Israel per Auto und Schiff in den Osterferien 1989

(Eine Fahrt zum Ursprung unserer Lebenseinstellung)

 

So richtig ernst hatte ich eigentlich nicht daran geglaubt, daß eine solche Tour möglich sei, doch es gab ja die Schiffsverbindung von Piräus nach Haifa, wieso also eigentlich nicht? Und schließlich hatte ich mich ja auch im vergangenen Jahr nach den Kosten in Piräus, dem Hafen von Athen, erkundigt, und da waren auch die Kosten passabel. Nur da streikte eine der damaligen Mitreisenden und so behielt ich die Idee halt eben im Hinterkopf.

Sollte die Tour so weit übers Meer wirklich nicht möglich sein, blieb ja immerhin noch eine Tour zu denjenigen von den griechischen Inseln, die allen von uns noch unbekannt waren. -

Soweit also meine Überlegungen vor der Abfahrt. Diesmal waren mit von der Partie: Frank (18), ein Schüler, Angela (17), die Tochter von Freunden, die schon öfter dabei war, und John (13), der Sohn von anderen Freunden, der auch schon einmal mit mir in Sizilien war, da allerdings mit seiner Mutter. Das Problem war, daß nur ich allein einen Führerschein hatte, doch mit gezielten Ruhepausen würde ich die 2800 km bis Piräus wohl schaffen! Problematisch empfand ich wieder das viele Gepäck, irgendwie hatte ich vorher wohl immer noch nicht intensiv genug darauf hingewiesen, was man alles bei einer solchen "Expedition" da sparen konnte! Schließlich brauchte ich ja noch einigen Platz für Zelt, Matten und einige Verpflegung, denn es sollte ja wieder alles möglichst günstig werden. Vor allem fürs Schiff und für Israel hatte ich da vorgesorgt, natürlich auch mit an die 50 Dosen Bier, wer weiß, wozu die brauchbar werden konnten (diesmal sollten sie nicht so wichtig sein, aber das weiß man ja nicht immer vorher).

Am Freitag, dem letzten Schultag, war noch die Beerdigung eines ziemlich plötzlich verstorbenen Kollegen, so ging es am Samstag früh los. Um Frankfurt und München herum umging ich einige Staus und auf den Loiblpaß (österr.-jugosl. Grenze) kam ich wegen meiner Sommerreifen im Schneefall auch kaum herauf...), aber wir waren gegen Mitternacht bei dem Bruder meiner jugoslawischen Freunde in Agram (Zagreb), wo wir schon für die Nacht erwartet wurden. Und Frank kam auch am nächsten Morgen mit in die nahe völlig überfüllte Notkirche zum Palmsonntagsgottesdienst.

Auf der Weiterfahrt stellte ich fest, daß seit dem vergangenen Jahr wiederum größere Stücke der Autobahn fertig geworden sind, allerdings sind auch die Mautgebühren, die bisher eher an Trinkgelder erinnerten, drastisch gestiegen (pro Strecke ca. DM 50,-). Die neuen Autobahnen sind sehr gut. Deutlich ist schon seit langem die Inflationsrate in Jugoslawien, auf der Hinfahrt bekam ich für 100 DM um die 424 000 Dinar, auf der Rückfahrt drei Wochen später schon über 480 000; als ich das erste Mal vor etwa 20 Jahren dort war, bekam ich etwas über 500 Dinar! Das Benzin ist billiger als bei uns, so auch in Griechenland und später in  Israel. Noch vor Mitternacht waren wir an der griechischen Grenze und bald darauf fand ich auch einen schönen Zeltplatz bei noch nicht eröffneten Zeltplätzen am Meer in der Nähe von Katerini (wo die bereits genannte Mitreisende aus dem vergangenen Jahr, die damals nicht nach Israel wollte, meinen zwar schrottreifen -  aber noch völlig fahrtauglichen - damaligen Passat in die Leitplanken gefahren hatte. Glücklicherweise hatte ich ja damals einen ADAC-Schutzbrief, so daß wir keine Probleme mit Abtransport und Verzollung des Wagens hatten, und daß auch unsere Heimreise im Liegewagen finanziert wurde! Natürlich ließ ich mir das Bad im Ägäischen Meer nicht nehmen, mein Badethermometer (so etwas hatte ich mir bei meiner jüngsten DDR-Fahrt zugelegt) zeigte um die 13 Grad. Den Olymp im Hintergrund sahen wir wegen des Dunstes zunächst nicht.

Vom vergangenen Jahr wußte ich, daß die Schiffe nach Israel nur donnerstags fuhren, also hatten wir noch Zeit für einige Besichtigungen. Erstes Ziel waren die Ruinen von Dion am Fuße des Olymp, einer alten makedonischen Stadt. Eindrucksvoll die Reste der ehemaligen Hauptstraße, wo wir gleich am Anfang den Latrinenbau sahen mit den steinernen Bänken mit den Öffnungen. Sehr plastisch bekamen meine jungen Mitreisenden so einen Eindruck von den Gepflogenheiten der alten Griechen, wo die Toiletten ja auch als  Kontakthöfe für ihre homoerotischen Beziehungen dienten. Natürlich knüpften sich an solche und andere Eindrücke viele Gespräche an, schließlich ist es ja auch für mich als Religionslehrer An-liegen einer solchen Fahrt, den jungen Leuten "am Objekt" darzulegen, warum die damaligen Menschen sich zum Christentum bekehrten. Das Christentum war eben für die damaligen Menschen ein Ausblick, aus entwürdigenden zwischenmenschlichen Verhältnissen herauszukommen. - Da ich nur einen Inselführer mitgenommen hatte, bat ich meine Freunde, von weiteren Sehenswürdigkeiten auf dem Festland abzusehen und vor allem Inseln zu erkunden. - Erste Insel war Euböa, die wir von Glifa mit der Fähre erreichten - unser erstes Stück Seereise. Ziel war erst einmal Lutra Ädipsou, wo es nach unserem Führer eindrucksvolle heiße Quellen geben sollte. Und die hatten wir auch nötig, denn sonderlich warm war es noch nicht. Im Sommer soll es hier ca. 40 000 Gäste, allerdings nur Griechen, geben, jetzt war noch alles so gut wie ausgestorben.

Wir fanden schließlich nach Überwindung einer Absperrung auch eine Art Dusche im Meer, wo wir bis zu den Knieen im Wasser standen (an den Füßen 13, oben 14 Grad), und das Wasser von oben hatte 42 Grad, im Durchschnitt also sehr angenehm! Bald danach trafen wir auf der Straße einen Grazer Maler und Bildhauer, Wolf Gösser, mit dem wir uns sehr schnell und sehr herzlich anfreundeten. Er überwinterte hier und kannte sich überall aus und zeigte uns zuerst einmal, wo er sich seine Badewannen am Meer für heiße und kalte Bäder eingerichtet hatte. Und dann lud er uns in sein Domizil ein (Zimmer mit Küchenbenutzung für ca 170 DM pro Monat, allerdings nur in der Nebensaison) zum Wildspargelessen.

Und da wir uns sehr schnell sehr gut verstanden, nahmen wir freudig an. Er war Angehöriger der 3. Ordens der Franziskaner (neben den Mönchen und den Nonnen haben die auch noch einen Orden für Laien, eigentlich eine gute Idee, möglicherweise sogar die Idee eines Ordenslebens) und so hatte besonders ich einen vorzüglichen Gesprächspartner. Doch auch meine jungen Freunde kamen wohl auf ihre Kosten: Wildspargelessen mit Rührei und offener Wein aus der nächsten Taverne, den wir in unseren leeren Flaschen holten, nicht zu verwechseln mit dem "Fabrikwein" aus den Flaschen in den Supermärkten! Das hier war der echte Retsina vom Land - also langten wir wohl auch ganz gut zu! Da es uns gefiel und uns auch niemand jagte, blieben wir noch einen weiteren Ruhetag mit Bad in heißer Quelle und weiter noch mit Ausflug nach Istiäa mit einem Tell, das heißt einem Schuttberg mit noch unausgegrabenen alten Städten in Schichten. Wolf zeigte uns, wie wir wilden Spargel fanden - und John entdeckte hier vollends seine Neigung für alte Scherben, die ihn die ganze Fahrt über nicht mehr verlassen sollte und die nicht ganz unerheblich zum Endgewicht unseres Autos am Schluß der ganze Fahrt beitragen sollte. Kaum zu glauben, wieviele Scherben es gibt - und wie viele ich noch nach der Fahrt in allen möglichen Ritzen meines Autos finde! Jedenfalls hatte die Scherbensucherei zur Folge, daß John schon in Euböa aussah, als ob er tagelange schwierigste Bergbauarbeiten hinter sich hatte!

Am Donnerstag dann morgens mit der Fähre nach Arkitsa auf dem Festland, wir brauchten damit nicht durch das schöne Euböa zu hetzen und konnten uns diese Tour für die Rückreise aufsparen. Denn wir wollten auf der Rückreise wieder vorbeikommen, um einige Sachen von John abzuholen und auch um einiges Gepäck von Wolf bis Graz mitzunehmen. Dafür versprach uns Wolf ein Quartier in Graz, was ja auch ganz praktisch war. Über Theben und Elysium nahmen wir den Weg nach Piräus und unterbrachen zu einer Visite der wunderschönen byzantinischen Klosteranlage Daphni. Der Pantokrator in der Kuppel gefiel zwar nicht so (er blickte so komisch), aber die Mosaiken erinnerten uns an die Mosaiken in Palermo und Monreale, wo ja schließlich Angela und John auch schon mit mir waren. Hier klappte es auch noch einmal, daß ich meine Lehrerbescheinigung zeigte und nicht nur unproblematisch den halben Preis für die jungen Leute aushandeln konnte, sondern selbst auch noch gratis hereinkam (für das gesparte Geld kaufte ich wieder einen Führer!), ansonsten sind ja die Eintritte in Griechenland im allgemeinen ganz saftig. Ärgerlich ist, daß wir Deutschen, obwohl EG-Angehörige, voll davon betroffen sind, während die Griechen umsonst in die Ausgrabungen und Museen kommen. Um die Ungerechtigkeit bei den Führungen (nur Griechen dürfen Reisegruppen führen) kümmern sich EG-Stellen in Brüssel und beim Europäischen Parlament, aber wir Privattouristen haben da leider keine Lobby, was schon ärgerlich ist, wenn man jungen Leuten recht viel von den alten Sachen zugänglich machen will. Und unsere jungen Leute haben ja auch nicht so viel Geld.

