Warschau 1997 - Fahrt über die Karnevalstage

 

Das muß man doch ausnutzen, solange es das noch gibt: Die gebührenfreien deutschen Autobahnen und die für uns extrem günstigen Eisenbahntarife im ehemaligen Ostblock!

Im letzten Herbst war ich ja bei meiner Fahrt nach Ostpreußen auf diesen Trichter gekommen und im Gespräch mit meiner "Nachbarin" Gina B. (einer Nichte des verstorbenen Freundes und Malers Stefan P.) kamen wir dann auf das Ziel dieser Karnevalstage: Warschau. Schließlich war ich da ja noch nie gewesen und ich wollte mir ja schon längst einmal den Wiederaufbau dieser im Krieg so "von uns" geschundenen Stadt ansehen.

Mit von der Partie waren dann noch der Sohn meiner Kollegin Maria Z. und (aus Gesundheitsgründen erst im letzten Moment) auch noch sie selbst, schließlich muß ja auch "ihr Akku wieder einmal geladen werden".

Und so ging es dann mit meinem Dieselpassat von 1982 am Freitag recht bald nach der Schule nach Frankfurt an der Oder, wo wir dann auch kurz nach 22 Uhr waren - zu spät allerdings für den 23 19-Uhr-Zug, denn schließlich kannte ich mich noch gar nicht in den Örtlichkeiten des "Demarkationsliniengebiets" und "Schmuggelgebiets" (auf der Rückfahrt sahen wir dann, wie unsere Zöllner polnische Autos auseinander nahmen und sich die Zigaretten bergeweise auf den Kühlern dieser Autos stapelten, die Eigentümer standen teilnahmslos daneben) diesseits und jenseits der Oder aus und ich wollte ja nicht so einfach gleich beim erstbesten Schalter (also Frankfurt/Oder) die Fahrkarten kaufen. Und den Bahnhof auf der Ostseite "Kunersdorf" ("Kunowice") fanden wir auch nicht so schnell (er ist etwa 500 m abseits der Straße nach Reppen), schließlich war es spät und keiner konnte uns so recht Auskunft geben. 

In Reppen (Rzepin) bekamen wir dann die Fahrkarten für 25,50 Zloty (= 15,50 DM mit den nachts gleich hinter der Oderlinie ungünstig getauschten Zlotys, Kurs 100 DM = 160 Zloty, ansonsten 180 Zloty), in Frankfurt/Oder hätten wir über 31 DM dafür bezahlen müssen, den Liegewagen bezahlten wir dann im Zug mit DM 26 pro Platz (eigentlich 37 Zloty = DM 20,55 bzw. 23,12). Selbst mit in obiger Wechselstube getauschten Zlotys wäre das also günstiger gewesen. (Das schreibe ich alles, damit ich mich beim nächsten Mal erinnere.) Immerhin hatten wir so noch Zeit bis zum Ost- West-Expreß ab Frankfurt 3 41 - und wir waren so spät am Samstag (9 30) nun auch wieder nicht in Warschau.

In einem Bogen gingen wir dort erst einmal durch die nach dem Krieg wiederaufgebauten Viertel über den Platz hinter der Oper (Pilsudskiplatz) zur im alten Stil wiederaufgebauten Altstadt. Dank meines Klapprads, eins hatte ich zur Organisation der Fahrt dabei, fand ich dann im Hotel Belfer neben der Eisenbahnbrücke (über die Weichsel) zwei freie Zimmer à 70 Zloty, allerdings nur für die erste Nacht, und ließ mich dann für die zweite Nacht im Hotel Garnizonowy Nr. 1 in der u. Mazoiecka 10, 00-048 Warzawa vormerken, denn in diesem sehr zentral gelegenen Hotel war erst wieder am Sonntag ein (Vierer-)Zimmer für 136 Z. frei.

Wirklich eindrucksvoll die wiederaufgebaute Altstadt mit allen Häusern und Kirchen, ich habe eine Postkarte gekauft, wie alles 1945 aussah... (Hätte man doch Düren auch so wiederaufgebaut, man hätte es ja nur anzuordnen brauchen, wenigstens dass die Fassaden stimmen müssen...)

Abends gab's dann im Nationaltheater "Kawaler Srebrnej Rózy" also "Rosenkavalier", ich hatte "nicht so gute" Karten besorgt (für 4 DM), schließlich rechnete ich damit, daß ich mindestens einen Akt verschlafen würde, was dann auch so war. Doch allein der letzte Akt war den Besuch wert... Was uns in dem äußerlich im alten Stil und innen modern und aufwendig aufgebauten Operhaus zunächst auffiel: In der Garderobe vom Parkett, wohin wir uns zunächst verirrten, nur dicke und offensichtlich echte Pelzmäntel!

