vermutungen vermutlich alle völliger Unfug sind. Denn aus dem Konzept der "Jesusideologie" hatte sich Judas genauso wie später Paulus als "verdeckter Ermittler" in die Jesusbewegung eingeschleust und musste dabei die Befehle der Auftraggeber ausführen. Und schließlich lautete der Befehl, Jesus an den Polizeitrupp, der Jesus gefangen nehmen sollte und von dem vermutlich niemand Jesus kannte, zu verraten bzw. ihm zu zeigen, wer dieser Jesus ist, der verhaftet werden sollte. Mit einem persönlichen Grund des Judas hatte dieser Verrat also höchstwahrscheinlich überhaupt nichts zu tun.

Und dieser Judas führte nun den Verrat durch. Doch als er erkannte, auf was dieser Verrat hinauslief und was er also angerichtet hatte, beging er aus Verzweiflung Selbstmord. Denn er hatte - obwohl er eigentlich nur mehr oder weniger neutraler Beobachter sein sollte – Jesus als guten und ehrlichen Freund schätzen und vielleicht sogar auch lieben gelernt. Dagegen hatte Paulus nie eine echte Beziehung zu Jesus, er kannte ihn ja auch gar nicht persönlich, und so "zog der das Ding durch", wie die Auftraggeber es wollten. Und offensichtlich gefiel ihm recht bald auch seine Rolle als "Verbesserer der Ideen Jesu" und er steigerte sie bis hin zu der Rolle eines Völkerapostels, die seinem in gewisser Weise sogar krankhaftem Geltungsbedürfnis sehr entgegen kam.

167. Offenbarungen (Gottes): Offenbarungen Gottes sind ein zweischneidiges Schwert. Denn da erfindet jemand eine Geschichte über einen Gott, der bekannt ist, oder es wird überhaupt ein neuer Gott erfunden, und diesem Gott wird dann etwas in den Mund gelegt, was der Erfinder selbst für gut und richtig hält oder was er auch nur für seine Mitmenschen für gut und richtig hält. Es kann sich dabei um einen Kult handeln, der niemandem weh tut, oder auch um Gebote, deren Befolgen gut für eine Gemeinschaft ist. Doch muss der Inhalt der Offenbarungen nicht unbedingt etwas Gutes und Humanes sein. Es kann auch etwas sein, womit irgendwelche Bräuche, die vielleicht sogar längst als sinnlos und überflüssig und überholt empfunden wurden, von "ganz oben" bestätigt und festgeschrieben werden, statt dass sie endgültig auf den Müll der Religionsgeschichte geworfen werden. Ein Beispiel für eine sinnvolle "Offenbarung" ist etwa die "Anweisung Gottes" an Abraham, keine Menschenopfer mehr zu praktizieren <vermutlich funktioniert eine solche Abschaffung von Menschenopfern in abergläubischen Gesellschaften nur über das Verbot eines Gottes>, eine zumindest für uns heute unsinnige Offenbarung ist die Anweisung Gottes an Abraham, die männlichen Babys zu beschneiden.
Auf alle Fälle sollten wir immer sehr skeptisch sein, wenn sich jemand auf Offenbarungen Gottes beruft, derjenige muss nicht unbedingt ein guter Mensch sein, der etwas positives Humanes will, er kann auch ein Lügner und Betrüger sein, der seine Mitmenschen uninformiert und unemanzipiert lassen und vor seinen eigenen Karren spannen will. Das gilt für uns heute und auch für das, was früher geschehen ist.

168. Firmung bzw. Konfirmation, Bar Mizwa und Bat Mizwa: Siehe unter Firmung!

169. die ursprüngliche jüdische Religion ist die zeitlose aufgeklärte Religion schlechthin: Es geht in der ursprünglichen jüdischen Religion also vermutlich gar nicht um einen Gottesglauben und somit auch nicht um einen Gotteskult, sondern nur um die Erfüllung des Menschseins – und diese Erfüllung hat nun einmal etwas mit der Harmonie von männlicher und von weiblicher Welt zu tun, um es einmal so auszudrücken. Der Gottesglaube wurde nur eingeführt, um eine höchste Autorität zu haben gegen die anderen Religionen mit ihren menschenverachtenden "Kulten" wie Menschenopfer (dazu gehören auch Kriege, denn das Umbringen von Gegnern ist ja so etwas wie ein Menschenopfer), kultische (und andere) Prostitution (dazu gehört auch jede Abkehr von der Monogamie) und Ausbeutung durch Arbeit. Und wenn diese "Kulte" überwunden sind, ist im Prinzip auch der Gottesglaube mit der Gottesverehrung überflüssig. Oder auch nicht? Ich denke "nein", doch das ist jetzt eine persönliche Einstellung, dass wir Menschen schon irgendwelche Gemeinschaftserlebnisse brauchen – und dazu eignen sich nun einmal gerade religiöse Feste und religiöse Gebäude vorzüglich. Und es gibt ja Anlässe, die wirklich begehenswert sind, etwa die Befreiung aus der Sklaverei und aus der Dummheit, der Geburtstag des Befreiers und als stiller Gedenktag sein Todestag und natürlich auch den Tag der echten (Sexual-)Moral – vorzugsweise im Sommer, wenn man ihn also auch entsprechend "freizügig" begehen kann (!). Wir sollten also "so etwas" durchaus am Leben erhalten. Nur sollten wir uns dabei eben immer bewusst sein, dass das Wichtigste immer die Erfüllung des Menschseins ist.