Durch starken Verkehr mit Staus ging's dann zum Hafen. Und da die erste Hürde: Bei der Agentur erfuhren wir, daß das Schiff nach Haifa voll sei für Autos! Doch wir sollten einmal zum Schiff fahren, vielleicht gab es vor Ort doch noch eine Lücke. Die Enttäuschung war groß, doch schließlich fand sich doch die Lücke! Und der Tarif war auch noch günstiger, als wenn wir in Deutschland oder irgendwo sonst in Griechenland vorbestellt hätten! Mit der Rückfahrt, die ich dann später noch auf dem Schiff buchte und für die ich einen Nachlaß bekam, bezahlten wir etwa pro Person in der billigsten Deckklasse 220 DM und für das Auto 380 DM. Wenn man den Sprit und die sonstigen Kosten für die Fahrt hinzurechnet, kommt man rein kalkulatorisch auch auf 500 DM Fahrtkosten pro Person. Wenn man bedenkt, daß man Flüge nach Israel schon für 450 Schweizer Franken ab Zürich bekommt, hat man da natürlich nicht viel gespart. Aber man hat die Vorteile des mitgebrachten Autos mit deutschen Kennzeichen in Israel, das heißt, man hat keine Probleme mit Steinwürfen oder ähnlichen Unannehmlichkeiten in den besetzten arabischen Gebieten! Mit einem Mietwagen, der zudem noch in Israel um die 100 DM pro Tag kosten soll, wäre das alles längst nicht so unkompliziert. Und schließlich kann man ja nur mit dem Wagen so ein Pensum erledigen, wie wir es uns vorgenommen hatten!   

Ja, könnten wir nur etwas länger in Israel bleiben, etwa 2 Wochen, doch leider ist während der dreiwöchigen Osterferiendauer nur eine Woche Israelaufenthalt möglich. Unser Schiff ist das einzige, das diese Route im Winterhalbjahr fährt und es fährt leider so ungünstig, daß beim besten Willen nur eine Woche in Israel herausspringt. Das Schiff, die "Silver Paloma" hatte übrigens bis vor drei Jahren "Saßnitz" geheißen (der Erste Offizier, Nikolaos, mit dem wir uns vor allem auf der Rückfahrt anfreundeten, erzählte uns zuerst von dem für ihn unaussprechlichen Namen) und war als Eisenbahnfähre von Rügen nach Schweden verkehrt. Jetzt fuhr es durch die griechischen Inseln einmal wöchentlich über Rhodos und Zypern (jeweils mehr oder weniger lange Zwischenaufenthalte mit der Möglichkeit zum Landgang - allerdings ohne Auto) nach Haifa und zurück. An die Vergangenheit der Schiffes erinnerten noch viele deutsche Aufschriften, vor allem auf der Brücke war eigentlich noch alles deutsch, wie wir später sahen.

Da wir drei Nächte und zwei Tage vor uns hatten und ich nicht wußte, ob wir an unser Auto außer in den Häfen herankamen, luden wir natürlich alles aus, was während der Fahrt notwendig war. Und das waren neben Kocher, Topf und Pfanne (für Tee und Rührei) natürlich Schlafsäcke, Matten und Zelt. Auf der Hinreise waren wir die einzigen, die auf Deck ein Zelt aufschlugen, auf der Rückreise gab es viele Zelte. Meine jungen Freunde waren begeistert, wie meine Idee Schule gemacht hatte, doch ich mußte sie enttäuschen, denn ich wußte schon von anderen Seereisen, wie praktisch das mit dem Zelten an Deck geht. Vor allem mit den Igluzelten gibt es da kein Problem mit der Verankerung, wenn man dafür durch Ballast sorgt, daß es nicht während der eigenen Abwesenheit etwa wegfliegt, oder es an irgendwelchen Rohren anbindet. So hatten wir eine wunderschöne Kabine in frischer Luft! Da ich den Aufbauort falsch gewählt hatte und das Zelt in der ersten Nacht so sehr im Wind flatterte, daß wir alle aufwachten, faßten wir es - etwa um 5 Uhr früh - jeder an einer der vier Ecken an und trugen es wie in einer Prozession an einen besseren Platz - über viele schlafende junge Leute hinweg. Probleme bekamen wir mit unserer Zelterei keine; als in den nächsten Tagen das Deck von Matrosen gesäubert und gespachtelt wurde, konnten wir beobachten, wie dabei immer sorgfältig das Terrain unseres Zeltes ausgespart wurde. Und gestolpert über unsere Schnüre ist auch niemand, wenn ich bedenke, wenn wir so etwas auf einem deutschen Schiff machen würden! Auf den Bänken und auf dem Boden schliefen noch viele Rucksacktouristen, unten im Aufenthaltsraum auch noch, teilweise in wirklich unbequemen Stellungen. Da hatten wir es eigentlich richtig komfortabel wie die Passagiere in den Kabinen, die auch an Deck kamen und mit denen wir die interessantesten Gespräche hatten. Da war Heinz Moser aus Zürich, eine Art Edelaussteiger, der einen wohlbezahlten Platz in einer Firma als Ingenieur aufgegeben hatte und jetzt einen florierenden Karussellbetrieb hatte. Er geht nicht auf Kirmesplätze (die etablierten Betriebe lassen da keine Außenseiter rein), sondern er vermietet seine Karusselle zum Fixpreis von 1000 SFr für Kindergeburtstage, Geschäftseröffnungen und sonstige Anlässe, wobei er viel besser wegkommt. Wir sollen ihn besuchen, wenn wieder Saison ist. Dann auch einige Israelis, mit denen wir auch in netten Kontakt kamen, was uns so dann später bei unserer Rundfahrt nicht mehr möglich war. Die zwei, mit denen wir sprachen, mögen repräsentativ für die Einstellung deutscher Israelis zu uns Deutschen sein. Yaron Goldstein ging vor einigen Jahren zum Studium nach Berlin. Da er einen deutschen Vater hatte, nutzte er auf Anraten seiner Kommilitonen die Gelegenheit und wurde auch wieder Deutscher. Als Deutscher hat man ja, wenn man nicht EG-Angehöriger ist, doch einige Vorteile, etwa mit der Aufenthaltsdauer und der Arbeitsgenehmigung. Er ist inzwischen in Stuttgart Regisseur und macht einen absolut optimistischen Eindruck. Anders Sarah, deren Vater auch Deutscher ist (bzw. war). Sie ist zur Zeit Anwältin in den U.S.A. und meinte, daß sie das ihrem Vater nicht antun könne, ihr Recht auf die deutsche Staatsbürgerschaft wahrzunehmen. Wir hatten den Eindruck, daß sie sich - anders als Yaron - auch sonst schwer tat, obwohl sie sehr charmant war. Yaron machte mir auch den ersten Vorschlag einer Reiseroute, an die ich mich auch dann so ungefähr hielt.

Wir sollten erst einmal direkt in den Süden fahren zum Roten Meer und dann über das Tote Meer nach Galiläa mit einem Ausflug in die Golanhöhen.  -  Auch Yaron sollen wir besuchen, wenn er seine Gastregie in Israel beendet hat. - Sicher waren besonders für die jungen Leute die Unterhaltung mit den beiden deutschstämmigen Israelis interessant, eben ein Stück lebendige Geschichte!

An Rhodos fuhren wir leider wegen starken Seegangs vorbei, nur die Passagiere wurden ausgebootet. Ein Auto, das für Rhodos war, mußte mit nach Zypern. Wir hatten durch den fehlenden Landgang etwas Schwierigkeit mit unserem Verpflegungsnachschub (kaum noch Brot), aber wir kamen hin. Schade auch um den Bummel durch die von den italienischen Faschisten während des Krieges wiederaufgebaute Kreuzfahrerfestung (so wie sie am Neujahrstag 1523 von den Johanniter-Kreuzrittern verlassen war), aber da war ja noch die Rückfahrt... Mehr Glück hatten wir am Samstag mit Zypern. Da landeten wir, doch leider litt beim Umrangieren meines Autos der Auspuff, bei einer Bodenschwelle fing er plötzlich an zu knattern. Zwischen Motor und Auspuff war wegen einer fehlenden Schraube eine Ritze entstanden. Leider war in Zypern nationaler Feiertag und alles machte einen recht toten Eindruck. Wir hätten uns wirklich ein Taxi nehmen sollen und eine kleine Rundreise zu einem günstigen Preis aushandeln sollen. Und Limassol, die Hafenstadt des griechischen Teils der Insel, ist ja nun wirklich nichts Besonderes. (Zypern ist immer noch hermetisch getrennt in den türkischen Teil und den griechischen Teil, die Grenze ist viel undurchlässiger als die innerdeutsche Grenze, wenn man auch zum Beispiel sonntags mit relativ wenig Papierkrieg in Nicosia von beiden Seiten die katholische Kirche genau auf der Grenze besuchen darf, wie ich von meiner letzten Reise nach Türkisch- Zypern noch weiß). Wie gerne hätte ich einmal Paphos besucht, um dort den genius loci einzuatmen. Paphos galt in der Antike als Geburtsort der Aphrodite und war bekannt wegen der dort in großem Umfang gepflegten kultischen Prostitution zu Ehren dieser Göttin. Schließlich sind das ja alles Dinge, deren Abschaffung überfällig war, die aber erst mit dem Christentum geschah. -  Leider unternahmen wir nichts Vernünftiges, aßen jedoch ganz gemütlich und konnten uns auch noch gut versorgen.

