Malta und Sizilien Ostern 1998
Gerade höre ich auf meinem Kassettengerät die eindrucksvolle Karfreitagsprozessionsmusik, die wir in Qormi, einem großen Dorf in der Nähe von La Valletta, der Hauptstadt Maltas, mitbekommen haben. Die Musik ist ähnlich der in Sizilien, die ich von mehreren früheren Fahrten kenne. Aber nur eben manches ist ähnlich: So etwa werden in Caltanissetta im Innern Siziliens alle Kreuzwegstationen und dazu noch der gläserne Sarg mit dem toten Jesus und die Schmerzhafte Madonna jeweils mit einer eigenen Musikkapelle durch die Straßen geschoben, und das ganze wirkt oft wie ein Volksfest. Hier in Qormi (gesprochen "ormi") in Malta gibt es nur zwei - allerdings riesige - Kapellen am Anfang und am Ende des Umzugs, das heißt, daß die meisten Gruppen ihre Kreuzwegstationen völlig ohne Musik tragen, sich also ihren Rhythmus selbst machen müssen. Dafür läuft in dem "Umzug" das ganze "theologische Programm" mit: Es gibt alles, was irgendwie Bezug zu Tod und Auferstehung Jesu hat, so etwa ein struppiger Jonas mit einem Plastik(?)walfisch unter dem Arm (3 Tage war Jonas im dunklen Bauch des Walfischs so wie Jesus eben in der Unterwelt...), aber auch die Hohenpriester und Pilatus und vor allem jede Menge phantastisch herausgeputzter römischer Soldaten in ihren glänzenden Blechuniformen, die wirklich nicht billig aussehen. Wie ich erfuhr, gibt es gerade bei den Rüstungen der Soldaten zwischen den Dörfern sozusagen einen "Wettbewerb". Und dann mit ähnlicher Besetzung am Ostersonntag die Auferstehungsprozession, jetzt allerdings nur zwei Figurengruppen mit jeweils einer Musikkapelle - sowie ich mich da auskenne im Dreivierteltakt (da hatte ich leider kein Kassettengerät dabei). Doch der Reihe nach: Die diesjährige Fahrt hatte ich wieder einmal auf die jungen Leute abgestellt, die da mit mir mitkommen wollten, und das waren wieder Torsten (17), der Sohn meines Kollegen V., der mit in Vietnam war, und Hannah (11, inzwischen 12), die Tochter meiner Freunde vom Campingplatz in Lit-et-Mixe. Und zugegeben: Ich mache ja so eine "Alternativfahrt" auch recht gerne. Eigentlich war die Fahrt auch noch für meinen "Vietnamkindbesuch" geplant, doch da klappte es (noch) nicht mit dem Visum, und dann ergab sich auch ein Problem, daß Torsten wegen seiner U.S.A.-Fahrt ab Sommer nur etwa eine Woche bis zehn Tage mit wollte, also mit dem Flugzeug nachkommen und eigentlich mit uns zurückfahren wollte. Da stand ich dann mit dem "kleinen Mädchen" alleine da... Doch da sie sich auf die Fahrt schon vorbereitet und gefreut hatte, wir uns ja schon von verschiedenen Fahrten gut kannten und sie wohl auch das Problem nicht verstanden hätte, fanden es auch die Eltern überhaupt nicht problematisch, daß wir eben dann "die übrige Zeit" allein sein würden. Und ich finde, das ging ganz wunderbar: Genau wie es kompetente Psychologen voraussagen (leider gibt es da zu viele mit undifferenzierendem und offensichtlich projektionsgesteuertem Halbwissen), entwickelte sich nämlich bei dem nahen und ständigen Umgang miteinander, der ja bei einer Fahrt mit Auto und Zelt und Eisenbahn unerläßlich ist, immer mehr eine Art Bruder-Schwester- oder gar Vater-Tochter- (oder eher Großvater-Enkelin-)Beziehung, die einfach in Ordnung ist. Und ich hatte den Eindruck, das muß auch auf andere so gewirkt haben, die uns so erlebt haben... Da für Malta drei Wochen wohl zu lang sein würden und ich ja irgendwie dem Mädchen etwas bieten mußte, plante ich zuerst einmal Sizilien mit einem Vulkan, bei dem man ordentlich etwas sehen (der also immer spuckt) und auf den man auch leicht kommen konnte, also den auf der Insel Stromboli, dann etwas vom "richtigen" Sizilien und schließlich Malta, und auf der Rückfahrt durch Sizilien den Ätna bei Catania, der ja auch gerade spektakulär sein sollte. Hannah würde dann eben zwei Vulkane erleben... Wie in alten Zeiten würden wir mit meinem Auto (diesmal der 15 Jahre