WALES 1991 - Fahrt zu Allerheiligen mit Schülern 

 

Vor einigen Wochen traf ich - seit einiger Zeit Walesvereinmitglied in Neuenrade - bei einer kleinen Fete Christine A. aus Llangollen in Nordwales - und da war es klar, daß wir um Allerheiligen herum einmal per Auto dorthin preschen würden. Eigentlich hatte ich der neuen Bekannten doch erklärt, wie wir so reisen, vor allem, wenn junge Leute mitkommen, aber es kam alles anders. Mit von der Partie waren Marlene und, wie schon öfter, meine ehemaligen und teilweise noch aktuellen Schüler(innen) Roswitha, Ellen und René.

Wir hatten uns nach meiner Reisephilosophie auf ein spartanisches Wochenende vorbereitet und neben jeder Menge diverser Weine und Biere (eine Party war angesagt) auch unsere Matten und Schlafsäcke eingepackt, jedenfalls war mein Auto wirklich voll.

Die erste Panne gab's in Zeebrugge bei Brügge in Belgien: Unser anvisiertes Schiff nach Felixtowe nordwestlich von London und westlich von unserem anvisierten Zielgebiet war voll, und wir wurden nach Dover umgeleitet. Damit gab's leider nur eine kürzere Aufenthaltsdauer auf dem Schiff und damit nur um die 5 Stunden Schlaf - und eine noch weitere Anfahrt zu unserem Zielgebiet. Wegen Regen und unmöglicher Beschilderung verfehlte ich auch die günstigste Strecke auf dem Autobahnring um London herum und wir verplemperten viel von dem schönen Tag (manchmal war er's auch).

Wenigstens zu einer Besichtigung der neuen und der Ruinen der alten Kathedrale von Coventry kamen wir, merkwürdig fanden meine Schüler (und auch ich) die Hakenkreuze auf der Mitra auf dem Sarkophag des Bischofs, der in den 20-er Jahren das (anglikanische) Bistum Coventry wiederbegründet hatte. In Birmingham dann fanden wir bei der Durchfahrt einen der neuen britischen Aldi- Läden mit total britischen Produkten nach den gleichen Ideen wie bei uns. Die Leute kauften wie toll, auffallend war ein Wachmann in irgendeiner britisch zugeschnittenen Uniform, der die Kunden beobachtete. Merkwürdig, dort gab's auch britischen Sherry in den verschiedenen Geschmacksrichtungen!

Gegen 18 Uhr waren wir tatsächlich in bei unserer Gastgeberin, und wir wurden - zu unserer Enttäuschung - in eine Frühstückspension verfrachtet (Bed and Breakfast) und mußten dann auch noch bald 12 km zu einem recht feudalen Restaurant in einem kleine Dörfchen in einem engen Bergtal fahren, wo wir auch zu ungemein aufwendigen Essen eingeladen wurden. Als Hauptgang gab's z.B. einen Wildtopf für DM 27,--, dazu noch das Übrige. Die jungen Leute waren hingerissen (?) von den vielen verschiedenen Messern und Gabeln, die um unseren Teller herumlagen. Wie war doch die "Geschichte" vom EG-Himmel und der EG-Hölle? Der Himmel ist, wenn die Italiener kochen, die Deutschen die Organisation machen und die Engländer den Humor. Die Hölle ist, wenn die Italiener die Organisation machen, die Deutschen den Humor und die Engländer kochen. Ganz so war's in unserem Lokal zwar nicht, jedoch Marlenes Fisch unter dem Johannisbrotbaum zehn Tage zuvor war sicher raffinierter zubereitet und schmackhafter! Von der Landschaft bekamen wir leider nicht viel mit - es regnete und dunkel war's auch.

Wenigstens etwas von der Landschaft bekamen wir bei unserer Rundreise am folgenden Tag mit, weiter durch die walisischen Berge gen Westen bis zur Küste bei Caernaron (eindrucksvolle Schloßruine) und dann nach Norden bis zur Insel Anglesey mit dem (obligatorischen) Besuch des Dorfes mit dem längsten Namen der Welt: LLANFAIRPWLLGWYNGYLLGOGERYCHWYRNDEOBWLLLLANTYSILIOGOGOGOGOCH, was so viel heißt wie "Mary's Church by the white hazel pool, near the fierce whirlpool, with the Church of Tysilio by the Red Cave".