Schließlich dann am Sonntagmorgen (Ostern) Haifa. Sarah war ganz wehmütig, sie wollte mit uns nach Jerusalem fahren, gerne hätten wir sie mitgenommen, doch sie stieg schließlich bei jemandem anders ein, weil es bei uns zu lange dauerte. Schon ins Schiff kamen Beamte vom israelischen Geheimdienst. Da wurden wir erst einmal getrennt vernommen. Offenbar waren wir verdächtig und wurden bei der Abfahrt vom Schiff gleich ausgesondert. Und schließlich wurden wir völlig auseinander genommen. Die Untersuchungen bei der DDR-Einreise sind da noch ein Kinderspiel. Wir mußten alles auspacken und in jede Ritze des Autos wurde geguckt. Immerhin wollte der Typ im Monteuranzug, der unter das Auto kroch, dabei gleichzeitig den Auspuff reparieren (auf diese Idee würden unsere DDR-Grenzer allerdings nie kommen; unser Karussellunternehmer hatte uns die Hilfe auch schon angeboten), doch er stellte fest, daß die Schraube abgebrochen sei und wir wohl in die Werkstatt müßten. Anderen ging es noch schlimmer, bei Holländern in einem Wohnmobil wurden der Fernseher und einige Konservenbüchsen zum Röntgen (oder in die Unterdruckkammer?) mitgenommen. Nach ca. 2 1/2 Stunden waren wir knatternd durch, doch an eine Fahrt zum Osterfest nach Jerusalem war nicht zu denken, erst einmal Werkstatt! Ich fand auch gleich eine (arabische), und nach kurzer Inspektion meinte der Typ, daß er wohl zwei Stunden brauche. Also gingen wir zu Bank und Post, aßen unsere erste Fallaffel oder Ähnliches, und stiegen schließlich zum Bahaitempel hinauf, den wir über uns am Berg Karmel sahen. Die Bahais sind so eine Religion mit Anleihen an allen großen Religionen, die sich natürlich auch besonders nach Palästina hingezogen fühlen. Der Tempel war zu, immerhin kamen wir in den gepflegten Garten hinein und unterhielten uns mit 2 Holländern über deren Israelerfahrungen. (Statt dieses Bummels hätte ich mich lieber um eine Konfirmierung/Bestätigung der Rückreise bemühen sollen, vielleicht hätten wir auch Antiquariate nach interessanten deutschen Büchern aus den Nachlässen von rechtzeitig geflüchteten Juden durchstöbern sollen, aber darauf kommt man erst später!) Wie dem auch sei, auch nach zwei Stunden war das Auto längst noch nicht fertig, erst nach 3 bis 4, und ich war die ersten 140 DM los... Der ganze Auspuffansatz mußte vom Motor abgeschraubt werden, ein Schraubeninnengewinde mußte ausgebohrt werden. Immerhin war die Reparatur sicher billiger als in Deutschland, aber die schöne Zeit! - Endlich dann nach Jerusalem! Unterwegs lockte das Meer neben der Autobahn so sehr mit herrlicher Brandung, daß ich einfach halten und hinein mußte. Immerhin kam Frank mit, die anderen waren überfordert, schließlich hatte keiner je solche Brandung erlebt. (Natürlich gingen wir nicht zu weit hinein, mir ist bewußt, daß es hier gefährlich ist.)

Und dann endlich kurz vor der Dämmerung Jerusalem! Ich parkte vor dem Damaskustor mit Gottvertrauen, daß unser vollgepacktes Auto wohl nicht geplündert würde, und auf zum ersten Bummel durch die Altstadt hinter der großartigen Stadtmauer aus der Kreuzritterzeit. Damals gab es ja ein Königreich Jerusalem, nachdem die arabische Stadt erobert und die arabische Bevölkerung sowohl von den Kreuzfahrern wie von den mitgezogenen Trittbrettfahrern grausamst ausgerottet worden war. John war begeistert, aber auch wir anderen waren fasziniert: "Hier müssen wir noch einmal hin!" Doch erst einmal quer durch bis zur Klagemauer unterhalb des alten Tempels, auf dem heute bedeutende (islamische) Moscheen stehen (Felsendom und Al Aksa-Moschee), in die wir nicht nur jetzt, sondern leider auch am nächsten Tag wegen der Mittagspause nicht hineinkamen. Immerhin war die Klagemauer schon ein Erlebnis. - Zum Zelten dann schon einmal in Richtung Bethlehem, schließlich war das ja das Gebiet, wo die Engel den Hirten erschienen waren! Und wir fanden auch einen schönen Platz mit herrlichem Ausblick auf das Lichtermeer von Jerusalem und auf der anderen Seite von Bethlehem. Wie ich später feststellte, müssen wir uns genau im früheren Niemandsland zwischen Jordanien und Israel befunden haben, noch heute ist das alles ja nicht unproblematisch. Aber wir hatten keine Probleme.

- Nur als wir dann am nächsten Morgen viel zu früh bei der Geburtskirche waren, konnten wir nicht in die Geburtsgrotte hinein, weil da noch ein armenischer Gottesdienst stattfand. Schließlich gingen wir leise einer Reisegruppe hinterher, die einfach, aber ehrfürchtig hineinging. Die Kirche über der Geburtsgrotte ist eine der ältesten Kirchen der Christenheit, noch im römischem Stil erbaut mit Originalmosaikfußboden unter dem heutigen Fußboden. Der Eingang wurde während der Kreuzritterzeit stark verkleinert, damit nicht die Gottesdienste von berittenen Soldaten gestört wurden. Vor der Kirche wurden wir von arabischen Händlern mit Rosenkränzen und anderen Holzarbeiten bestürmt, hätte ich doch mehr gekauft! So billig wie hier war das alles woanders nie, jedenfalls erheblich billiger als in den israelischen Touristengeschäften bei anderen Sehenswürdigkeiten.

Und noch einmal zurück nach Jerusalem! Schließlich hatten wir ja im Grunde noch gar nichts gesehen. Zuerst die Grabeskirche, die wir von einer koptischen Klosteranlage (ägyptische Christen) aus erreichten. Der Innenhof dieses Klosters war irgendwie bezaubernd orientalisch, wir unterhielten uns kurz mit einigen Mönchen in einer Ecke, die gerade Englisch lernten. Die Grabeskirche selbst ist im wesentlichen ein Bau aus der Kreuzritterzeit mit vielen Anbauten aus allen möglichen anderen Jahrhunderten.

Das hl. Grab selbst befindet sich in einem Kuppelraum, an den dann ein Kirchenschiff angebaut ist. Es ist schon kompliziert, sich einigermaßen zurecht zu finden, was nun zu welcher Konfession gehört. Denn die zahlreichen Kapellen und Gedenkstätten werden alle von anderen Konfessionen betreut, am längsten verweilten wir in der Kapelle der Kreuzauffindung durch die Kaiserin Helena.

Nach dem Kirchenbesuch gingen wir noch in die deutsche evangelische Kirche gleich nebenan, die Kaiser Wilhelm II. bauen ließ, damit auch der deutsche Imperialismus in Form des Protestantismus in der Nähe des heiligen Grabes repräsentiert ist (so ähnlich las ich darüber einmal in einem DDR-Buch). Schön war, daß die jungen Leute auch die Via Dolorosa, also den Leidensweg Jesu entlang gehen wollten, den wir dann wenigstens teilweise mitmachten. Und noch einmal zur Klagemauer, wo jetzt viele Bar-Mizwa-Feiern stattfanden. B.Mizwa ist das Fest der vollen Aufnahme des jungen Juden in die jüdische Religion. Das gilt allerdings nur für Jungen, für Mädchen gibt es da nichts Vergleichbares. Als Jesus mit 12 Jahren im Tempel gelehrt hatte, dürfte es sich um eine solche Feier gehandelt haben. - Von hier wenigstens noch ein Gang über den Tempelplatz, der den rechtgläubigen Juden verwehrt ist, und dann noch ein Ausflug auf den Ölberg mit dem berühmten Panorama von Jerusalem. Damit hatten wir dann Jerusalem "erledigt". Sicher werden meine jungen Freunde und vielleicht auch ich ja wieder einmal nach Jerusalem kommen, wo wir uns dann bei allen religiösen und touristischen "Objekten" genauer und ausgiebiger aufhalten werden, jetzt galt es aber, die günstige  Gelegenheit des eigenen Wagens wahrzunehmen und möglichst viel damit zu unternehmen. Zwar war uns von Yaron auf dem Schiff abgeraten worden, wegen der Gefahr von Steinwürfen das arabische Gebiet südlich von Jerusalem zu durchfahren, doch ich wählte diese Abkürzung in den Süden, da ich mir nicht vorstellen konnte, daß antiisraelische Steinwerfer wahllos auf fremde Autos Steine werfen würden. Die würden sich doch wohl in jedem Fall vorher die Nummernschilder ansehen (inzwischen hörte ich, daß gerade die Araber selbst unter ihren eigenen arabischen Landsleuten sehr zu leiden haben). Doch uns passierte tatsächlich nichts, im Gegenteil, wir sollten während der ganzen Fahrt gerade mit den Arabern die besten Erfahrungen machen. Doch der Reihe nach.

Südlich von Bethlehem, das wir wieder durchqueren mußten, kamen wir durch eine Ortschaft, in der die Straße auf der Seite des Wohngebietes mit einem hohen Maschendrahtzaun abgesichert war - zum Schutz vor Steinwürfen. In Hebron gingen wir in den von Juden und Moslems gleichermaßen verehrten Haram el-Khalil mit den Scheingräbern Abrahams und seiner Frauen und anderer Patriarchen. Alles war von jüdischen Soldaten bewacht, aber recht locker, vor allem in dem Heiligtum machte alles einen absolut friedlichen Eindruck. Immerhin befanden wir uns seit Bethlehem in dem im 6-Tage-Krieg besetzten Teil, von dem man ja zur Zeit nicht viel Positives aus den Medien erfährt. Wegen irgendeinem Streik gegen die Israelis waren alle arabischen Geschäfte geschlossen, die Logik war mir dafür schon in Jerusalem nicht ganz klar, denn den Schaden bei diesem Streik hatten ja eigentlich eh nur die Araber. Wenigstens am Markt waren einige Stände offen, und wir erstanden eine große Kiste mit Apfelsinen für kaum DM 6,50, viel billiger als es in einem jüdischen Geschäft möglich gewesen wäre.