alte Passat-Diesel) bis zum Brenner fahren, es dort stehen lassen, dann per Eisenbahn-Liegewagen (immer noch günstigst!) in der ersten Nacht bis Rom oder Neapel, dann nach einer Übernachtung in einem kleinen Hotel weiter bis Sizilien und von dort zur Insel Stromboli fahren, um dann auf dem oben wieder einmal eine Nacht zu verbringen. In Malta würden wir dann Torsten treffen und mit ihm dort etwa eine Woche bleiben und dann über Syrakus und Catania (von dort aus Ätna) und Neapel-Rom und Brenner wieder mit Schiff, Eisenbahn und Auto zurückfahren. Übernachten würden wir weitgehend im Zelt - und natürlich hatte ich wieder die Klappräder mitgenommen, das für Torsten hatte ich im schon flugfertig eingepackt und seinem Vater mitgegeben. Abfahrt dann am 28.3., dem ersten Ferientag, Hannahs Eltern hatten sie am Vorabend gebracht, leider hatte sie wieder viel zu viel Gepäck, irgendwie hatte ich ihr vorher nicht das "Zwiebelsystem" erklärt: Von den äußeren Schichten der Kleidung immer nur ein Exemplar, von den unteren (leichten) etwas mehr zum wechseln, das allerdings dann auch einfach zu waschen war. Meine Fahrten haben eben Einzelkämpferausbildungscharakter mit sparsamster Ausrüstung, denn schließlich muß ja alles eigenhändig geschleppt oder gerollt werden. Unterwegs in Richtung Brenner ein kurzer Abstecher zur ehemaligen Abteikirche von Roggendorf in der Gegend von Ottobeuren, schließlich wollten wir uns schon einmal ein Vergleichsobjekt hier in Deutschland ansehen. In Italien war dann erste Station Neapel, wo wir dank der Räder ein größeres Gebiet erkunden konnten: Vom Hafen Santa Lucia bis zum Archäologischen Museum und Capodimontemuseum, eindrucksvoll die Kirche Gesù Nuovo mit der Diamantquaderfassade (was es nicht alles gibt) und dann die herrliche Sanseverokapelle mit den beiden grauslichen Leichen im Keller, deren Blutbahnen zu Stein erstarrt sind. Da kam "mein Kind" wenigstens wieder zu ihren exotischen Leichen... Auf dem Weg zum Bahnhof schüttete ich mir immerhin die Soße aus den Pizzakartons über die Hose, so daß ich mit meinem Minimalprinzip trotz der Reinigungsversuche in der Eisenbahntoilette ein wenig in Bedrängnis kommen sollte... Daß wir nach Sizilien einen Tagzug genommen hatten, damit "mein Kind" etwas zu sehen hatte, war völlig unnötig, denn H. hatte die Gewohnheit, sich sowohl im Zug wie später auf dem Schiff sofort ein Buch zu nehmen und die Umwelt völlig zu vergessen. Besonders auf der Rückfahrt vom Stromboli nervte mich das ein wenig, denn wir hatten quasi eine kleine Kreuzfahrt mit Stops an den herrlichsten Inseln (Panarea, Salina, Lipari, Vulcano) bei herrlichstem blauem Himmel und blauem Meer, was alles auf das Kind jedoch nur langweilig wirkte. Ich habe mich hier herumgehört und da erfuhr ich, daß Kinder bei solchen Dingen, mit denen wir Urlaub, Sehnsüchte, Freiheit und vielleicht sogar noch Erhabenheit und Ewigkeit verbinden, eben gar nichts oder nur Langeweile empfinden. Glück hatten wir, daß gleich am nächsten Morgen das günstige 5-Stunden-Schiff nach Stromboli ging (dienstags und freitags machen die ihre Rundtour bis zum Stromboli), so daß wir in Milazzo, dem Hafenort für die Inseln keine Zeit zu verplempern brauchten. Verwirrend war für mich: Der Bahnhof war weit weg vom Hafen verlegt, welch ein Glück, daß wir Räder hatten! Auf Stromboli fanden wir am Ende des langgestreckten Dorfs "Stromboli" am Strand auf einer kleinen Anhöhe genau den richtigen und einzig möglichen Zeltplatz (am Strand wie mal früher ging's nicht, denn es gab nirgendwo eine größere Sandfläche), leider gab's auch hier und dort ein wenig Teer bzw. Öl, so daß wir etwas aufpassen mußten. Zwei "Ossis", die wir schon bei unserer Nächtigung vor der Schiffsfahrt in Milazzo kennengelernt hatten, fragten mich, wie das mit dem Aufstieg und der Übernachtung (oben) sei (weil man ja bei Nacht das Spucken so richtig gut sieht), und ich meinte, daß das völlig unproblematisch