Neuinterpretation der Theologie von der Erbsünde (Basislexikon: kritisch-kompetent-konstruktiv)
Der Sündenfall als Missbrauch der Sexualität

- Überwindung der Erbsündenideologie -


Adam und Eva

Zunächst die passende Illus­tration zur "Erbsündenideologie": Wenn ich – etwa im Rahmen – einer Diaschau dieses Bild mei­nen Schülern zeigte und sie fragte, was ih­nen dazu einfällt, sagten sie immer: „Die Adam-und-Eva-Ge­schichte“. Als ich aber mal einen Erwachsenen frag­te, sagte er „Kamasutra“. So ist das mit den Asso­ziatio­nen: Die jungen Leu­te haben – ge­rade wenn es sich um Dinge der Sexualität handelt – offensicht­lich sehr oft andere Assoziationen als die Erwachsenen. Das macht es biswei­len so schwer, wenn ich versuche, Er­wach­senen zu erklären, wie ich meinen Unterricht gestalte, sie verstehen das ein­fach nicht. Sie denken oft einfach anders als die jungen Leute und nicht unbe­dingt vernünftiger – und ich muss mich im Unterricht aber am Verständ­nis der jungen Leuten orientieren.

Doch zum Bild: Die Darstellung von "Frucht­bar­keits­riten" ist das Thema des Sonnen­tempels in Konarak/In­dien. Wir können sehen, dass mit der Schlange in der Adam-und-Eva-Erzählung der Bibel in den vorbib­li­schen Religionen nicht der Teufel, son­dern eine Frucht­bar­keits­gottheit ge­meint ist, die mit Ge­schlechts­verkehr mit einer Kultdirne verehrt wird.

Offensichtliche Fehlinterpretation der Erzählung vom Sündenfall und Versuch einer Richtigstellung mit Hilfe einer heutigen wissenschaftlichen Untersuchung zum ursprünglichen Sinn dieser Erzählung (s.u.)

Der Kirchenvater Augustinus hat den Sündenfall in der Schöpfungsge­schichte der Bibel als den Beginn einer Erbsünde interpretiert, von der uns Jesus durch sein Kreuzesopfer befreit hat. Und seit Augustinus spinnen wir diese Interpre­tation nun immer weiter. Allerdings:

  1. Offensichtlich hat der heilige Augustinus seine eigene „sexuelle Trieb­haftigkeit“ zumindest „vor seiner Bekehrung zum Glauben an Christus“ (so wie er ihn sah), die er ja auch bekannt und bedauert hat, verallgemeinert, als ob sie das Problem aller Menschen wäre. Das ist natürlich ein paten­tes Verfahren, um von ei­genen Fehlern und von eigener Verantwortung abzulenken. Denn wenn eine Prob­lema­tik ein Problem aller Menschen ist, trifft den einzelnen folg­lich weniger eine Schuld, man ist sozusagen fast rein­gewaschen.

  2. Und wenn Jesus uns von der Erbsünde, die doch nach der Erbsün­denlehre die Ursache alles Bösen in der Welt ist, erlöst oder befreit hat, dann müsste von dieser Erlösung doch eigentlich mehr zu mer­ken sein. Eine unmittelbare Folge der Erbsünde war ja die Scham, also dass das sündige Pärchen die Genitalien verstecken musste. Das würde eigentlich heißen, dass ein unmittelbares Indiz für die Erlösung wäre, dass dieses Ver­stecken nun nicht mehr nötig ist, ja dass geradezu eine Freude an der Nacktheit aufkommt. Doch davon kann ja keine Rede sein.

Mit allerlei theologischer Akrobatik werden nun üblicherweise diese Unstim­migkeiten immer wieder so hingebogen, dass Erbsünde und Erlösung dann doch zusam­men passen.

Doch wirklich befriedigend ist das natürlich nicht.

Augustinus sieht also mit seiner der Erbsündenlehre in der sexuellen Trieb­haf­tigkeit grundsätzlich ein Prob­lem unseres Menschseins (zumindest so viel ich weiß), also etwas Negatives. Damit stellt er sich allerdings gegen die Schöpfungsordnung, nach der doch eigentlich alles gut ist, was Gott geschaf­fen hat, also auch die sexuelle Trieb­haftigkeit? Wäre es also nicht sinnvoller, nach einer Triebhaftigkeit im Sinn der Schöpfungsordnung und nach einer gegen die Schöpfungsordnung zu unterscheiden, also nach „Gebrauch“ und nach „Missbrauch“? Das soll also hier geschehen.

Ist „Gebrauch“ nun nur, wenn sie in der Ehe stattfindet und wenn dann auch noch die Zeugung eines Kindes beabsichtigt ist? Ich denke, dass diese Enge heute weitgehend überwunden ist, dass immer eine Zeugung beabsichtigt sein muss – sie darf inzwischen auch als ein Geschenk der Natur angese­hen und genutzt werden, auch ohne jeden „materiellen Zweck“. Doch gehen wir hier einmal davon aus, dass zumindest der Idealfall ist, dass sie in die Ehe gehört, auf alles Fäl­le das, wobei eine Zeugung entstehen kann, also das „Eindrin­gen“ – damit wir erst einmal eine Grundlage für eine Diskussion über den Missbrauch haben.