Am Sonntag fuhr dann meine Reisegruppe selbständig mit Linienbussen nach Willanov (zu dem schönen Schloß), während ich in die Kathedrale zum Gottesdienst ging (den fand ich gar nicht gut) und unser Gepäck zum anderen Hotel brachte und dann schließlich nach Willanow radelte. Dort waren dann alle noch einmal mit mir im Plakatmuseum (darunter ein Plakat von 1920 auch in deutscher Sprache für die Abstimmung für Polen gegen Ausbeutung und Kapital oder so ähnlich), und picknickten anschließend, wodurch wir leider nicht mehr in das Schloß hineinkamen (14 30 Besichtigungsende). Schade, doch auch der Spaziergang durch den Schloßpark und durch die Orangerie mit einer Ausstellung "dekorativer Kunst aus mehreren Jahrhunderten" lohnte die Fahrt nach Wilanow. Im "Schloßcafe" meldeten wir dann unser Abendessen an (es gab Wild) und fuhren in die Stadt zurück - doch das war unser Fehler. Denn als wir gegen 20 30 wieder da waren, war das Cafe bereits geschlossen. Also waren wir dann im Restaurant "Schweik" (Kosten etwa 24 DM pro Person).

Für den letzten Tag (Montag) hatte ich dann meine Gruppe für die Oper Turandot begeistert, nach der wir dann noch in einer urigen Kneipe ein Bier trinken und dann gen Westen aufbrechen würden. Nach - wegen des trüben Wetters - ausgedehntem Frühstück an dem gemütlichen Tisch mit vier Sesseln in unserem Vierbettzimmer (402 - ideal, das müssen wir uns merken!, Brot und Aufschnitt gab's für ein paar Zlotys in einem Laden gegenüber dem Hotel, Tauchsieder und Tee hatten wir dabei) bummelte dann meine Gruppe wieder in Richtung Altstadt, während ich mich per Klapprad um die Fahrkarten bemühte. Und schließlich wollten wir ja noch einige Post abschicken und zur Weichsel und ausgiebig die Altstadt würdigen und noch ein paar Mitbringsel einkaufen, vor allem schöne mit Blumen handbemalte Teller und originelle Holzfiguren.

Leider mußten wir am Abend feststellen, daß es Turandot erst am nächsten Abend gab (da waren die Tage 8., 9., 11.... aufgeführt, und ich hatte nicht gemerkt, daß die "10" fehlte und ich konnte nicht die polnischen Wochentage...) und so hatte ich auch die Fahrkarten erst für den nächsten Abend gelöst... Immerhin bekam ich für die Opernkarten das Geld zurück und die Liegewagenkarten wurden auch gegen geringen Aufpreis getauscht, und so hatten wir Zeit, gepflegt Abendessen und anschließend ein Bier trinken zu gehen...

Irgendwie machte uns nachts M. dann einmal alle wach, weil sie meinte, daß wir nach St. Petersburg führen, weil sie auf einem Bahnhof (Posen?) eine Ansage gehört hatte, ja wie lange kennen wir uns eigentlich, daß ich ihr noch nicht die Heiligkeit des Schlafs beigebracht habe (zumal der Wagen einen eignen Schaffner hat, der die Fahrkarten aufbewahrt und daher auch kontrolliert...)? Und was muß ich wohl falsch machen, daß mir Gina am Morgen nicht glaubte, daß der Kaffee (oder Tee) im Liegewagenpreis inbegriffen ist und erst einmal bedauerte, daß sie kein Geld hätte und dann nach ihren DM kramte? (Allerdings ist tatsächlich nicht mehr auf der Karte vermerkt, daß ein Getränk "frei" ist...)

Da wir nun am Dienstagmorgen schon gegen 6 Uhr früh in Frankfurt/O waren und noch den ganzen Tag vor uns hatten, ging's nach dem Tanken (beim nächsten Mal unbedingt mit Zlotys bezahlen!) und Tagesrationeinkauf auf östlicher Oderseite noch nach Berlin hinein. Am Treptower Ehrenmal kurze Pause und dann zum Gendarmenmarkt - ich wollte doch einmal in den wieder aufgebauten Deutschen Dom, der heute ein Museum für Deutsche Geschichte ist. Hat nicht mein Vater erzählt, daß er erlebt hat, wie der Turm des Deutschen Doms (oder war es der Französische?) bei einem Bombardement in Flammen aufging und die Glocke zum letzten Mal klang? - Unter den Raritäten in der Ausstellung entdeckte ich doch tatsächlich auf den ersten Ostgeldscheinen nach dem Krieg von 1948 einen Pleitegeier mit Hakenkreuz (auf dem 20-M-Schein), offenbar hatten "die" alte noch vorhandene Druckstöcke nur leicht umgeändert und in der Eile (überraschende Währungsreform in den Westzonen) "übersehen", daß da auf einem sogar noch ein solches Zeichen drauf war. Wir kamen dann noch mit Volker Roitzsch ins Gespräch, einem begeisterten Liberalen, Servicemann bei der IHK Potsdam, der auf die Kolonisierung durch die Wessis schimpfte und noch mehr auf die Sozialdemokraten und die Grünen. Nach einer Fahrt durch den Potsdamer Platz (bzw. die Baustelle) und einem türkischen Imbiß in Neukölln ging's dann gen "Heimat", wo wir bald nach 22 Uhr heil ankamen. 

Insgesamt war die Fahrt wieder ein Erlebnis, das schönste ist vielleicht die Gemeinschaft an so einer Fahrt - und die nächste Karnevalsfahrt ist wieder geplant: vielleicht Krakau oder noch einmal Warschau? Übrigens: Die einfache Fahrt nach Moskau kostet ab Odergrenze um die 130 DM, allerdings geht so etwas kaum über Karneval!

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