sei, selbst wenn unten überall Schilder herumstanden, nach denen das Übernachten oben verboten sei - das sei ja schon immer so gewesen. Und wir hatten selbst unsere Übernachtungssachen auch schon eingepackt, als ich eine Dame traf ("Strombolifans" - mit Familie), die mich energischst warnte und sagte, daß das Übernachten "oben" diesmal wirklich gefährlich und völlig verantwortungslos wäre. Sie wohne bei einem Vulkanologen, und der würde sie nicht mehr bei sich wohnen lassen, wenn sie da oben sein wollte. Also packten wir unsere Sachen wieder aus - und stiegen gegen 17 Uhr so hinauf, um bei Dunkelheit wieder zurückzukommen. Und das war dann in unseren Sandalen (sparsames Gepäck!) nicht nur der reinste Horror (immer wieder Sand und Steinchen zwischen Füßen und Sohlen - beim nächsten Mal alte Schuhe mitnehmen, die nach der Besteigung ausrangiert werden können!), sondern es war auch überflüssig, denn es gab in weiter Entfernung vom Krater die schönsten (Lavabrockenwall-)Burgen, in denen auch Leute kampierten. Als ich das am nächsten Tag der Dame erzählte, meinte sie: "Ach die Burgen da gleich am Anfang, ja natürlich, die gehen..." Ärgerlich, daß man sich selten auf Informationen verlassen kann, daß man immer alles selbst überprüfen muß... Immerhin war Hannah jetzt motiviert - also ging's von ihr aus noch einmal mit entsprechender "Ausrüstung" hinauf - wir kampierten gleich in der ersten Burg zusammen mit zwei Schweizer Studentinnen und erlebten auch einige schöne Eruptionen. Leider waren sie allerdings am ersten Abend, an dem wir dann wieder abgestiegen waren, besser. Ich ging auch noch ganz hinauf auf den Hauptkraterrücken, konnte aber von dort auch nicht viel besser in die tätigen Nebenkrater - diesmal mehrere - sehen. So wie früher (bitte mal anschauen!) war's nicht, wo man sich unmittelbar an den Rand des gerade aktiven Nebenkraters stellen und die Ausbrüche sozusagen mittendrin erleben konnte. Das war jetzt nun wirklich völlig unmöglich. Immerhin sah ich, daß der Hauptkraterrücken wohl völlig in englischer Hand war, jedenfalls hörte ich nur englisch - soweit die Zuschauer nicht schon völlig "zugeknöpft" in ihren Schlafsäcken auf der schwarzen Asche herumlagen. Auch eine Kamera der Universität Zürich war da montiert, wer will, kann den jeweils besten Ausbruch der letzten 15 Minuten sich im Internet anschauen, zu suchen unter http://www.ct.ingv.it/UfMoni/ . Leider fing's am nächsten Morgen punkt Sieben zu tröpfeln an, ich scheuchte also Hannah aus ihrem Daunenschlafsck, um die Schlafsäcke dem Regen zu entziehen und zu schonen. Schade um die kurze Nacht und den deswegen etwas zu zeitigen Abstieg. Ach ja, beim Hinaufsteigen entdeckte Hannah in der Asche Reifenspuren, richtig, mit dem Fernglas sahen wir auch hoch über uns jemanden, der da sein Mountainbike auf den Schultern hochastete... Wir gingen "Wetten" ein, welcher Nationalität so ein Bekloppter wohl sei - Engländer, Amerikaner, Deutscher...? Und schließlich stellte sich heraus "Ire" - und ich fragte ihn, was der Unterschied zwischen stupid und crazy sei, worauf er mit den Fingern etwa zwei Zentimeter andeutete. Jedenfalls hat er auch auf dem Abstieg sein Rad weitgehend getragen. Eigentlich hatte ich mir ja vorgestellt, daß Hannah bei Aufstieg und Abstieg mit anderen deutschen Kindern ihres Alters in Kontakt kommt, aber da war nichts. Immerhin kamen wir beim Aufstieg mit einer Bayreuther Familie und beim Abstieg mit Lukas Seidel, einem Zugführer aus Regensburg in Kontakt, der mir erklärte, daß das tollste Mitbringsel aus Vietnam wohl spezielle Bambusangeln seien, die hier um die 1400 DM kosteten. Und dann trafen wir noch seinen Freund Philipp, den ich schließlich auch nach seinem Beruf fragte: "Polizist aus München". Ach ja, den Beruf hatte ich ja eigentlich schon an seinen Socken erkannt - trage ich doch durch meine Freundschaft mit einem Polizeikleiderbullen (das ist diesmal kein