Japan und ein wenig China im Sommer 1991

 

Zur Vollständigkeit aller meiner Reisen nach Nah und Fern fehlte mir inzwischen einmal ein Land, das weder unserem christlich-abendländischen Kulturkreis zuzuordnen ist, noch irgendwie als Entwicklungsland angesehen werden kann. Und da blieb eigentlich nur noch Japan übrig. Wie machen die das dort, wie sieht eine Industriegesellschaft in einem solchen Land aus? Anläßlich der Inthronisation des neuen Tenno im vergangenen Jahr konnte man ja zudem auch merkwürdig Archaisches darüber in unseren Zeitungen lesen, etwa, daß er in einem eigens zu diesem Zweck gebauten Tempel eine Nacht gemeinsam mit seiner Urahne, der Sonnengöttin Amaterasu, verbringe, zu der auch die intime Gemeinschaft gehöre. Das klang ja ganz nach der "heiligen Hochzeit" aus der nahöstlichen Antike, bei der ja etwa der babylonische König auch mit einer Frau schlief oder schlafen mußte, die nicht seine eigene war, und zwar dort mit der Oberpriesterin, die wohl dabei dann die entsprechende Göttin vertrat. Und nun so etwas auch noch in einer neuzeitlichen Industriegesellschaft!

Für mich als Theologen, der von der Vorstellung "besessen" ist, daß sich irgendwo auf der Welt mythisches und kultisches Brauchtum lebendig erhalten hat, wie es auch zu Zeiten der Entstehung der Bibel - sowohl des Alten wie des Neuen Testaments - aktuell war und wie es allerdings bei uns inzwischen verschwunden ist, war das schon einmal eine erste Anregung, mich auch für Japan zu interessieren. Wenn schon mit der Inthronisation eines neuen Kaisers ein Ritus verbunden ist, wie er auch fast in derselben Weise im alten Orient vorkam, was mochte es da an Ähnlichkeiten nicht noch alles geben?

Und sind nicht weite Teile vor allem des Alten Testaments genau gegen solches götzendienerisches Brauchtum geschrieben, wie es das der "heiligen Hochzeit" ist, sind sie nicht eigentlich nur zu verstehen, wenn man auch den damals aktuellen Hintergrund kennt? Lohnt es sich da nicht, sich noch ein wenig auf solchen Hintergrund einzulassen, wo man ihn heute vermutet, um vielleicht noch mehr zu verstehen?

Der Vergleich mit einem ganz beliebigen Witz verdeutlicht das Problem am einfachsten: Kann man einen Witz nicht nur richtig erfassen, wenn man auch die Zusammenhänge kennt? Ganz lächerlich wird es, wenn jemand die richtigen Zusammenhänge nicht kennt und neue erfindet, damit das Ganze wieder einen Sinn ergibt. Wir lächeln gönnerhaft, wenn Kinder so etwas machen, doch machen wir nicht gerade so etwas laufend gerade mit unseren alten und heiligen Schriften? Ich denke da an die Begründung der Erbsünde mit der Adam-und-Eva-Geschichte oder an die Begründung des Gehorsams gegen Gott mit der Abrahamgeschichte. Sollten wir da nicht jede sich bietende Gelegenheit wahrnehmen, an wirkliche "Indizien" für die Wirklichkeit heranzukommen? Und: Lassen nicht meistens einzelne sehr massive Indizien auch auf weitere schließen, doch muß man nicht, um diese vielleicht (!) zu erkennen, sich schon persönlich auf den Weg machen? Und vielleicht kann ich auf einer solchen Fahrt auch brauchbares und effektvolles Anschauungsmaterial für meinen Unterricht finden, um den Schülern die ganze Problematik so zu belegen, daß sie vielleicht am Ende doch noch zu einem besseren Verständnis unseres Glaubens kommen?

Das Reizvolle an einer Fahrt nach Japan war für mich zudem, daß es sich dabei um ein Land handelt, das zur Zeit von Deutschland aus recht wenig bereist wird, zumindest nicht "alternativ", vor allem scheint es keinerlei Literatur in der Richtung zu geben, wie ich sie mir vorstelle.

Irgendwelche brauchbaren Tips für die Fahrt bekam ich auch kaum, lediglich mein amerikanischer Freund Günther C. (angeheiratete Verwandtschaft) kannte Japan aus der Zeit des Koreakriegs, aber da war es offensichtlich noch eine völlige Idylle, die zudem noch unheimlich billig war. Und dann wußte ich noch von neueren Eindrücken anderer Leute, vor allem daß alles sehr teuer sei, etwa daß 1 kg Rindfleisch 300 DM und ein Apfel etwa 3 DM kosten, oder auch daß man wegen der schwierigen Hotelsituation auch schon einmal in einem "Liebeshotel" übernachten müsse. Da aber - was das Preisniveau angeht - auf der anderen Seite durchschnittliche Japaner auch nicht so viel mehr wie wir verdienen können, dürften im allgemeinen die Preise auch wieder nicht so hoch sein, auch das war wieder ein "Forschungsziel", das man nur durch eigene Erfahrung entdecken konnte. Also hin!

Der einzige Führer, in dem in etwa das angesprochen war, worauf es mir bei der Fahrt ankam, und mit dem ich auch in diesem Land, in dem ich ja quasi Analphabet war, zurechtkommen würde, war ein englischsprachiger Führer aus der Serie "a travel survival kit" von Ian L McQueen. Da standen dann wenigstens alle Informationen über Verkehrsmittel, Unterkunftsmöglichkeiten usw. drin.

Da ich jedoch trotz aller meiner Englischkenntnisse meine Schwierigkeiten damit habe, einen englischsprachigen Führer auch flott oder diagonal über alles das zu lesen, was sonst noch wichtig ist und was ja auch das Ziel der Fahrt ist, kam mir der Hildebrandt's Urlaubsführer über Japan, den ich im vergangenen Jahr von meiner Gemeinde anläßlich meines Diavortrags über Peru geschenkt bekam, sehr zustatten.

Und dann noch eine persönliche Neuerung dieser Fahrt gegenüber den früheren Fahrten: Ich würde diesmal nicht allein sein! Im vergangenen Jahr hatte ich in Peru am Rand des Amazonasbeckens Marlene, eine junge peruanische Englischlehrerin, kennengelernt, der ich nach meiner Rückkehr nach Blatzheim einmal meine in Englisch zusammengefaßten Gedanken über Glaube und Religion geschickt hatte. Daraus hatte sich dann in der Folgezeit ein lebhafter Briefwechsel ergeben. Dabei stellten sich viele Gemeinsamkeiten heraus, die - zumal auch das "Emotionale" vorhanden zu sein schien - sogar eine tiefere Gemeinschaft aussichtsreich zu lassen schienen. Und unsere Vorüberlegungen ließen eigentlich ein nochmaliges Zusammentreffen günstig erscheinen. Warum also nicht das Wagnis einer gemeinsamen Reise eingehen? Also machte ich meine Vorschläge, die auch akzeptiert wurden.

Um nicht volle sechs Wochen in einem teuren Reiseland zu verbringen und auch noch andere Eindrücke zu sammeln, schlug ich einen Flug lediglich nach Hongkong vor. Dort wollten wir uns nach geeigneten Klapprädern umsehen, mit denen wir dann die weitere Fahrt und dabei vor allem den dreiwöchigen Aufenthalt in Japan, für den ich Netzkarten für die japanischen Eisenbahnen (je 750 DM) kaufen würde, rationeller gestalten könnten: "Taxi" gleich immer quasi im Koffer dabei. Ich hatte beim letzten Segelausflug nach Holland dort ein solches geeignetes Rad gesehen und vom Besitzer erfahren, daß es aus Taiwan stammt. Also mußte so etwas sicher in Hongkong zu kaufen sein. Und da ich auch wußte, daß es eine Schiffahrtslinie von Shanghai nach Japan gab, bot sich nach Kauf der Räder eine Fahrt mit der chinesischen Eisenbahn von Kanton (per Schiff oder Bahn von Hongkong zu erreichen) nach Shanghai an und von dort dann die Weiterfahrt mit dem Schiff.

Genaueres wußte ich von alledem nicht, dazu kamen noch Meldungen über Naturkatastrophen aus China, aber es würde schon klappen. Schließlich würden wir ja genügend Zeit haben, da es mir gelang, bei "meinem" Flugexpreß-Reisebüro Flugverbindungen für ca DM 1650,-- mit der KLM zu ergattern, die hier unmittelbar nach Beginn der Ferien losgingen und erst wieder ganz kurz vor Ferienende endeten. Und man mußte ja auch bei eventueller Zeitknappheit in China nicht unbedingt mit der Bahn fahren, zwischen Kanton und Shanghai boten sich auch Flugverbindungen an. Abflug war wie schon öfter Amsterdam - und ich parkte auch wieder wie schon vor zwei Jahren mein Auto auf dem idealen "umsonstenen" Parkplatz in einem Dorf am südlichen Rand des Flugplatzes, diesmal darauf achtend, ob hier nicht auch inzwischen ein Dauerparkverbot erlassen war... Glücklicherweise war der Abflug in Amsterdam um über zwei Stunden verschoben, denn wir waren wegen einiger Staus ziemlich spät dran...

Hongkong - Shanghai - per Schiff nach China (V.R.) und per Bahn durch China

In Hongkong - wir verbrachten unsere Nächte in zwei der Minihotels im Chonquing-House an der Südostspitze der Kowloon-Halbinsel - fanden wir nach einigem Suchen tatsächlich einen kleinen Fahrradladen ("Flying Ball Bicycle Co.", 201 Tung Choi Street, Kowloon, Hongkong), der genau die gesuchten Räder für umgerechnet ca 210 US $ hatte. Der Klappmechanismus war so raffiniert, daß ich ihn zuerst gar nicht begriff! Passende Taschen (ca 65 mal 46 mal 23 cm) gab's auch noch für ca 25 DM, so daß wir die 15 kg schweren Räder wirklich unkompliziert und erforderlichenfalls auch mit allen möglichen Verkehrsmitteln und schließlich sogar mit dem Flugzeug zurück transportieren würden können. Und der Händler nahm auch unsere Travellerschecks zum günstigsten Kurs an, was in Hongkong gegenüber dem schlechtesten - etwa am Flugplatz - bei 100 US$ um die DM 10 Unterschied ausmachen kann.

Wegen der Hitze unternahmen wir in Hongkong, der Stadt, der ich schon beim letzten Mal nicht viel abgewinnen konnte, nicht viel, lediglich eine Fahrt zu der Insel Cheung Chau, wo wir auf der Rückfahrt gleich wegen der unverpackten Räder (oder des zu großen Gepäcks?) gering zur Kasse gebeten wurden - übrigens das einzige Mal während der ganzen Fahrt. Wenigstens erfuhr ich bei einem unserer Fahrradbummel durch die abendlichen Straßen, warum ich nicht die an mich vor zwei Jahren postlagernd adressierte Post erhalten hatte: Da gab es auf der Festlandseite (also in Kowloon) noch ein großes Postamt, wohl das eigentliche Hauptpostamt, das man mir aber in dem Postamt auf der Insel Hongkong, in dem ich suchte, aber auch auf meine entsprechende Fragen nicht genannt hatte. 

Die Fahrt nach Kanton/China ging wieder wie vor zwei Jahren über Nacht per Schiff, das jetzt aber reichlich voller Menschen war.

In Kanton nahmen wir dann wieder das günstige und gepflegte Hotel, das sich Jugendherberge nennt, und uns gelang auch der erfolgreiche, schnelle und günstige Kauf von Fahrkarten im Liegewagen für den folgenden Tag (Mittwoch, 24. 8.) nach Shanghai. Nur als wir dann - wie ich meinte, zur Abfahrt fast eine Stunde zu früh - zum Bahnhof kamen, zeigte die Bahnhofsuhr bereits die Abfahrtszeit an, der einmalige Zug an diesem Tag war also weg! Irgendwie hatten wir die Zeitverschiebung zwischen Hongkong und dem übrigen China nicht mitbekommen. Wer weiß, wie kompliziert es ist, in China gerade an die günstigen für Chinesen gedachten Fahrkarten zu kommen, wird vor allem meinen Ärger verstehen. Dabei hatten wir uns - wie wir dann auf der Rückfahrt an einigen Uhren in Kanton feststellten - nicht einmal absolut dumm angestellt, einige Uhren in Kanton zeigten tatsächlich Hongkonger Zeit an (wohl um die Verbundenheit mit Hongkong zu demonstrieren), nur eben die Bahnhofsuhr und mit ihr die Abfahrtszeiten der Züge richten sich in ganz Rot-China nach der Pekinger Zeit! Immerhin bekamen wir die Kosten der Fahrkarten zurückerstattet und für den folgenden Tag fanden wir auch noch günstige Sitzfahrkarten, nur eben 33 Stunden auf Sitzplätzen...!

