Klassenfahrt nach Duisburg September 1985

 

Ach Gott, dachte ich, Duisburg – muß das sein, gibt es nichts anderes, als sich die Klasse für Duisburg entschied. Zwei oder drei Schüler waren schon einmal dort mit der Hauptschule, und nachdem andere Ziele abgelehnt waren oder nicht gefielen, brach schier eine Psychose aus – alle schwärmten für Duisburg! Irgendwelche Bedenken von mir, der ich anstelle der Klassenlehrerin, die nicht mitkonnte, von der Klasse „auserlesen“ war, vorgebracht wurden, wurden gar nicht zur Kenntnis genommen und als Miesmacherei angesehen, also blieb ich still und überlegte, was man machen könnte, damit die Fahrt sinnvoll wurde. Für mich gab es da sicher was, vor allem von der Oper hatte ich schon gehört – aber für die Schüler? In Duisburg gab es Stahlwerke zur Besichtigung – zuversichtlich schrieb ich an Mannesmann und nach deren Ablehnung rief ich noch bei Thyssen an – aber da war angeblich alles ausgebucht.

Es klang aber mehr danach, daß diese Firmen mit Besuchern nicht viel im Sinn haben, und so scheint es auch zu sein, ein Freund, mit dem ich Kontakt aufnahm, bestätigte dies (der Freund hat eine gute Position bei Mannesmann). Also – was tun? Gegen den Widerstand der Klasse plante ich die Rückfahrt über Bochum zur Besichtigung des Planetariums und des Bergbaumuseums nach dem Motto: Wenn wir den Bus schon einmal haben, können wir ihn auch gleich ausnutzen.

Ja, wirklich: gegen den Widerstand, denn für die Schüler ist ausreichend, an einem Tag nur einen Programmpunkt zu erledigen – und Hin- und Rückfahrt sind halt jeweils schon ein Programmpunkt ...

Alles andere wird als Vergewaltigung angesehen, ohne zu wissen, um was es sich dreht, irgendein Gerücht reicht da schon. Mein Problem aber ist, daß ich weiß, daß dieser eine Programmpunkt nicht ausreicht und auch wieder Mißstimmigkeiten bringt. Guter Rat ist da wirklich teuer, also nehme ich das geringere Übel und organisiere, was ich für gut finde.

Bei der Beschaffung des Busses beraten mich die Schüler, und buchstäblich in letzter Minute finden wir noch ein günstiges Angebot bei den Dürener Verkehrsbetrieben. Der Aufenthalt in der Jugendherberge in Duisburg-Wedau war dagegen schon länger bestellt. Es fahren alle Schüler mit, 15 Mädchen und 8 Jungen. Ein Mädchen ist über 18 und stellt sich als Aufsichtsperson für die Mädchen zur Verfügung – heute geht das – warum auch nicht?

 

Wuppertal – Schwebebahn

Also  - Montag 9 Uhr (23.09.) geht´s los, wir sind schnell mit unserem Bus, in dem wir 24 Fahrgäste fast verschwinden, in Wuppertal, wo die Schwebebahn als erster Programmpunkt vorgesehen ist, und haben noch Zeit, vor der vereinbarten Führung erst einmal die Strecke abzufahren. Der Busfahrer fährt leer neben der Bahn her und schafft es gerade, uns am Endbahnhof Vohwinkel wieder zu treffen. Beim Aussteigen aus der Schwebebahn – ein einmaliges Erlebnis – stifte ich meine Schüler an, die Bahn ein wenig zu schaukeln, was auch gelingt. Doch die Fahrerin ruft uns in Anwesenheit unseres Führers, eines für solche Sache abgestellten Kontrolleurs, der uns schon erwartet, recht unflätige Worte hinterher, die auch ich nicht so sehr ernst nehme, was ihren Zorn umso mehr reizt; ich bitte den Kontrolleur, der Fahrerin meine Entschuldigung auszurichten. Der Kontrolleur hat Verständnis und entschuldigt sich ebenfalls – für die Fahrerin. Dann sehen wir einen Film über die Schwebebahn, der gut ankommt. Bei der anschließenden Führung durch das Betriebswerk bekommen die Schüler leider nicht viel mit. Interessiert ist vor allem unser Fahrer, der auch an der Führung teilnimmt. Mittagessen nehmen wir auf einer Regattatribüne am Baldeneysee mit mitgebrachter Erbsensuppe und Würstchen nach altem Brauch ein.

