WILLENSFREIHEIT (Basislexikon: kompetent-kritisch-konstruktiv)

Dass es eine  WILLENSFREIHEIT des Menschen gibt, gilt unter den meisten Philosophen, Theologen und dabei vor allem auch Pädagogen gesichert. Doch sollten wir uns das Problem einmal von einer anderen Seite ansehen: Die These von der Willensfreiheit des Menschen, die man akzeptieren muss, selbst wenn sie einen Menschen in die Irre führt, ist gerade auch für Philosophen, Theologen und Pädagogen sehr bequem: Sie erspart ihnen das Nachdenken, inwieweit sie selbst durch ein uneffektives ethisches Konzept, mit dem sie die ihnen anvertrauten Menschen beeinflusst haben, nicht viel mehr an deren irrigen Entscheidungen schuld sind, jedenfalls viel mehr als die es selbst sind.

Auch hier ist es m. E. sinnvoll, konkrete Situationen zu betrachten: Da fängt also ein "unschuldiges" Mädchen eine Liebesbeziehung mit einem absolut ungeeigneten Partner an, und alles wissen, dass daraus nichts werden kann, weil die beiden einfach nicht zueinander passen. Doch nach dem Prinzip der Willensfreiheit muss man die beiden lassen ...
Die Frage stellt sich, inwieweit dieses Mädchen nicht durch eine verfehlte Erziehung in diese Beziehung regelrecht hineingetrieben wurde. Durch die Erziehung zur Scham mit der Angst vor der Nacktheit wurde ja gerade immer das Harmlose und Natürliche verteufelt und schließlich auch unmöglich gemacht und es so in das Nichtsoharmlose hineingetrieben. Denn es war ja eigentlich vorauszusehen, dass irgendwann die Phase der Partnerfindung im Leben eines jungen Menschen kommt und dass man ihn auf diesen Fall hätte vorbereiten und ihm also dafür das Werkzeug gerade auch für das Thema "Sexualität" in die Hand hätte geben müssen, damit er das Problem auch selbständig und für ihn selbst erfolgreich angehen konnte. 

Doch ich sehe ein, dass eine solche Erziehung keinesfalls einfach ist. Da nun eine vernünftige Erziehung in einer Gemeinschaft erfolgen muss, denn was hätte ein junger Mensch davon, wenn nur er alles "richtig" macht und nicht auch seine jungen Mitmenschen, die für eine Beziehung infrage kommen, müsste also auch eine Erziehung zur Überwindung der Scham, die ja für eine echte Sexualmoral Voraussetzung ist, in einer Gemeinschaft (Erstkommunionunterricht, Konfirmandenunterricht, schulischer Religionsunterricht) geschehen - erforderlichenfalls auch mit der "dazugehörigen Praxis". Die jungen Leute müssen ja merken, wie schön gerade auch das Harmlose und Natürliche ist und dass hier "gar nichts passieren muss". Und hier liegen die Schwierigkeiten. Denn wenn ich das als Lehrer versuche, treffe ich zumindest zuerst einmal weitgehend auf Missverständnisse: "Dem geht es ja nur darum, nackte Mädchen zu sehen" oder "Warum macht der das, welche sexuellen Probleme mag der haben?" Zumindest muss man sehr perfekt sein, um diese Vorurteile zu verhindern, oder man zumindest ein dickes Fell haben, dass man sich nicht sonderlich um die Vorurteile schert. Denn man ist ja nicht gleich auch immer perfekt, da ist ja vor allem auch ein langer Weg nötig - mit viel Versuch und Irrtum ...

Ich hoffe, mit dem Text "Der Kriminalfall Jesus" ein gewisses Ziel erreicht zu haben und damit auch anderen eine Hilfestellung zu geben.

 (Wörterbuch von basisreligion)