Die Abfahrtszeremonie unseres neuen Zuges war dann schon beeindruckend: Patriotische Musik aus Bahnhofs- und Zuglautsprechern und das Abfertigungspersonal (sonst war der Bahnsteig völlig leer) stand bei der Ausfahrt des Zuges am Bahnsteig Spalier quasi stramm mit Händen an der Hosennaht! Und kurz nach Abfahrt des Zuges kam auch das Zugpersonal in unseren Waggon, einer hielt eine kurze Ansprache und die Leute im Waggon klatschten Beifall. Ob es sich bei der Rede um die Ankündigung handelte, in sozialistischem Idealismus für das Wohl der Fahrgäste zu sorgen? Ein guter Vorsatz! Auch hing da ein rotes Transparent in unserem Waggon. Das schienen mir aber so die einzigen Erinnerungen an den real existierenden Sozialismus zu sein, ansonsten wirkte alles in Kanton - und später noch mehr in Shanghai - doch recht wenig sozialistisch. Vor allem finden wir dann in Shanghai eigentlich nur Geschäfte, die gar nicht mehr so sozialistisch anmuten, wie wir es etwa von unseren östlichen neuen Bundesländern von früher kannten. Die Geschäfte sind genauso voller Waren - und mit genau denselben Kaufanreizen wie Sonderangeboten wie bei uns hier schon immer. Und die Straßen sind Überall voll von Massen von Menschen, und nur zu oft auch dazu noch voller Autos, in Shanghai vorwiegend der dort hergestellten VW- Santanas. Das deutlichste Merkmal einer Wandlung hinweg von staatlich gelenkter Wirtschaft ist für mich die Tatsache, daß auf dem Schwarzmarkt der Kurs für das in meinem letzten Chinabericht vor zwei Jahren beschriebene Touristenspielgeld nur noch 1:1,1 gegenüber 1:1,7 beträgt und sogar US-Dollars und andere Devisen gehandelt werden. Im Endeffekt bekommen wir allerdings für unser Geld dasselbe wie ich es vor zwei Jahren bekam. Die machen den Sozialismus in China eben "pragmatischer"! (So ähnlich stand es auch in der Spiegel-Ausgabe von Mitte August, die ich dann beim Heimflug lesen konnte: Ein selbständiger Unternehmer aus Süd-Rot-China berichtete, daß er einmal im Monat zur Behörde müßte, wo er zu sozialistischer Gesinnung vergattert würde, inzwischen schicke er dorthin einen seiner Angestellten...)

In Shanghai verfrachtete ich spät abends erst einmal Marlene ins Shanghai-Mansion, ein Nobelhotel (inzwischen wurde die mit Visa-Card bezahlte Rechnung von DM 65,93 von meinem Konto abgebucht), um mich per Klapprad nach der nächsten Schiffsabfahrt zu erkundigen, ich hatte ja nicht Lust, die wahrscheinlich einzige wöchentliche Abfahrt zu verpassen - und siehe, sie fand tatsächlich am kommenden Tag, also Samstag, um 16 Uhr statt. Und es gab auch noch Tickets, in der einfachsten Klasse (wie sich später herausstellte schon ganz japanisch auf Matten auf dem Fußboden in einer vielleicht 25 qm großen Außenkabine zusammen mit ca. zehn jungen Japanern) für Hin- und Rückfahrt für uns beide für ca. DM 1100. Da ich gehört hatte, daß vor allem das Obst in Japan so teuer sein sollte und da vor allem die Melonen in China so günstig waren (Wassermelonen für kaum mehr als 60 Pf), packte ich noch einen riesigen Sack voll ein, man konnte ja nicht wissen... Als ich an Bord jedoch erfuhr, daß die Japaner keine Einfuhr von Früchten in ihr Land gestatteten, verschenkte ich die Melonen an Bord, wo ich nur konnte, denn das war nicht leicht, weil nur relativ wenige Passagiere auf dem Schiff waren. Die Fahrt selbst dauerte ca. 65 Stunden, also über drei Nächte, Frühstück (mal europäisch, mal chinesisch- japanisch) gratis.

Wegen eines Taifuns im offenen Pazifik friemelte sich unser Schiff durch die japanische Inselwelt hindurch, wir bekamen so schon längst vor der Landung nicht nur einen ersten Eindruck von der wunderschönen Natur Japans, sondern auch von den grandiosen technischen Leistungen der Japaner, denn wir fuhren sowohl unter den Brücken hindurch, die die südwestliche Insel Kyushu als auch die südliche Insel Shikoku mit der Hauptinsel Honshu verbinden.

Erster Eindruck von Japan: Yokohama - Tokio - Kawasaki (und hier unsere erste Berührung mit so einem "japanischen Kult").

Ja, und dann die Ankunft am Dienstag, 30. 7. früh um 8 Uhr in Yokohama bei Tokio. Der Zoll nimmt unser Gepäck ziemlich restlos auseinander - um uns auch noch unsere restlichen Früchte wegzunehmen. Das ist wohl eine "Sondereinlage" für die Leute, die mit dem Schiff ankommen...

Der erste nähere Eindruck: Alles unheimlich amerikanisch, alles sehr sauber, alles sehr ordentlich. Nur die wenigen Radfahrer, zu denen ja auch wir jetzt gehören, scheinen Narrenfreiheit zu haben. Ganz offensichtlich gehören sie hier auf die Gehwege (es scheint nichts zu machen, ob sie den linken oder rechten benutzen), aber es stört sich auch niemand daran, wenn sie auf der Fahrbahn - auch wieder ganz gleich, ob links oder rechts - fahren. Marlene hat noch einige Schwierigkeiten der Eingewöhnung, es sieht in dem dicken Verkehr ja auch recht gefährlich aus, aber mir macht's schon einmal Spaß! In einer Bank wechsle ich zwei meiner American-Expreß-Dollarschecks (ganz anders als in Hongkong stets ohne bankspezifische Aufschläge), wobei mir auffällt, daß die jungen (recht hübschen) weiblichen Angestellten alle in den Farben der Bank gekleidet sind - ein erster Hinweis auf die männerrechtliche Gesellschaft in Japan? Da die Jugendherberge von Yokohama voll ist (ich hörte, daß japanische Jugendherbergen bisweilen schon bis zu einem Jahr vorher ausgebucht sind), rufe ich bei der in meinem "Survival Kit" am meisten empfohlenen Herberge in Tokyo, dem Okubo-House, an, und siehe, es ist sogar noch Platz für uns frei. Und wie wir dann sehen, eigentlich auch wunderbar! Typisch japanisch, wieder Matten auf dem Fußboden, dazu - natürlich in getrennten typisch japanischen Gemeinschaftsbädern Badegelegenheit (man schrubbt sich im gekachelten Raum sauber und steigt zum gepflegten Ausruhen in die mehr oder weniger große Gemeinschaftsbadewanne mit ziemlich heißem Wasser), und schließlich gibt's noch für jeden einen Kimono. Alles ist sehr gepflegt und ordentlich - und dazu ist das Haus noch recht zentral gelegen gleich beim Okubo-S-Bahnhof, für die hier haltenden Züge gelten ja auch unsere Bahnnetzkarten - und für uns zusammen kostet das Zimmer etwa DM 56.

"Unser" Viertel ist eher "altjapanisch", recht enge Sträßchen und kleinere Häuser abseits von der Hauptstraße. In unserer Nähe befinden sich noch einige andere, entweder nobler oder poppiger aufgemachte Hotels, an denen zumeist Schilder sind mit der englischen Aufschrift: "Das Hereinbringen von auf der Straße wartenden ausländischen Frauen ist verboten!" (Und es stehen auch tatsächlich welche herum...) Auf der Hauptstraße des Viertels fällt uns dann zwischen lauter kleinen Geschäften und kleinen Restaurants und Imbißstuben (darunter auch Mc Donalds) ein vor Chrom und Glas strotzender hellerleuchteter Palast auf, in den wir natürlich gleich einmal hineingehen. Da sitzen also in langen Reihen vor chromblinkenden Spielautomaten Leute, die an diesen Automaten das Spiel spielen, wie wir es in ähnlicher Weise auch als Kinder spielten, bei dem in das Spielfeld katapultierte Kugeln nach einigen Hindernissen in verschiedene Wertfächer rollen.

Natürlich ist hier alles ganz anders aufgemacht. Unter den Automaten befinden sich etwa 40 cm breite und 10 cm tiefe Schalen, in denen sich die eingesetzten und dann auch wieder gewonnenen Kugeln befinden, und die Leute "schießen" per Tastendruck eine Kugel nach der anderen in den Automaten - ohne daß sie dabei auch nur den Lauf einer einzelnen Kugel verfolgen könnten. Und dann stehen - als Reserve oder vielleicht auch durch Gewinn - bisweilen neben den Spielern auf dem Fußboden Plastikkästen in der Art der Materialkästen, wie sie hier in den Fabriken gebraucht werden, nur eben wieder voller Kugeln. Pachinko nennt sich das Spiel, und der Anblick der Spieler vor den Automaten erinnert mich erschreckend an Huxleys "Schöne neue Welt", - Zeittotschlagen der "Epsilons". Übrigens, an Huxleys Buch sollten wir auf unserer Fahrt noch manchmal erinnert werden! Acht mal vierzig, also 320 Automaten zähle ich in diesem Etablissement - und kaum 100 m weiter ist schon das nächste.

Wir bleiben zwei Nächte in unserem Hotel, besuchen u. a. den kaiserlichen Park und fahren an einem Spätnachmittag nach Kawasaki zwischen Tokyo und Yokohama, weil mir da ein ganz merkwürdiger Kult in meinem englischen Führer aufgefallen war. Dort gibt es jährlich am 15. April einen Festumzug zur Erinnerung an die Erlösung einer Jungfrau von einem bösen Geist. Angeblich wohnte nämlich in deren Unterleib ein solcher Geist, der zwei Bräutigamen, mit denen die Jungfrau (schön und reich natürlich) Verkehr haben wollte, ihr dafür zuständiges Körperteil abbiß.

Schließlich fand sich ein göttlich inspirierter Schmied, der ein entsprechendes stählernes Teil anfertigte und verwendete und von nun an waren die Jungfrau und die Menschheit erlöst... Im großen buddhistischen Kawasaki-Daishi-Heiken-Ji-Tempel in der Gegend, in der der Erinnerungsfestumzug stets mit viel Spaß stattfinden soll, finden wir jetzt gegen Ende Juli keinerlei Hinweise auf diesen Brauch, also scheint es sich um reine Folklore zu handeln, die vielleicht sogar nur wegen des damit verbundenen Geschäftes aufrecht erhalten wird. Jedenfalls gibt es in den Geschäften am Rand der Festumzugsstrecke jede Menge häßlicher bunter Figuren in allen möglichen Größen zu kaufen, die jeweils fast nur aus einem großen Kopf bestehen, wobei besonders der aufgemalte strähnenartige Bart auffällt. Da wir im Tempel nicht auf solche "Volkskunst" gestoßen sind, kann es sich eigentlich nur um die Nachbildungen jenes Geistes handeln!

Daß ich mich gleich zu Beginn des Japanaufenthaltes derartig massiv mit einem "Ereignis" und einem davon abgeleiteten im Grunde zutiefst frauenfeindlichen Brauch konfrontiert sehen sollte, wie er auch den Phantasien der Menschen der griechischen Antike herumspukte, verblüffte mich schon einigermaßen. Denn E. Borneman deutet in seinem Buch "Das Patriarchat" die Geschichten von der gezahnten Vagina, der kastrierenden Scheide, die nach seinen Recherchen in der griechischen Folklore immer wieder auftauchte, als mythische Verbrämung von typischen männlichen Ängsten. Und diese Ängste sind für ihn ein Kennzeichen genau der Frauenfeindlichkeit, die die gesamte griechische Kultur beherrschte. Was liegt näher, als anzunehmen, daß es also auch hier eine Beziehung zwischen einer bestimmten Mythologie und der täglichen Praxis an ganz anderer Stelle gibt? Ist es nicht Kennzeichen für eine abwertende Einstellung zu Frauen, wenn - wie wir ja beim Geldumtauschen in der Bank von Yokohama beobachtet haben - die angestellten Mädchen in den Farben der Bank gekleidet sind? Bedeutet das nicht, daß sie nämlich in erster Linie als appetitliche Garnierung für irgendeine im Grunde langweilige Geschäftigkeit angesehen werden?

Gern hätte ich mich schon einmal über meine ersten Eindrücke mit einem etwa 70-jährigen Jesuitenpater, dem Onkel meiner Demminer Freunde, unterhalten, den wir gleich in den ersten Tagen in seinem Kloster auf dem Gelände der Jesuitenuniversität in Tokyo aufsuchten und der so ungefähr seit 50 Jahren in Japan wirkt. Doch kamen wir über Gespräche um Verwandtschaft und persönliche Lebensdaten (ist ja auch wichtig) nicht hinaus, schließlich sind wir auch gerade in seine Urlaubsvorbereitungen hineingeplatzt und schlimme Zahnschmerzen hatt er auch noch...

Fahrt in den Norden: Tempelregion von Nikko, Fahrt an den Pazifik, "Karneval" in Aomori und erste und zweite und dritte Erfahrung mit japanischer Gastfreundschaft.

Was es auch sonst noch in Tokyo zu sehen gibt, uns hält zunächst einmal nichts mehr. Wir haben geplant, zunächst in den Nordosten bis zur Insel Hokkaido zu fahren und dann in den Südwesten bis Kyushu mit der Stadt Nagasaki und dem zur Zeit höchst aktiven Unzen-Vulkan in der Nähe.