Dann suchen wir in Essen noch einen historischen Krupp´schen Schmiedehammer, aber wir werden so herumgeschickt oder verfahren uns, so daß wir schließlich die Suche abblasen (ich entschuldige mich später bei dem Museum, unter dessen Aufsicht der Hammer steht, dass wir ihn nicht gefunden hätten).

Bald nach vier Uhr sind wir in der Jugendherberge in Duisburg-Wedau, wo wir unsere Zimmer alle auf einem Flur, der sowohl zur Mädchen als auch zur Jungenseite gehören kann, erhalten. Außer uns ist noch eine Grundschulklasse aus Münstereifel da und eine große Lehrlingsgruppe von Thyssen aus Duisburg. Wir befinden uns also zwischen diesen beiden Gruppen – und die Mädchen beschweren sich auch gleich über die Thyssen-Leute, angeblich werden sie von einigen Türken, die darunter sind, belästigt. Ich hoffe, daß sich das von alleine regelt, wenn wir erst einmal einen Tag da  sind. Abends fahren die meisten mit dem Bus in die Stadt („wir bleiben zusammen!“) – ich gehe mit etwa acht Jungen und Mädchen am Regattasee, der im nahen Parkgelände liegt, entlang in eine Sportclubgaststätte, wo wir ein Bier (oder Cola) trinken. Die Nacht verläuft zunächst lebhaft, schließlich, um ½ 2 ist Ruhe. Ein Problem sind noch die Türken (und einige Deutsche), die auch keine Ruhe geben. Mit dem Herbergsvater und den Betreuern der Thyssen-Jungen und dem Lehrer aus Münstereifel bildet sich eine abendliche Tagungsrunde, die an den kommenden Abenden regelmäßig „tagt“. Es ist ja gut, wenn sich die Leiter verstehen, das macht das Zusammenleben einfacher.

 

Dienstag: Hafenrundfahrt.

Bald nach 9.00 Uhr geht’s von der Jugendherberge los. Von den Wuppertaler Stadtwerken hatte ich Gruppenermäßigungsformulare zugeschickt bekommen, die mir unsere Sekretärin abgestempelt hat und die damit auch in Duisburg gelten. So haben wir 50 % Fahrpreisermäßigung, was unsere Spesen ganz erheblich vermindert und mich veranlaßt, sehr viel mehr als geplant auf Gruppenkasse zu nehmen.

Da der Umsteigefahrschein 90 Minuten gültig ist, bietet sich beim Umsteigen in der Innenstadt gleich eine Unterbrechung an – also fahren wir nicht unmittelbar weiter, sondern jeder hat 35 Minuten „freien Ausgang“ bis zum Treffen „an der Bahnhofsuhr“. In Ruhrort, wo die Hafenrundfahrt beginnt, gehen wir zunächst zum Schiffahrtsmuseum, das im alten Rathaus untergebracht ist, eigentlich sehr schön und liebevoll gemacht, auch mit alten, im Schlamm gefundenen Einbaumresten – doch für die Schüller ist das alles nur wertloses „Treibholz“ – das wenig Interesse erregt. Nur Markus, der sich sehr mit religiösen Dingen beschäftigt, findet etwas Bemerkenswertes: handgeschmiedete Nägel. „mit solchen wurde auch Jesus gekreuzigt...“. Am geplanten Picknick mit Rühreiern wollen sich 12 beteiligen (eine Pfanne muß erst gekauft werden, den Kocher habe ich dabei), der Rest versorgt sich irgendwo mit Fritten oder ähnlichem. Mit restlichen Eiern machen vor allem die beiden Uwes Eierweitwurf (erstaunlich, daß die Eier auf dem Rasen nicht zerspringen), nach 2 Eiern stoppe ich aber diesen Wettbewerb. Um 2 Uhr schließlich beginnt unsere Rundfahrt; wir wollen die einstündige nehmen, die zweistündige soll nach Erfahrung einiger Schüler „nicht mehr“ bringen.