Sicher geht es den Arabern in den besetzten Gebieten viel besser als wenn sie im jordanischen oder syrischen Gebiet leben würden, die meisten akzeptieren wohl auch die israelische Oberhoheit, aber eine Besetzung kann man ja eben nicht nur unter rationalen Gesichtspunkten sehen. Und wir verspürten auch eine gedrückte Stimmung, von der Heiterkeit, die ich sonst auf arabischen Märkten verspürt hatte, war nichts zu merken. Wir hatten bei unserer Fahrt allerdings nie Probleme, das war wohl auch ein wichtiger Vorteil unseres Autos mit deutschem Kennzeichen und der dicken Reklame für das indische Lokal eines Freundes in lateinischen Buchstaben. So war auch das Auto schon von weitem als nicht- israelisch zu erkennen. Und gegen uns Deutsche haben die Araber ja nichts, allerdings wohl vor allem aus den Gründen, die uns heute eigentlich zumeist nur noch peinlich sind.

Doch weiter nach Beer Shava (wie auf meiner Tankabrechnung mit der Visa-Karte hier auf meinem Kontoauszug steht: Zum erstenmal benutzte ich in Israel das sogenannte "Plastikgeld", und ich muß sagen, ich bin sehr zufrieden damit, bei jeder Abrechnung war für mich der Kurs einige Promille günstiger, als wenn ich mir das Geld anders beschafft hätte. Natürlich kann man diese Karte nur in teureren Supermärkten oder bei Tankstellen verwenden, aber immerhin gibt es immer eine nicht allzu ungünstige Möglichkeit der "Geldbeschaffung".). Leider war nicht Donnerstag, denn da gibt es den berühmten malerischen Beduinenmarkt, aber es paßte halt nicht, so fuhren wir gleich weiter in die Negev-Wüste.

Da es in Shivta nach meinem Polyglott-Führer die besterhaltenen Ruinen aller byzantinischen Städte im Negev geben sollte, also dorthin! Langsam wurde es dämmerig, gespenstisch wurde alles noch durch ein riesiges Militärcamp bei der Abzweigung von der befestigten Straße in einen 8 km langen Feldweg mit teilweise riesigen Schlaglöchern. Noch standen auf dem Parkplatz bei den Ruinen zwei Busse mit Schulkindern, die gerade unter der Aufsicht ihrer mit Gewehren und Maschinenpistolen bewaffneten Lehrer durch die Gegend streiften. (Ja, seit einem tragischen Überfall auf eine Schule sind die Lehrer immer bewaffnet, natürlich auch auf Ausflügen, und die israelischen Schulen scheinen viele Ausflüge zu machen!) Als wir zum Auto zurückkamen, fuhren die Busse gerade fort - und meine Freunde schlugen vor, doch die Nacht bei den wunderbaren Ruinen zu verbringen. Dagegen hatte ich nichts, denn Shivta lohnte sich für uns wirklich. Diese nabatäische Stadt gab es schon sehr bald nach Christus, ihren Höhepunkt erlebte sie dann als christliche Stadt. Noch heute beeindrucken die Reste dreier großer Kirchen. In einer Nebenapsis der einen Kirche fand dann auch unser Abendessen statt - noch hatten wir auch noch griechischen Wein dazu! Im Hintergrund hörten wir Geschützdonner von übenden israelischen Einheiten, sie würden doch sicher nicht auf uns schießen, schließlich befanden wir uns ja auf archäologischem Terrain! Für unser Zelt fand sich ein windgeschützter schöner Platz neben dem zerfallenden Informationsgebäude vor der Stadt. Nachts machten unsere Freunde von der übenden Artillerie Pause und morgens wurden wir auch wieder recht früh geweckt! Und wir gingen noch einmal in die Ruinen, wobei wir uns vor allem die teilweise gut erhaltenen Reste der Wohnhäuser ausgiebig ansahen. Immerhin fanden wir hier Häuser, wie sie auch zur Zeit Jesu gebaut und bewohnt wurden. Und wenn man davon ausgeht, daß die Übersetzung des Berufes von Josef und Jesus mit "Zimmermann" bei uns heute falsche Vorstellungen weckt (Luther übersetzte das griechische Wort "tekton" mit Zimmermann, was zu seiner Zeit, als die Häuser aus Holzfachwerk gebaut wurden, durchaus richtig war, was aber heute eher mit "Häuserbauer" übersetzt werden müßte), standen wir also vor und in Häusern, wie sie Jesus gebaut haben könnte! Ausgeschlossen dagegen war aber, daß Jesus an den von uns nun betretenen Häusern mitgebaut hatte, wenn auch wahrscheinlich sein dürfte, daß er wohl kaum in seiner kleinen Heimatstadt Nazareth Häuser gebaut hatte, sondern für wohlhabende Leute außerhalb. Da jedoch die Häuser von der Art waren, wie sie auch Jesus gebaut haben dürfte, besahen wir sie uns ganz genau. Tragendes Skelett der einzelnen Zimmer waren mehrere steinerne Bögen, die dann mit Steinplatten abgedeckt waren. Auf diese Weise kamen die damaligen Baumeister auch zu Häusern mit bis zu drei Stockwerken. - Und John suchte wieder nach Scherben! Und bei einem kleinen Ausflug in die Umgebung fanden sich auch noch Patronenkisten mit hebräischen Aufschriften (eine mußte mit!) und auch noch eine große Kartusche (die er - leider - zurücklassen mußte). Immerhin entdeckten wir eine riesige natürliche Zisterne, aus einer solchen hat wohl Moses beim Zug der Israeliten durch diese Gegend das Wasser "gezaubert". Bei der Weiterfahrt durch die Negev-Wüste hörten wir vor teilweise großartiger Kulisse in unserem Autoradio eine wunderbare Messe, aus der Ankündigung konnten wir "Ferdinand Schubert" heraushören; wie ich dann hier in einem Musiklexikon las, also der ältere Bruder von Franz Schubert. Es war wunderbar auf der ganzen Fahrt, daß wir wohl alle nichts gegen "klassische" Musik hatten, besonders John suchte immer im Radio danach. Und in Israel fand sich auch immer ein Sender mit solcher Musik, besonders deutscher und österreichischer, es ist halt nicht zu verleugnen, daß die jüdische Kultur vor allem eine deutsche ist, wie auch die deutsche Kultur eine jüdische ist. - Kurz unterbrachen wir in Sede-Boqer, dem Wohnsitz von Ben Gurion, dem "Vater des Staates", der heute ein Museum ist, für uns auch interessant.

- Mit Avedat erlebten wir dann eine weitere Nabatäerstadt, diesmal auf einem Berg. Bei der Kasse erstand ich Eintrittskarten für ca 24 DM, die gleichzeitig für den Besuch aller übrigen staatlichen Ausgrabungen, Museen und Naturparks in Israel innerhalb von 2 Wochen galten (eine gute Idee unseres Gastlandes; wir versuchten, in den folgenden Tagen auch möglichst viel davon auszunutzen!). Die Stadt wurde um 100 n.Chr. Hauptstadt des Nabatäerreiches, eindrucksvoll ist, daß wir auf einem Berg ähnlich einem Akropolishügel anderenorts diesmal nicht eine Stadt mit Tempelruinen, sondern mit Kirchenruinen fanden, die Kirchen waren gleich an der Stadtmauer. Das muß einmal ganz großartig ausgesehen haben! Leider sind wir dann an dem Canon, dessen Fluß für die Wasserversorgung gedient hatte und der auch einen Besuch wert sein sollte, vorbeigefahren, na, beim nächsten Mal! - Von Hunger getrieben, steuerten wir dann unser nächstes Ziel, Mispe-Ramon mit dem großartigen Blick auf den größten Erosionskrater des Negev an. Vor einem Supermarkt brieten wir zuerst einmal tiefgefrorene koschere Hackfleischröllchen. Inzwischen waren wir die sommerliche Sonne schon fast leid, wir suchten, wenn möglich, Schatten auf... Die Landschaft hier bei Mispe-Ramon kann wie vieles hier in Israel gerade mit den Landschaften der U.S.A. konkurrieren, der Vorteil ist, daß alles näher beeinander ist, Israel leichter zu erreichen und billiger und vor allem kulturell unvergleichlich interessanter ist. Auch die ganze Lebensart der Juden ist eher amerikanisch.

Am Kraterrand befindet sich ein Informationspavillon wie auch an solchen Stellen in den U.S.A., in dem wir uns einen sehr guten und anschaulichen Film über die Entstehung des Kraters durch Faltung des Gebirges mit folgender Ersosion ansahen. Auf teilweise schlechter Straße ging es dann in den Krater hinunter und von dort weiter gen Eilat am Roten Meer. In der Dämmerung machten wir noch eine Fußwanderung durch ein Wadi (Trockental) mit rotem Gestein und kurz vor Eilat hielten wir an einem Aussichtspunkt unmittelbar an der ägyptischen Grenze mit einem großartigen Ausblick auf die Berge der Sinai-Halbinsel. Also, das Gebiet ist auch einmal fällig, alle, die wir trafen und die dort waren, waren begeistert! Leider war es schon dunkel, als wir durch die letzten Schluchten des Negev zum Meer hinabfuhren, und in Eilat hatten wir auch Schwierigkeiten, uns zurecht zu finden. Ich orientierte mich schließlich am Flugplatz, der mitten in der Stadt liegt. So blieb mir auch nicht schier das Herz stehen (wie Frank, der wohl seine letzte Minute gekommen sah), als auf einmal ein (riesiges) Passagierflugzeug direkt auf uns zukam und ziemlich knapp über uns zur Landung ansetzte - wir standen zufällig auf einer Straße ganz kurz vor der Landebahn! Im Geschäfts- und Restaurantviertel trafen wir viele deutsche Touristen und auch einige der Typen vom Schiff, die da teilweise ganz schön gesoffen hatten! Und irgendwo aßen wir auch auf die Empfehlung eines Österreichers unsere Fallaffeln. Da wir auf Diebe aufmerksam gemacht wurden, beschlossen wir, nicht am Strand beim Zentrum zu nächtigen, sondern außerhalb in Richtung ägyptischer Grenze. Und da fanden wir auch ein paar Schritte von der Straße auf dem leicht steinigen Strand eine passable Stelle, wo wir unter dem freien Himmel unsere Matten ausrollten. Und trotz der Seeigelwarnung überwanden sich meine Gefährten zu einem Bad, schließlich war sogar jetzt abends das Wasser schon über 20 Grad warm, ja, in Eilat ist es wohl nie Winter! Ich hatte mich mit der Taschenlampe überzeugt, daß in der Nähe des Ufers keine Seeigel waren. Die Seeigelstacheln haben nämlich die unangenehme Eigenschaft, daß sie abbrechen, wenn man auf sie tritt, und sie dann in der Haut stecken bleiben. Sie reizen dann die Haut, was recht unangenehm ist, und sollen erst nach ca. 4 Monaten verschwinden (zu Weihnachten, wenn's im Sommer passiert ist). Schneller verschwinden die Schmerzen, wenn man auf dem Stachelrest in der Haut eine glühende Zigarette ausdrückt, dadurch wird das Gift im Stachel abgetötet und die Wunde heilt nach 1 bis 2 Tagen. Aber wir hatten Glück, keiner trat hinein, auch nicht am nächsten Tag. Leider war die Nacht recht unruhig, hinter uns auf der Straße pesten laufend Autos, dagegen störten uns die anderen Camper (wie wir) am Strand überhaupt nicht. Das besondere Erlebnis von Eilat für meine Freunde kam dann bei Tageslicht.