Um gleich einmal die Rentabilität unserer 750-DM-Netzkarte anzudeuten: Eine einfache Fahrt von Tokyo nach Nagasaki (über 1000 km) kostet allein ca DM 300 DM, wenn man immer die Fahrt mit den schnellstmöglichen Zügen macht. (Allerdings soll es auch für etwa 130 DM ein Gutscheinheft für fünf Fahrten beliebiger Länge mit langsameren Zügen geben, die dann jeweils innerhalb eines Tages beendet sein müssen, man kann theoretisch also auch mit der Bahn für 26 DM von Tokyo nach Nagasaki fahren - das wäre ein Tip für junge Leute, die nicht so viel Geld haben und auch Japan erleben wollen.) Vorsichtshalber kaufe ich am Abfahrtstag in einem Bergsteigerausrüstungsgeschäft in der Nähe unserer Herberge (dem einzigen Geschäft, das wir während der ganzen Fahrt sahen, das auch Zelte verkaufte) noch ein superleichtes kleines Zelt, denn man kann bei so einer Fahrt, wie wir sie vorhaben, ja nie wissen, ob sich auch immer und überall ein Quartier findet. Leider hatte ich vergessen - oder mangels einer konkreten Vorstellung es auch unbewußt unterlassen - mir eines dieser recht ordentlichen Minizelte mitzunehmen, die es bei uns oft schon unter 50 DM gibt. Was ich hier in Tokyo finde, ist zwar superleicht, sonst aber wirklich nur ein Notzelt für Bergtouren: Es hat weder Mückennetz noch läßt es eine einigermaßen vernünftige Luftzirkulation gegen Schwitzwasserbildung zu. Und dann kostet es auch noch um DM 110, und dazu kommen noch die Matten, die mit ca 20 DM pro Stück auch noch einmal doppelt so teuer wie vergleichbare bei uns sind... Zum Zudecken haben wir zum Glück etwas von hier mitgebracht, das bei den beinahe tropischen Temperaturen in Japan im allgemeinen auch ausreichen dürfte. (In meiner Kreditkartenabrechnung hat der Ausrüstungsladen in der lateinischen Umschrift einen tollen Namen: "SINZIYUKUSENMONTENKAI".)

Erstes Ziel ist die berühmte Tempelregion "Nikko" etwa 120 km nördlich von Tokyo am Rand des Gebirges, das im Grunde die ganze Hauptinsel beherrscht. Bei der Fahrt nach Nikko können wir wenigstens teilweise schon einmal den berühmten "Raketenzug", den Shinkansen benutzen, in dem wir auch ganz unauffällig unsere Räder verstauen können. Wirklich ein tolles Fahrgefühl!

Den Besuch der Gegend um Nikko herum hatte ich mir ganz poetisch vorgestellt, und zuerst klappte alles auch ganz gut. In der Nacht vor der Besichtigung der Tempelanlage wollten wir unsere Zeltausrüstung am weiter im Gebirge liegenden Chuzenji-See ausprobieren.

Als wir - die Bahn ging nur bis Nikko - schon etwas ermüdet in einem Geschäft nach dem Weg fragten, lud uns der Inhaber (?) samt unseren Rädern in seinen Lieferwagen und fuhr uns zahllose Kehren auf steilster Straße etwa 14 km zum herrlichen See und setzte uns an einem Tempel ab, an dem gerade zu Ehren der Götter oder des Gottes, der hier verehrt wird, getanzt wurde.

Ein paar km am Ufer entlang fand ich auch im Dunkeln den idealen Zeltplatz, nur als ich dann Marlene von der Straße samt ihrem Rad zu dem Platz lotsen wollte, versuchte sie eine Abkürzung, stürzte dabei in einen betonierten, etwa 40 cm tiefen Straßengraben und schlug sich dabei ganz elendig vor allem ihr linkes Knie auf - irgendwie als Folge von Übermüdung. Da es sich offensichtlich nur um Schürfwunden handelte, gingen wir davon aus, daß sie von allein heilen würden, einen Arzt brauchten wir also nicht. Nur mußten wir eben auf alle Fälle einen Pausentag einlegen...

Ich versuchte, an dem "Pausentag" Tag per Rad den herrlichen See zu umrunden, doch gab ich nach zwei Stunden auf, da es sich größtenteils um wirkliche Fußpfade durch naturbelassenen Wald entlang steiler Hänge handelte. Die Landschaft war großartig, und beim Schwimmen im glasklaren Wasser konnte ich auch gleich bedenkenlos trinken, jedenfalls hatte mir das ein Deutschamerikaner auf dem Schiff empfohlen (und passiert ist mir dadurch auch nichts).

Die Tempelanlage in Nikko am folgenden Tag - Marlene ist wieder auf den Beinen und wir sind auch die Serpentinen, die wir in dem Minibus hianufgefahren wurden, jetzt zusammen hinuntergeradelt - ist der erste Höhepunkt unserer Fahrt. Es handelt sich um eine ganze Tempelstadt mit mehreren buddhistischen und shintoistischen Einzeltempeln aus dem 16. Jahrhundert inmitten eines wunderbaren Zedernwaldes am Ende eines Tales. Bisweilen sind die Areale der einzelnen Tempel in die Hänge der Berge hineingebaut. Anlaß für den Bau der Tempel waren die Gräber einiger Persönlichkeiten.

Wie wir später im Vergleich mit anderen Tempeln feststellen, ist die ganze Tempelanlage - wie auch im Führer erwähnt - im Grunde völlig unjapanisch, die Bauten mit den zahllosen oft fast schon barocken Verzierungen muten eher chinesisch oder gar indisch an. Wir sind hier sozusagen im "Disneyland" unter den japanischen Tempeln. Wie typisch japanische Tempel aussehen, werden wir später noch zur Genüge kennenlernen!

Bei unserem Rundgang machen wir gleich eine Probe aufs Exempel mit der Ehrlichkeit der Japaner im Hinblick auf unser Gepäck: Was sollen wir das immer mit uns herumschleppen, also lassen wir es auf unseren Rädern - und siehe, tatsächlich niemand vergreift sich während unserer dreistündigen Abwesenheit dran! In Tokyo hatten wir einmal am Rande des kaiserlichen Parks auf einer einsamen Bank eine einsame Tasche angekettet gefunden, auch hier vertraute der Eigentümer offensichtlich darauf, daß sich niemand an seiner Habe vergriff. Wir befinden uns in einem in diesen Dingen weitgehend "ehrlichen" Land! Im übrigen ist an unserer Habe ohnehin nicht viel dran, wenn man vielleicht von dem Zelt absieht, das in diesem Land eher eine Rarität ist.

Am Abend - wir sind inzwischen mit Personenzug und Shinkansen in dem kleinen Städtchen Ichinoseki im Nordosten von Honshu gelandet, um von hier einen Abstecher an den Pazifik zu machen - erfahren wir zum zweitenmal (nach dem Transport zum Chuzenjisee) die überwältigende Hilfsbereitschaft der Japaner. Irgendwie hatte ich mich mit dem Geld verkalkuliert und nicht bedacht, daß es auch in Japan dieselben Wochenendregelungen gibt wie bei uns. In vager Vorahnung, daß wir am Wochenende Schwierigkeiten haben könnten, frage ich vor dem Bahnhof einen Hilfs-(?)Polizisten, wo ich vielleicht am kommenden Tag Geld tauschen könnte oder wie wir sonst am Wochenende mit dem, was wir noch hatten über die Runden kommen könnten (da war ja auch noch in der Nähe eine Jugendherberge). Und unser Polizist holt noch einen anderen Polizisten zu Rate, und da kommt auch noch eine Studentin und hilft bei der Dolmetscherei - und, nachdem ich mich geweigert hatte, mir angebotenes Geld zu leihen, werden wir nach zwei Stunden in das Privatauto des einen Polizisten verfrachtet und erst einmal zu einem Restaurant gefahren. Von dort werden wir nach Mitternacht wieder abgeholt zum (Eltern-)Haus eines unserer neuen Freunde, einem großen, typischen Bauernhaus, wo wir die Nacht im Wohnzimmer auf den inzwischen bekannten Matten vor dem Ahnenaltar der Familie verbringen (später sehen wir einmal in einem Geschäft für solche Altäre, was die kosten, so zwischen 2000 und 10 000 DM!). Leider können wir alles gar nicht so recht genießen, unsere Freunde müssen am nächsten Morgen so früh fort, daß auch wir schon um 7 Uhr wieder raus müssen, doch ohne eine Nudelsuppe als Frühstück am nächsten Bahnhof läßt man uns nicht fahren!

Mit verschiedenen Personenzügen durch weitgehend unberührt scheinende, waldige und hügelige Gegend kommen wir schließlich zum Pazifik. Unterwegs fallen uns Scharen von Hobby(?)-Videofilmern auf, die unseren kurzen Zug bei der Einfahrt in Tunnel oder bei der Überquerung von Brücken filmen - japanisches Wochenendvergnügen.

Leider haben wir keine rechte Freude an unserer Radtour in den Nationalpark an der Küste bei Miyako und brechen sie bald ab, da es kalt und nieselig ist, noch nicht einmal ich bade im Pazifik, und das will schon etwas heißen. Imposant sind die Felsformationen schon, eindruckvoll ist auch, wie die Gischt der Brecher an ihnen heraufspritzt.

Am Abend landen wir ganz im Norden von Honshu in Aomori, wo nach unseren Führern gerade die Zeit der Festumzüge ist. Leider bekommen wir davon kaum etwas mit, wir sehen nur viele Mädchen in Geisha-Kostümen auf den Straßen (doch als wir näher hinsehen, sind es weitgehend männliche Geishas - inzwischen erfuhr ich, daß es Kennzeichen der alten japanischen Kleidung ist, daß sich beide Geschlechter völlig identisch kleiden, lediglich an der Waffen konnte man die Männer erkennen). Mit unserer Quartiersuche haben wir wieder einmal Probleme! Da in meinem Survival Kit eine Jugendherberge vermerkt ist und es für sie auch einen Hinweis auf einer Kartenskizze in dem Buch gibt, steuern wir in die entsprechende Richtung. An einer Straßenabzweigung ist uns nicht klar, welche Straße wir nehmen sollen und so fragen wir in einer Polizeistation. Damit lösen wir jedoch eine Großaktion aus! Irgend etwas scheint mit unserer Jugendherberge nicht zu stimmen, in einem Buch, das uns die Polizisten zeigen, steht "quitting of ones business", was zu bedeuten scheint, daß es sie gar nicht mehr gibt. Unser Wunsch, uns ein Hotel zu suchen, wo wir erst am nächsten Morgen bezahlen können (das scheint in Japan nämlich nicht üblich zu sein), wirft offensichtlich zusätzliche Probleme auf, denn wegen der Festlichkeiten scheinen ohnehin alle Hotels ausgebucht zu sein. Jedenfalls wird intensivst herumtelefoniert, schließlich werden wir in zwei Polizeiautos verladen (unser Gepäck in das eine, wir in das andere) und zum Polizeipräsidium (?) gefahren, wo wir u.a. auch von zwei Damen des Fremdenverkehrsamtes (?) betreut werden. Doch auch sie können nicht weiterhelfen.

Schließlich kommt einer der höheren Polizisten auf die Idee, uns bei seinem Freund, einem Englischlehrer einzuquartieren. Immerhin lassen unsere offen erkennbaren Matten ja darauf schließen, daß wir auf provisorische Nächtigungen eingerichtet sind. Aber auch beim Englischlehrer geht's nicht. Und dann geht doch etwas - inzwischen sind wir über zwei Stunden in Polizeiobhut! Unsere Pässe werden fotokopiert (für mich ist das ein gutes Zeichen) und wir werden wieder in (diesmal nur) ein Polizeiauto verfrachtet. Ziel ist ein äußerlich ganz normales Haus, doch als wir die Treppe hinaufgestiegen sind, stehen wir in einem riesigen Saal (eine Tanzschule?) mit abenteuerlichen Rüstungen aus Stoff und Leder an den Wänden. Wir sind in einer Kendo-Schule, also einer Schule für klassische japanische Schwertfechtkunst, die heute als sportlicher Wettkampf zur Erhöhung der Verteidigungsbereitschaft und des Reaktionsvermögens geübt wird! Hier sollen wir also unsere Nacht verbringen, wir sind von der Hilfsbereitschaft der Polizei von Aomori einfach überwältigt. Ein feudales Badezimmer gibt es auch und beim Hausmeister der Schule erhalten wir am nächsten Morgen noch ein typisches japanisches Frühstück. Immerhin lernen wir jetzt auch die japanischen Worte für "Dankeschön" (...arrigatou) und "Auf Wiedersehen" (sajonarra). Doch ein wenig peinlich ist uns die ganze Hilfsbereitschaft schon, so bald wollen wir keine Polizei mehr um Hilfe bitten! (Um die Hilfsbereitschaft wenigstens hier in Blatzheim einmal weiterzugeben, habe ich zusammen mit meinem Mieter unter der Terrasse meines Hauses einen Partyraum eingerichtet, der sich ähnlich wie die Kendoschule von Aomori verwenden läßt, wenn einmal Not am Mann ist.)