Und Tatsache ist nun einmal, dass sie nun nicht nur ohne den Zweck der Zeu­gung praktiziert wird, sondern seit Menschengedenken auch ohne Ehe und bisweilen auch sehr gegen den Willen der Frau, selbst wenn diese dann ir­gend­wann Gefallen dran findet und mitmacht. Missbrauch ist in manchen Fällen gewiss ein sehr hartes Wort, aber „unordentlicher Gebrauch“ ist es auf alle Fälle und der Einfachheit halber werfen wir hier einmal beides in einen Topf.

Nach den Gründen für den Missbrauch oder auch für den „unordentlichen Ge­brauch“ können wir unterscheiden, wenn wir nicht nur unsere heutige Situa­tion sehen, sondern auch die Vergangenheit seit Menschengedenken:

Punkt 1: Die Prostitution aus religiösen Gründen, also die kultische Pro­stitution. Der Sinn ist weitgehend der, dass in Gesellschaften (oder auch Re­ligionen), in denen die Fruchtbarkeit mythologisch gesehen wurde und (zu­mindest in manchen Kulturen auch heute noch wird) die Menschen glauben, dass der Grund der Fruchtbarkeit eine Art „sexuelles Wirken“ überirdischer Mächte (= Götter) ist und dass die Menschen dieses Wirken in einem „Gottes­dienst“ unterstützen müssten durch den Sex zwischen Priestern und gläubi­gen Frauen, aber auch durch andere „unordentliche sexuelle Beziehungen“ wie durch „Pilger“ und „heiliger Gottesdienerin“.

Der tschechische evangelische Theolo­ge Jan Heller hat nun herausgefunden, dass die Sündenfallgeschichte ursprünglich eine Geschichte gegen diesen Missbrauch ist (siehe Anlage „Der Name Eva“). Hinter der Eva verbirgt sich – schon vom Namen her – eine zur „Menschin“ degradierte Göttin (Hebe, Hepatu – die Namen sind ähnlich dem Namen „Eva“), zu deren Kult es solchen Sex gab.

Das Problem ist, dass die Menschen, die sich gegen solche „Fruchtbar­keits­religionen“ engagierten, vermutlich dachten, dass die Moral der hohen Liebe oder auch der echten Einehe, dass also Sex nur in der Ehe geschieht, von alleine eintritt, wenn die Fruchtbarkeitsreligionen überwunden sind.

Doch sie haben sich leider getäuscht. Es geht nämlich immer wieder weiter mit dem Missbrauch der Sexualität:

Punkt 2: Missbrauch durch Macht und Gewalt. In den alten Kulturen gab es überall Sklaverei und die weiblichen Sklaven wurden natürlich nicht nur zur Feld-, Haus- und Küchenarbeit eingesetzt, sondern auch als Sex­skla­vinnen benutzt.

Bei dem Engagement für die Befreiung aus der Sklaverei war das natürlich ein ganz wichtiges Ziel, dass dieser Missbrauch endlich aufhörte. Doch so einfach war auch das nicht, die freigelassenen Sklaven waren nun einmal den Missbrauch der Sexualität gewohnt – und trieben ihn jetzt bisweilen auch oh­ne Macht und Gewalt und mehr oder weniger freiwillig. Bei den Zehn Geboten ging es daher auch darum, keinen Sex mit der Frau eines an­deren und auch noch nicht einmal eine Begierde zu ihr zu haben. Die strenggläu­bigen Juden orientieren sich auch heute noch an diesen Geboten, aber unter wel­chen Be­dingungen? Attraktiv wirken diese Gebote jedenfalls auf andere nicht sonder­lich. Denn bei den anderen Juden ist der Missbrauch, wenn man den Statisti­ken der Statistik-Firma „statista“ Glauben schenkt, durchaus immer wieder da.

Es fehlte und fehlt ganz offensichtlich ein sinnvolles pädagogisches Konzept. Der Missbrauch ging und geht also immer weiter.

Zur Zeit Jesu verlief dieser Missbrauch nun besonders perfide:

Punkt 3: Missbrauch durch kriminelle Machenschaften. Ich habe in ande­ren Texten ausführlich beschrieben, wie zur Zeit Jesus Frauen und Mädchen zu außerehe­lichem Geschlechtsverkehr bis hin zur Prostitution erpresst wur­den und wie sich Jesus dagegen engagiert hatte und dabei schließlich umkam.

Aufgrund dieses Engagements gegen himmelschreiendes Unrecht kann Je­sus als ty­pischer jüdischer Prophet gesehen werden! Allerdings war das Problem Jesu vermutlich das­selbe wie das Problem bei Punkt 1: Auch er könnte ge­dacht haben, dass der Mensch von Natur aus gutwillig für die mo­nogame Ehe ist und dass also sol­che monogamen Ehen von alleine zu­stan­de kommen, wenn die kriminel­len Machenschaften überwunden sind.