Von meinem früheren Besuch hier (allerdings in Akaba auf jordanischer Seite) wußte ich, daß das die Unterwasserausblicke waren. Vorsorglich hatte ich mich daher bei meinem letzten Geschäftsbummel durch Magdeburg mit zwei Taucherbrillen verschiedener Größe eingedeckt (da hatte ich sie zufällig entdeckt!) - und meine Investition lohnte sich! Uns eröffnete sich eine wunderbare Korallenwelt mit allen möglichen anderen Gewächsen dazwischen, natürlich auch mit Seeigeln mit hier besonders langen Stacheln, furchterregend, aber genügend tief und gut zu sehen und daher auch zu vermeiden. Dazwischen auch kleine bis heringsgroße Fische in den schönsten Farben. Und wir tauchten so dazwischen herum! Schön, daß die Badegäste offensichtlich sehr behutsam mit diesen Naturwundern umgingen, denn wir entdeckten keine abgebrochenen Korallenstümpfe unter Wasser. - Mittags meinte ich dann, daß wir genügend Sonnenberührung gehabt hätten (man muß sich ja nicht gleich Verbrennungserscheinungen holen) und nach einem ausgiebigen Menü in einem der Restaurants (leider hatte nur ich den Rote-Meer-Fisch bestellt, von dem ich auch zwei riesige Stücke bekam, dazu einen Krug einwandfreies Bier, die anderen kamen für das viele Geld, ca. 19 DM pro Menü, wohl leider zu kurz) preschten wir wieder in die Wüste gen Norden zum Toten Meer. Glücklicherweise sind die Entfernungen in Israel ja nie sonderlich groß, so daß wir noch im Hellen hinkamen und auch am Ufer entlang fuhren. Auch kletterten Angela, John und ich einen Steig auf die Uferbergkette, dabei teilweise durch scharfkantig ausgewaschenes, blankes Salz! - Da ich eigentlich noch abends baden wollte, fuhr ich bis zur Bade- und Campingstelle bei dem Kibbuz Engedi, und das war eine Fehlentscheidung! Denn außer uns campierten dort so wie wir außerhalb der offiziellen Campinganlage noch sicher einige Hundert junge Israelis jeden Alters offensichtlich auf verschiedenen Schulausflügen. Für die jüngeren Kinder wurden als Windschutz Busse aufgestellt und die Kinder campierten dahinter unter freiem Himmel, vormilitärische Erfahrungen? Die älteren schlugen auf einer anderen Seite von uns teilweise Zelte auf.

Während die jüngeren wohl zumeist ruhig waren, machten die älteren eigentlich die ganze Nacht Krach, wie kann es auf einem Schulausflug schon anders sein! Wären wir doch schon vorher zum Parkplatz bei Massada abgebogen! Nicht nur hätte ich da einige Kilometer gespart, wir hätten auch absolute Ruhe gehabt! So flüchteten wir am Morgen (Donnerstag war es inzwischen) so schnell wie möglich auf den Parkplatz am Fuß dieser Festung, die wir dann auch gleich erklommen, merkwürdigerweise waren wir längst nicht die ersten! - Massada ist heute quasi das Nationalheiligtum des Staates Israel, haben nicht auf dieser Festung bei der Zerschlagung des Aufstandes 70 - 73 n.Chr. durch die Römer hier die letzten Aufständischen bis zuletzt getrotzt. Bei der mit großer Anstrengung erfolgten Eroberung (man sieht noch die dazu von den römischen Soldaten eigens aufgeschüttete Rampe) fanden die Römer nur noch Tote vor: Die letzten 960 Verteidiger hatten sich und ihre Familien selbst getötet. Klar daher die heutige Bedeutung von Massada! Wir stiegen ausgiebig auf dieser riesigen Anlage herum, eindrucksvoll auf der Nordseite der Palast des Königs Herodes in mehreren Etagen an den Berg angelehnt.

Wenn man bedenkt, was der hier in der Wüste für einen Aufwand an Luxus getrieben hat! Noch kann man sich über die Reste der Säulengänge und der Badanlagen nur wundern. Schließlich mußte ja auch alles mit gewaltigem Aufwand herbeigeschafft werden.

Von der römischen Eroberung sieht man außer der genannten Rampe noch die Nachbauten der römischen Belagerungsmaschinen für den amerikanischen Massada-Film, für die sich natürlich John sehr interessierte. - In der Festungsanlage selbst fand, wie konnte es anders sein, eine Bar-Mizwa-Feier statt mit Jugendchor vor eindrucksvoller Kulisse und kaltem Büfett, um das wir allerdings einen Bogen herummachten.

Und nach dem Abstieg natürlich das Bad im Toten Meer, das ja nicht nur über 400 m unter dem Meeresspiegel liegt, sondern das auch so versalzen ist (allerdings nicht mit Kochsalz, sondern vor allem mit Soda und Pottasche, daß man ständig zu einem Fünftel außerhalb des Wassers ist, wenn man darin schwimmt. Was sich besonders für schwimmfaule Leute zunächst höchst praktisch anhört, entpuppt sich in der Praxis als ganz blöde Herumhampelei. Denn ein Ankommen selbst gegen leichte Strömung ist nur schwer möglich: Wenn man zum Beispiel die Beine zusammenschlagen will, passiert das in der Luft - und man kommt wieder nicht weiter. Am besten geht es noch, wenn man nur mit den Armen paddelt. Da das Salz so ätzend ist, muß auf alle Fälle vermieden werden, daß man etwas davon in die Augen bekommt, und auch den Mund sollte man verschonen, denn es schmeckt nicht nur abscheulich, sondern zwickt auch ganz schön. Na, lange blieben wir nicht drin, auch war sehr viel los. Gut, daß es am Ufer ausreichende Duschen gab. Lustig eine arabische Familie mit einigen vermutlich ganz schön üppigen Frauen, die natürlich in ihrer kompletten Kleidung ins Wasser gingen, noch nicht einmal ihre Kopftücher ließen sie am Ufer... 

Weiter ging's dann gen Norden, da wir an Qumran vorbeikamen, auch hier noch kurze Unterbrechung. In Qumran hatte ein Hirtenjunge 1948 in einer ziemlich unzugänglichen Höhle einige Tonkrüge mit Bibelschriftrollen entdeckt, die dort wohl bei den jüdischen Aufständen gegen die Römer versteckt worden waren und die sich in der trockenen und ziemlich keimfreien Luft am Toten Meer phantastisch erhalten hatten. Erstaunlich war, daß unsere heutigen überlieferten Bibeltexte ziemlich genau mit diesen ursprünglicheren Texten übereinstimmten. (Das Problem der alten Texte dürfte aber nicht die wörtliche Übereinstimmung sein, sondern, daß sich die Sichtweise geändert hat, und daß wir daher Schwierigkeiten mit der Interpretation eines alten Textes haben, selbst wenn er ganz wortgetreu erhalten ist. Man muß sich das so vorstellen, wie wenn wir Brillen haben und sich die Farbe der Gläser ändert, wir sehen dann alles einfach ganz anders als wie es ursprünglich gesehen wurde und eigentlich auch nur gesehen werden konnte. Das Problematische ist, daß den meisten Menschen gar nicht bewußt ist, daß sie "gefärbte Gläser" haben, sie kommen daher auch gar nicht zu irgendwelchen Zweifeln an der eigenen Position. - Solche Gedankengänge sind meines Erachtens viel sinnvoller als eine genaue Betrachtung der Ruinen in jedem Fall, denn irgendwann einmal ähneln sich doch alle Ruinen!)  Nichts desto trotz ging's von hier noch vor dem Dunkelwerden nach Jericho mit den Ruinen der angeblich ältesten Stadt der Menschheit.

Jericho liegt wie auch Hebron und Bethlehem in den seit dem 6-Tage-Krieg "Besetzten Gebieten", deren Besetzung eben immer noch umstritten ist. Nachdem wir von einer Seitenstraße Steine weggeräumt hatten, machten wir auch schon einmal einen Zeltplatz unterhalb des Bergs der Versuchung Jesu aus. Doch vor dem Schlafengehen wollten wir in der arabischen Altstadt noch etwas essen, irgendwie hatte ich mir da etwas Romantisches vorgestellt. An einer Straßenkreuzung fand sich auch ein Restaurant, doch da gab es nur ein komplettes Menü ähnlich wie in unserem Restaurant in Eilat, und dazu hatten wir jetzt weder Mut noch Lust. Also fragten wir einen jungen Mann auf der Straße nach der Altstadt, um noch zu einem typischen Kebab zu kommen. Doch der meinte, in der Altstadt sei jetzt wegen Streiks alles zu, doch sollten wir mit ihm kommen, seine Mutter würde uns schon etwas machen. Das war doch etwas! Also luden wir ihn ein und er dirigierte mich in eine Palästinersiedlung ca. 2 km südlich vor der Stadt. Auch hier mußten wir einmal aussteigen, um Steine von der Straße fortzuräumen, dazu gab es außer unserem Scheinwerferlicht gar kein Licht. Trotzdem war eigentlich alles überhaupt nicht vertrauensunwürdig. Wir fühlten uns sogar irgendwie bewacht, unsere Gefühle sollten sich auch später bestätigen. Und dann wurden wir von überaus reizenden Arabern in einen Innenhof gebeten, völlig sorgenfrei ließen wir das Auto davor im Dunkeln stehen. Wer sollte uns denn etwas tun! Ich hatte ein paar Süßigkeiten und eine große Flache jugoslawischen Likörs hervorgekramt, mit dem ich mich beim letzten jugoslawischen Duty-Free-Shop noch eingedeckt hatte (er war so günstig, und man konnte ja nie wissen, wofür man kleine Geschenke noch brauchen würde). Ganz richtig war das mit dem Likör ja nicht, aber ich hoffe doch, daß die Dame das Hauses und unsere übrigen Gastgeber das islamische Alkoholverbot nicht ganz so streng nahmen - außerdem konnte man das Zeug ja auch als Medizin ansehen. Und ich glaube, unsere Gesten kamen auch an.