Die Nordinsel Hokkaido nur kurz, eigentlich nur einmal durch den längsten Eisenbahntunnel hin und zurück. Und: Wie die Japaner so leben, was die Dinge des täglichen Lebens so kosten.

Da wir schon einmal im Nordosten sind, wollen wir wenigstens einen kurzen Abstecher zur Insel Hokkaido machen. Seit ein paar Jahren ist diese Insel mit der Hauptinsel Honshu durch einen fast 54 km langen Eisenbahntunnel verbunden, da müssen wir doch einmal hindurchfahren, wo wir schon eine Eisenbahnkarte dafür haben! Doch so weit ist das mit den 54 km nicht her, denn nur 23,3 km beträgt die entscheidende Strecke zwischen den Inseln, der Rest sind Tunnelzuleitungen auf den jeweiligen Inseln, die - wie man uns erklärte - wegen Anwohnereinsprachen (Lärmbelästigung usw.) so außergewöhnlich lang ausgefallen sind. Das, was hier bei uns zwischen England und Frankreich gebaut wird, ist also doch gewaltiger!

Und was machen wir auf Hokkaido? Da diese Insel erst seit dem vergangenen Jahrhundert intensiver von Japan aus besiedelt wurde, gibt es dort wohl nicht viel an "Kultur" zu sehen. Also begnügen wir uns mit einem Bummel über den Markt der ersten größeren Stadt Hakodate, die wunderbar unterhalb eines felsigen Berges liegt, der an Gibraltar erinnert. Und bei dem Bummel fallen uns die vielen Lachse auf, die hier fangfrisch verkauft werden, und wir finden auch das ideale Restaurant, wo wir für 900 Yen, also ca. 12 DM, ein ganz tolles Menü mit großen Fischportionen, darunter auch Lachs, erhalten. Dieses wunderbare Essen auf Hokkaido war in diesen Ferien kaum übertroffen, doch auch sonst kamen wir mit dem Essen in Japan übrigens ganz gut hin.

Von dem Bericht über das Rindfleisch, das pro Kilo über 300 DM kosten würde, waren wir natürlich verschreckt, was würden wir also wohl essen müssen, um überhaupt etwas in den Bauch zu kriegen? Doch so wild war das alles nicht. Natürlich gibt es in Japan Rindfleisch, das über DM 300 pro Kilo kostet (wir sahen auch noch teureres), doch dieses Fleisch stammt von den berühmten Kobe-Rindern, die täglich massiert werden, damit das Fleisch nachher besonders zart und gleichmäßig "gemasert" ist. Bei uns würde solches Fleisch auch so viel kosten. Und dann kostet Obst tatsächlich sehr viel, Pfirsiche z.B. bis zu DM 6,50 pro Stück. Doch das sind dann auch wunderbare, riesige Exemplare, die auch bei uns in einem Delikatessengeschäft wohl nicht viel billiger wären.

Das Problem ist vielleicht, daß es in Japan weniger die unterschiedlichen Verkaufswege gibt wie bei uns (Nobelgeschäft oder auch Aldi), doch fanden wir hin und wieder durchaus Straßenhändler mit denselben Spitzenqualitäten, wo wir einmal sogar recht vorteilhaft gehandelt haben. Daß der Reis in Japan so teuer ist (im Geschäft ab DM 6,50 pro kg) liegt daran, daß die Preise aller Reisimporte von der Regierung bis zum inländischen Produktionspreis angehoben werden. Damit sollen die einheimischen Bauern geschützt werden, um nicht die japanische Produktion zusammenbrechen zu lassen und ausschließlich von Importen abhängig zu werden. Doch haben nach unserer Erfahrung die Lebensmittelpreise auf die Preise der Restaurants nur wenig Auswirkung. Natürlich kann man in Japan sehr teuer essen. Doch kann man auch günstig essen - und durchaus günstiger als bei uns. Wo kann bei uns ein Nichtortskundiger irgendwo schon unter DM 10 ein komplettes Essen bekommen? In Japan geht das eigentlich immer. Da gibt es überall kleine Cafeterias, in deren Fenster verschiedene Menüs in täuschend ähnlicher Plastiknachbildung stehen. Und die Preise dafür beginnen im allgemeinen längst bei unter DM 10. Dazu kommt noch ein weiterer Vorteil in Japan: Die angegebenen Preise können durchaus "Endpreise" sein. Wenn man dagegen bei uns auf einer Speisekarte einen Preis liest, so bleibt das im Endeffekt im allgemeinen längst nicht dabei, da kommen dann noch Getränke und Trinkgeld, in manchen Ländern sogar noch Bedienung oder wie etwa in Italien "pane e coperto" hinzu. Das alles gibt es in Japan nicht. Trinkgeld ist verpönt und zum Trinken gibt es stets eisgekühltes Wasser gratis. Natürlich kann man auch etwas anderes trinken, aber man muß nicht (vor allem das Bier ist recht teuer, schon im normalen Laden oder aus einem der zahlreichen Verkaufsautomaten kostet der halbe Liter DM 3,70). Wenn sich die Gelegenheit bietet, kann man kann sogar noch günstiger ans Essen kommen: In den Lebensmittelabteilungen der Kaufhäuser gibt es - vor allem um die Mittagszeit - immer (Tages-)Menüs, die in begrenzter Anzahl auf diesen unterteilten Plastiktellern angeboten werden. Oft kann man diese Menüs auch in bereitstehenden Mikrowellenherden aufwärmen (bisweilen haben wir die Zeiten falsch eingestellt und die Preisschildchen waren völlig verkohlt, doch an der Kasse war das nie ein Problem), diese Menüs gibt es dann schon ab DM 6, oder sogar für weniger. Einwegstäbchen sind immer dabei oder stecken wie bei uns die Trinkstrohhalme irgendwo in einem Becher neben der Kasse. Vor irgendwelchen Tempeln (die sind zumeist in kleineren oder größeren Parks) kann man dann Essenspause machen, dort gibt es dann auch immer einen Brunnen mit Trinkwasser (in den Shintotempeln dienen sie zum Mundspülen, um vor der Gottheit mit sauberem Mund zu erscheinen). Natürlich wird man diese Art zu essen sicher mit der Zeit leid, doch für drei Wochen kann man das durchaus aushalten, wenn man es nicht zum Dogma macht. Und dann gibt es noch Nudelfertiggerichte in Plastikschalen oder -schüsseln. Da braucht man dann nur heißes Wasser dazuzugießen und die Zutaten, die in kleinen Tütchen miteingepackt sind (das sind dann Überraschungen wie an Weihnachten), dazuzugeben. Und heißes Wasser gibt es ja auch überall, zum Beispiel in Thermoskannen in jedem Hotel oder auch in jeder Jugendherberge. Vom Essen her ist also eine Reise nach Japan kein Problem, vor allem, wenn man keine großen Ansprüche stellt. Und hin und wieder bekommt man auch so Einblicke in die japanische Küche. Die Schwierigkeiten sind eben die Übernachtungen...

Eine interessante Nächtigungsmöglichkeit sind die Love-Hotels, da gibt es von 10 Uhr p.m. bis 10 Uhr a. m. "happy hour" für kaum mehr als den "Zweistundentarif"!

Und davon sollten wir in der nächsten Nacht, inzwischen also von Montag, 5.8., auf Dienstag, 6.8., wieder etwas erfahren, wenn es diesmal auch bestens ausging. Vorher erlebten wir noch in der Stadt Hirosaki im Westen von Aomori endlich einen der abendlichen oder gar nächtlichen Festumzüge, wie wir sie ja im Norden der Insel Honshu erwartet hatten. Hauptattraktion sind hier offensichtlich Wagen mit riesigen Lampions, auf denen Figuren aus der Mythologie abgebildet sind. Dazu dann immer eine gleichförmige Musik, die vor allem von riesigen - ebenfalls auf Wagen montierten - Trommeln unterstützt wird. Und natürlich jede Menge Fußvolk in allen möglichen Kostümen. Ich erinnere mich an etwa zehnjährige Jungen in Kendo- Rüstungen, die auch gerade vor uns diese Kampfsportart vorführen. Da wir in Hirosaki gleich von vorneherein nicht mit einem freien Hotelzimmer rechnen, nehmen wir einen spätabendlichen Zug nach Akita, einer Stadt auf der Westseite der Insel. Doch hier sind erst recht alle Hotels besetzt sind, da es hier ähnliche Festumzüge gibt, und es ist kühl, zu kühl, daß wir Lust haben, unsere Zeltausrüstung einzusetzen, und es wird immer später... In der vagen Hoffnung, doch noch auf ein freies Hotel zu stoßen, klappern wir mit unseren Klapprädern Straße nach Straße ab... Und schließlich sind da am Rande des Bar- und Restaurantviertels einige dieser poppigen Hotels, wie wir sie schon aus der Nachbarschaft unseres Hotels in Tokyo kannten. Da ich in meinem Survival-Kit-Führer gelesen hatte, daß diese Hotels durchaus für ganz ordentliche Übernachtungen zu empfehlen sind und dafür sogar einen Sondernachttarif haben (da ist "umsatzschwache" Zeit, also wird nicht mehr stundenweise abgerechnet), sah ich mir einige auch von innen an. Also, eine Rezeption gibt es da nicht, da ist je nach Gegend etwa lediglich ein Tableau mit den Abbildungen der vorhandenen Zimmer. Und die Abbildungen der Zimmer, die frei sind, sind erleuchtet. Daneben stehen dann die Preise (jeweils ein Preis für - wohl - 2 Stunden und einer für 10 p.m. bis 10 a.m, also von 22 Uhr bis 10 Uhr, der kaum wesentlich höher ist als der "Stundentarif").

Schließlich fanden wir etwas abseits in einer ruhigen Wohnstraße ein wirklich schönes und auch günstiges für 5200 Yen, also für 67 DM - und was wir dafür bekamen, war das Geld wirklich wert: Ein richtiges kleines Appartement mit einem kleinen Flur, einem recht großen, gepflegten Zimmer mit einem europäischen großen Bett und einem Badezimmer.

Und was es sonst noch alles gab! Im Badezimmer mit japanischer Badewanne Zahnbürsten mit Minizahnpastatuben, Einweg-Naßrasierapparat, Kamm, Haarbürste, Seife und Shampoo und verschiedene Haarwasser usw., dann im Wohn- Schlaf-Zimmer einen Korb voller Handtücher, Kimonos, Teewasser und Teebeutel, Klimaanlage, Stereoanlage mit 12 Programmen, darunter auch Mozart, und am nächsten Morgen - kurz vor dem Verlassen des Zimmers sah ich schnell noch einmal genauer nach und entdeckte - schließlich muß ich ja meinen Lesern alles genau berichten - sogar noch Kondome auf der Bettkonsole - wieder einmal etwas wie in Huxleys "Schöner Neuer Welt"! (Man muß allerdings zur Erklärung dieser japanischer "Love-Hotels" anmerken, daß ein Teil der Nachtgäste durchaus Eheleute sind - es sollen etwa um die 50 % oder mehr sein -, die einfach einmal wegen der Beengtheit ihrer normalen Behausungen hier ein paar ungestörte Stunden verbringen wollen.) Noch einmal haben wir später ein solches Hotel benutzt, in Nagoya, oft bleibt einem einfach gar nichts anderes übrig. Doch angesehen haben wir uns mehrere, wenigstens die Tableaus mit den Zimmerabbildungen - also, da gibt es schon ganz tolle Sachen, Zimmer im Blockhausstil oder mit amerikanischer Flagge als Baldachin über dem Bett. Sicher gibt's auch noch mehr, aber da verstanden wir dann nicht die japanischen Anmerkungen. Wir jedenfalls waren froh, etwas gefunden zu haben, was wir leider noch nicht einmal richtig ausnutzen konnten, weil einer der wenigen täglichen Züge aus dieser ansonsten langweiligen Stadt schon recht früh weiterging.

Durch´s Gebirge von Westen nach Tokio und gleich weiter nach Kyoto, der alten Kaiserstadt.

In meinem deutschen Hildebrandt-Führer wurde die Fahrt durchs Gebirge westlich von Tokyo gerühmt, also wollten wir jetzt die Gelegenheit wahrnehmen, um quasi durch die Hintertür aus dieser eher unüblichen Richtung her wieder nach Tokio zurückzukommen.

Leider mußten wir dafür so ungefähr den ganzen Tag verplempern, denn die gerühmte Strecke ist eben nur mit den langsamsten Personenzügen zu erreichen. Na, ja, falls wir nicht doch die wesentlichen aufregenden Stellen der Fahrt verpaßt haben, sind die Aussichten aus den Zugfenstern dann im Gebirge eher wie bei uns im Voralpenland, also eher idyllisch, hier allerdings statt der Almen Reisfelder. An der letzten Station vor dem Scheiteltunnel (derjenige vom Shinkansen-System beginnt natürlich auf beiden Seiten schon viel früher) steigen wir aus, um uns einen Zeltplatz zu suchen. Wir finden auch etwas Geeignetes unter einem jetzt im Sommer außer Betrieb befindlichen Skilift. Ein Problem haben wir lediglich mit dem Essen, denn hier gibt's nichts. Der kleine Bahnhof ist - wie oft auch bei uns - völlig personalfrei und daher verschlossen, doch wenigstens der Warteraum samt Toilettenanlage ist geöffnet. Und davon profitiert auch ein Obdachloser (?), der es sich auf einer Bank bequem gemacht hat - und, wie wir am kommenden Morgen sehen, auch ein Radwanderer mit seinem Rennrad. In einer Ecke des Warteraumes sind jede Menge Bücher gestapelt, so wie wir sehen, alles im Comic-Stil, eine ganze Bibliothek - vielleicht vor allem für die kalten Tage und Nächte der Penner, die hier möglicherweise überwintern?