Doch kommt bis zum ersten Anlegen (in Duisburg-Mitte) kein Kontrolleur, der kassiert. Da wir noch keine Erklärungen, wie sie sich für eine Hafenrundfahrt gehören, bekommen haben, bleiben wir sitzen. Schließlich kommt der Kontrolleur und will uns die zweistündige Fahrt berechnen. Dagegen protestiere ich mit scheinheiligem Gesicht: wir hätten noch keine Erklärungen bekommen, außerdem habe die erste Etappe nur 45 Minuten gedauert. Schließlich sind wir ja auf einer Schulfahrt und die Schüler sollen etwas lernen... Der Kontrolleur wird schließlich weich und fragt, ob alle unter 15 seien (eigentlich ist das ja schon eine Aufforderung, das zu bejahen...), doch ich meine, etwa die Hälfte sei älter. Also gut: wir kommen jedenfalls sehr gut weg. Mein Erfolg macht bei den Schülern die Fahrt gleich attraktiver. Das ist auch nötig; besonders Ruth und Ellen beschweren sich über die häßliche Kulisse: Schrottberge und eintönige Kaimauern. Ich reagiere deutlich verärgert: Schließlich habe ich mir dieses Ziel ja auch nicht ausgesucht – und durch die dauernde Motzerei wird eine Fahrt ja auch nicht schöner, schließlich soll man doch aus dem, was nun einmal ist, auch etwas machen...

Nach der Fahrt geht´s auf demselben Weg zurück. Iris und Markus kommen mit, den Bernstein im Haus Königsberg anzusehen, das ganz in der Nähe des Bahnhofs ist. Ich finde, daß gerade solche kleinen Museen ihren besonderen Reiz haben. Als wir unterwegs das Theater sehen, kommt uns die Idee, gleich in die Oper zu gehen, weil da eine Aufführung ist. Markus macht auch gleich mit: Es gib die Schweigsame Frau von Strauß; allerdings gefällt ihm die Sache nicht, er kann noch nicht einmal erkennen, daß auf Deutsch gesungen wird). Abends dann Eisdisko in der nahen Eissporthalle. Die Betreuer der Thyssen-Jungen kamen mit der Idee, vor allem habe die Firma einen guten Rabatt ausgehandelt. Ich finde die Idee gut, vor allem wegen der Entschärfung der Lage, ist man erst einmal zusammen, verschwinden auch die Belästigungen: Auch ich leihe mir Schlittschuhe aus – und siehe es geht nach knapp 30 Jahren Pause auch noch erstaunlich gut! So lange ist es wohl her, dass wir auf dem „Lido“ von Köln mit unter Winterschuhe geschraubten Schlittschuhen geübt haben! Und in der Nacht: ist wieder dasselbe. Uwe hat Geburtstag, auch noch „Fritsche“ (wie Friederike genannt wird), und Uwe hat jede Menge Sekt mitgebracht und beim Herbergsvater kaltgestellt – und einige haben auch darauf ganz schön einen im Kahn. Was will ich machen. Ich kann nur hoffen, daß der Stoff ausgeht, und alles von alleine aufhört. Eine Flasche Weißen Rum stelle ich sicher, warum Vera die mitgebracht hat, kann ich mir nicht erklären. Und die Nacht wird wieder lang; wenn ich so auf dem Gang stehe und aufpasse, kommt mir ganz schön die Galle hoch. Es dauert wieder mit dem Ende bis ½ 2. Aber wenn ich gar nichts unternehme, geht´s die ganze Nacht durch, außerdem muß man ja auf die anderen Gäste Rücksicht nehmen.

 

Am Mittwoch bin ich erstens sauer, außerdem setze ich wegen der Moserei den freien Tag an. Bei der geplanten „Klassenolympiade“ im nahen Sportpark machen nur „Zilli“ und Stefanie, Markus und Uwe K. mit.