Schimpfwort, sondern ein Spezialwort!) auch Polizeisocken? Ich nutzte die Gelegenheit und erzählte davon, daß ich eigentlich von den Zuhältern in Lüdenscheid Beraterhonorar kriegen müßte, weil sie genau wie in meinem Jesusbuch geschildert die Polizisten mit kostenlosem Beischlaf mit ihren Mädchen korrumpieren würden, worauf er meinte, daß das doch "normal" sei. (Siehe die entsprechende Meldung in der Frankfurter Allgemeinen vom 27.2.1998.) Bei den Ossis war uns noch aufgefallen, daß die genau das machten, was bei uns üblicherweise als lächerlich angesehen wird und verpönt ist, die redeten immer von "Napoli" und "Siracusa" statt von "Neapel" und "Syrakus" - witzig, wie sich solche Gewohnheiten aus sozialistischer Zeit wohl im Zusammenhang mit unseren gestohlenen Ostgebieten immer noch halten. Am Freitag vor der Karwoche also zurück und dann am nächsten Morgen (wieder ging der Zug ziemlich früh, doch wenn man die erste Verbindung nicht bekommt, hängt man herum und der ganze Tag ist verloren) wieder zurück nach Messina, von wo es einen durchgehenden Zug nach Agrigent gab, den wir dann an dem einsamen Bahnhof Dittuno (gute Information bei der Auskunft in Messina) kurz vor Enna verließen, wo es auch gleich (12 Uhr) einen Linienbus nach Piazza Armerina gab, den Ort mit der römischen Villa mit den berühmten Mosaiken (u.a. mit den neckischen ballspielenden Bikinimädchen), den ich auch noch nicht kannte. Zum letzten Mal konnten wir den freien Eintritt, den es in der ersten Aprilwoche in allen staatlichen italienischen Kultursachen gibt, nutzen, doch uns juckte das eh kaum, das Mädchen galt ja als Kind und ich als Senior... Der Weg über Piazza Armerina lohnte sich, nicht nur wegen der Mädchen, die ja gar nicht mal so schön sind. Da wir irgendwie wieder zu unserer Bahnstrecke kommen mußten (ich hatte ja die Fahrkarte gebucht Brenner - Agrigent, Rückfahrt dann über Syrakus), machten wir uns gleich von der Villa mit unseren Rädern auf in Richtung Caltanissetta, eben der zu Beginn des Berichts erwähnten Stadt im Landesinneren, die ich schon lange von der eindrucksvollen Gründonnerstagsprozession kenne, leider ging's nicht nur bergab, doch genoß besonders ich die frühsommerliche sizilianische Landschaft. Hannah hatte einige Probleme mit den Steigungen, doch fand ich wieder Stricke oder Ähnliches, so daß ich sie ein wenig ziehen konnte. Bald nach dem Bergstädtchen Barrafranca fanden wir einen wunderschönen Zeltplatz in einem weiträumigen inzwischen längst von der Natur zurückeroberten Steinbruch zwischen Lavendelbüschen und anderen Gewächsen, leider mußten wir am nächsten Morgen (Sonntag) schon wieder früh los, um den 8-Uhr-Bus nach Caltanissetta zu kriegen. Schön, wie die Busfahrer (und bisweilen auch die Schienenbusfahrer) immer wieder so anhielten, daß wir mit unserer Fahrradrangervollausrüstung gleich hinten einsteigen konnten und wie sie uns auch manchmal halfen. Von früher wußte ich noch, daß es bald nach Calatanissetta eine Bahnstation am Meer "Falconara" gibt, in deren Nähe wir am Strand campieren wollten. Irgendwie war doch alles nicht so ideal, die Straße war immer weit weg von Strand und auch ziemlich hoch oben, die Strandnähe war relativ dicht bebaut, ich fand das Wasser zwar warm, doch meine kleine Gefährtin fand es eiskalt... Jedenfalls zogen wir es vor, unser Zelt gleich am Bahnhof aufzuschlagen, der inzwischen nur noch Haltepunkt war. So hatten wir es am nächsten Morgen auch nicht weit zum 7-Uhr-Frühzug. In dem inzwischen stillgelegten und längst unbenutzbaren Toilettenhäuschen gab es jede Menge Geckos, daß es die auch in Europa gibt, wußte ich bis dahin nicht. (Daß die Geckos Saugnäpfe haben, mit denen sie sich an den Wänden und Decken festhalten, wenn sie auf Insektenjagd sind, ist inzwischen als unsinnig erkannt, sie haben feinste Härchen mit Widerhaken...) Von den südsizilianischen Barockstädten lag erst einmal Modica am Weg, nett wie der