Wenn dem so ist, dann hatte auch er sich geirrt – doch das ist auch seiner „Jugend“ zuzuschreiben. So gibt es den Missbrauch auch heute immer noch:

Punkt 4: Missbrauch durch Manipulation – und durchaus auch durch „kulturbedingte Manipulation“. So viel ich mich auskenne, wird nirgendwo der „moralische Nährwert“ der Erziehung zur Leibfeindlichkeit der Scham hin­terfragt, ob diese Erziehung also zu einem wirklich emanzipierten und auf die hohe Moral der Einehe ausgerichteten Menschen führt. Etwa in dem Mail­wech­sel mit einer Mutter auf der Forum-Seite habe ich dargelegt, dass dem ein­deu­tig nicht so ist, die Erziehung zur Scham macht nicht automatisch moralisch!

Was uns immer noch fehlt und gerade in unserer Religion, die sich bisweilen sogar als einsame Ruferin in der Wüste für eine höhere Moral hält, eine For­schung, wie eine solche Moral in unserer heutigen Zeit erreicht werden kann. Eine entsprechende Wissenschaft hier gibt es nun einmal nicht!

Allenfalls engagiert man sich gegen „Schmutz und Schund“ – offenbar in der Annahme, dass, wenn das alles überwunden ist, die Moral von al­leine gedei­hen kann – wenn sie doch eine Naturveranlagung ist. Und solan­ge, bis das geschehen ist, kann man vermeintlich sowie­so nichts machen ...

Die These, dass die Einehe eine Na­turvera­nla­gung ist, ist gewiss richtig, doch auch zu einer Naturver­an­lagung gehört, dass etwas er­lernt werden muss - wie das Sprechen und Gehen. Das Gehen und Sprechen kann der junge Mensch nun durch Sehen und Hören erlernen, weil ihm das im­mer wieder offen vorge­macht wird, bei der Mo­nogamie müsste jedoch der Geist ange­sprochen wer­den, weil die Hintergrün­de nun einmal nicht „von allein so wie beim Gehen und Sprechen“ zu er­kennen sind. Auf die Idee, dass gerade die jungen Men­schen hier einen im­mensen guten Wil­len haben und dass dieser gute Wille nur entsprechend gebildet und geformt werden müsste, kommen die Kirchen­leu­te leider gar nicht. Im Gegenteil: Die entsprechenden Informationen ver­wei­gert man den jungen Menschen hart­nä­ckig – immer noch. Ja, sie werden so­gar mit einer Erziehung zur Leib­feind­lichkeit die falschen Wege geschickt!

Das könnte man dann auch mal böswillig interpretieren, dass schon die jun­gen Men­schen für einen Punkt 5 “Missbrauch durch Macht und Mani­pu­la­tion“ parat gemacht werden sollen, wenn etwa Erwachsene und durch­aus auch Pries­ter, die nach dem Auftrag Jesu eigentlich das Salz der Erde sein soll­ten (da­mit der Missbrauch überwunden wird), nicht nur nichts zur Über­win­dung tun, sondern oft genug auch noch dabei mitmischen .


Zur Arbeit „Der Name Eva“ von Jan Heller (1958)

Damit Theologen sehen, dass ich mir die Erkenntnisse aus die­ser Arbeit nicht aus den Fingern gesogen habe, sondern dass eine hochqua­lifi­zierte theolo­gisch-wissenschaftliche Forschung dahinter steckt, kopiere ich sie mit, wenn ich diesen Text hier an Theologen weiter gebe. Doch ich denke, die Details der wissenschaftlichen Forschung sind für Normalinteressierte un­wichtig und uninteressant. Hier reicht die Quintessenz der Arbeit, dass die Sündenfall-Er­zählung in der Schöpfungsge­schichte des Alten Testaments nichts mit einer Erbsündenideologie zu tun hat, sondern eine Geschichte ge­gen die kultische Prostitution ist, die in den damaligen Götterreligionen als heilsnotwendig galt. Dabei ist diese "Anti-Geschichte" psychologisch sehr geschickt gemacht: Die Göttin­nen Hebe oder auch Hepatu werden zu einer „Menschin“ degradiert und dann wird das, was zur Verehrung dieser Göttinnen angeblich heilsnotwendig ist, zur Glück zerstörenden Sünde im Namen einer Religion eines neuen huma­nen Supergottes. Wenn nun die Religion dieses neuen Supergottes irgend­wann auch wieder inhuman wurde, dann lag das vor allem daran, dass der Sinn der Gebote ver­loren gegangen war und dass Priesterkasten versuchten, die Ge­bote dieses Gottes jetzt mit Ängsten und Krampf und Gewalt durchzusetzen.

Und: Wer die Arbeit haben möchte, bitte melden, dem schicke ich gerne eine Kopie!


www.michael-preuschoff.de