Am nächsten Tag streifen wir Tokyo nur und nehmen nach unserer Ankunft recht früh morgens gleich den nächstbesten Shinkansen in den südlichen Teil Honshus, nach Kyoto, einer der geschichtlich und kunsthistorisch bedeutendsten Stadt Japans. Wir müssen leider die Strecke stehen, 400 km sind es bis zur ersten Haltestation dieses durchgehenden Zugs, doch die dauern nur 90 Minuten! Das Bahnfahren ist übrigens in Japan völlig problemlos, vor allem findet man sich fast wie selbstverständlich zurecht. Die Stationsschilder auf den Bahnhöfen sind stets auch in lateinischer Schrift, dazu sind stets noch die beiden Nachbarstationen angegeben. Und da die Züge - nach unserer Erfahrung - alle absolut pünktlich sind, kann man sich bei der Bahnsteig- und Zugsuche nach der Zeitangabe im Fahrplan zu orientieren. Außerdem kann man sich wegen der Zugsuche auch mit dem Bahnpersonal verständigen. Die Zeiten, daß europäische Touristen an irgendeinem Bahnhof (auch der U-Bahn) in Japan nicht mehr weiter wußten und die Polizei um Hilfe bitten mußten, sind also vorbei. Unsere Bahngesellschaft ist übrigens die JR, die Japan-Rail, eine Vereinigung der meisten japanischen Eisenbahngesellschften, daneben gibt es noch zahlreiche kleinere Privatbahnen, für die dann gesondert bezahlt werden muß, wenn man deren Strecken benutzt. Es ist uns auch passiert, daß wir während der Fahrt zuzahlen mußten, weil unser JR-Zug gerade über die Gleise einer "fremden" Bahn fuhr.

Kyoto war bis zum vergangenen Jahrhundert die japanische Hauptstadt, seitdem ist es im Zuge der Meiji-Reformen, mit denen sich vor allem die Öffnung Japans gegenüber dem Westen und der Aufbau eines modernen japanischen Staates verbindet, Tokyo. Wir haben etwas Schwierigkeiten, uns in Kyoto zurechtzufinden, denn die Shinkansengleise liegen auf der Rückseite des alten Bahnhofs und, da wir erst einmal auf der falschen Seite ausgestiegen sind, finden wir uns nicht mehr zurecht, denn es besteht keine direkte erkennbare Verbindung zwischen den beiden Bahnhofsseiten.

Mit unserem Quartier, dem Uno-House, einer weitgehend von Rucksacktouristen frequentierten Herberge (allerdings treffen wir auch ein italienisches Ehepaar im Rentenalter), sind wir (oder bin wenigstens ich) gar nicht zufrieden: erstens ist unser Zimmer wirklich winzig (kaum 1,40 m breit), dann ist der Zugang so eng, daß ich mir ein paar Mal meinen Kopf einschlage, doch am schlimmsten ist, daß neben uns japanische Schüler oder Studenten (oder auch koreanische) einquartiert sind, die offensichtlich nachts überhaupt nicht das Bedürfnis haben zu schlafen und die sich die ganze Nacht unterhalten. Und bei den dünnen Wänden in Japan ist so etwas sehr schnell sehr lästig. Wie schön war da unser Love-Hotel - und für denselben Preis!

Mein zu Beginn erwähnter amerikanischer Freund war bei seinem Besuch Kyotos in der Nachkriegszeit von der Idylle Kyotos sehr begeistert, doch kam uns das jetzt alles hier sehr auf Touristennepp ausgerichtet vor. Es ist ja einzusehen, daß die Tempel, denen nicht wie bei uns eine Art Kirchensteuer zu Verfügung steht, bisweilen auf Eintrittsgelder angewiesen sind, um zu ihrem Geld zu kommen. Doch teilweise empfinden wir diese Eintritte überzogen, außerdem sind manche Sehenswürdigkeiten wohl wirklich eher für japanische Touristen von Bedeutung. Da ist zum Beispiel im Gelände es Daitokuji-Tempels ein Teehaus mit einem Garten zur Meditiation im Sinne des Zen- Buddhismus: ein kleiner Platz mit geharktem groben Sand, aus dem zwei Felsen herausragen. Da soll man jetzt über alles Mögliche meditieren, über Gut und Böse, Himmel und Erde, Männliches oder Weibliches. Und dafür dann pro Person über DM 4 Eintritt. Also, uns fehlten dafür die Empfindungen. Natürlich, anderes in Kyoto, so zum Beispiel der goldene Pavillon und die wunderschönen Parkanlagen, sind schon sehenswert, doch wirkte vieles ganz einfach zu touristisch aufgemacht, und zwar nicht nur für uns Touristen von heute, sondern schon für die Touristen von früher. Ich denke hier an den Sanjusangendo-Tempel in der Nähe des Bahnhofs, dessen Hauptgebäude eine riesige Halle ist mit 1000 göttlichen Figuren, von denen jede 30 Arme hat, also insgesamt 30 000 Arme, das sollte doch wohl schon seit jeher ein Magnet für Touristen (oder Pilgertouristen), beziehungsweise für deren (Zwangs-)Spenden sein. Schöner und interessanter empfanden wir da kleinere Touren gerade auch zu Kultplätzen, die "umsonst" waren. Ich denke da an die kurze Bahnfahrt zu dem etwas außerhalb gelegenen Fushimi-Inari-Taisha-Schrein mit den angeblich über 10 000 Toris, die sich über die Pilgerwege auf dem bewaldeten Berg hinter dem Schrein wölben, oder einen kleinen bewaldeten Hügel (Yoshida-Schrein) voller kleiner bildstockartiger Tempelchen. Eine Japanerin, die lange in Frankreich war, erklärte uns da zum Beispiel den Sinn dieser kleinen Häuschen, die sich beim Öffnen der Türen als leer erweisen und vor denen bisweilen eine Schale mit Reis und ein Becher mit Sake (Reiswein oder besser Reisschnaps) steht. Wir haben hier in diesen "Schreinen" typisch shintoistische Kultobjekte vor uns, die angeblich als Behausung der Götter auf dieser Erde dienen - als Dauerwohnung oder für gelegentliche Besuche. Dafür stehen dann auch Reis oder Reiswein oder anderes bereit. Bei den großen Tempeln kommt man an den Schrein, der sich immer im Hintergrund befindet, überhaupt nicht heran, ja bisweilen darf man ihn noch nicht einmal fotografieren, schließlich wollen die Götter ja nicht belästigt werden. Doch bis zur Kasse für die Opfer kommt man immer!

Ein wenig über die Religion der Japaner.

Der Shintoismus, in dem so etwas geglaubt und praktiziert wird, ist eine Vielgötterei oder ein Geisterglauben, wie sie mir auch in ähnlicher Weise in Indien oder in China begegnet sind und wie wir sie ja bei uns hier im Westen auch früher hatten. Bei uns sind solche Religionen ja - wenigstens offiziell - durch Judentum, Christentum oder Islam verschwunden, doch im fernen Osten gibt es sie noch, weil der Schwung unserer monotheistischen Religionen irgendwann erlahmt ist. Etwa 17 % der Japaner geben heute noch an, gläubige Shintoisten zu sein, auch die Kaiserfamilie gehört dazu. Bis nach dem Krieg galt ja auch der Tenno, also der japanische Kaiser, als ein Gott des shintoistischen Pantheons. Ich erzähle meinen Schülern immer, daß im Prizip der Unterschied zwischen einer Religion wie in Japan mit den vielen Göttern und unserer christlich-jüdischen Religion mit dem Glauben an einen einzigen Gott ist, daß es bei uns auf die Harmonie der Gemeinschaft der Gläubigen ankommt, wo der Kult im Dienst dieser Gemeinschaft steht (und daher zum Beispiel sogar "communio" heißt) und ansonsten im Idealfall eigentlich Nebensache ist, während "dort" die Gemeinschaft Nebensache, der Kult aber die Hauptsache ist. Denn das Verhältnis der Gläubigen dort zu ihren Göttern ist im Grund ein Geschäftsverhältnis: Man gibt den Göttern Opfer - und die Götter revanchieren sich dann entsprechend. Die Götter haben zunächst einmal vor allem mit den Naturgewalten zu tun, uns fielen besonders Sonne und Fruchtbarkeit auf, doch auch für den Erfolg im Geschäft oder im Krieg gibt es Götter. Die Aufgabe der Kult-Priester ist vor allem, die Opfergaben zu steuern und für die einzelnen Anliegen der Gläubigen die richtigen Götter auszusuchen. Das geschieht dann etwa nach demselben Verfahren, wie wenn man bei uns zum Beispiel einen Staubsauger kauft. So gehen wir hier dann ja auch nicht direkt zu Siemens oder zu AEG, sondern wir gehen in ein Geschäft, schildern unsere Schmutzprobleme und werden dann beraten, welcher Staubsauger wohl am besten für uns infrage kommt. Daß das Geschäft von dieser Beratung und dem damit verbundenen Verkauf profitiert, akzeptieren wir als selbstverständlich - und genauso wird das eben in einer Vielgötterei mit den Göttern und den Priestern auch gesehen. Daher gibt es auch in den Tempeln solcher Götter keinen Versammlungsraum mit der Möglichkeit des gemeinsamen Gebets oder der Unterweisung der Gläubigen im Glauben oder im rechten Verhalten untereinander (wie ja nicht nur bei uns Christen, sondern auch bei Moslems und Juden), sondern es gibt lediglich ein Kultbild oder eben einen "leeren" Schrein mit einer Art Tresen davor, also einem Altar, und (wohl seit der Einführung des Geldes) zusätzlich davor eine große Kasse, um darin etwas prosaischer sein Opfer loszuwerden. (Leider hat sich manches in unserem christlichen Glauben auch wieder in Richtung eines solchen Geschäftsverhältnisdenkens entwickelt, aber das dürfte wohl ein Rückfall in zutiefst heidnisches Verhalten sein und im krassen Widerspruch zu wirklichem Christsein stehen. Daß in Japan Fremde trotz der eher gemeinschaftsfeindlicheren Religion viel besser umsorgt werden als bei uns, wie wir es ja während der ganzen Fahrt erfahren haben, kann ich mir nur damit begründen, daß entweder Fremde unter dem besonderen Schutz der Götter stehen oder daß Fremde wenigstens ab und zu sozusagen einen besonderen Bonus im Kastendenken der Japaner haben - und eine Art Kastendenken ist ganz deutlich zu spüren in Japan!)

Die andere bedeutende Religion in Japan ist der Buddhismus, man kann die buddhistischen Tempel im allgemeinen an der Buddhastatue (oder oft auch an den drei Buddhastatuen (Buddha gestern, Buddha heute, Buddha morgen) erkennen. Doch bisweilen scheint das mit den Statuen auch nicht so genau genommen zu werden, zuerst glaubt man etwa beim Besuch eines Tempels, daß er shintoistisch ist, doch dann steht da doch irgendwo eine Buddhafigur herum. Es scheint sich in vielem wohl auch der Buddhismus dem Shintoismus angepaßt zu haben, zudem hat Buddha ja auch gar nicht den Götterhimmel der übrigen (polytheistischen) Religionen geleugnet, der Buddhismus muß vielmehr als der Versuch einer Reformierung der Lebensweise der Menschen innerhalb der Religionen mit dem Glauben an viele Götter angesehen werden.

Christlich ist in Japan nur etwa ein halbes Prozent der Bevölkerung, wenn der Einfluß der Christen auch größer sein soll, als es dieser Zahl entspricht.

Was man so beim Zelten in Japan erlebt.

Von unserer Herberge in Kyoto hatten wir so die Nase voll, daß wir in Nara in der Nähe, das vielleicht wegen seiner Tempel noch bedeutender als Kyoto ist, von vornherein gleich zelten wollten. Den geeigneten Zeltplatz fanden wir auch an dem Lauf des örtlichen Flusses, lästig allerdings waren vor allem für Marlene lediglich die zahllosen Mücken, ich bin für diese lästigen Viecher wohl weniger schmackhaft... Am nächsten Morgen sprach uns eine Frau an, die ihren Hund ausführte, daß wir doch auf ihre Tochter warten sollten, die Englisch sprechen könne.

Und siehe, sie (Chica, 22) kam auch mit ihrer Mutter und wir wurden auch gleich gefragt, ob wir nicht zum Duschen kommen wollten, und dann gab's natürlich auch noch ein zweites Frühstück, oder was man so in Japan vielleicht Frühstück nennt. Also, man kann sich vor der Hilfsbereitschaft der Japaner oft kaum retten, doch die ist ja eben sehr lieb und lebenspraktisch!