Trotz meiner Spikes kann ich mit Uwe auf der 100-m-Strecke nicht mithalten, meine beste Zeit ist so um die 13,6; wenigstens habe ich in den nächsten Tagen leichten Muskelkater. Nach dem Mittagessen kommen einige mit zum Schwimmen in der nahen Hallenschwimmbahn, (hier bin ich im Wetttauchen endlich einmal besser als die jungen <rauchenden> Leute), anschließend geht´s mit 18 von ihnen zu einer Bowling-Bahn. Die (kleine) Iris hat Schwierigkeiten, die Bowling-Kugel richtig auf die Bahn zu bringen und entwickelt einen neuen Stil (mit beiden Armen breitbeinig – den Schwung holt sie immer mehrmals – und sie hat auch einigen Erfolg damit. Abgerechnet wird nach Gruppen; es dreht sich um 80 Pfg. Unterschied, aber immerhin. Ach ja, zur Abrechnung: Ich habe mich entschlossen, wie bei meinen bisherigen Fahrten keine Mischkalkulation zu machen, sondern jeweils für die einzelnen Teilnehmer gesondert abzurechnen: Jeder hat also am Ende der Fahrt eine andere Summe. Der Vorteil ist die größere Gerechtigkeit. Außerdem brauche ich nicht laufend einzusammeln, wenn ich für alle bezahle, um in den Genuß irgendeines Mengenrabatts zu kommen. Nach meinen Erfahrungen hat die Gemeinschaftskasse (d.h. daß irgendeine Veranstaltung oder ein Essen pauschal verrechnet wird) vor allem den Nachteil der Nivellierung – es wird das gewählt, was „alle mögen“ und den Nachteil der erhöhten Preise – wenn etwas auf Gemeinschaftskasse geht, gibt sich keiner die Mühe zu sparen. Fahrtkosten (die gemeinschaftlichen) und Jugendherberge und dergleichen werden ohnehin gemeinschaftlich verrechnet. Ich glaube, diese Verrechnungsweise macht kaum mehr Arbeit (eigentlich immer findet sich ein Schüler, der einem die Arbeit weitgehend abnimmt) und verhindert Mißstimmungen, die wirklich nicht sein müssen.

Und abends ist im Fernsehen Fußball; anschließend die Sendung „hotel“ (gesprochen „houtl“). Da es in der Oper Don Giovanni gibt, (Iris und Markus wollen mitgehen), bitte ich Markus, anzurufen, ob sie noch freie Plätze haben – und wir gehen schließlich. Iris hat sich feingemacht – sie hat extra ein Kleid mitgebracht. Leider sind fast alle Karten ausverkauft. Wir bekommen nur noch zwei getrennte Plätze zu je 5,00 DM für die jungen Leute und ich gehe mit einem Herrn mit, der mir einen Abonnementsplatz in der 7. Reihe für 10,00 DM läßt. Die Vorführung ist italienisch und phantastisch – in der Pause spüre ich sogar bei meinen beiden jungen Begleitern nur Begeisterung. Das Ende des Don Giovanni ist, wie ich es auch einmal in Leipzig gesehen hatte, psychologisch: er wird nicht von der Hölle verschlungen, sondern stirbt an seinen Gewissensqualen. Hübsch ist der Einfall der Regie, daß Don Giovanni bei seinem letzten Essen (wo Leporello immer mit vollem Mund spricht) umgeben ist von seinen Haremsdamen, die ihn auch heftig umschwirren und intensiv massieren. Hinter der Bühne ist die ganze Zeit ein riesiger Spiegel – soll das heißen, daß sich die Zuschauer als die Mitspielenden betrachten sollen? In den Hauptrollen Zerlina und Don Ottavio singen Japaner. Zufrieden fahren wir in die Jugendherberge, wo immer noch high-life ist. Eigentlich wollten „wir“ um Mitternacht Schluß machen, aber es gelingt eben nicht. Wenigsten einige meiner jungen Leute haben von Rücksicht noch nie etwas gehört. Der Herbergsvater, den ich vor der Oper gebeten hatte, nach dem Rechten zu sehen, hatte bereits einmal die Jungen und die Mädchen getrennt, jetzt aber haben sich einige die üblichen merkwürdigen Klassenfahrtsscherze ausgedacht: Klinken mit Zahnpasta beschmieren usw. Ich finde alles mehr lästig als lustig und „sinne auf Rache“. Ärgerlich ist, daß der Koffer von Markus verschwunden ist. Einer erklärt sich bereit, ihn vom Flachdach vor dem einen Fenster der Jungen zu holen, was den Herbergsvater der dies beobachtet, sehr erzürnt. Vor ½ 2 ist wieder nicht Ruhe.

 

Beim Frühstück am Donnerstag gebe ich meinen Unmut kund und meine, daß wir nicht aufbrechen, bevor nicht mein Zimmer wieder in Ordnung ist – und dann auch erst nach einer halben Stunde. Petra und zwei Jungen erklären sich bereit, die Sache zu erledigen, mit dem Hinweis, daß sie aber damit nichts zu tun hätten (ich bin mir auch sicher, daß es sich so verhält) und schließlich fahren wir zum Zoo.

