RESILIENZ,
auf deutsch die Widerstandskraft, ist ein Begriff aus der Werkstoffkunde und
meint die Fähigkeit eines Werkstoffes, sich verformen zu lassen und trotzdem
wieder in seine ursprüngliche Form zurückzufinden. Einen Bleistift zum Beispiel
kann man nicht biegen, das Holz zerbricht, einer Büroklammer kann man ihre
ursprüngliche Form fast wieder zurückgeben, zerknautschtes Plastik glättet sich
von allein.
Stark werden trotz schwerer Kindheit.
Auch Menschen besitzen diese Resilienz. Manche mehr und manche weniger. Begonnen
hat die Forschung mit der amerikanischen Entwicklungspsychologin Emmy E. Werner
und ihrer berühmten "Kauai-Längsschnitt-Studie". Zusammen mit ihrer Kollegin
Ruth Smith hat sie über 40 Jahre hinweg rund 700 im Jahre 17505 auf der
Hawaii-Insel Kauai geborene Kinder wissenschaftlich begleitet und ihre
Entwicklung dokumentiert. Dabei ging es vor allem um Kinder, die unter
schwierigen sozialen Bedingungen aufwuchsen, in ärmlichen Verhältnissen, mit
ungebildeten oder Trinkereltern, die ständig Streit hatten.
Zwei Drittel dieser Kinder kamen damit nicht zurecht, sie hatten Schul- oder
Drogenprobleme, wurden aggressiv oder gar straffällig. Aber ein Drittel dieser
Risikokinder wuchs unbeschadet all dieser widrigen Umstände auf. Diese Kinder
waren noch als Erwachsene selbstsicher, zuversichtlich und leistungsfähig. Es
gab weniger Scheidungen, weniger Gesundheitsprobleme, weniger Todesfälle.
Ähnliche Ergebnisse wurden inzwischen auch von der Forschungsgruppe um Jörg
Schumacher in Jena gefunden und von Friedrich Lösel in Erlangen an Heim- und
Pflegekindern bestätigt. Resilienz, also psychisch stabile Kinder, unterscheiden
sich demnach von den anderen durch Wesenszüge wie Pflichtbewußtsein, Disziplin,
Ehrgeiz und Besonnenheit einerseits und Verträglichkeit, Einfühlungsvermögen,
Rücksicht andererseits. Sie hatten eine feste und verläßliche Bezugsperson
innerhalb oder außerhalb ihres krankmachenden Umfeldes (eine Tante, einen
Lehrer, die Großmutter oder Nachbarin) und ein Vorbild, das sie bewunderten. Sie
haben ein lebhaftes, aber nicht überschießendes Temperament, sind optimistisch,
fröhlich, durchsetzungsfähig und kontaktfreudig, also seelisch ausgeglichen und
angenehm im Umgang. Und sie waren neugierig und interessiert an dem, was um sie
herum vorging.
Das alles schützt solche Menschen auch in Zeiten wirtschaftlicher Not, vor dem
Scheitern einer Ehe oder im Beruf, unter politischem Druck, bei schwerer
Krankheit oder in anderen verzweifelten Lebenslagen. Aber während man lange
dachte, daß solche Menschen "wie aus Stahl" und unverwundbar sind, weiß man
heute, daß auch sie seelisch verletzt und geistig entmutigt werden können. Aber
sie kommen darüber hinweg, denn "Hinfallen ist keine Schande, aber
Liegenbleiben", wie ein Sprichwort sagt.
Oft ist es nur ein einziger Mensch, eine einzige Bezugsperson, die dabei hilft.
Das Thema kommt in Märchen und Volksmythen immer wieder vor: Hänsel beschützt
Gretel usw.
Die Resilienzforschung
wirft ein neues Licht auf die Traumaforschung und die Belastbarkeit von
Menschen.
Sie hilft beim Verstehen von
Krankheitsbewältigung (Coping) und bei der Forschung zur Entfaltung von
Selbstheilungskräften (Salutogenese). Sie dient nicht dazu, sorglos mit dem
Gedanken umzugehen, was Menschen doch eigentlich alles ertragen können, wenn sie
"nur wollen". Aber sie zeigt zunehmend klarer, welche Risiko- und welche
Schutzfaktoren auf das Leben eines Menschen Einfluß nehmen können. Was man im
Leben eines Kindes verändern muß, um sie resilienter zu machen.
"Das Beste, was ein Kind haben kann", sagt der Pädiater Remo Largo vom
Kinderspital Zürich, "ist ein Mehrgenerationen-Netzwerk voller Geborgenheit. Der
Zusammenhalt in der Familie, die Betreuung durch Geschwister zum Beispiel durch
einen älteren Bruder, keine oder keine längeren Trennungen machen Kinder stark."
Und er betont immer wieder: Wenn ein Kind nur einen Menschen hat, an den es sich
halten kann, wird es Stärken entwickeln.
(Es handelt sich bis hierhin um
Zitate aus einem Beitrag der WELT vom 26. 4. 2005 - vollständige Url. des
Artikels:
http://www.welt.de/data/2005/04/26/709788.html.)
Die Rolle der Religion im Zusammenhang mit der
Resilienz.
Vermutlich ist es so etwas wie die
Resilienz, die religiöse Menschen im Hinterkopf haben, wenn sie (junge) Menschen
zum Glauben an Gott führen wollen: Denn auch Gott kann
zu einer Bezugsperson werden, die bei der Bewältigung von Lebensproblemen hilft.
Und wenn schon ein Glaube, dessen Hintergrund ausgesprochene
Leibfeindlichkeit und mangelhafte
Menschenkenntnis sind, eine positive Wirkung
auf die seelische Gesundheit des Menschen hat, um wieviel mehr hätte die dann
ein Glaube, dessen Moral dann auch noch auf
Menschenkenntnis und leibseelische Gesundheit ausgerichtet ist? Und selbst wenn
Gott bei der Verkündigung eines solchen Glaubens nicht unbedingt im Vordergrund
stehen sollte sondern der ihn "verkündigende Mensch", so hat der Mensch auf alle
Fälle genau die Bezugsperson, die er braucht.
(Wörterbuch von
basisreligion und basisdrama)
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