Vielleicht sollte ich hier einmal etwas zum Zelten sagen und das als brauchbaren Tip für junge Menschen empfehlen, die nicht viel Geld haben und so trotzdem oder vielleicht noch viel besser als andere Touristen mit viel Geld Japan erleben wollen. Denn das mit dem Zelten scheint mir tatsächlich gar keine schlechte Idee zu sein. Japaner zelten offensichtlich noch weniger, als dies bei uns geschieht. Es kennzeichnet wohl irgend welche Exoten. Dabei ist das Zelten gerade dort eine Möglichkeit, die bisweilen wahnsinnig teuren Hotelpreise zu umgehen und auch bisweilen überhaupt eine Nächtigungsgelegenheit zu finden. Und in der Nähe von Sportplätzen oder an Flußläufen gibt es eigentlich immer Möglichkeiten. Wenn man frecher wäre, könnte man auch in abgelegeneren Teilen von Parks zelten, schließlich kann man ja eventuelle Verbotstafeln nicht lesen! Und wenn man dann noch einen Wimpel mit deutschen Farben vor dem Zelt hißt, kann man wohl absolut sicher damit rechnen, daß man - zumindest am kommenden Morgen - irgendwie umsorgt wird. Ich finde das auch gar nicht verdammenswert, wenn man bereit ist, auch selbst etwas den Gastgebern zu bieten, und wenn es ein Gedanken- oder Erfahrungsaustausch ist. Man muß dann eben von vornherein bereit sein, erst am späten Vormittag aufzubrechen oder auch, was für Japaner ja infrage kommt, ihnen bei einer eventuellen Europafahrt behilflich zu sein.

Die größte sitzende Buddha-Bronzebuddhastatue der Welt in Nara.

Besondere Attraktion von Nara ist die größte sitzende Buddha-Bronzebuddhastatue der Welt, besonders eindrucksvoll ist auch die hölzerne Tempelhalle, in der sich diese Statue befindet. Und alles in wunderschönen Parks und vor allem etwas kompakter als in Kyoto. Auf dem Weg nach Osaka, von wo aus wir nach Hiroshima weiter wollten, besuchten wir noch eine der geschichtlich und kunsthistorisch bedeutendsten Tempelanlagen Japans: den Horyu-ki-Tempel, dessen Gründung fast 1400 Jahre her ist. Leider erleben wir bei der Besichtigung immer mehr die Erfahrung unserer meisten Schüler bei solchen Unternehmungen: Uns alles sagt das nicht viel, weil uns innerlich alles fremd ist und weil wir uns vielleicht auch gar nicht "hineinsteigern" wollen. Selbst die in der letzten Tempelanlage befindliche Figur des Priesters Nyoirin Kannon aus Kampferholz, die nach meinem Führer zum Vollkommensten gehört, was je an Bildwerken geschaffen wurde, reißt uns nicht mehr vom Hocker (ich meine doch, daß wir diese Statue tatsächlich auch gefunden haben!). Dank des günstigen Anschlusses und der Geschwindigkeit des Shinkansen sind wir dann sehr schnell in der Stadt, in der nun wirklich nichts mehr - zumindest im Zentrum - von solchen alten Tempeln steht, in Hiroshima. Mit den Klapprädern sind wir - immer wieder bei unserer Fahrt abgelenkt von einem phantastischen Feuerwerk in der Gegend des Nullpunktes der Atombombenexplosion - recht schnell in der wunderschön auf einem Hügel gelegenen Jugendherberge, die sich hier für uns anbietet. (Wie weit Jugendherbergen für junge Leute mit schmaler Kasse empfehlenswert sind, müssen sie selbst sehen, denn auch dort kosten die Übernachtungen im allgemeinen zwischen 20 und 30 DM, es soll allerdings auch günstigere geben.)

Hiroshima und Nagasaki, Tatorte des ersten Atombombeneinsatzes, sind natürlich für uns Touristen viel mehr mit diesem Hintergrund behaftet als für die heutigen Einwohner, die haben heute andere Sorgen.

Es ist etwa dasselbe wie mit unseren im Krieg zerstörten Städten, wir denken ja auch nicht pausenlos an diese Vergangenheit. Und so machen die Einwohner von Hiroshima auch nicht den Eindruck, als ob sie diese "Geschichte" noch sonderlich berührt.

Hiroshima selbst ist wie alle japanischen Riesenstädte supermodern nach dem Krieg wiederaufgebaut und kaum etwas erinnert an die schreckliche Vergangenheit. Lediglich die Gegend unterhalb des Explosionszentrums ist als Gedenkpark mit einem entsprechenden Museum hergerichtet. Obwohl alles recht touristisch aufgemacht ist, hat alles auf mich eine äußerst deprimierende Wirkung: Die Gedenkstätten, die Ausstellungsstücke im Museum, die Schaukästen mit wirklichkeitsnahen Darstellungen von beispielhaften Situationen nach dem Atomschlag, die Videowiedergaben von Schilderungen von Menschen, die den Atomschlag erlebt haben, die Stadtmodelle vor und nach der Zerstörung. Wenn man bedenkt, daß diese schrecklichen Bomben abgeworfen wurden, obwohl den Alliierten bekannt war, daß die Japaner zu Kapitulationsverhandlungen bereit waren, einfach also nur, um die Bomben einmal auszuprobieren... Das Museum selbst ist nicht sonderlich phantasievoll, gerade eben so banal, wie es für die Schrecklichkeit dessen, von dem es Zeugnis gibt, angemessen ist. Die Angst vor einer Verseuchung heute ist im übrigen völlig unbegründet, nicht nur wegen der 46 Jahre, die das grausame Geschehen zurückliegt, sondern auch wohl wegen der Höhe des damaligen Explosionszentrums von 600 m, durch die recht wenig Materieteilchen langfristig strahlend wurden. Erstaunlich ist ja, in welcher relativ nahen Entfernung vom Nullpunkt (dem Ort unter dem Explosionszentrum) damals sogar noch Menschen relativ unverletzt die Explosion überlebt haben; ich denke hier an den damaligen Pfarrer der katholischen Kirche, den durch seine Arbeiten über Christentum und Zen- Buddhismus berühmten Jesuiten Hugo Lassalle, in 1,5 km Entfernung. Zufällig war er wohl hinter irgendeiner geeigneten Deckung. Die Diskussionen der 60er Jahre bei uns waren bei diesen Erfahrungen sehr oft völlig unsachlich, wenn über die damaligen offiziellen Empfehlungen, wenigstens hinter einer Aktenmappe oder auch einer Zeitung Deckung zu suchen, gespottet wurde. Wenn die entsprechende Entfernung vom Nullpunkt gegeben ist, kann eben auch eine solche Maßnahme unter Umständen lebensrettend sein und sogar vor schwersten Verletzungen schützen. Es gehörte wohl zum Stil der 60er Jahre, in solchen Dingen wenig sachlich zu sein.

Am Nachmittag machten wir per Bahn und Schiff einen Ausflug zur Insel Miyajma mit dem berühmten Torij (Torij ist ein Tor, das zumeist aus Holz besteht und üblicherweise vor Shintotempeln steht), das vor dem Ufer im Wasser steht - oder eben wie bei unserer Anwesenheit während der Ebbe im Watt. Die dazugehörige Tempelanlage steht dahinter auf Pfählen im Wasser. Besonders begeistert waren wir von einer Wanderung zum Hauptberg der Insel durch wunderbaren schattigen Wald und teilweise entlang eines herrlich kühlen und klaren Baches. Leider mußten wir lange vor dem Gipfel (mit im Führer erwähnter herrlicher Aussicht auf Hiroshima) umkehren, denn es wäre sonst zu spät für die Rückkehr geworden, und außerdem wollten wir ja noch die Abendmesse in der wiederaufgebauten Kirche von Pater Lassalle, die heute im Stadtplan mit "Memorial Cathedral for World Peace" bezeichnet wird, besuchen. In dieser Kirche erinnert einiges an Deutschland, das Altarmosaik ist von Adenauer gestiftet, die Türen von der Stadt Düsseldorf. Die Abendmesse selbst war in der Seitenkapelle - äußerst intellektuell und nüchtern. Bei der Kommunion wurde eine junge Frau zurückgewiesen, die offensichtlich nicht Christin war, allerdings geschah auch das sehr stilvoll, der japanische Geistliche legte der Frau nach einem kurzen leisen Gespräch schließlich die Hände auf.

Und von Hiroshima ging's dann per Shinkansen und normalem Expreßzug auch gleich weiter nach Nagasaki auf der Insel Kyushu, dem Ort des zweiten Atombombenabwurfs. Gleich beim Bahnof ist dort erst einmal die Gedenkstätte für die 26 Märtyrer, die vor etwa 400 Jahren gekreuzigt wurden, weil mit aller Gewalt jede Beeinflussung Japans vor allem durch unsere westliche Zivilisation verhindert werden sollte. Denn recht zutreffend hatten die Japaner erkannt, daß die christliche Religion in der damaligen Zeit eigentlich stets eine Vorreiterrolle spielte für eine spätere intensivere Beeinflussung bis hin zur Kolonialisierung. Bei der Gedenkstätte ist ein Museum, und ich muß sagen, daß dies das einzige Museum von allen Museen ist, die wir in Japan gesehen haben, das gerade für uns ausländische Touristen wirklich sehenswert ist. Hier wird eine Beziehung aufgezeigt zwischen unser westlichen Kultur und der japanischen - und alles mit sehr eindrucksvollen Ausstellungsstücken.

Die Gegend unterhalb der Atombombenexplosionszentrums ist bescheidener hergerichtet als in Hiroshima, das Museum ist in einem fünfstöckigen architektonisch völlig bedeutungslosen Haus untergebracht. Auch die Aufmachung des Museums ist nüchterner als die in Hiroshima. Noch mehr als in Hiroshima fällt hier auf, daß durch die Atombomben die bedeutendsten christlichen Zentren in Japan zerstört wurden, so auch die katholische Kathedrale von Nagasaki ganz in der Nähe. Auf einem Hügel, wo vor der Zerstörung ein Gefängnis stand, gibt es noch einen besonderen Friedenspark mit Denkmälern aus allen möglichen Ländern und Städten, die sich eben für berufen fühlten, hier ein solches Denkmal zu setzen. Merkwürdig, auf wie vielen Denkmälern die Aufschriften nicht auch in der jeweiligen Landessprache, sondern nur in Japanisch und Englisch verfaßt sind, so auch beim Denkmal der DDR. Das türkische und das kubanische Denkmal sind dreisprachig, ein bundesrepublikanisches Denkmal sahen wir nicht.

Zur Übernachtung radelten wir wieder einmal in die Jugendherberge, obwohl die (Love-)Hotels zwischen der wiederaufgebauten Kathedrale und der Gegend unter dem Explosionszentrum genaus teuer waren, aber da hätten wir bis nach 22 Uhr warten müssen...

Fahrt auf den noch tätigen Aso-Vulkan und Wanderung. Beim Ur-Ur-Ur-...-Enkel des Gottes des Aso-Tales. Quartier in einer typisch japanischen Pension.

Eigentlich wollten wir von Nagasaki aus den Unzen-Vulkan besuchen, der ja zur Zeit sehr heftig tätig ist. Aber erstens galt dorthin nicht unsere Eisenbahnnetzkarte und zweitens hatte uns ein Schweizer erzählt, wie er nur mit allen Tricks und vielen Ausreden die polizeilichen Absperrungen bei seiner Herumkraxelei in der Gegend des Unzen überwunden hatte. Daher zogen wir es vor, einen großen Bogen auf dem Landweg um die Ariake-See zu machen, um dann auf dem gegenüberliegenden Meeresufer in der Nähe von Misumi im Anblick des Vulkans zu zelten. Irgendeinen Feuerschein hatte ich mir ja vorgestellt, doch außer einer dünnen Rauchfahne war nichts zu sehen. Dafür zelteten in unserer Nähe noch zwei Jungen, die wieder einmal die ganze Nacht überhaupt keinen Schlaf brauchten...

Statt des Unzen wählten wir für einen Besuch einen anderen Vulkan, den Aso, ziemlich genau in der Mitte der Insel Kyushu, der vor allem auch sehr günstig zu erreichen war. Doch irgendwie hatte ich mich bei der Wahl der Fahrtroute auf den Berg vertan, und so nahmen wir nicht die gewöhnliche Touristenroute, sondern von einer Bahnstation hinter der eigentlichen Aso-Station (Miyaji) einen Bus, an dessen Endstation dann noch eine Seilbahn für DM 13 (hinauf und hinunter) fällig war. Und so stiegen wir dann von der oberen Seilbahnstation entlang zahlreicher bunkerähnlicher und mit dicker Ascheschicht bedeckter Unterstände auf einen Kraterrand, von dem man zwar eine grandiose Aussicht auf den aktiven Krater (und auch auf das Touristenzentrum auf der gegenüberliegenden Seite) hatte, von dem man aber leider nicht in den eigentlichen Krater hineinsehen konnte. Und da ich nicht versäumen wollte, in so ein gigantisches Loch hineinzugucken, entschloß ich mich, mich in einem weiten Bogen zum entscheidenden Kraterrand vorzuarbeiten, Marlene fehlte dafür wohl etwas die Courage, auch hatte sie dafür noch weniger als ich geeignete Schuhe. Als ich dann schließlich mein Ziel erreicht hatte, winkten und jodelten wir uns einander zu - im (wohl kaum erkennbaren) Anblick sicher mehrere hundert Menschen auf der gegenüberliegenden Seite des Kraters. Ganz unten war das Kraterloch mit blau- grünem Wasser gefüllt, das an verschiedenen Stellen - man konnte es mit dem Fernglas deutlich sehen - offensichtlich heftig kochte.