Die übliche Unterbrechung am Hauptbahnhof fällt aus, weil wir nur einen 40-Minuten-Fahrschein haben. Der Zoo ist recht teuer, aber er lohnt sich; die Gehege sind in einem schönen Park. Wir treffen uns um 13.30 Uhr am Delphinarium (auch hier kann ich handeln), und wir sind begeistert. Was die Delphine nicht alles können – und es scheint ihnen sogar Spaß zu machen. Zu dritt springen sie über hohe Stangen, ziehen Kinder im Bötchen durchs Becken, ziehen den Vorführer auf ihren Rücken stehend durchs Becken und spielen schließlich Fußball, so dass (mit Warnung) die ersten 3 Reihen mit wahren Wassergüssen eingedeckt werden. Wir können uns vor Vergnügen kaum halten – es gibt laufend Beifall. Zur Walschau kann ich leider anschließend nicht mehr gehen, denn nach der Delphinschau ist das Interesse  meiner jungen Freunde nun doch wieder erschöpft, außerdem hatten die meisten die Schau schon bald nach ihrem Eintritt in den Zoo gesehen. Leider ist es so, daß beim Einzelrundgang die meisten jungen Leute den ganzen Zoo (oder was es sonst noch zu besichtigen gibt) im Eilmarsch durchqueren und nach etwa 15 Minuten schon „fertig“ sind, Pech für unsereinen, der sich mehr Zeit läßt. Also gleich nach der Delphinschau wieder weiter. Da wir viel Zeit haben, unterbrechen wir die (diesmal doppelt bezahlte) Fahrt für 90 Minuten. Die meisten benutzen die Zeit zum Einkaufsbummel. Markus und ich gehen ins Lehmbruckmuseum. Von den Plastiken Lehmbrucks sind wir angetan, was es sonst noch gibt, erweckt mehr Bewunderung, nein Verwunderung: zusammengeschweißte Bleche usw. Hier haben wir eine Bildungslücke gefüllt!

Abends wieder Eisdisko. Bernd fährt so unmöglich, daß ich mehrere Male stürze – mein Handgelenk tut jetzt noch weh. Andere stürzen aber auch (m.E. ohne Bernd: Andrea W. hat sich am Knie recht schwer verletzt, sie muß auf dem Nachhauseweg fast getragen werden). Die jungen Leute scheinen alle recht k.o. zu sein. Wie immer „tagt“ die Leiterrunde. Und da lange nach Mitternacht immer noch nicht richtige Ruhe ist, fangen jetzt wir Leiter mit dem „Herbergszauber“ an – irgendwoher hat der Herbergsvater eine Druckluftfanfare, mit der gegen 2 Uhr Alarm „geblasen“ wird. Ist es „Rache“ oder ist es ein Hinweis auf die Rücksichtslosigkeit, die sich manche so sehr leisten, dass sie sie auch einmal selbst erfahren müssen, jedenfalls bin ich auch ein Mensch und demonstriere, daß auch ich Spaß am Krachmachen habe. Ich erfinde auch eine „Gefechtslage“ und vermelde, daß in zwei Stunden die Rheinbrücke gesprengt wird, weil die „Feinde von Osten“ kommen... (Die Zimmer, in denen es ruhig ist, werden allerdings von der Alarmübung verschont). Um drei Uhr breche ich die „Alarmübung“ ab – morgen ist auch noch ein Tag!

 

Freitag: Unser Bus kommt pünktlich. Wie gesagt, gar nicht einverstanden sind meine Schüler, daß es in Bochum noch zwei Programmpunkte geben soll: Planetarium und Bergbaumuseum. Nach wie vor bestehe ich aber darauf, dass man das alles mitnehmen sollte, wenn man schon einmal im Ruhrgebiet ist und wenn sich die Gelegenheit bietet. Der Abschied von der Jugendherberge verläuft ruhig, lediglich die Preßluftfanfare plärrt wieder. Möglicherweise hat sich ein Mädchen in einen der Thyssen-Jungens verliebt, ich kann das nicht so recht einschätzen. Ansonsten höre ich kurz nach der Abfahrt „Gott sei Dank, daß wir die Typen los sind“ oder so ähnlich.

