Opfertodideologie: Ich zitiere hier zunächst aus „Der Mythenschmied“ von Hyam Maccoby. Maccoby ist allerdings nicht so „krass“ wie ich, denn er nimmt keine Betrugshypothese an; zu der bin ich ja auch erst durch Kombination mit weiteren Quellen gekommen. Hier also die Zitate, die bezeugen, dass es eine Opfetodideologie längst vor Jesus in den heidnischen Religionen gab:

S. 112: „Während er (Saulus bzw. Paulus) die Jesusanhänger verfolgte, dürfte Saulus Jesus immer mehr als eine Figur wahrgenommen haben, die ihm seltsam vertraut vorkam, da sie auf ein seelisches Bedürfnis Antwort gab, das er unter dem Druck der jüdischen Rationalität und des jüdischen Sinnes für Bewußtmachung und Wahrhaftigkeit ohne doppelte Böden niedergehalten hatte. Vor allem dürfte das Bild des langsam am Kreuz sterbenden Jesus seine leistungsfähige Vorstellungskraft entflammt haben. Denn dieses Bild muß ihn unwiderstehlich an die Ikonographie des Gottes Attis in dessen vielfältigen Erscheinungsformen erinnert haben, der er in Kilikien auf Schritt und Tritt begegnet war - der erhängte Gott, dessen blutender, mißhandelter Körper die Felder fruchtbar werden ließ und dessen Mysterien den Seelen seiner Gläubigen, die sich in einen heiligen Wahn hineingesteigert hatten, eine wundersame Erneuerung bescherten.“

S, 226: „Paulus war der größte Fantasy-Autor von allen. Er schuf den christlichen Mythos, indem er Jesus vergottete, eine jüdische Messiasfigur, dessen wirkliche Pläne sich in der Bandbreite des jüdischen politischen Utopismus bewegt hatten. Paulus schmiedete Jesu Tod in ein kosmisches Opfer um, in welchem die Kräfte der Finsternis die Macht der guten zu überwältigen suchten, aber gegen ihren Willen nur ein Heilsgeschehen zustande brachten. Dies verwandelt auch die Juden, wie die Paulusschriften ausführen, in Werkzeuge der Erlösung, die von ihrer Funktion nichts wissen; ihre Bosheit, mit der sie Jesu Tod bewirkten, schlägt zum allgemeinen Heil aus, weil dieser Tod genau das war, was die Menschheit zu ihrer Rettung benötigte. Die Kombination von Bosheit und Blindheit, die hier beschrieben wird, ist die genaue Analogie zum Baldurmythos der nordischen Mythologie, in der die Bosheit durch den bösen Gott Loki personifiziert wird, die Blindheit durch den blinden Gott Hödur, die beide zusammen den heilbringenden Tod Baldurs bewirken, der alleine eine gute Ernte bewirken kann, welche vor dem allgemeinen Hungertod errettet.“

Und dann noch aus "Das Ur-Evangelium" von Herbert Ziegler und Elmar R Gruber (zwar sind beide keine akademischen Theologen, doch sind ihre Erkenntnisse m. E. gut recherchiert und sie belegen ihre Erkenntnisse durchaus mit "akademischen Theologen") S. 43 f: "Schon 1903 wies William Wrede (1859-1906 – Anm. durch MP: ab 1893 ev. Theologe in Breslau, schon er sah in Paulus den Begründer einer zweiten christlichen Religion!) in seiner wichtigen Schrift »Das Messiasgeheimnis in den Evangelien« darauf hin, daß der Glaube an Jesus als Messias erst lange nach der Kreuzigung unter den Anhängern der Jesus-Bewegung entstanden ist. Mit ungeschichtlichen literarischen Mitteln wurde in den Schriften der Bewegung versucht, diese Tatsache zu verdecken.

Jesus freilich wußte von einem »Christus« nichts, auch nichts von seiner angeblichen Erlöserrolle. Die Kerngedanken des Christentums gehen ausschließlich auf den durch Paulus zum Gott erhobenen Christus zurück. Umgekehrt – und das muß jeden Christen verwundern - wußte Paulus so gut wie nichts vom Leben und den Lehren des Menschen Jesus. Die moderne Textkritik konnte das nachweisen, und es war wahrlich nicht leicht, diesen Befund zu erbringen. Denn fast alle unter dem Namen des Paulus im Neuen Testament zusammengefaßten Briefe sind Fälschungen. Nur sehr geringe Teile einiger weniger Briefe gehen auf Paulus zurück. Der Rest sind Interpolationen, Anreicherungen und Neuschöpfungen seiner Anhänger aus späterer Zeit. Die Motive, die zu diesen Fälschungen führten, sind vielfältig und können hier nicht im einzelnen dargestellt werden. Aber sie haben alle eine »religionspolitische« Basis.

Die große Leistung des Paulus war gleichzeitig eine Absage an die ursprünglichen Lehren Jesu. Paulus erfand die Auferstehung und stellte sie in das Zentrum seiner Theologie. Aber er dachte die Idee der Auferstehung nicht in leiblicher Form. Paulus meinte ein überirdisches Geschehen."
Das bei Maccoby Gesagte gilt auch hier: Auch Herbert Ziegler und Elmar R. Gruber denken nicht an eine Betrugshypothese - und so versuchen sie es eben mit "anderen Lösungen".

Höhepunkt war im Jahre 431 in Ephesus das 3. Ökumenische Konzil, auf dem Maria offiziell zur Gottesgebärerin oder eben zur "Gottesmutter" erklärt wurde. Hintergrund dieses Dogmas war der Streit zwischen griechischen und ägyptischen Christen: Im Zuge der "Verjenseitigung" des Zieles des christlichen Glaubens wurde natürlich die Erfüllung des Diesseits immer mehr vernachlässigt und es riss auch bei den Christen wieder der alte Schlendrian ein mit den üblichen Folgen "persönlicher Kummer und persönliche Enttäuschungen". Wir wissen beispielsweise, dass etwa die in Ägypten übliche Beschneidung der Frauen auch bei den ägyptischen Christen weiter praktiziert wurde, was ein sicherer Hinweis ist, dass sich die erbärmliche Situation der Frau letztlich nicht grundlegend geändert hatte. Geändert hatte sich mit der neuen Religion schließlich nur der Name und die Geschichte der Gottheit und der Ritus. Damit wurde wieder eine Muttergottheit oder eben eine Gottesmutter als Trösterin der Betrübten und schließlich als Fürsprecherin bei Gott für das ewige jenseitige Heil notwendig – und weil gerade bei den Ägyptern noch die Erinnerung an die Göttin Isis lebendig war (bei der man das alles hatte, was man jetzt vermisste), lag der Kult einer großen Muttergottheit sehr nahe – und dafür stand nun eben die Mutter Jesu bereit. Und so war dann auch die Erhebung Mariens zur Gottesgebärerin bei dem Konzil ein ausgesprochenes Volksfest unter den angereisten Ägyptern, das war das, was die Menschen wollten, weil es das damals schon weitgehend degenerierte Christentum wenigstens wieder einigermaßen menschlich machte. 

www.michael-preuschoff.de