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 Wie man aus zwei Ereignissen, die von Jesus berichtet werden und die mit großer Wahrscheinlichkeit wirklich geschehen sind, den wirklichen Jesus rekonstruieren kann. Mir wird schon mal vorgeworfen, ich würde mir aus einer Kiste mit Zahnrädern diejenigen raussuchen, die mir passen, und daraus dann diese zusammen mit anderen Zahnrädern, die ich von irgendwoher nehme, zu einen Mechanismus zusammen setzen, so wie ich ihn haben will und behaupten, dass das dann der „wahre Mechanismus“ sei. Dazu kann ich nur sagen: Wir denken in Bildern, um uns etwas plastisch vorzustellen, und das Bild von den Zahnrädern ist auch so ein Bild. Doch dieses Bild passt einfach nicht, wenn es um die Geschichtlichkeit von Jesus geht, denn schließlich kann man an einem Zahnrad, außer der Größe und dem Material, nicht viel erkennen. Solche Zahnräder können nun wirklich zu allem Möglichen und Unmöglichen passen. Doch meine „Teile“, die ich so zusammen setze, sind ja nicht solche „anonymen“ Allerweltsteile. Wir haben im Hinblick auf Jesus doch
                  "Mosaiksteinchen" oder auch "Gemäldereste" vor uns,
                  auf denen schon etwas sehr Konkretes zu erkennen ist,
                  und die also eher zu einem "Mosaik" oder zu einem
                  "alten Wandgemälde" gehören, wovon allerdings das
                  meiste und sogar das Wesentliche zerstört und nur
                  weniges erhalten ist. Daher ziehe ich das Bild von der
                  Rekonstruktion von weitgehend zerstörten Mosaiken oder
                  Gemälten vor. Und genau das mit der Rekonstruktion von
                  Mosaiken und Gemälden habe ich auch mehmals in der
                  Wirklichkeit gesehen. Da war von einem Mosaik oder von
                  einer Wandmalerei also fast alles verloren gegangen –
                  und zu den wirklich echten Partien haben die
                  Restauratoren dann das komplette Bild – farblich etwas
                  blasser, damit man den Unterschied sieht – dazu
                  rekonstruiert.  Ja, wie kamen sie dazu? Woher wussten sie, was da fehlte? Ganz einfach: Da gab es woanders genau solche oder ähnliche Mosaiken oder Gemälde, diesmal allerdings komplett oder zumindest besser erhalten, zu denen genau die erhaltenen Steinchen oder Partien passten. Und so gehe auch ich vor – ja, wie ein ganz normaler Restaurator. Nur geht es hier nicht um Bilder, sondern um Texte. Im Fall des Neuen Testaments sind das nun
                  einmal viele „Steinchen“ oder „Gemäldeteile“, die von
                  vornherein aussortiert werden können, weil sie
                  eindeutig spätere Zutatens sind, weil sie überhaupt
                  nicht historisch sein können, weil sie offensichtlich
                  zu anderen Mosaiken oder Gemälden gehören, weil sie
                  typische Legenden aus der damaligen Zeit oder gar
                  direkte Plagiate von anderen Texten sind, weil sie
                  angeblich erfüllte Prophezeiungen aus älteren damals
                  allgemein bekannten Texten sind. So können wir etwa
                  auch dieses typische "Religionsgepredige" (ich könnte
                  mich hier auch derber ausdrücken!), wie wir es im
                  Großen und Ganzen aus vielen Religionen kennen und wie
                  es auch Jesus zugeschrieben wird, „aussortieren“.