Bahnhofsvorsteher uns half, die horrenden Gepäckaufbewahrungsgebühren (5 DM pro Gepäckstück) zu vermeiden, wir konnten unser Gepäck für die paar Stunden Besichtigungszeit gleich vor sein Bahnhofsvorsteherbüro stellen. Neben den barocken Bauten (so wie in Noto alle nach dem verheerenden Erdbeben von 1693 neu erbaut) interessierten wir uns vor allem für die Schiffspassage nach Malta, denn wir mußten ja vor Torsten dort sein, der am Mittwoch morgens mit LTU anfliegen würde. Früher gingen die Schiffe ja ab Syrakus öfter, doch jetzt stellten wir fest, daß das längst nicht mehr so war, und schon gar nicht zu den Preisen wie damals. Am selben Abend (montags und donnerstags) gab es da einen Katamaran ab Pozallo, dem ziemlich südlichsten Hafen Siziliens, das klappte also noch! Doch zu welchem Preis - für uns beide zahlte ich für die Rückfahrt um die 300 DM (190 + 110), mit dem Schiff wäre das auch kaum billiger gewesen, allein die maltesischen und sizilianischen Hafentaxen waren pro Person so um die 30 DM. Die scheinen offensichtlich so einen Alternativtourismus nicht zu wollen, immerhin bekommt man Flüge ab Deutschland ja schon um die 430 DM. Wie wir dann auf dem Katamaran feststellten, waren wir so ungefähr die einzigen "richtigen" Reisenden, die meisten Passagiere waren Tagestouristen auf der Rückkehr nach Malta von einer Sizilientour oder besser Ätnatour. Die Fahrt dauerte zwar nur um die 90 Minuten, doch die Grenzabfertigung in Malta inklusive Fertigmachen der Räder so um die 60 Minuten. Ach ja, ich hatte mir zuhause Gedanken gemacht, wie wir diesmal günstigster das Gepäck an den Klapprädern befestigen konnten, nachdem wir in den letzten Herbstferien manchmal bald eine Stunde gebraucht hatten, um flott zu sein. Und da hatte ich jetzt Tafeln aus Aluminium gesägt und selbstgemachte Eisenblechprofile zur schnellen Befestigung an den Fahrradgepäckträgern draufgeschraubt, darauf paßten dann geeignete Taschen, die mit dicken Gummischnüren festgezurrt wurden. Leider hatte Hannah noch nicht ganz das passende Gepäck, beim nächsten Mal also perfekter!). Bei der anschließenden Radtour (immerhin inzwischen ab Mitternacht) war Hannah ganz großartig, wenn's drauf ankommt, dann macht sie eben mit! Und ich wußte ja gar nicht, wo es lang ging, um irgendwo außerhalb der Gegend mit der dichten Bebauung einen Zeltplatz zu finden. An einer Schnellstraße (am Rand verwilderte <?> Hauskaninchen) ließ ich sie mit den Rädern warten und suchte zu Fuß und fand am Ende eines kleinen Wegs eine offensichtlich "tote" Garage mit einem geeigneten Platz davor. Na ja, es war der ideale Zeltplatz - am nächsten Tag kam der Eigentümer, dem das ganze Gelände gehörte, und bot uns hinter dem (recht schweren) Rolltor in der Garage den Platz zum Zelten an... Und er zeigte uns auch noch, wo es Wasser gab (auch trinkbar) und einen Dicke-Bohnen-Acker zur Selbstbedienung, die würden auch roh hervorragend schmecken... Gleich am ersten Tag lud einer der jungen Männer Hannah zu einer kleinen Rundfahrt auf einem Derbyrennenwagen ein, zwei solcher Wagen standen auch noch in "unserer" Garage und zwei in einem anderen Schuppen, wo es auch noch drei Boxen mit Rennpferden und Platz für einige Hühner gab. In dem Ort fanden wir auch noch am Abend das passende Imbißlokal, wo es leckere "homemade" Lasagne für 50 p (DM 2,50) und Pizza für DM 1,50 gab - da erübrigte sich ja fast das Selbstkochen. (Das brachte es auch nicht so recht in Malta, denn sowohl die Bratwurst von einer Metzgerei als auch von einem Tante-Emma-Laden in der Nähe waren absolut versalzen, komische Geschmacksnerven müssen die Malteser haben.) Schön, daß ich Torsten nach seiner Landung am Tag darauf (Mittwoch in der Karwoche) mitteilen konnte, daß wir sowohl das (fast) ideale Quartier gefunden hatten... In La Valletta gab's natürlich viele Touristen, wir sprachen ein älteres Ehepaar aus Arizona, die auf einer zweiwöchigen Mittelmeerkreuzfahrt waren