STEINIGUNG
Und nun zu Jesus: Wir
können davon ausgehen, dass er bis zu der Zeit,
als er dann als Prediger oder vielleicht besser
als Ankläger der Gesellschaft und als
Visionär einer neuen Gesellschaft durchs
Land kam (also vor seinem dreißigsten
Lebensjahr), schon mal solche Steinigungen
erlebt hatte. Andererseits hatte er als
"wandernder Häuserbauer" sich auch mit
Prostituierten gewiss über alles Mögliche
unterhalten, also auch darüber, wie sie zu
ihrem Beruf gekommen waren und über die
Möglichkeit, dass sie erwischt und angeklagt und
gesteinigt würden. Also kannte er die
Problematik, dass eine Steinigung doch nur dann
passierte, wenn sich eine Frau nicht den Männern
gegenüber willfährig verhielt oder wenn sich
Männer zusammentaten, um eine Frau loszuwerden.
(Anmerkung: An der Art der Strafe kann man auch
erkennen, was die Frau für ein Verbrechen
angeblich begangen hatte: Verheiratete Frauen
wurden erdrosselt, unverheiratete gesteinigt. Es
handelte sich bei der geplanten Steinigung in
Johannes 8 also um eine unverheirate Frau, und
das war nach damaliger Vorstellung nun einmal
eine Prostituierte.)
Es gehört nun nicht viel dazu, sich
vorzustellen, dass im Inneren eines
idealistischen jungen Mannes, der dieser Jesus
ja gewiss einmal war, bei diesen Erfahrungen
alles revoltierte und er schließlich diese
kriminellen Machschaften öffentlich anprangerte
und ein wirkliches Reich
Gottes propagierte, in dem das alles
anders sein würde.
Doch genau an diesem wirklichen Reich Gottes hat
eine eingefahrene Männergesellschaft natürlich
nun gar kein Interesse. Das muss nicht unbedingt
daran liegen, dass alle Männer nicht wollten -
doch die einen hatten einfach Angst, sich
öffentlich einzusetzen, und andere sahen einfach
weg, weil sie nichts ändern wollten, weil sie
dann nämlich ihre Privilegien loswürden. Also
waren alle mehr für eine "Religion der
frommen Sprüche", bei der in der Alltagspraxis
alles beim Alten blieb und die keinem von denen,
die das Sagen hatten, weh tat. (Wörterbuch von basisreligion und basisdrama) |