                  Zumal wegen solcher Predigten Jesus nie und nimmer
                  gekreuzigt worden wäre. Übrig als wirklich historisch bleiben für mich nun – auch unter Berücksichtigung der mit bekannten bibelkritischen Literatur, nach der von nichts bis fast nichts von dem, was über Jesus berichtet wird, wirklich geschehen ist – nur zwei "Ereignisse" (zumindest möchte ich mich nur auf diese beiden am ehesten gesicherten Ereignisse beschränken): Die Kreuzigung Jesu – und die Sünderingeschichte nach Johannes 8, wie Jesus also eine Frau vor der Steinigung errettet – und hier auch nur auf die reinen Fakten ohne alle Worte. Ja, an manche Fakten konnte man sich nach vielleicht fünfzig und sogar nach viel mehr Jahren noch erinnern, als die Evangelien aufgeschrieben wurden, aber an irgendwelche konkreten Worte eher nicht mehr, es sei denn, es waren solche "Totschlagworte" wie denen von "dem ersten Stein zu werfen". Und aus diesen beiden "Mosaik-" oder „Gemälderesten“ habe ich nun rekonstruiert – und ich denke, das geht auch sehr gut! (Ja, warum nun gerade diese Erzählung von der Sünderin nach Joh. 8 stimmen dürfte, möglicherweise sogar viel mehr als alle sonstigen Evangelientexte, obwohl sie erst um die hundert Jahre nach Jesu Tod in die Evangelien kam? Es wird möglicherweise so gewesen sein, dass es Auftraggeber für die Evangelien gab mit der Maßgabe, eine schöne Universalreligion zu schaffen, aber bitte auf keinen Fall eine gesellschaftskritische Revolution anzuzetteln. Und so kam es zum Konzept eines eher mystisch-verklärten Jesus, in das die Geschichte von der Sünderin in ihrem urspünglichen Sinn einfach nicht passte. Doch sie war nun einmal das Besondere an Jesus und wurde daher von Generation zu Generation weiter gegeben - auch ohne dass sie irgendwo schriftlich festgehalten war. Und nach hundert Jahren war der ursprüngliche Sinn dieser Geschichte nur noch vage oder gar nicht mehr vorhanden und so konnte man sie mit einem neuen Sinn, nämlich dem der Vergebung der Sünderin, in das letzte der Evangelien einbauen, nämlich in das Johannesevangelium, das damals gerade auftauchte - bzw. verfasst worden war. Siehe dazu vor allem auch unter "Die echte Monogamie, was denn sonst".) Doch zu der
                      Rekonstruktion aus den zwei Ereignissen: 
 Jedenfalls denke ich, dass ich auf ein Jesusbild gekommen bin, dass nicht nur stimmig ist, sondern dass auch gerade heute für junge Menshen direkt spannend ist und also ihnen gut „rübergebracht“ werden kann. Das Problem sind die Erwachsenen. Die wollen einfach nicht und haben immer neue Rationalisierungen (oder auch „Ausreden“), warum das so nicht geht, was und wie ich das bringe. So sind gerade die Menschen, die sich selbst für fromm und moralisch halten und denken, dass sie sich für eine echte Moral einsetzen, diejenigen, die in der Praxis das Werden einer echten Moral direkt blockieren. Im Grunde brauche ich nur 10 % meiner Energie, um junge Menschen für eine echte Moral zu begeistern, und 90 %, um diese nichtwollenden Erwachsenen zu überzeugen. Die jungen Leute wollten es längst, wenn sie es nur wüssten … Wenn ich hier etwas drastisch bin, dann auch deswegen, weil ich nach meiner Erfahrung die frommen und moralischen Leute letztlich doch nicht überzeugen kann, die verweigern sogar meistens jegliche Streitkultur und bleiben bei ihrer Meinung, selbst wenn die noch so unlogisch ist. Doch vielleicht komme ich ja an andere gutwilligen Zeitgenossen heran, die sich bisher von den üblichen legendenhaften Jesusgeschichten vor den Kopf gestoßen sahen und daher keinen Zugang zu Jesus hatten. Natürlich, es kann auch alles ganz anders
                  sein. Doch bitteschön, dann sollte derjenige, der hier
                  andere Ideen hat, sich mal dran machen, aus den
                  vorhandenen Resten ein besseres Mosaik zu
                  rekonstruieren. Ich hoffe, ich bin offen für etwas
                  Besseres. |