und für die Malta erste Station war. Den Preis der Fahrt wollten sie uns nicht sagen - jedenfalls "genügend". Das Museum der Co-Cathedral (der ehemaligen Ritterkirche) schenkten wir uns, denn ich hatte mich vorsorglich an der Kasse erkundigt, ob der "Caravaggio" da war (die berühmte Enthauptung des Johannes des Täufers, wegen der manche Fans eigens nach Malta kommen, um die dort in der Originalumgebung zu sehen), und der war eben gerade bei der Restauration. Dafür gingen wir dann in den ehemaligen Großmeisterpalast, in das Krankenhaus der Ritter (161-m-Saal), in das Archäologische Museum (ein Muß, denn dort ist die prähistorische absolut dicke Mutter-Gottheit zu sehen), in die "Nationalgalerie" mit den Resten des Silbergeschirrs aus dem Krankenhaus der Ritter, ins Fort Elmo, das La Valletta vorgelagert ist, und in noch mehr Kirchen als bei meinen früheren Besuchen. Gleich an Torstens erstem Abend waren wir auch noch in einem Konzert in einer Kirche: Klassikstücke, die irgend etwas mit Ostern zu tun hatten und dazwischen eher einheimische in der Karwoche üblichen Trauermärsche. Hannah war da nicht mitgekommen, das war auch ganz gut so, denn alles war für Bläser aufbereitet - und Parsifal-Ouvertüre für Bläser klingt schon komisch und ist kaum zu erkennen, und das hätte Hannah möglicherweise noch mehr in ihrer "Klassik"- Abneigung verschreckt. Im übrigen blieb Hannah auch sonst noch ein oder zweimal allein im jeweiligen "Quartier", bevor ich oder wir weggingen, gab ich manchmal noch ein paar flapsige Tips (die dennoch ernst gemeint waren), wie sie sich wehren könnte, wenn jemand "etwas" von ihr wollte, schon toll, wenn ein Mädchen nicht so von irrationalen Ängsten beherrscht wird. Dann gab es da auch noch Touren mit Bus und Rad in alle Richtungen, um die meisten (?) der prähistorischen Tempel und Höhlen und vor allem die vielen einerseits riesigen bis größenwahnsinnigen und andererseits doch wieder gelungenen Kirchen und die bisweilen auch schöne Landschaft zu sehen. Ja, die bauen auch heute noch in Barock und Renaissance und bisweilen sehr eindrucksvoll, so ist die St. Paulskirche mit einer auffälligen schlanken Kuppel in La Valletta noch nicht allzu lange fertig und auch nicht die Kirche (oder der Dom) von Xewkija auf der Insel Gozo. Gerade diese Kirche ist meiner Meinung nach von der Größe des Pantheons in Paris, aber eben in einem Dorf, und scheint zumindest von einer Seite her in Gemüsefeldern zu stehen. Und bei uns in der Nähe in Hamrun war gerade so eine riesige Kirche im Bau. Weniger schön war, als wir an der Südküste überall Unterstände für die Schießer und die Halterungen für die Käfige mit den Lockvögeln sahen, um die von der Reise übers Meer erschöpften Zugvögel anzulocken und dann gnadenlos draufzuballern. Wir wurden Zeuge, doch schien der einsame Vogel noch davongekommen zu sein. Na, wir gehen ja mit anderen Tieren vielleicht auch nicht besser um. Der Abstecher zu der Nebeninsel Gozo hatte sich m. E. gelohnt, nicht nur gab es da für uns außer der dem Dom von Xewkija den riesigen frühgeschichtlichen Gegantijtempel, sondern die Hauptstadt Victoria oder auch Rabat war sehenswert - grandioser Rundblick von der Burg. Im Opernhaus (am 16. Mai gibt's La Traviata) fragten mich einige junge Leute, ob ich nicht den Präsidenten sprechen wollte, denn der hätte hier sein Büro und sei gerade da. Als er dann bei uns vorbeiging, meinten sie, daß der nicht umsonst so mürrisch sei, denn es stünden Wahlen bevor, die er (Sozialist) höchstwahrscheinlich an die Konservativen verlieren würde... Im ganzen gefiel mir Gozo besser, irgendwie geruhsamer und sauberer. Mein Kollege hatte seinem Sohn einen Brief an mich mitgegeben, in dem er uns mitteilte, daß wir eine befreundete Familie von Freunden besuchen sollten. Allerdings seien die sehr katholisch und ich sollte alle meine üblichen Reden vermeiden. Nach komplizierten Telefongesprächen (an den Telefonen ist