170. Jesus: Es ist in dem Konzept "Jesusideologie" ganz bewusst immer nur von "Jesus" die Rede und nicht von "Christus" oder von "Jesus Christus". Denn "Christus" ist ein Ehrentitel ("Der Gesalbte"), den Paulus diesem Jesus gegeben hatte oder besser, er ist der Name dessen, den Paulus aus Jesus gemacht hatte - "Christus" ist also nicht der wirkliche Jesus. Der Name "Christus" gehört zur Paulusideologie und wird daher hier nicht verwendet.

171. eine geniale und raffinierte Plagiatereligion: Mit "Plagiatereligion" versuche ich das Fachwort "Synkretismus" für den heutigen Leser zu umschreiben. Interessanterweise werden die Parallelen zu den antiken "heidnischen" Religionen und auch zum Buddhismus von den etablierten Theologen im Allgemeinen totgeschwiegen. Dabei sind sie doch offensichtlich und sie sind auch durchaus bekannt. Und schon gar nicht gibt es eine Zusammenschau, wieso es also so viele Parallelen zu heidnischen Religionen gibt und was man daraus schließen kann. Vor allem wäre aus einer Zusammenschau auch vieles viel einfacher zu erklären, ich denke etwa an das Problem der Auferstehung Jesu. Da mühen sich viele Theologen und andere ab, die irgendwie sinnvoll zu erklären, also ob sie wirklich stattgefunden hat oder ob die Jünger eine Halluzination hatten oder ob Jesus gar nur scheintot war und nach der Kreuzigung wieder putzmunter herum lief und auch noch mehrfach den Jüngern erschienen ist. Ich halte jedenfalls diese Spekulationen alle für überflüssig, wenn man akzeptieren würde, dass die Auferstehungsgeschichte ein Plagiat aus heidnischen Religionen ist und bei Jesus also "nichts dran" ist.

Und warum braucht in dem Konzept "Jesusideologie" die "Totschweigerei" nicht mehr nötig zu sein? Ganz einfach: Weil es hier eine plausible Alternative gibt!

Statt von Plagiat zu reden, wenn es Religionen betrifft, wird bisher eher abfällig von "Synkretismus" (oder auch "Glaubensmischmasch") geredet, also wenn eine Religion mehrere oder sogar viele Teile aus anderen Religionen übernommen hat - und sie daher nicht ernst zu nehmen ist. Diese Abfälligkeit mag der Grund sein, warum das Phänomen  "Plagiat aus anderen Religionen" im christlichen Glauben totgeschwiegen oder zumindest ungern zugegeben wird.

172. Freiheit. Ich zitiere hier aus einem Beitrag des britisch-indischen Schriftstellers Salman Rushdie ("Satanische Verse") in der WELT vom 26. Juni 2021: "Und doch ist Freiheit ein mächtiges Wort. Gibt es in unserem Erbgut so etwas wie ein Bedürfnis nach Freiheit, ein Verlangen danach, Fesseln und Zwänge abzustreifen? Sind wir von Natur aus zur Suche nach Freiheit veranlagt? ... Dafür gibt es überwältigende Anhaltspunkte. Wo immer die Freiheit unterdrückt wird, wollen Menschen sie zurück...."
Salman Rushdie sieht hier die Freiheit eher im politischen Sinn, ich sehe sie im persönlichen Sinn. Gut, man möchte sich binden an einen anderen Menschen und man möchte auch, dass der andere sich an einen bindet, in gewisser Weise bedeutet Bindung ja auch Unfreiheit. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg, zumindest sollte diese Bindung oder Unfreiheit, die man hoffentlich gerne eingeht, in völliger Freiheit geschehen, damit die Beteiligten glücklich werden. Doch was ist "völlige Freiheit"? Und sind die Bindungen, die nicht in völliger Freiheit geschehen, denn dazu verdammt, nicht glücklich zu sein?
 
Ich denke, wir können hier nicht von vornherein alles verurteilein und verdammen, was nicht nach Freiheit aussieht, wir können allerdings versuchen, nach und nach Fesseln, die uns beherrschen, zu hinterfagen und zu überwinden. Wie wäre es also, mal mit den "Fesseln der Kleidung" anzufangen - natürlich immer nur, wo dies möglich und sinnvoll ist? Denn mein Eindruck ist - ich weiß, ich wiederhole mich - dass gerade die Mädchen die Zwänge, die die Kleidung mit sich bringen, irgendwann nicht mehr aushalten. Doch da die Befreiung von der Kleidung als unmoralisch gilt, zumal diese Befreiung ja auch nie sein muss, fangen sie dann gleich immer alles an, und oft sehr überstürzt - denn das muss ja eines Tages sowieso sein, weil das zum Kinderkriegen gehört usw. Ob denn die "Befreiung" nicht ohne diese "Fesseln der Kleidung" viel besonnener und vernünftiger und weniger überstürzt geschehen könnte? Ich denke: ja! Gewähren wir also den jungen Menschen diese Freiheit - führen wir sie zu dieser Freiheit!


Urheberrecht:

Zum privaten Gebrauch, den ich allerdings großzügig auslege, können Sie gerne den Text ausdrucken und auch Teile und auch weiter geben, allerdings bitte nicht aus dem Zusammenhang gerissen und mit Quellenangabe. Ich sehe das so: Was ich hier geschrieben habe, gehört durchaus zu meinem Religionsunterricht. Und für den bin ich ja vom "Steuerzahler" bereits bezahlt worden. Was liegt es also näher, als dass auch er etwas Komplettes von mir zurück bekommt, und leider war nun einmal bei meiner Entlassung mein Unterricht noch nicht komplett. Allerdings: Ich würde mich über Erfahrungsberichte sehr freuen!