Abends dann gab's anläßlich des bevorstehenden Guy-Fawkes-Day (G.F. war der katholische Ire, der vor 150 Jahren - wie uns die Leute sagten, in Wirklichkeit allerdings vor knapp 400 Jahren -  das "Parliament" in die Luft sprengen wollte) eine Party, zu der auch wir geladen waren: Eine sicher typische englische Party, zu der jeder irgendetwas mitbrachte. Wir wurden dabei fast alle unsere flüssigen "Schätze" los, wohl viel zu viel, aber ich hatte es ja so angekündigt, ohne zu wissen, was es mit so einer Party auf sich hatte. Besser wir hätten das meiste davon unserer Gastgeberin persönlich überlassen. Auf den Flaschen und Büchsen, die die anderen Gäste mitbrachten, klebten noch zumeist die Preisschilder, z.B. an einem Partyweinkarton mit Zapfhahn (3 Liter, noch nicht einmal "Appellation controleé") ein Preis von 10 Pfund = DM 30,--. Unsere 5-l-Flaschen Chianti mit vergleichsweise "A.C."-Wein hatten hier zwischen 15,-- und DM 17.-- gekostet. Auch das Bier ist bis zu dreimal so teuer wie bei uns, allerdings bekamen wir bei Aldi-Birmingham auch schon 0,5 Dosen Bitter-Bier für DM 1,20. (Mit meinem indischen Freund in London machen wir ja manchmal einen regen Handel auf: alkoholische Getränke zu deutschen Preisen, wofür wir als "Gegenleistung" mit unseren Schlafsäcken in einem seiner Räume campieren dürfen...). Bei den Gesprächen auf der Party widmete ich mich zeitweilig einer Japanerin, die seit 8 Jahren in England (die Party fand schon wieder auf englischem und also nicht mehr walisischem Territorium statt) verheiratet ist, allerdings bin ich mir nicht sicher, ob sie bei unserer Unterhaltung aus reiner Höflichkeit nicht an und für sich notwendige Korrekturen unterließ. Ohnehin sprachen wir keine brisanteren Themen an. Immerhin lernten meine jungen Leute (in ihrem Alter war sonst niemand) die Aussprache obigen unaussprechlichen Ortsnamens, damit sie auch zu Hause erzählen könnten, wo sei eigentlich gewesen seien (ich meinte, daß sie bei der Nennung des Ortsnamens aber vorsichtig sein sollten, weil man ihnen eventuell auch unterstellen könnte, daß sie während der Fahrt übergeschnappt seien). Schade auch hier, daß wir so früh aufbrechen mußten und daß ich wegen der Heimfahrt zu unserem Quartier so gut wie keinen Alkohol trinken konnte. Eigentlich hätten wir uns statt der abendlichen Herumkutschiererei viel lieber ein wenig mehr und ohne manchen Aufwand mit unserer Gastgeberin unterhalten, wenigstens am ersten Abend. Vielleicht hätte ich vorher deutlicher sagen und schreiben sollen, was wir wollten und was nicht. (Von meinen Freunden in Sheffield und auch von dem Inder in London war ich nicht so viel Aufwand gewohnt, vielleicht fühlt sich da aber eine alleinstehende Frau eher zu mehr "Aufwand" motiviert). Zu hoffen bleibt wenigstens, daß Ch. auch für unseren Besuch ein Beitrag gesponsert wurde, wie sie es uns von anderen Besuchen berichtete - in der Nähe gibt es eine österreichische Spanplattenfabrik, durch deren Abluft zwar die Anwohner sehr belästigt werden, deren Chef jedoch sehr großzügig sein soll, wenn es etwa um internationale Begegnungen geht. Die Heimfahrt war ab Dover eine Katastrophe. Wohl wegen heftigen Windes und des langen Wochenendes (auch in Belgien und wahrscheinlich auch in Frankreich) fuhren alle Schiffe nicht nur mit Verspätung, sondern waren auch überfüllt. So mußten wir mit unserer Abfahrt bis gegen 17 Uhr warten, und dann fuhren wir auch erst bis Calais, hatten damit zwar weniger Fahrtzeit auf dem Schiff, dafür aber mehr Fahrzeit auf der Straße. Kurz vor 2 Uhr setzte ich dann die letzten der jungen Leute ab und übergab Rosis

Vater zusätzlich noch einen (wenigstens für uns) schönen antiken englischen Stuhl, den René neben der Schnellstraße entlang der nördlichen walisischen Küste gefunden und mir vermacht hatte.

Das wär's. Vor allem wegen der unglücklichen Fährverbindungen diesmal war die Fahrt nicht so gelungen wie sonst (den jungen Leuten machte das aber nichts) - und ein wenig weniger Aufwand unserer Gastgeberin in Wales wäre uns auch lieber gewesen... Trotzdem ihr besten Dank!

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