wie an den normalen Straßen offensichtlich seit dem Abzug der Engländer oder noch länger nichts gemacht worden) hatten wir uns dann für Ostersamstag abends verabredet. Bei einigen maltesischen Imbissen gab es dann ein wenig Smalltalk, die Frage nach meinem Beruf erschöpfte sich dann darin, daß ich gefragt wurde, ob wir auch Priestermangel hätten, und die Frau meinte, daß sie den positiv fände, denn da müßten die Gemeindemitglieder selbst etwas tun. Gerne hätte ich etwas Näheres über die Religiosität der Malteser erfahren, doch es war eben Smalltalk. Denn ganz komme ich ja mit dem maltesischen katholischen Glauben nicht klar: Die machen irre Prozessionen, bauen wahnsinnige Kirchen, doch wie mochte sonst das Leben sein? Die Frau des Hauses interessierte sich immerhin sehr für unsere Reise und schwärmte davon, einmal im Wohnwagen durch Europa zu fahren. Ich erklärte ihr, wo man ihn jeweils am besten bei Städtekurzbesuchen parkt (auf den Parkplätzen von Friedhöfen, da gibt es dann auch Wasser und Toiletten!) und wies allerdings auch auf die Nachteile hin, wenn man einen Wohnwagen nicht oft gebraucht, und empfahl in Frankreich und sonst die Formel-1-Hotels. Der Ehemann war offensichtlich gar nicht glücklich, wie wir seine Frau so noch zum wenigstens halbwegs alternativen Reisen anstifteten - und schon gar nicht in dem Stil... Unsere anfängliche Reiseplanung erwies sich als nicht ganz so günstig, und da der Ätna sowieso nicht spuckte, auch die Zeit für den zu knapp war und der Katamaran für Torsten auch noch 125 DM kosten würde (+ DM 66 für die Eisenbahn in Italien) und er auch noch ausgebucht war, nahm Torsten das Angebot der Lufthansa für Junioren an, am 16.4. (Donnerstag nach Ostern) mittags für 375 DM nach Frankfurt zu fliegen. Wir selbst fuhren am selben Tag morgens um 7 Uhr (das hieß 5 Uhr aufstehen!) im tatsächlich vollen Katamaran nach Sizilien zurück, wir wurden als letzte Passagiere gleich in die erste Klasse gesteckt. Hannah "fütterte dabei die Fische" und nach der Ankunft lehnte ich die bepackten Räder so unglücklich an ein Gattersegment, daß es die Standfestigkeit verlor und nicht nur umfiel, sondern gleich zwischen Katamaran und Kaimauer ins Hafenbecken polterte. Die Räder konnte ich wenigstens noch halten... Hannah war es äußerst peinlich, wie wir uns schon wieder blamiert hatten. Doch wir sollten weitergehen... Bei der Weiterfahrt machten wir dann kurzen Halt in der alten Barockstadt Noto (ähnliche Geschichte wie Modica). Leider war die schönste der Kirchen dort (Kreuzkirche) schon zu, obwohl wir erst kurz nach 11 Uhr da waren, und der Dom war in Restaurierung. Immerhin machte uns ein Einwohner auf das Gefängnis in einem alten Kloster aufmerksam, in dem nach seiner Informationen auch Mafiosi sitzen. Die Bewacher in Glashäuschen auf der Straße... Die letzte Nacht in Sizilien verbrachten wir dann kurz hinter Avola (immer in Richtung unserer Fahrt) in Strandnähe unter einem Mimosenbaum. Ich fand den Platz in der Nähe einer wohl seit längerem nicht weitergebautem Neubau wunderschön, doch leider waren durch unsere Nachlässigkeit in unser Zelt mindestens 12 Mücken gelangt, die Hannah - nur sie - ziemlich zerstochen hatten. Dabei hatte ich doch gewußt, warum Hannah nicht im offenen Zelteingang sitzen sollte, doch den entscheidenden Grund hatte ich nicht parat. In Syrakus dann "altes Programm": Dom, der in den alten Minervatempel eingebaut ist, Aretusaquelle, griechisches Theater mit Steinbruch mit dem "Ohr des Dionysos" und moderne Kirche der "Weinenden Madonna" in der Nähe. Endlich hatten wir einmal ein richtiges Paket Eis (500 g) gekauft und uns das dann mit Blick auf das Theater schmecken lassen. Für die Wärter waren wir ganz offensichtlich "heile Welt"... Auf der Weiterfahrt entschlossen wir uns dann, in Rom und nicht wieder in Neapel den letzten Tag zu verbringen, von wo wir dann den inneritalienischen Nachtzug nach Bozen nahmen, weil es