Vor dem Planetarium in Bochum sieht es zunächst nach Streik aus, aber schließlich kommen doch alle mit ins Planetarium, als ich Disziplinarmaßnahmen androhe. Ob sich jetzt die „Alarmübung“ bemerkbar macht? Im Planetarium, einem großen Kuppelraum, stehen um die Projektionsapparatur, mit der das Himmelsgewölbe an die Kuppel projiziert wird, äußerst bequeme Liegesessel – damit ist die Bestuhlung hier nun wirklich bequemer als die des Busses. Als das Licht ausgeht (so richtig wie bei einer Dämmerung), befinden wir uns inmitten der prähistorischen Ruinen von Stonehenge. Mit dem Vortragenden „steigen wir dann auf einen hohen Berg, um das Streulicht unter uns zu lassen“ und erleben einen phantastischen Sternenhimmel. Ich bekomme jedenfalls richtig Lust, wieder einmal unter dem freien Himmel zu schlafen. Dazu eine Art „Sphärenmusik“, die auch bei den Schülern ankommt. So läuft z.B. die Musik, wenn im Zeitraffer von drei Minuten die Himmelsbewegungen eines ganzen Jahres simuliert werden (jeweils der Mittagsstand, die Sonne ist zu einer blassen Scheibe abgeschwächt). Man sieht sehr gut die Bahnen der Planeten. Immer wieder gibt es Höhepunkte, bei denen sogar Begeisterungsgemurmel „ah“ und „oh“ zu verspüren ist - und der Tonfärbung nach offensichtlich nicht nur von der Rentnergruppe, die auch noch da ist.... Interessant ist die Simulierung einer Sonnenfinsternis und ein Bild des südlichen Sternenhimmels im Rahmen einer Reise um die Welt über die Pole. Vielleicht waren meine Schüler nur deshalb vorher so skeptisch, weil sie überhaupt keine Vorstellung von dem Planetarium hatten und weil ich es ihnen auch nicht richtig erklärt habe? Aber ich wußte es ja auch nicht besser, nur schwach kann ich mich an meinen letzten Planetariumbesuch vor über 30 Jahren im Deutschen Museum in München erinnern, wobei ich allerdings recht wenig verstanden hatte, und attraktive Musik gab es damals dort schon gar nicht. Und noch etwas: Bei der Erklärung des Sternenhimmels werden immer wieder Dias eingeblendet, so ist alles sowohl informativ als auch attraktiv. So müßte Schule immer sein!

Gott sei Dank, dass dieser Programmpunkt gelungen ist, ein Problem für die Schüler ist, daß wir durch die nächste Besichtigung recht spät nach Hause kommen, doch höre ich kaum Stimmen, die gleich fahren wollen, sie sind alle neugierig geworden. Zum Mittagessen fährt uns der Bus zur Mensa; ich habe telefoniert, es gibt das Tagesessen für 1,80 DM. Unter der Mensa können wir parken und ich kaufe Marken und gebe jedem eine. Es gibt Frühlingsrolle mit Hühnerfrikassee. Ich finde das Essen gut, einige hätten lieber Hamburger usw. gegessen, die es an einer anderen Essensausgabe gibt, wie hinterher festgestellt  wurde. Das nächste Mal weiß ich es, allerdings bietet sich die Verpflegungsart in der Mensa nur in den Sommerferien an, sonst gibt es über 30 000 Studenten... Telefonisch kann ich die Führung im Bergbaumuseum um eine Stunde vorverlegen, was mit Freude aufgenommen wird, so wird auch das hier attraktiver. Wir werden von einem älteren Herrn geführt, einem pensionierten Kumpel, der seine Sache sehr gut macht. Die Stollen, durch die wir gehen, sind nachgebaut mit allen technischen Einrichtungen, die es so in einem Bergwerk heute gibt. Einige Maschinen werden vorgeführt. Allerdings ist das Ganze wohl eher nur ein Vorgeschmack auf ein richtiges Bergwerk, so fehlt z.B. die hohe ständige Temperatur mindestens 1000 m tiefer, die trotz Kühlung um die 28 Grad beträgt. Gut ist, daß durch die engen Gänge der Führer gut zu verstehen ist. Einige gehen noch in ca. 20 min. durch einige der 20 Ausstellungshallen, dann geht´s nach Hause.

Im Bus rechnet Uwe K. die genauen Kosten für jedermann aus, von den 150 eingezahlten DM bekommen zwei Mädchen etwas heraus, die anderen müssen bis knapp 10 DM zuzahlen, je nach Bowling, Einkauf, Bettwäsche und Picknick. Ich habe das Gefühl, man ist zufrieden. Und wir kommen trotz eines kleinen Staus – es ist immerhin Freitagnachmittag – noch eine halbe Stunde vor der versprochenen Ankunftszeit an (das kommt bei mir selten vor).