Unten im Tal, in der Nähe der Bahnstation, machten wir einem Tankwart verständlich, daß wir ein günstiges Quartier suchten, und per Telefon wurde auch gleich alles für uns in den Wege geleitet. Obwohl es hier oben eigentlich auch wunderbar zum Zelten war, wollten wir doch einmal in einer japanischen Pension übernachten und auch damit unsere Erfahrungen sammeln. Und wir wurden auch gut vermittelt (allein hätten wir das nie gefunden) in eine kleine Pension zu einer Familie, bei der außer uns noch drei Studentinnen (?) untergekommen waren. Wir bekamen wieder ein "leeres" Zimmer (später waren dann darin Matratzen mit Bettzeug ausgebreitet), und wurden gleich gefragt, wann wir zu Abend essen und wann wir das Bad benutzen wollten. Das Abendessen war wirklich hervorragend und großzügig, es gab jede Menge dünner Scheiben Rindersteak, die vor uns auf einem Gaskocher gebraten wurden, jedenfalls waren wir wohl zum erstenmal nach unserem Essen auf Hokkaido wieder wirklich satt. Bei der Erforschung der zugänglichen Zimmer des Hauses am nächsten Morgen fiel uns im Wohnzimmer wieder ein shintoistischer Hausaltar auf, vor dem nicht nur verschiedene Früchte standen, sondern auch ungefähr alles das, was es auch für uns zum Frühstück gab. Und dann war da auch noch genauso ein gräßlicher "Geist", wie man ihn in den Geschäften entlang des Prozessionswegs in der Nähe des Daishi Heiken-Ji-Tempels in Kawasaki kaufen konnte. Hatte die Familie unserer Wirtin also auch Beziehung zu dem merkwürdigen Kult von Kawasaki, sind dieser Kult und damit auch die Ängste, die sich hinter diesem Kult verbergen, allgemeine Grundstimmung in Japan? Immerhin konnte ich allerdings beobachten, daß unsere Wirtin nicht vor dem protzigen Wohnzimmeraltar betete, sondern in irgendeinem anderen Winkel des Hauses vor offenbar einem anderen Altar.

Bei der Besichtigung des großen Tempel unseres Städtchens am Aso (Aso-jinja-Schrein) erhielten wir beim "Gnadenmittelverkaufspavillon" - so möchte ich den entsprechenden Verkaufsstand der Tempel einmal bezeichnen, an dem adrett japanisch gekleidete Mädchen oder auch jüngere Männer die für die jeweiligen Tempel typischen Gnadenmittel verkaufen - eine mehrseitige Kopie in Englisch über die Geschichte des Tempels. Interessant für mich war darin der Hinweis, daß das Oberpriesteramt in diesem Tempel seit der Gründung jetzt bereits in der 19. Generation der Familie ausgeübt werde und daß der erste Priester und damit auch noch die heutigen Priester unmittelbar von dem Gott (oder den Göttern) des Tempels abstammten.

(Ich übersetze einmal aus dieser Kopie:

Festgottheiten

Nach den Urkunden des Aso-Schreins soll der Schrein im 9. Jahr der Regierung des Kaisers Korei gegründet worden sein, oder 281 v. Chr. Insgesamt wurde dreizehn Götter später vergöttlicht. Unter ihnen sind drei Götter, über die in den Geschichtsbüchern seit 1000 Jahren berichtet wird. Ihre Namen sind:

-  Ichi-no-miya = Takeiwatatsu-no-mikoto (er soll der Enkel des Kaisers Jinmu sein)

-  Ni-no-miya = Asotsuhime (die Frau von Ichi-no-miya)

-  Juichi-no-miya = Kuni-no-miyatsuko-hayamigatama-no-mikoto (Gründer des Higo-Reichs)

Diese drei Götter wurden höher verehrt als die anderen. Alte Gräber, die für ihre gehalten werden, sind verstreut in einem Dreikilometerradius vom Aso-Schrein. Diese Gräber aus etwa dem 6. Jahrhundert werden "die alten Nakadorigräber genannt. Die anderen zehn Götter waren ihre nahen Verwandten.

Gottes Gnade

Ian alten Zeiten war das Aso-Tal mit Wasser gefüllt. Der meistverehrte Gott von Aso, Takeiwatatsu-no-mikoto, legte das Land trocken und schuf gute Felder, lehrte die Menschen die Methoden des Ackerbaus und arbeitete für die Urbarmachung (oder Verbesserung!) des Landes. Nach dem 11. Jahrhundert wurde er von den Menschen des Kumamoto-Distrikts als der erste Herr des Higo-Reiches bezeichnet und er wurde respektiert als die allgemeine schintoistische Gottheit der Gegend. Die Entwicklung des Landes meint nicht nur Fortschritt in der Industrie, sondern auch das Transportwesen, die Kultur, die Kunst, die Wissenschaften, Ehe, Medizin und Schutz vor Unglück usw., also von allem, was irgendeine Beziehung zum menschlichen Leben hat. Man erhält sozusagen unbegrenzte Gnade vor dieser Schutzgottheit des Lebens.

Hauptpriester von Aso

Die Familie des Hauptpriesters von Aso dient ununterbrochen von Generation zu Generation, seit Takeiwatatsu-no-mikoto den Schrein gegründet hat. Der gegenwärtige Priester ist der 19. Abkömmling. Die Familie soll die zweitälteste japanische Familie nach dem Kaiser sein. Besonders nach dem Mittelalter hat sie den größten Teil des Higo-Reichs besessen und sie hat den kaiserlichen Haushalt sehr unterstützt. Die Familie bewahrt Hunderte von alten Dokumenten, unter anderem Briefe, die die militärische Loyalität  gegenüber dem Kaiser ausdrücken. Und es gibt auch wertvolle Geheimbriefe von Takauhi Ashikago (1333 n. Chr.), in denen gefordert wird, daß sich militärische Kräfte am Schrein versammeln, und weitere ähnliche wertvolle Schätze.)

 

Hitler hat in seinem "Meinem Kampf" erwähnt, daß die katholische Kirche den Priestern Ehelosigkeit vorschreibe, damit gerade solche Priesterfamilien (und damit schließlich ganze Dynastien oder sogar Kasten) nicht entstünden, die irgendwann einmal zur Volksferne der Priesterschaft führten. Gerade das Angewiesensein, "den Nachwuchs für die Geistlichkeit statt aus den eigenen Reihen immer wieder aus der Masse des breiten Volkes holen zu müssen", ist für Hitler "die Ursache der unglaublich rüstigen Kraft, die in dieser uralten Institution (Anm.: der katholischen Kirche) wohnt. Denn dadurch, daß dieses Riesenheer geistlicher Würdenträger sich ununterbrochen aus den untersten Schichten der Völker heraus ergänzt, erhält sich die Kirche nicht nur die Instinkt-Verbundenheit mit der Gefühlswelt des Volkes, sondern sichert sich auch eine Summe von Energie und Tatkraft, die in solcher Form ewig nur in der breiten Masse des Volkes vorhanden sein wird..."  Na ja, den Priestern einer götzendienerischen Religion kommt es ja von vornherein auch gar nicht auf wirklichen Kontakt zum Volk an, sondern vor allem darauf, den Fluß der Opfergaben für die Götter in Gang zu halten und vielleicht auch noch zu steigern.

Zunächst per Bus (die Bahnstrecke war anfänglich infolge der Zerstörung durch Unwetter vorübergehend nicht passierbar) und dann wieder per Bahn erreichen wir schließlich das durch seine zahlreichen heißen Quellen berühmte Seebad Beppo, wo wir wenigstens einige Stunden zur Besichtigung dieser Quellen verbringen wollen. Die Eintrittskarten zur Besichtigung der bedeutendsten dieser Quellen kosten jeweils knapp stolze 20 DM, und ich bin eigentlich nach dem Besuch der Quellen recht enttäuscht. Denn alle Quellen sind sozusagen restlos kommerziell ausgeschlachtet, eigentlich wirkt nichts mehr natürlich. Genausogut könnte auch alles von vornherein künstlich sein, am schlimmsten vergewaltigt erscheint mir der in absoluter Regelmäßigkeit (25 min) funktionierende Geysir unter den Quellen: Den hat man in eine relativ kleine Grotte gezwängt, an deren Innenseite dann jeweils das heiße Quellwasser abprallt. Zu einem der Quellbezirke gehört auch ein kleiner Zoo, am interessantesten sind da noch die Nilpferde... Ich meine, daß man sich die Besichtigung dieser Quellen von Beppo schenken kann, zumal wenn man - wie ich - auf dem Aso war und einen Blick auf den kochenden Kratersee werfen konnte. In einem der Nationalparks in der Fuji-Region sollen übrigens schönere heiße Quellen sein. 

Besuch beim Cousin des Tennos Hirohito, dem Kriegsgott Hachiman (?).

Bei der auf Beppo folgenden Schnellzugstation Usa war da ein recht bedeutender und dennoch von Touristen weitgehend links liegengelassener Tempel in einem meiner Führer zur Besichtigung empfohlen. Da konnten wir doch wieder einmal eine Besichtigung mit einer Nächtigung im Zelt verbinden - zum Ausgleich für die vorherige "großzügig" verbrachte Nacht! Also unterbrechen wir gleich wieder die Fahrt. Am Bahnhof - es ist schon dunkel - spricht uns ein Herr an, der gerade von einer Europafahrt zurückgekommen ist, bei der er auch in Köln gewesen ist. Er will von uns wissen, was wir in Usa wollen und wo wir übernachten wollen. Na, wir können jedenfalls nach der kurzen Unterhaltung unsere bereits aufgeklappten Räder wieder zusammenklappen, denn er beauftragt einen jungen Mann, uns in dessen Auto gleich zum Gelände unseres anvisierten Tempels zu fahren, wo wir seiner Meinung nach schon einen geeigneten Zeltplatz finden würden. Und hinter vorgehaltener Hand flüstert er mir zu, daß in diesem Tempel der Kriegsgott verehrt wurde, was besonders im letzten Krieg sehr wichtig war und wozu sogar der Kaiser selbst persönlich anwesend war. (Wir können also sagen, daß die Niederlage der Japaner im letzten Kriege durchaus auch eine "religiöse" Krise für die Japaner bedeutete, hatten nicht der Gott, dem man vertraute, und damit auch die übrigen Götter versagt? Schließlich hatten die Japaner wohl während des letzten Kriegs bis zum letzten Moment noch an ein Eingreifen des Kriegsgottes geglaubt, war nicht auch der letzte ausländische Angriff auf Japan in der Geschichte durch die Mongolen im 13. Jahrhundert durch einen im richtigen Moment aufgekommenen "Götterwind" <Taifun, japanisch "Kamikaze">, bei dem die gesamte gegnerische Flotte zerstört wurde, für Japan glücklich ausgegangen?) Wir finden auch einen wundervollen ruhigen Platz - zwar nicht in unmittelbarer Umgebung des Tempels, sondern etwas abseits auf einem (zum Tempel gehörenden?) Sportplatz gleich neben dem Tempelpark. (Auch ist eine geeignete Toilettenanlage gleich in der Nähe, wie man eigentlich überall in Japan mit der "Hygiene" keine Probleme hat.) Natürlich lassen wir auch hier wieder unser Zelt mutterseelenallein, sowohl als wir am Abend noch zum Einkaufen von Verpflegung und Mückenvertreibungsmittel fahren, als auch am Morgen während des Besuchs des Tempels. Was uns an diesem Tempel fasziniert, ist wieder einmal die herrliche Lage auf einem Hügel inmitten eines wunderbaren Waldes voller riesiger Zedern (?).

Der Grundbesitz der Tempelpriester ist schon beeindruckend. Wenn ich daran denke, an was für tolle Grundstücke vergleichsweise die christliche Kirche im alten Rom gekommen sein mag, als sie Staatsreligion wurde, kann ich verstehen, daß der Besitzzuwachs sicher eine große Versuchung für die bis dahin relativ arme Kirche war, der sie schließlich nicht mehr widerstehen konnte und durch die sie dann schließlich viel von ihrer Dynamik verloren haben mag.

An einen Kriegsgott erinnert im Tempelgelände - wenigstens uns - nichts.