Jedenfalls mußten wir im Wohnzimmer auf Sitzkissen Platz nehmen und in Windeseile wurden zwei riesige Teller mit Reisröllchen in Weinblättern, ein Teller Rührei und das berühmte Fladenbrot herbeigezaubert. Und natürlich noch süßer Pfefferminztee. Also, wir fühlten uns wirklich wohl bei solch netter Gastfreundschaft. Natürlich kamen wir in den Gesprächen bei und nach dem Essen auch auf die besondere Situation der Besetzung zu sprechen. Die Hausfrau berichtete (der Sohn übersetzte), daß israelische Soldaten bei einem Nachbarn bei der Suche nach Widerstandskämpfern das Mobiliar zerschlagen hätten und auch sonst sehr rüde seien. Allerdings machten die Masris, so hießen unsere Gastgeber, keinen haßerfüllten Eindruck, eher einen betrübten, daß es nicht auch anders ginge. Und dann war auch auf einmal Lärm im Hof, eine israelische Militärstreife mit 4 Mann, vollbewaffnet und mit Funkgerät hatte das deutsche Auto vor dem Haus gesehen und war hereingekommen. Ich ging kurz heraus und wurde mit "Guten Abend" begrüßt, das war dann auch alles, ja, wir waren unter Beobachtung. Deswegen entschuldigten sich auch unsere Gastgeber, daß sie uns nicht zur Nacht dabehalten könnten (was sonst selbstverständlich gewesen wäre), doch wir hatten ja schon unseren wunderbaren Zeltplatz mit Bewässerungskanal zum Waschen gleich daneben, wie wir am nächsten Morgen entdeckten. Und bei allem eine wunderbare Aussicht, hinter uns auf den Versuchungsberg mit einem orthodoxen Kloster, das unterhalb des Gipfels wie mehrere Schwalbennester am Berg klebte - und vor uns die fruchtbare Jordanebene. - Nach unserem Aufbruch fanden wir auch bald die wenig romantische Altstadt mit den Lokalen und den Geschäften, wo wir neben unserem Morgenimbiß uns noch mit Apfelsinen usw. verproviantierten. In einer arabischen Teestube gab's Tee, doch wir nehmen an, zu Touristenpreisen (über 1 DM). Und in der Post gab's keine Sondermarken, nur gewöhnliche, ich nehme an, die israelischen Gedenkmarken würden hier ohnehin nicht gekauft und nur als Provokation aufgefaßt werden. - In einem Loch dann auf dem antiken Stadthügel die berühmten Reste der 7000 Jahre alten Stadtmauer. Das beweist, daß das Gebiet hier schon uraltes zivilisiertes Siedlungsgebiet war, als es die Juden vor vielleicht 4000 Jahren besetzten. Und von daher ist ganz klar, daß es vor dem jüdischen Glauben an Jahwe bereits andere Religionen gab, auf die dieser Glaube eine Erwiderung war. - Schön in der Nähe die Reste eines wunderbaren Omajadenpalastes aus dem 8. Jahrhundert, der auch auf unserer Sammeleintrittskarte verzeichnet war.

Neugierig waren wir dann schon auf die Straße entlang des Jordans, ob wir etwas von den Grenzsperren gegenüber Jordanien sehen würden? Diese Grenzsperren sollen hier ja hier das Hereinkommen bewaffneter palästinensischer Widerstandskämpfer verhindern. Ja, wir sahen häufig neben der Straße den doppelten Maschendrahtzaun mit dem Fahrweg für Panzerspähwagen. Dadurch kamen wir leider nicht an den Jordan heran. Schade. Bei der Abzweigung nach Nazareth (das wollten wir auf dem Weg zum See Genezareth noch mitnehmen) wollten wir uns das besterhaltene römische Theater von Bet Shean nicht entgehen lassen, also hin. Und wir fanden, die Anlage lohnte den Abstecher, auch eine Prunkstraße wird gerade ausgegraben. Hier stand auch eine Philisterstadt mit dem Tempel der kanaanitischen Fruchtbarkeitsgöttin Astarte (da war sicher einmal etwas los, aber davon sahen wir heute nur noch einen Erdhügel im Hintergrund). - Durch fruchtbares Gelände, das beinahe an manche Gegenden in Deutschland erinnerte, weiter. Und noch eine Unterbrechung beim See des wunderschönen Naturschutzparks Gan Hashelosha, wie ein riesiger Naturswimmingpool zwischen schattigen (Palmen und andere Bäume) Wiesen. Meine Freunde trauten dem klaren Wasser nicht und stellten mit unseren Taucherbrillen auf dem Boden des Sees zahlreiche Limodosen fest. Aber sonst war es wunderbar hier, und das Wasser war angenehm warm, ich konnte kaum den Aufbruch erreichen. Davor hatten wir noch ein kurzes Interview mit einem Wärter, der herbeigekommen war, weil sich Frank und ich wohl etwas unbekümmert umgezogen hatten. Er meinte, daß das hier gegen das Gesetz sei, wenn "so etwas" auch anderenorts so wie in Holland das Haschrauchen erlaubt sei (ein seltsamer Vergleich), worauf ich fragte, was wir denn Moralschädigendes getan hätten, mit dem, um was es ihm ging, würde er ja doch nur die Macht eines geistlosen Establishments unterstützen... Er lachte und meinte, daß er ja ganz meiner Meinung sei, daß ich wohl ein Professor sei, das merke er, aber es sei eben so. Na, endlich kamen wir auch einmal mit einem Israeli in ein Gespräch, müßte man solche Situationen nicht fördern? Ich habe hier auch gar keine Bedenken, mich nicht den Gepflogenheiten anzupassen (ich tat es ja eh schon über mein sonstiges Maß), schließlich muß ja die Diskussion, die Freud, Fromm, Reich, Bornemann (ja alles Juden) bei uns angeleiert haben, weitergeführt werden. Interessant, wie man da zu einem Diskussionseinstieg kommen kann! Schade nur, daß zumeist die Zeit fehlt.

Leider war die berühmte Synagoge von Bet Alfa mit dem Mosaikfußboden aus dem 6. Jahrhundert bereits geschlossen, es war Sabbatvorabend. Jahwe wird hier als Sonnengott dargestellt, umgeben von den Tierkreismonatszeichen, für eine Synagoge alles doch recht überraschend. Wenigstens auf Postkarten konnten wir die Schönheit erahnen.

Auch in Nazareth war die Verkündigungskirche schon vor 17 Uhr geschlossen, wir stießen beim Bummel durch den Basar wenigstens auf die alte Synagoge, in der Jesus wahrscheinlich auch gelehrt hat. Sie ist heute griechisch- katholische Kirche und wurde uns gegen eine Spende geöffnet. Ich glaube, ein solcher Ort ist sicher auch für die Erinnerung an das Wirken Jesu bedeutender als die Kirche in italienischer "Betongotik". Mit einigen arabischen Süßigkeiten beendeten wir dann den Bummel durch Nazareth und brausten nach Tiberias am See Genezareth (oder dem Galiläischen Meer), wo wir auch in der Dunkelheit am Südrand von Tiberias einen schönen Zeltplatz fanden.

Natürlich mußte ich auch gleich eine kleine Runde im See schwimmen (ohne Probleme wie in Gan Hashelosha), allerdings war dieser See noch recht frisch, so daß ich es auch meinen Gefährten auch am nächsten Morgen nicht verübelte, daß sie sich nicht in das Wasser stürzten, über das Jesus immerhin zu Fuß gegangen sein soll. (Keine Angst, wir redeten nicht respektlos über Jesus, sondern nur über die, denen es nicht in den Kopf will, daß mit solch einem Wunder eine geistige Haltung zu Jesus ausgedrückt werden soll.) Ich jedenfalls habe die frische Bademöglichkeit noch mehrere Male genutzt. Bei einem Abstecher auf die umliegende Bergkette samstagfrüh entdeckten wir einen Grapefruitwald, da konnten wir einem Mundraub nicht widerstehen, zumal die Früchte so süß und saftig waren... Den Mondkulttempel (das wird wieder "so etwas" gewesen sein!) Bet Yerah am Südende des Sees fanden wir nicht, dafür aber eine malerische Ersatztaufstelle am Jordanufer (der angenommene Originalplatz ist heute wegen der Grenze nach Jordanien nicht zugänglich). Wir nahmen an einer Betrachtung einer Schweizer Pilgergruppe teil. In Kursi am Ostufer stehen die Ruinen einer frühchristlichen Kirche zur Erinnerung, als Jesus die bösen Geister eines Mannes in eine Schweineherde trieb, im Norden dann die Ruinen der Synagoge von Kapernaum im griechischrömischen Stil, etwas westlich davon in Tabgha die vom deutschen Heiligen-Land-Verein erbaute Kirche über wundervollen byzantinischen Mosaiken mit der Darstellung einer Wasserlandschaft und von Vögeln, die an persische Motive erinnert.

Hier befanden wir uns wieder voll in touristischem Gebiet! Und jetzt in die Golan-Höhen, das heißt in das Syrien abgenommene Gebiet. Ein wenig erinnerte ich mich noch an meine Fahrt mit einem Tagestourbus vor etwa 10 Jahren; so nahe wie damals kamen wir jetzt nicht an die Grenze bei El Kuneitra. Die Stadt wurde von den Israelis an die Syrer zurückgegeben, von dort aber nicht wieder besiedelt. Man kann mit dem Fernglas gut die Ruinen ausmachen.