Resümee

Das war also die Fahrt ins Ruhrgebiet, ein auf den ersten Blick merkwürdiges Ziel für eine Klassenfahrt, aber ich glaube, wir haben trotzdem etwas daraus gemacht. Ich meine sogar, bei den Schülern ein wenig Zufriedenheit zu verspüren. Auch Ruth und Ellen sind gar nicht mehr motzig; sie sprechen mich darauf an, ich habe es aber ihnen auch so schon angenehm bemerkt.

Das Problem ist eben: Läßt man alles seinen Lauf laufen, kommen keine vernünftigen Gruppenstärken für eine Unternehmung zustande, und selbst an und für sich für Schüler attraktive Sachen müssen ausfallen. Außerdem wird ja eine solche Fahrt geprägt durch möglichst eindrucksvolle gemeinsame Erlebnisse. Und solche Möglichkeiten sind im Ruhrgebiet rar, da muß man schon das ausnutzen, was es gibt und die jungen Leute auch ein wenig dazu nötigen. Denn wenn gar nichts unternommen wird, ist`s auch nicht richtig. Ich glaube, die Schüler haben diese Problematik auch gesehen. Vielleicht spukt auch in vielen Köpfen, daß eine solche Fahrt eine Art Sonderferien ist. Ich meine, ja und nein. Es soll m.E. Unterricht ohne Zwang für bestimmte schulische Leistungen sein, also nicht auf Referate und Arbeiten hinauslaufen. Dieser Unterricht soll Ineresse wecken und Spaß machen. Die meiste Zeit in unserer Gesellschaft ist schließlich sowieso „Freizeit“, vor allem auch dafür soll eine solche Fahrt Modell sein. Die Schüler sollen merken, daß eine Fahrt in der Erinnerung umso schöner ist, je mehr sie erlebt haben. Es lohnt sich, nicht nur Faulenzferien zu machen.

Ob mir mein Ziel gelungen ist, weiß ich nicht.

Ein weiteres Problem , das besonders mit „gemischten“ Klassen auftaucht. Mit dem Herbergsvater war ich mir einig, daß die Trennung nach Jungen und Mädchen in den einzelnen Zimmern eigentlich krampfig ist und daher überflüssig wäre, wenn man gewiß wäre, daß die jungen Menschen sich dabei vernünftig benähmen. Und wir waren uns auch einig, daß die jungen Menschen oft uns Erwachsenen da noch etwas vormachen, was die Vorbildlichkeit anbetrifft. Wenn ich vom Unterricht her den Eindruck hätte, daß ich es mit wirklich bewußten Menschen zu tun hätte, würde ich mich auch hier für eine Änderung einsetzen. Aber das ist wohl noch ein weiter Weg in meinem Unterricht und in unserem Christentum überhaupt. Also finden die Fahrten wie bisher statt.

Ein Fehler von mir war sicher, daß ich Brigitte, die ja auch als Aufsicht eingeteilt war, so wenig an Entscheidungen beteiligt habe. Vielleicht lag das aber auch daran, daß wir es etwa versäumt haben, uns beim Essen zusammenzusetzen, öfter miteinander zu reden oder auch sie nur bei unseren Unternehmungen auch noch als Leiter vorzustellen. Vielleicht hätte sie sich auch ab und zu zu unserer „Leiterrunde“ setzen sollen. Dadurch hätte vielleicht von vorneherein einiges entspannter sein können. Beim nächsten Mal weiß ich´s besser. Jedenfalls sehe ich kein Problem, eine solche Fahrt ohne zweite (weibliche) Aufsichtsperson aus der „tatsächlichen“ Erwachsenenwelt durchzuführen.

Das ist ungefähr der Eindruck der Fahrt aus meiner Sicht, Schwierigkeiten lagen sicher auch an mir, aber wir haben uns wohl zusammengerauft, eine zweite Fahrt würde sicher noch besser laufen!

Diesen Bericht hatte ich einmal für mich selbst gemacht und nicht den Schülern gegeben. Und als sie ihn dennoch wollten, versprach ich „nach zehn Jahren“... Nun, wenn sie wollen, können sie ihn jetzt im Internet finden...

(Website basisreligion mit basislexikon, basisdrama, basisgesprächen, basisreisen)