"Himmelfahrt": Auch die Himmelfahrt gab es gerade in vielen antiken Religionen (bei denen Kybele, Herakles, Attis, Mithras, Herrscher wie Cäsar, Dichter wie Homer und sogar bei den Juden Moses und Elias so wunderbar verschwanden), hier ein Relief von der Himmelfahrt des Kaisers Antonius Pius und  seiner Frau Faustina (Original in den Vatikanischen Museen):




Dazu Deschner (S. 50 ff): "Zur Legende des antiken Gottgesandten gehörte es aber, daß er, der Unsterbliche, nach seinem Hingang irgendwann sich zeige. Denn man wollte ja Beweise. So erschien der auferstandene Apollonios von Tyana, ein Zeitgenosse Jesu und der Apostel, zweien seiner Jünger und ließ sie sogar seine Hand nehmen, um sie zu überzeugen, daß er lebe. Und da nach altjüdischer, schon im fünften Buch Mose stehender Meinung, die im Neuen Testament vielfach wiederkehrt56, erst zwei oder mehr Zeugen beweiskräftig waren, mußte auch Christus vor mehreren erscheinen, damit er »wahrhaft« auferstanden war. Dies geschah denn, wenn auch nicht ohne (die oben dargelegten krassen) Widersprüche. Doch tat er mehr. Er stieg, gleich nach seinem Ableben, hinab zur Hölle - freilich erst im 2. Jahrhundert; die Evangelien schweigen darüber noch sämtlich. Ja, das Dogma von Christi Höllenfahrt widerspricht dem Lukasevangelium, dem zufolge Jesus bereits die ersten Tage nach seinem Tod im Himmel verbringt. »Wahrlich, ich sage dir«, verspricht er dem »guten« Schacher, »heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein!«, was Jesu Erwartung voraussetzt, er werde vom Kreuz aus ins Paradies eingehen. Man hat deshalb dies Jesuswort, um seinen Widerspruch zu anderen zu vermeiden, gelegentlich gestrichen und als Ketzerfälschung erklärt. Aber die Höllenfahrten von Gottheiten waren ein viel zu beliebtes Thema, als daß man im Christentum darauf hätte verzichten können. Sie hatten im antiken Unsterblichkeitsglauben entscheidende Bedeutung gewonnen und begegnen uns in ägyptischen, babylonischen und hellenistischen Mythen.

Im alten Ägypten bekämpften Re und Osiris die Mächte der Unterwelt. Schon im 3. Jahrtausend war in Babylonien eine Höllenfahrt der Ischtar bekannt. Im 14. vorchristlichen Jahrhundert wird auch die des Gottes Nergal bezeugt, der die Unterwelt stürmt und ihre Heere besiegt, was ein Erdbeben bewirkt, wie bei der Höllenfahrt Christi.59 Beim Abstieg des babylonischen Weltschöpfers und guten Hirten Bei Marduk, dessen Geschichte so frappierende Parallelen zu der des christlichen Kultobjekts aufweist (S. 48), wird auch das Motiv der gewaltsamen Kerkeröffnung und der froh auf den Erlöser blickenden Gefangenen bezeugt. Doch auch die Höllenfahrt des Herakles, dessen Schicksal, wie es philosophisches Heraklesbild und Heraklesreligion überliefern, wohl die meisten Gemeinsamkeiten mit dem christlichen Heros zeigt, zielt schon auf Besiegung der Unterweltmächte, auf Brechung des teuflischen Gesetzes. Nicht anders als Christus wollte bereits Herakles den schmachtenden Toten das Licht bringen und sie aus der Gefangenschaft erlösen. »Der schreckliche Tod ist gebrochen, des Todes Reich hast du besiegt.« Und auch der historische Pythagoras fuhr – im 3. vorchristlichen Jahrhundert belegt – hinab zur Hölle. Nach diesen Beispielen ließ man, in einem auf den Namen des Petrus gefälschten Brief – der biblische Hauptbeweis für das Dogma –, auch Jesus zur Hölle fahren und die Gefangenen erlösen.

Und da zahlreiche Himmelfahrten lebendigen Leibes nicht nur den Heiden (bei denen Kybele, Herakles, Attis, Mithras, Herrscher wie Cäsar, Dichter wie Homer so wunderbar verschwanden) bekannt waren, sondern auch - durch Henoch, Moses und Elias – den Juden, konnte Christus unmöglich zurückbleiben. Doch welche Widersprüche wieder! Das Matthäusevangelium kennt nicht nur keine Himmelfahrt, sondern schließt sie, nach manchen Gelehrten, geradezu aus. Die des Markusevangeliums steht in einem verlängerten Schluß, der selbst von katholischen Neutestamentlern als unecht verworfen wird, von der kritischen Theologie jedoch ausnahmslos. Nach dem Lukasevangelium erfolgte Christi Himmelfahrt am Tag der Auferstehung, am Ostersonntagabend, nach der Apostelgeschichte 40 Tage später. Und laut Lukasevangelium: bei Bethanien, laut Apostelgeschichte: vom Ölberg aus.

Ja, wie schon Herakles und Dionysos bei ihrer Himmelfahrt göttliche Fußspuren zurückgelassen, so auch der himmelfahrende Christus; mußte man doch alles möglichst greifbar haben. Der hl. Hieronymus, mit dem seltenen Titel eines Kirchenlehrers geehrt, versichert, man habe diese Spuren zu seiner Zeit, im 5. Jahrhundert, noch gesehen. Und Beda der Ehrwürdige, der »Lehrer des Mittelalters«, bezeugt sie noch im 8. Jahrhundert - und dies, o Wunder!, obwohl jeder Jerusalemwallfahrer von der Erde mitnahm, die Christus zuletzt berührt hatte!"


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