Und da wir uns verpflegen mußten, fuhren wir auch in ein arabisches Dorf (Ma'ada oder ähnl.), in dem wir tatsächlich auf ausgesprochen ablehnende Haltung stießen. Erst als wir in einem Lokal sagten, daß wir "Alemans" seine, huschte dem Wirt ein Lächeln übers Gesicht. Und wir bekamen auch in einem Lebensmittelgeschäft, was wir brauchten, auch Eier, Brot und Wurst in Konservendosen (siehe hierzu unter dem Stichwort KOSCHER). Durch Felder auf Terrassen mit riesigen Wassertanks ging es dann immer weiter ins Gebirge. In einem Restaurant fragte ich nach dem Weg, der mir dann von einigen israelischen Soldaten, mit denen das Restaurant voll war, erklärt wurde. Denn äußerster Punkt für uns im Norden war die prachtvoll gelegene Ruine der Kreuzritterfestung Kal'at Nimrud, das Richtige für John. Und ich erinnerte mich an die Besichtigung von Kreuzritterfestungen in Syrien mit meiner Schwester Angela vor ungefähr 15 Jahren. An den Quellen des Jordans fuhren wir leider vorbei, der Eintritt dafür war nicht auf unserem Ticket, und nur für einen Blick mochten wir kein Geld mehr extra ausgeben. Ziel unserer letzten Nacht war der Parkplatz auf dem Schutthügel (wieder mehrere Städte übereinander darunter) von Meggido südwestlich von Haifa. - Bevor wir auf einem Rasenstück (von hier herrliche Aussicht über die Ebene) einschliefen, wurde heftig an unser Zelt geklopft: Einige junge Araber baten uns um Feuer (obwohl sie in der Nähe "damit" grillten). So wurden wir also noch einmal eingeladen! Es war richtig nett, zu später Stunde spazierte einer von ihnen auf Händen herum und spielte mit glühenden Holzkohlen, indem er sie immer von einer Hand in die andere warf. So ist das, die Araber suchen von alleine den Kontakt, die Israelis muß man dazu provozieren. Aber da unterscheiden sich die Israelis eben nicht von anderen mitteleuropäischen Völkern, sie kommen ja auch von hierher. - In Meggido wieder viele Trümmer (bemerkenswert ist ein längerer Tunnel, der der Wasserversorgung diente), dann weiter nach Cäsarea mit dem großen Theater mit Blick der Zuschauer aufs Mittelmeer. Nördlich davon kletterten wir noch durch die Reste der Befestigung aus der Kreuzfahrerzeit. Auf dem Weg nach Akko, der bedeutendsten Kreuzfahrerfestung, durch Haifa wollte ich noch schnell bei der Agentur unserer Schiffahrtslinie nachprüfen, ob meine Karte mit der Bitte um Bestätigung der Rückfahrt angekommen und ob alles mit der Rückfahrt in Ordnung sei.

Ich muß wohl von Sekunde zu Sekunde in dem Büro versteinerter ausgesehen haben - denn die Karte war nicht angekommen und das Schiff war jetzt schon völlig überbucht. Nein, da sei nichts mehr zu machen, sagte der Agent, das Auto käme nicht mehr mit und ich müßte mich beeilen, für die nächste Abfahrt eine Woche später zu buchen, damit ich es wenigstens noch dort mitkäme. Er telefonierte noch ein wenig herum, aber es blieb dabei: nichts zu machen! Für mich gab's nur noch eine Hoffnung: der Hafen. Aber da war jetzt noch alles tot, die Sperren waren alle zu, keine Aussicht, zum Schiff zu kommen. Wenn ich doch wenigstens mit unserem 1. Offizier sprechen könnte! Nichts lief. Und für Akko fehlte mir jetzt auch der Sinn. Daher fuhr ich mit einem Umweg über den Karmelberg zum Strand, erst einmal Pause machen, zum Nachdenken kommen, irgendeinen Weg mußte es doch geben. Nicht nur ich, auch Angela und Frank mußten unbedingt zurück wegen wichtiger Prüfungen. Besonders für Frank gab es keinen Nachtermin. Doch was machen? Ich erkundigte mich bei einem Flugbüro nach Studentenflügen: pro Platz 230 U.S.$, o, je! Oder wenn ich die jungen Leute, die sich ja alle israelische Stempel hatten in ihre Pässe drücken lassen (ich verzichte stets auf "überflüssige" Stempel) bis Griechenland mit dem Schiff schicken und selbst versuchen würde, über den Libanon und Syrien durchzukommen? Das Auto konnte ich ja auch nicht zurücklassen und ohne es zurückfliegen, denn es stand ja in meinem Paß. Die jungen Leute gingen jetzt auf einmal mit großer Ausdauer ins Wasser, besonders John, alle hatten auf einmal Spaß an der Brandung. John war hinterher völlig durchgefroren, daß es für junge Menschen so schwer sein muß, immer ein rechtes Maß zu finden! Etwa um 17 00 Uhr (um 20 Uhr sollte das Schiff abfahren) stellte ich mich in die inzwischen auf die Bordkarten wartende Schlange vor der Paß- und Zollabfertigung an. Zwecklos, als ich dran war, sah ich, daß da derselbe Typ vom Mittag aus der Agentur saß. Nein, da ist nichts zu machen, die Warteliste ist zu groß. Doch es mußte einen Weg geben! Da kam mir eine Idee: Ich mußte vor allem einmal aufs Schiff! Also ließ ich unser gemeinsames Ticket umschreiben, eines für meine drei Freunde, eines für mich mit Auto als Stopoverticket für Zypern. Ehe ich in Israel bleiben wollte, wollte ich dann schon lieber in Zypern eine Woche verbringen. Diese Insel kannte ich noch nicht und außerdem: Vielleicht gab es von dort noch eine andere Verbindung? Und vielleicht hatte ich überhaupt Glück, daß ich auf dem Schiff bleiben konnte, wenn ich erst einmal oben war? Sicher dachte der Agent nur an meinen letzten Gedanken, aber was blieb ihm anderes übrig, als mein Ticket umzuschreiben. Und bis Zypern war das Schiff ja so ziemlich leer, erst ab dort war die "Garage" voll. Und das klappte alles, ich mußte allerdings 37 U.S.$ für mich und mein Auto an zusätzlichen Hafengebühren für Zypern bezahlen, was soll's. Mit einem älteren Zollbeamten unterhielten wir uns noch über die Modellpolitik von VW, ach, es wird schon werden! Und der langen Rede kurzer Sinn, noch vor der Abfahrt suchte mich der Agent, um mir mitzuteilen, daß ich in Zypern auf dem Schiff bleiben könne, nach seiner Rückfrage sei doch noch ein Platz für mich frei! (Meine 37 U.S.$ waren allerdings hin.) Auch der Ausgang des Urlaubs war damit gerettet! - Und wir zelteten wieder. Nachts um 1 Uhr wachte ich auf und besuchte Nikolaos auf der Brücke, er hatte schon auf uns gewartet, aber die anderen wollte ich nicht wecken. Er zeigte mir, wie man an den Instrumenten und auf der Karte die Position feststellen konnte und bestellte auch Tee und Toast für sich und mich. Es war richtig schön, so zwischen den ganzen Apparaten so einsam auf dem weiten Meer. Alles (mittel- )deutsch, nur der Kreiselkompaß war von der Firma Hagenuk in Kiel. Nikolaos war schon 28 Stunden auf den Beinen und hatte sich offensichtlich auf die Unterhaltung gefreut. Irgendwann kam auch seine Ablösung. - In Zypern hatten wir einen Disput mit einem Taxifahrer, dessen Angebot, uns nach dem alten Kourion (13 km entfernt) und nach irgendeinem Dorf, wohin wir gar nicht wollten (wahrscheinlich gab es da irgendwelche Geschäfte), zu fahren, wir zu seinem offensichtlichen Ärger ausschlugen. Wenn es wenigstens Paphos (s. o.!) gewesen wäre! So fuhren wir dann vom Kastell mit einem Linienbus (stündlich um 9, 10, 11 Uhr) nach Kourion, wo wir leider nicht auch zum Apolloheiligtum kamen. Immerhin fand ich in der antiken Stadt eine Merkwürdigkeit aus frühchristlicher Zeit: die "Episkopi-Villa" (ich meine, so hieß sie). Da hatte doch ein frommer, reicher und christlicher Bürger seiner Heimatstadt eine Thermenanlage im Kleinformat gestiftet, wo sich seine Mitbürger gratis entspannen und belustigen konnten. Und das aus rein christlicher Einstellung heraus! Was es doch nicht auch im Christentum alles gab! Natürlich (!) fuhr unsere Saßnitz, alias Silver Paloma erst mit über dreistündiger Verspätung ab, was hätten wir da nicht alles machen können! Denn Zypern ist wirklich eine schöne Insel, nicht nur der türkisch besetzte Norden, sondern gerade auch der Süden. - Am nächsten Tag kamen wir auch in Rhodos zu unserem Landgang. In der alten Kreuzritterkathedrale (eine umgebaute ältere byzantinische Kirche) war eine Ikonenausstellung), interessanter war der Großmeisterpalast, obwohl er komplett zerstört war und erst während der italienischen Besetzung wieder neu errichtet wurde (Rhodos war Sommerresidenz des italienischen Königs Viktor Emanuel, so stellte man schier unerschöpfliche Mittel für die Wiederherstellung der Kreuzritterstadt zur Verfügung. Umso befremdlicher, daß die Griechen heute die Eintritte kassieren, bei jeder einzelnen Sehenswürdigkeit aufs Neue).

Um dann am nächsten Morgen in Athen die Kosten für die Eintritte zu senken, schickte ich die beiden Jungen auf die Akropolis (zusammen mit Raphael, einem Mitpassagier, der dann mit uns bis Deutschland wollte, und der noch einmal ein anständiges Gepäck mitbrachte), schließlich waren Angela und ich ja schon oben, ich inzwischen mehrere Male. Angela und ich besuchten stattdessen die Agora (den antiken Markt), wo eine Wandelhalle (die Ost-"Stoa") ja von den Amerikanern originalgetreu wieder aufgebaut ist.