in diesem Zug ausreichend Platz in den Sitzwagenabteilen gab. Mit der Einwegbettwäsche von der vorherigen Nacht haben wir ein Abteil dann auch in ein Liegewagenabteil umgebaut. Den letzten Tag also in Rom. Eigentlich wollte ich endlich einmal zur Via Appia, doch Hannah streikte, das war ihr zu weit, und so machten wir eben einen ruhigen Rom-Tag: Maria Maggiore (dort gibt es z.Zt. die günstigsten Ansichtskarten), Il Gesu (in Rstauration), Pantheon (unser Lokal östlich der Albergo Abruzzi hat ein schönes typisch römisches Salatbüffet mit Getränk für 12 DM allerdings nur montags und freitags - schade!), die französische Nationalkirche San Luigi dei Francesci mit den Caravaggios vom Apostel Matthäus, Petersdom, in dem wir ausreichend blieben, weil es gerade regnete. Dann Gianicolohügel mit der herrlichen Aussicht, wo ich einen rosenverkaufenden Bengladeshi interviewte, "legal or illegal", nach ja, "illegal". Er sei in Bengladesh Lehrer, hätte für einen gefälschten Paß (Paßbild manipuliert) eines Geschäftsmannes inklusive Flug nach Belgien 11000 U.S.$ bezahlt und hoffe jetzt, daß Italien EC-Gelder bekäme, um die Illegalen zu legalisieren (irgend so etwas habe ich verstanden). Er war sehr optimistisch, daß er bald eine vernünftigere Arbeit finden würde. So langsam ging's von dort dann in Richtung Stadtzentrum: Sta. Maria Trastevere, bei einem "Standa"-Markt Lebensmitteleinkauf (so daß ich auch noch die ersten Tage hier römisches Brot und römische Wurst haben würde, das beste Brot ist allerdings das neapolitanische, da wird offenbar noch mit Sauerteig gebacken - daher die großen Löcher im Brot), Rundfahrt um die Tiberinsel, Campo de Fiori, noch einmal Pantheon und dann zum Abschluß Trevi-Brunnen. Dort vermißte ich dann meinen Gepäckschein - doch es war kein Problem, das Gepäck zu bekommen. Der Schein fand sich dann doch wieder... Unterwegs in Deutschland am nächsten Tag konnte ich es mir nicht verkneifen, für Hannah einen Abstecher nach Ottobeuren zu machen, damit sie sozusagen zum Ausklang noch einmal einen Höhepunkt in Süddeutschland sah. Genau um 20 30 Uhr habe ich sie dann beim Autobahnkreuz Olpe wieder ihren Eltern "abgeliefert". Es war eine schöne, wenn auch bisweilen wieder etwas anstrengende Fahrt. Vielleicht können wir künftig solche Fahrten etwas lockerer gestalten, wenn wir systematisch Gepäckreduzierung betreiben. Ach ja, und das Wichtigste: Wie ging das so mit einem kleinen Mädchen? Ich muß sagen: Wunderbar! Also, man kann sich daran gewöhnen... Bis auf Kleinigkeiten haben wir uns auch sehr gut verstanden, na ja, ich spiele doch auch immerhin bei einem großen Teil von Hannahs Leben eine wichtige Rolle. In einigen Dingen ist sie ganz gewiß noch Kind, wenn sie etwa mitten durch eine Pfütze fahren muß (die Torsten und ich sorgfältig umfahren hatten). Daß sie dabei in hohem Bogen auf die Nase fiel und mittendrin ein Zwangsbad nehmen mußte, tat mir schon leid. Sie kann halt noch nicht so recht ahnen, daß in den schlechten maltesischen Straßen bisweilen riesige Schlaglöcher unter der trüben Brühe von Pfützen versteckt sein könnten... Doch in anderen Dingen (wo es drauf ankommt) ist sie absolut klasse. Ich habe ja schon im letzten Bericht geschrieben, daß sie eigentlich nie schlechte Laune hat, selbst wenn etwas für sie sehr anstrengend ist. Gut fand ich ihr Verhalten, als es mit Torsten einen Disput gab, als er noch dachte, mit uns per Schiff, Bahn und Auto nach Hause zu fahren. Er hatte da Probleme, weil ich erst wieder am Sonntagabend und da auch nicht allzufrüh hier sein würde. Bei diesem Disput sagte sie kein einziges Wort - absolut weiblich diplomatisch! Und viele andere Gespräche gab's natürlich noch. Meine Hoffnung ist natürlich, daß Mädchen sich bei solchen Fahrten mit mir Maßstäbe setzen, nach denen sie sich später die wirklichen Partner aussuchen.... (Website basisreligion mit basislexikon, basisdrama, basisgesprächen, basisreisen) |