KASPAR-HAUSER-PHÄNOMEN. Zunächst einmal aus der Website http://www.projektpan.de/nuernberg.html die Geschichte von Kaspar Hauser: Am Pfingstmontag des Jahres 1828 treffen zwei Schuster auf eine die Straße "entlangwackelnde" Gestalt, die einen Brief in der Hand trägt, der einen gewissen Kaspar Hauser, Inhaber des Briefes, an den Rittmeister von Wessing verweist. Der Junge, mit dem kein Gespräch möglich scheint, wird dorthin gebracht. Als man ihm Bier und Wurst anbietet, lehnt er angeekelt ab. Brot und Wasser nimmt er an und schläft daraufhin ein. Der Rittmeister, der mit dem Burschen nichts anzufangen weiß, übergibt ihn der Nürnberger Polizei. Doch auch diese wird aus ihm und seinen Wiederholungen unzusammenhängender Worte nicht schlau. Schließlich
gelangt Kaspar Hauser (der jetzt 15 Jahre alt ist)
ins Gefängnis, wo sich der Gefängniswärter
Hiltel seiner liebevoll annimmt. Den Eindruck, den Hiltel damals von
Kaspar Hauser hatte,
schildert Georg Friedrich Daumer in einer Zusammenfassung eines
Gesprächs mit Hiltel:
"Hauser,
so
versichert Hiltel, sei anfangs ein pures Kind gewesen, ja
noch weniger als ein Kind. Eine solche Erscheinung aber
betrüglich darzustellen gehe über menschliche
Kräfte. Seine Unschuld sei ihm so
gewiß, dass er sie würde bezeugen müssen,
wenn auch Gott selber das Gegenteil behaupte. Als der Mann so sprach,
ward er vor Eifer ganz
rot im Gesicht." Am 28.
Mai wird
Hauser dem Nürnberger Stadtgerichtsarzt
vorgeführt. Dieser berichtet, dass Kaspar Hauser "offenbar auf
die heilloseste
Weise von aller menschlichen und gesellschaftlichen Bildung gewaltsam
entfernt" worden sei. Darüber hinaus konstatiert der
Mediziner die ungewöhnliche Anatomie der Knie Hausers und
dessen bemerkenswerte Art mit ausgestreckten Beinen und absolut geradem
Rücken
auf dem Boden zu sitzen. Später
machte Kaspar Hauser Aussagen über seine langjährige
Gefangenschaft in einem dunklen, engen Käfig, in dem er sich
nicht aufzurichten vermochte, die sich mit diesem Befund decken. Im Juni
übernimmt der Nürnberger Bürgermeister
Binder das Verhör
Hausers. Am 7. Juli 1828 schreibt er in einer öffentlichen
Bekanntmachung: "Sein
reiner,
offener schuldloser Blick dagegen, die breite hohe Stirn,
die höchste Unschuld der Natur, die keinen
Geschlechtsunterschied kennt, nicht einmal ahnet, und erst jetzt die
Menschen nur nach den Kleidern zu unterscheiden gelernt hat, seine
unbeschreibliche Sanftmuth, seine all seine Umgebungen anziehende
Herzlichkeit und Gutmüthigkeit, in der er anfangs immer nur
mit Thränen und jetzt, nach eingetretenem Gefühl der
Freiheit, mit
Innigkeit selbst seines Unterdrückers gedenkt, die zuerst in
heißer Sehnsucht nach seiner Heimath, seinem Kerker und
seinem Kerkermeister
bestanden, dann aber in wehmütige Erinnerungen
übergegangene und erst jetzt durch liebevolle Behandlung
allmählich verschwindende
Anhänglichkeit an das Vergangene, die eben so aufrichtige als
rührende Ergebenheit an all diejenigen, die häufig
mit ihm umgehen und
ihm Gutes erweisen, sein Vertrauen aber auch gegen alle anderen
Menschen, seine Schonung des kleinsten Insects, seine Abneigung
gegen alles, was einem Menschen oder einem Thier nur den leisesten
Schmerz verursachen könnte, seine unbedingte Folgsamkeit und
Willfährigkeit zu allem Guten, eben so sehr als seine Freiheit
von jeder Unart oder Untugend, verbunden gleichwohl mit der Ahnung, was
böse ist - und endlich auch seine ganz
außerordentliche Lernbegierde, durch die er mit
Hülfe eines ebenso schnell fassenden wie
treuen Gedächtnisses seinen Wörter-Vorrath, der
anfangs kaum in 50 Wörtern bestand, bereichert und bereits
Vorstellungen und
Begriffe von vielen Gegenständen - deren er außer
denen, die in seinem Kerker
waren,
keine kannte - und jetzt auch von Raum und Zeit erlangt
hat, seine ganz besondere Vorliebe für die ihm früher
ganz unbekannt gewesene Musik und das Zeichnen, seine Neigung und
Geschicklichkeit, beide zu erlernen, und seine ganz ungemeine
Ordnungsliebe und Reinlichkeit - so überhaupt sein ganzes
kindliches
Wesen und sein reines, unbeflecktes Innere - diese Erscheinungen
zusammen geben in demselben Maße, in welchem sie seine
Angaben über
seine widerrechtliche Gefangenhaltung unterstützen und
bekräftigen, die volle Überzeugung, daß die
Natur ihn mit den herrlichsten Anlagen
des Geistes, Gemüths und Herzens reich ausgestattet hat." Zusammenfassend
heißt es: "Die Gemeinde, die ihn in ihren
Schoß aufgenommen, liebt ihn und betrachtet ihn als ihr von
der
Vorsehung zugeführtes Pfand der Liebe." Diese
"merkwürdigste aller merkwürdigen Bekanntmachungen"
machte
zunächst in Deutschland und schließlich auch in ganz
Mitteluropa Furore. Kaspar Hauser war in aller Munde. Die
kriminalistisch kaum
reflektierte Bekanntmachung Binders machte ihn zum "Kind
Europas".
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