Bis zur letzten Möglichkeit der Abfahrt aus Griechenland blieben uns noch gute zwei Tage, daher noch einmal nach Euböa. Wir hatten ja auch noch Sachen bei Wolf. Die erste Nacht zelteten wir am Strand in der Nähe des alten Eretria auf Euböa, die zweite wieder bei Wolf. Zu den Ausgrabungen von Eretria mußten wir wieder einmal über die Zäune steigen, dafür hatten wir sie ganz für uns. So konnten wir im Theater ein Programm nach unseren Geschmack stattfinden lassen (eine gute Übung, Gedichte aufzusagen). Mit John stieg ich auf die dortige Akropolis, so wie auch unser Übernachtungsplatz am Meer alles wunderbar! Dann auch auf der Weiterfahrt durch die leicht gebirgige und sehr bewaldete Insel an einem Bach mit bestem Wasser noch ein Fischbratpicknick. Allerdings wurde das weit in den Schatten gestellt von dem, was Wolf an unserem letzten Tag in Griechenland auf die Beine stellte: 1 Pfd. kleine Tintenfische und 2 Pfd. kleinere Fische, die ich direkt auf dem kleinen Markt gekauft hatte. Und ganz toll gebraten, so daß sie jeder mochte. Da Wolf keine Teller hatte, aßen wir direkt alles aus der Pfanne, und auch mit Fingern (schließlich ist das ja auch natürlicher), dazu auch noch leckeren Salat und frisches Brot. Schön, wenn es wirklich allen schmeckt! Angela meinte einmal unterwegs, daß sie bei meinen Reisen regelmäßig zunehme, sie meinte, es käme davon, weil die Mahlzeiten bei mir so regelmäßig seien, ich glaube aber eher, weil der größere Appetit von Männern einfach ansteckend ist.

Ach ja, da sollte ich vielleicht noch einmal kurz darauf eingehen, wie das so geht mit drei "Männern" und einer "Dame". Ich habe da ja inzwischen so meine Erfahrungen, wenn junge Leute mit mir mitkommen. Ich fand, diesmal ging es ganz phantastisch. Soviel ich erkenne, ist es ganz einfach "natürlich", wenn eine Reisegruppe "gemischtgeschlechtlich" ist. Und es kann gar keine Rede davon sein, daß bei einem solchen Unternehmen "Spannungen" entstehen, die dann in irgendeiner mehr oder weniger erfreulichen "Entladung" enden. Je länger die Fahrt dauert, desto natürlicher und unbefangener wurde unser Zusammensein, irgendwie geschwisterlich. Irgendwelche Ängste ("was will der andere von mir?") gab es eigentlich schon sehr schnell nicht. Was mir auf Fahrten sonst bisweilen nicht so gelang, hier war es einfach da, diese Angstfreiheit, die einfach daher kommt, weil die Normen des Umgangs miteinander selbstverständlich sind. Wir haben uns gerade noch am letzten Tag unterhalten, was das Christsein ausmacht und ob man etwa eine Kindertaufe verantworten könnte. Zwei meiner Freunde waren gegen die Kindertaufe, sie meinten, daß dadurch einem Menschen von vorneherein etwas aufgezwungen würde. Für mich bezieht sich dieses "Aufzwingen" auf ein falsches Verständnis vom Christentum, als ob es dabei um ein Bekenntnis zu irgendeinem Glaubenssystem ginge. Nein, Christsein hat etwas mit dem Sich-Halten an zwischenmenschliche Umgangsregeln zu tun, eben mit den 10 Geboten. Das heißt auch, daß man einem Freund seine Kinder, und dabei durchaus auch seine 17- jährige Tochter, anvertrauen kann. Daß das unter Christen nicht automatisch selbstverständlich ist, zeigt den eigentlichen Verfall unseres Christentums. Es tauchte die Behauptung auf, daß solches Verhalten auch ohne christliche Motivierung dazu ginge. Ich bin mir da sicher, daß wenigstens die Idee zu einem solchen Umgang unter uns Menschen auf denselben Wurzeln beruht, aus denen auch unser Christentum gewachsen ist, selbst wenn das nicht mehr erkannt wird. Und der christliche Glaube soll gewährleisten, daß wir unser Verhalten nicht je nach Situation modifizieren (das heißt abändern), je nach Sympathie etwa, sondern daß wir darin absolut verläßlich sind. Denn diese Verläßlichkeit macht erst das nun einmal notwendige Zuverlässige aus, daß eben ein Freund mir seine minderjährige Tochter mit auf eine doch in vieler Hinsicht recht exotischen Reise mitgibt. Und gegen eine solche Interpretation des Christentums kann nun wirklich wohl niemand haben, da kann man doch dann auch Kinder "darauf" taufen.

Man wünscht ihnen doch ein Leben in sicherer Gemeinschaft. Wenn unser heutiger christlicher Glaube nicht so gesehen wird, so liegen nicht wir mit unserer Sicht falsch, sondern die Gemeinschaft der Glaubenden hat sich von der Absicht des Stifters entfernt.

Mancher meiner Leser mag sich fragen, ob es nicht überflüssig ist, solche Gedanken am Schluß eines Reiseberichtes zu bringen. Doch zum Bericht einer Reise gehören auch Gedanken zu ihrer praktischen Verwirklichung, da hieran schließlich die meisten Reiseideen, vor allem auch der Mädchen, scheitern. Ich glaube, es hier sagen zu können, ohne etwa meinen Eltern ungebührlich näher zu treten, meine Eltern hätten "damals" weder mir und schon gar nicht meiner Schwester eine solche Fahrt gestattet, selbst wenn die Mittel dazu vorhanden gewesen wären. Der Grund lag genau bei den Fragen, deren Diskussion auch noch heute viele für überflüssig halten. Und so wie ich die Sachlage sehe, hat sich da im allgemeinen nicht viel geändert. Statt zu klaren Gesprächen zu kommen, verlieren wir uns in Vermutungen. Wir sind einfach nach wie vor unsicher. Bin ich hier vielleicht zu "blauäugig", sehe ich alles zu abgeklärt, heil, vollkommen? Ich hoffe, und wie mir eine solche Fahrt mit einiger Berechtigung zeigt, ich bin hier realistisch.

Wolf hat mich einmal gefragt, warum ich nicht Angela heirate. Ganz abwegig ist ein solcher Gedanke wirklich nicht, auch ich hatte das Thema schon einmal angeschnitten. Vor allem würden sich Anspruchhaltung und Begeisterungsfähigkeit einander ergänzen und steigern. Doch da ist eine praktisches Hindernis: Wenn man sich so lange Zeit, für Angela eben seit ihrem 10. Lebensjahr, kennt, dann entsteht dabei so eine Art "Vater-Tochter-Verhältnis". Da wird einem der andere vielleicht immer sympathischer, man versteht sich immer besser, aber "weiter" läuft dann einfach ganz naturgemäß nichts mehr, ja, da kann dann ganz einfach nichts mehr laufen. Fachleute nennen so etwas dann "Inzesttabu", so etwas ist nämlich nicht von Geburt aus mitgegeben, sondern entsteht durch frühzeitigen Umgang miteinander. Daran ändert dann auch ein sehr naher Umgang (bei Tag und Nacht) nichts mehr. So könnte sich manches, was Gebot unseres christlichen Glaubens ist, im Grunde von ganz alleine regeln; leider setzen wir nur zu oft natürliche Mechanismen durch eine krampfige und prüde Pädagogik außer Kraft. Natürlich läuft so etwas nicht von alleine, es bedarf noch passender Pädagogik. Mit diesen Gedanken war die Fahrt also nicht nur geographisch, sondern auch geistig, eine Fahrt zu den Ursprüngen unserer Lebenseinstellung. Ich scheue mich hier, das Wort "Religion" zu verwenden, denn wir sind ja eben keine Religion im klassischen Sinn, sondern eine Lebenseinstellung. Und ich freue mich, daß mir Eltern die Chance gaben, das praktisch umzusetzen. Wenn meine jugendlichen Freunde hierdurch soviel Menschenkenntnis gewinnen, daß sie beim Umgang mit sich selbst und mit anderen von geistigen und ethischen "Mindestforderungen" nicht abgehen, dann wäre das Ziel auch für mich erreicht.

Der Rest der Fahrt ist kurz erzählt. In Jugoslawien verproviantierten wir uns noch auf dem Markt von Kumanovo bei Skopje bald neben der Autobahnausfahrt. Wegen Überfahrens der durchgezogenen Linie mußte ich knapp über 3 DM Strafe (!) zahlen (bei so etwas ist eine Inflation vorteilhaft), und die letzte Nacht verbrachten wir schon sehr komfortabel bei einer Freundin von Wolf in Graz, wo wir so nett aufgenommen wurden, daß wir uns dann am Sonntag auch alle kaum trennen konnten. Und ich drängte auch nicht mehr, war doch jetzt die Heimkehr überschaubar. Mit Raphael ging ich auch noch in die kleine hübsche Wallfahrtskirche "Maria Trost" in der Nähe, die Frauen dort gingen sogar in Tracht.

Und die Kosten? An Sprit habe ich etwa 850 DM gebraucht, die Schiffspassage hat ja 1200 DM für alle inkl. Auto gekostet. Für Übernachtung haben wir nichts bezahlt, Verpflegung wie zuhause, da bleiben dann noch die Eintritte und die Souvenirs. Das sind dann keine 700 DM pro Person für drei Wochen plus 2 Tage, falls ich alles umlegen würde. Natürlich gehört zu einer solchen Fahrt mit Expeditionscharakter auch eine gewisse Leidenschaft, erfahrungsgemäß ist das nämlich wirklich nicht jedermanns Sache. Denn wenn man erst einmal die Unbequemlichkeiten als solche empfindet und sich nach den Bequemlichkeiten zuhause sehnt, hat man gar nichts von einer solchen Fahrt und vermiest sie auch noch den anderen. Doch wenn einer Spaß daran hat (man kann sich wirklich begeistern!), warum soll man diese Art gemeinsamer Unternehmungen dann nicht fördern? (Wenn doch meine jungen Leute bei der Auswahl ihrer Lebenspartnerschaften auch erst einmal auf solche "Nebensächlichkeiten" achteten! Schließlich kann eine nicht notwendige Einengung hier schnell zu einer verhaßten Fessel werden und einem sehr bald die heißeste sogenannte Liebe verleiden!)

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