13. Heute ist doch alles anders!?

 

Beatrix: Wenn ich über das so nachdenke, was du mir alles so erzählt, dann meine ich manchmal, daß du ganz grundsätzlich Unrecht hast. Man sollte doch den Glauben Glauben sein lassen und nicht versuchen, darin etwas Konkretes zu sehen. Damit entwertet man den Glauben doch nur und nimmt den Menschen letztlich das Geheimnisvolle, was sie auch brauchen und was ihnen viel mehr gibt, als irgend so eine fragwürdige Verbesserung in ihrem Alltag.

Felix: Meinst du nicht, daß die beiden geilen Alten in der Susannageschichte genauso reden würden – und daß sie sich nur freuen, wenn fromme Leute diese Einstellung haben?

Beatrix: Du meinst, weil sie dann ihre Schweinereien ungestört weiter treiben können?

Felix: Du sagst es, am liebsten bis in alle Ewigkeiten. Und damit endlich damit Schluß ist, da muß man doch diese Geschichte in unsere heutige Zeit übersetzen und auch die Geschichte von diesem Jesus.

Beatrix: Aber heute ist das doch alles anders, heute passiert das doch gerade bei uns nicht mehr. Die Frauen von heute sind doch selbstbewußt und machen das, was sie machen, mit vollem Verstand!

Felix: Ich möchte einmal wissen, wer dir das eingeredet hat. Schau dich doch einmal um! Glaubst du, die Prostituierten, die es heute so gibt, sind in diesen Job alle freiwillig hineingekommen?

Beatrix: Die meisten machen doch das wegen des Geldes und weil sie so scharf auf Männer sind:

Felix: So einfach ist das also aus der Sicht von jemandem, der in Wirklichkeit keine Ahnung hat. Kannst du dir wirklich vorstellen, daß jemand auf Familie, auf ein Zuhause, auf ein harmonisches Altwerden verzichtet wegen so etwas? Ich gebe zu, es ist nicht einfach, da die Wahrheit herauszubekommen, vor allem, weil auch die Betroffenen selbst da mauern, ja sogar mauern müssen, weil sie sonst noch ihr letztes Bißchen Selbstachtung verlieren würden.

Beatrix: Trotzdem, das alles hat mit der Bibel nichts zu tun.

Felix: Wenn etwas heute in Thailand, in Indien, in Brasilien und sonstwo so ist, wenn wir von den philippinischen Dienstmädchen hören, die in Saudi Arabien von ihren Arbeitgebern vergewaltigt werden, wenn wir in die zweihundert Jahre alte Oper Don Giovanni gehen, wo wir mitbekommen, wie einer da hemmungslos Mädchen anmacht, wenn wir uns Goethes Faust aus derselben Zeit durch den Kopf gehen lassen, wie der da ein Mädchen herumkriegt, dann wäre es doch sehr verwunderlich, wenn es das nicht schon immer gegeben hätte – nicht zuletzt sind die Stoffe beider Stücke auch noch erheblich älter. Und wenn dann noch in der Bibel davon die Rede ist, daß Jesus für die Schwachen und Ausgebeuteten Partei ergriffen hatte und daß Prostituierte und andere Frauen zu seinen Freunden zählten, warum sollte er sich ausgerechnet um “so etwas” nun nicht gekümmert haben?

Beatrix: Na ja, damals, aber heute bei uns werden Frauen doch nicht mehr so erpreßt oder in Fallen gelockt! Die, die wirklich wollen, können doch anders leben!

Felix: Hast du noch nie von den Männern gehört, die behaupten, daß jede Frau herumzukriegen ist, wenn sie es nur richtig anfangen?

Beatrix: Ja natürlich, und leider scheinen die das auch zu schaffen.

Felix: Und was meinst du, woher das kommt, daß die Frauen da mitmachen?

Beatrix: Das ist einfach so.

Felix: Das ist überhaupt nicht “einfach so”! Die perfekteste Manipulation ist immer noch die, in der der Manipulierte das auch noch will und selbst mitmacht! Das ist die Folge unserer ganzen unmöglichen Erziehung der Frauen schon von Kind an auch heute noch!

Beatrix: Wo denn – bitte!

Felix: Denk doch einmal, wie sich keiner darum kümmert, wie wir mit der Erziehung zu Scham und Ekel ganz “kollektiv” auf eine Scheinmoral fixiert werden, die uns bei Gelegenheit erst recht scharf macht und die uns für unser Leben allerdings überhaupt nichts hilft, weil die Wirklichkeit ganz anders ist! Der Effekt ist doch immer noch derselbe wie der der alten und uralten Methoden: Die Menschen werden sozusagen “konditioniert”, genau die Sauereien mitzumachen, die die bereits Verkommenen wollen.

Beatrix: Aber das wird doch nicht absichtlich so gemacht!

Felix: Meinst du, die hätten sich mit ihren früheren Erziehungsmethoden nicht genauso herausgeredet?

Beatrix: Aber da gibt es doch noch andere Probleme in der Bibel?

Felix: Ich bleibe dabei: Wer nicht will, daß wir uns genau damit beschäftigen, der hat entweder keine Ahnung von der Wirklichkeit oder der ist böswillig. Und wenn wir dem wirklichen Jesus nachfolgen wollen, also dem, wie er nach unseren heutigen Forschungen tatsächlich war und nicht dem, zu dem er im Laufe einer zweitausendjährigen Tradition gemacht wurde, dann müssen wir doch hier anfangen. Und ist das nicht eine zwar traurige, aber dennoch ideale Basis, weil es hier nicht die üblichen Ausreden gibt, daß man für eine Änderung erst einmal die ganze Gesellschaft umkrempeln müßte, Macht und Geld haben müßte und so weiter?

Beatrix: Aber du hast Ahnung und bist nicht böswillig!

Felix: Du bist jetzt nicht fair. Wenn wir jeden Anfang da madig machen, dann wird doch nie etwas.

Beatrix: Und was soll denn schon so werden?

Felix: Kannst du dir das nicht vorstellen, was wäre, wenn es diese ganzen menschlichen Katastrophen in den nächsten zwischenmenschlichen Beziehungen nicht mehr gäbe?

Beatrix: Aber viele empfinden das doch gar nicht so schlimm.

Felix: Das ist es ja – uns fehlt heute schon überhaupt jedes Verständnis und sogar jede Ahnung, wie es sein könnte, wenn das alles anders wäre. Hinter jeder “Erfahrung” auf diesem Gebiet steckt ja schließlich auch immer eine Enttäuschung und die muß zumindest aufgearbeitet werden. Stell dir einmal vor, was wäre, wenn die Energie, die dazu nötig ist, woanders eingesetzt werden könnte. Ich könnte mir durchaus vorstellen, daß das dann unsere Welt wirklich einmal umkrempeln würde – und weil niemand mehr Schuldige für irgend welche nicht gelungenen persönlichen Erfüllungen gibt, eigentlich nur noch zum Positiven...

Beatrix: Das wird nie passieren.

Felix: Woher nimmst du diesen Pessimismus? Ich bin da viel optimistischer. Ich glaube, daß unsere Welt tatsächlich verändert werden kann – wenn wir uns endlich einmal um das wirkliche Anliegen Jesu kümmern und es in die Wirklichkeit dieser Welt umsetzen.

 

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