Für die Route der Rückkehr von der Insel Kyushu zur Hauptinsel Honshu hatte ich Marlene von einer "Sondereinlage" überzeugt: Wir wollten auf die bei Usa liegende Kunisaki-Halbinsel mit unseren Rädern an der Küste bis Taketazu entlangfahren, um schließlich mit einer Fähre eine Abkürzung - wenn man von der Luftlinie ausgeht - nach Tokuyama auf Honshu etwa 100 km vor Hiroshima zu nehmen. Vielleicht gab es da irgendwo etwas Stimmungsvolles zu sehen oder auch eine schöne Gelegenheit zum Baden im Meer. Doch leider wird die Fahrt zu einer einzigen Frustration, zuerst entpuppt sich eine als Abkürzung gedachte Route über einen Absperrdeich als unheimlicher Umweg, weil es über die Flüsse, die die Polderlandschaft durchqueren, keine Brücken gibt, wo wir sie gebraucht hätten, dann ist die Fahrt recht mühsam, weil es allzu häufig bei den Einmündungen kleiner Flüßchen bergauf und bergab geht, dann ist die Strecke wohl um die 40 km lang statt der erwarteten 25, wie wir es nach Information bei einem Tankwart zu Beginn erwartet hatten, und schließlich kostet die Fähre pro Person über DM 17, statt wie im Reiseführer angegeben um die 4 DM. Und so lohnenswert ist die Landschaft eigentlich auch nicht. Da hätten wir besser den Bogen mit der Bahn gemacht!

Da der Abfahrtshafen unseres Fährschiffes zurück nach China vier Tage später nicht wieder Yokohama bei Tokyo, sondern Kobe, also südwestlich des Raumes Nagoya, Osaka, Kyoto sein würde, und da wir noch ein (weitgehend überflüssiges) Gepäckstück in Tokyo bei den Jesuiten deponiert haben, hatte ich schon längst für die letzten beiden Nächte auf japanischem Boden Tickets nach und von Tokyo in den uns so hoch gepriesenen Staatsbahnbussen mit wirklich bequemen Liegesesseln gebucht. Mit unserer Netzkarte ging das ohne zusätzliche Kosten (dagegen kosten zusätzliche Liegewagenkarten für die wenigen Expreßzüge, die über Nacht verkehren, pro Person und pro Nacht über DM 100!). Somit können wir uns auch noch einmal von Tokyo verabschieden.

Männliche und weibliche Fruchtbarkeinsschreine - alte Religion pur!

Vor diesem Schlußakkord wollten wir von Nagoya aus noch ein wenig auf normalen Strecken der Eisenbahn herumfahren, um im Norden zwei Tempel, auf die ich durch die Lektüre meiner beiden Reiseführer neugierig geworden war, und im Süden das berühmte Ise-Heiligtum auf der Ise-Halbinsel zu besuchen. Davor stand erst wieder einmal eine Übernachtung an, beinahe wäre uns nichts anderes übriggeblieben, als in einem Hotel gleich hinter dem Bahnhof mit zwei der berühmten Boxen vorlieb zu nehmen (falls Marlene überhaupt dort geduldet gewesen wäre, wir sind uns bis heute nicht sicher, ob in solchen Hotels nicht nur Männer zugelassen sind), die eher wie größere Schließfächer sind und damit wohl die bestmögliche Raumausnutzung darstellen, wenn es um eine Einrichtung zum Schlafen geht. Doch wir finden wieder ein Hotel von der Sorte, deren Preisgestaltung deshalb für uns günstig ist, weil die Zeitausnutzung hier optimiert ist... Unser Gepäck können wir am nächsten Morgen völlig unproblematisch unterstellen und ganz sicher hätte man uns abends auch wieder ein Zimmer reserviert, wenn wir gewollt hatten (andere "Traveller" konnten durchaus von entsprechenden äußerst positiven Erfahrungen in solchen Hotels berichten).

Am folgenden Morgen brechen wir so früh als möglich zu den zwei Tempeln in den Reisfeldern nördlich von Nagoya auf, die wir per Japan Rail, Klapprädern und schließlich noch mit einer Privatbahn abklappern wollen! Zunächst kommen wir am Schloß von Inuyama vorbei, dem ältesten erhaltenen Schloß - oder besser Schlößchen - von Japan (1440), wunderschön auf einem Hügel gelegen mit herrlicher Aussicht, (wir machen einen Abstecher) und nach ca 10 km sind wir beim Oagata-jinja-Fruchtbarkeitsschrein, dem hinteren der Tempel (von Nagoya aus gesehen). Er ist der "weibliche" dieser Tempel, und zu ihm pilgern besonders gern Frauen und Mädchen, die heiraten möchten oder die sich Kinder wünschen. Doch auch einen Stein gibt es, unter dem Mädchen hindurchzukriechen pflegen, wenn sie ein Examen bestehen wollen. Der Grund, daß dieser Tempel "weiblich" ist, ist ein Stein am hinteren Rand des Tempelbezirks, der einem weiblichen Genital ähneln soll. Na ja, mit viel Phantasie...

Schon einmal vorgewarnt radeln wir anschließend in glühender Mittagshitze zum Tagata-jinja-Schrein, dem "männlichen" Tempel. Vor allem das, was wir dort sehen, muß man eigentlich selbst erleben, sonst ist das kaum glaublich! Ob die Phallus-Verehrung, um die es in diesem Tempel geht, in unserer Antike auch so war? Immerhin erinnere ich mich an das Haus der Vettier im alten Pompeji, in dessen Eingangsraum sich ein Bildnis des Gottes Priapos befindet, dessen überdimensionaler Phallus auf einer Waagschale liegt. Und in der griechischen Antike gab es ja auch Phalluskulte zu Ehren des (Wein-)Gottes Dionysos, ob wir hier am Ende auf genau dasselbe Phänomen stoßen würden? Was wir erleben sollten, macht mich sicher, daß es sozusagen "dasselbe" war!

Im Gegensatz zu Indien, wo die göttlichen Phallen (Lingams) stets mehr abstrakt dargestellt und nur mit einiger Phantasie zu erkennen sind, ist hier alles voll naturalistisch: in einem kleinen Tempel im Hintergrund in jeder Größe und in großen Mengen (wohl als Votivgaben oder in Holzmodellen mit individueller Beschriftung der Pilger als Brennholz für das nächste "heilige Feuer") und im Haupttempel davor auf einem Tragegestell das Exemplar, das wohl in der jährlichen Prozession am 15. März herumgetragen wird. Und auch sonst in der Tempelanlage, überall hat alles Mögliche und Unmögliche, was sonst die normale Stabform hat, hier die entsprechende "Ausformung". Und noch etwas ist anders als in Indien: Dort wirkte auf mich alles, was mit Göttern und Kult zu tun hat, irgendwie eher düster und geheimnisvoll, hier in Japan wirkt das alles mehr nüchtern und steril. Gerade das Innere unseres jetzigen Tempels sieht dazu noch recht neu aus, offenbar scheint der Kult mit dem Phallus ein einträgliches Geschäft zu sein. Kaum zu glauben, wie junge Tempeldienerinnen am "Gnadenmittelverkaufspavillon" Glöckchen in Phallusform verkaufen, wohl damit die Pilger mit ihnen auch zu Hause noch böse Geister verscheuchen können. Wir "kriechen" natürlich durch alle übrigen zugänglichen Gebäude des Tempels. In einem Saal hängen großformatige Gemälde mit merkwürdigen struppigen igelartigen Männchen bei einer Prozession mit einem "Superphallus" und Fotos von der (letzten) tatsächlichen Prozession. Schon merkwürdig, wie da offensichtlich ganz seriöse Frauen in kultischen Gewändern etwa 40 cm hohe Phallusmodelle wie Szepter in ihren Armen mit sich tragen und diese bisweilen auch wie kleine Kinder zu liebkosen scheinen. Uns drängt sich der Eindruck auf, daß hier unter dem Vorwand einer kultischen Verehrung etwas nachgeholt wird, was ansonsten verdrängt wird (oder verdrängt werden muß). Und dann Priester in den typischen Mützen der Shintopriester, die - offensichtlich schon nicht mehr ganz nüchtern - das Hauptkultobjekt von über zwei Meter Länge und dem entsprechenden Durchmesser auf einem Tragegestell auf den Schultern tragen.

Zum Kult des Ortes gehört nach meinen Führern auch der Reiswein, also wird bei den Prozessionen davon ausgeschenkt. Und dann ist da noch ein Souvenirverkaufsraum, in dem es eine Art Konfekt und sogar Lutscher (für Kinder?) gibt - und alles in der in diesem Tempel üblichen Form. Dabei dürfte es sicher nicht im geringsten darum gehen, die Kinder mit solchen Lutschern vor späteren "Verklemmungen" zu bewahren, denn welche Gesellschaft sollte an so etwas schon ein Interesse haben? Die Leser meiner Reiseberichte kennen ja schon inzwischen meine Meinung, daß alle Gesellschaften irgend welche - durchaus unterschiedlichen und oft gegenteiligen - Dinge als angeblich (für Kinder) sittlich gefährlich einstufen, ohne daß dies sehr oft auch nur annähernd einer einigermaßen sachlichen Überprüfung standhält. Es geht bei der Verteidigung irgendwelcher Tabus (was ist etwa "anstößig" oder "anständig" und was nicht) ja wohl im Grunde auch fast nie um eine wirkliche Fürsorge für unsere nachwachsende Generation und deren Moral, sondern allenfalls um die Inkulturation der jungen Menschen. Durch die Tabus kommt es nämlich zu Ängsten oder auch zu angenehmen Gefühlen, die jede weitere Hinterfragung dieser Tabus verhindern und bewirken, daß der Heranwachsende die wesentlichen Pfeiler der etablierten Gesellschaft mit der Zeit kritiklos zu akzeptieren lernt. Gerade das, was entweder mit Ängsten oder mit angenehmen Gefühlen befrachtet wird, "klebt" dann in der "Meinung" der jungen und später erwachsenen Menschen viel intensiver als jede noch so vernünftige und plausible Argumentation. So eignen sich Dinge, die mit dem Irrationalen zusammenhängen, also Religion und Sexualität, besonders für Tabuisierungen. Na, und was liegt im Falle eines (blödsinnigen) Phalluskultes da näher, als schon Kindern entsprechende Zuckerphallusse zum Lutschen zu geben? (Fällt uns aber nur zu oft im Hinblick auf unseren christlichen Glauben auch nichts Besseres ein, wenn ich vor allem an die Weise denke, wie wir da Irrationales in unserem Glauben über gewisse Feste näher zu bringen versuchen, so etwa mit dem Weihnachts- oder mit dem Osterfest? Und im übrigen: Inzwischen – lange Zeit später – habe ich erfahren, dass die Dionysoskulte im alten Griechenland so ähnlich gewesen sein müssen – auch dort trug man in alkoholisiertem Zustand in Prozessionen Phallusse durch die Straßen.)

Dabei könnten wir doch sehr gut gerade die Schöpfungsgeschichte als biblisches Zeugnis etwa gegen den ganzen Fruchtbarkeitskultblödsinn sehen: Nicht nur, daß Sonne und Mond jetzt keine Götter mehr sind, sondern Lampen, die ein neuer "Supergott" an den Himmel gehängt hat, sondern auch wenn da davon die Rede ist, daß Pflanzen mit ihrem Samen und Tiere mit ihrer Fruchtbarkeit von diesem Gott geschaffen sind, so wird das auch in aktueller Bibelauslegung in erster Linie als eindeutige Stellungnahme gegen eine mythologisierende Sicht von Zeugungskraft und Fruchtbarkeit gesehen. Die Bibel und damit unsere Religion sind also im Grunde als Vorkämpfer einer Aufklärung zu sehen! Leider hat sich das noch nicht bis zu den Verantwortlichen für unseren Kinderreligionsunterricht durchgesprochen und so mache in meinem Unterricht keinen Hehl daraus, was ich von all jenen christlichen Pädagogen halte, die aus einer Geschichte, die eigentlich gegen eine Mythologie geschrieben ist, eine neue Mythologie machen, eben eine Schöpfungsmythologie...

An dieser Stelle sollte ich mich auch einmal rechtfertigen, warum ich bei meinen Reiseberichten gerade auch die Merkwürdigkeiten mit sexuellem Charakter, die mir so unterwegs begegnen, nicht besser unterschlage, sondern oft gerade noch hier "weiterbohre".

Dazu meine ich, daß meine Leser doch gerade von mir das erfahren wollen, was nicht in jedem Reiseführer steht, was jedoch einem normalen Reisenden auffallen kann und was für das Verständnis des Charakters eines Volkes auch bedeutsam erscheint. Und wenn es dann noch in plausibler Beziehung zu unserem Menschsein allgemein und im Besonderen zu unseren westlichen Kulturen steht - dann kann ich so etwas doch nicht einfach auslassen! Zur Frage, ob es "normal" ist, hier über alles so intensiv nachzudenken, habe mir überlegt, wie vielleicht ein achtjähriges Kind, das nun wirklich ganz offensichtlich "unverklemmt" und "unschuldig" ist, mit den Merkwürdigkeiten, die mir so auffallen, umgehen würde. Ein solches Kind würde nämlich auch genau das alles "bemerken", hinterfragen und bei seinen Berichten später nicht auslassen!

Und wie die Einstellung, die wir hier von der Religion mitbekamen, auch in anderen Lebensvollzügen präsent ist, siehe etwa in meinem Reisebericht Allerheiligen nach Paris im Jahr 2004 über die Ausstellung "Images du monde flottant", also über "Bilder einer schwimmenden Kultur".

Doch wieder zu unserem Tempel!

Ganz zwangsläufig drängt sich bei unserem Rundgang die Frage auf, ob man von dem, was wir hier sehen, auf die "andere", die vielleicht innere Seite der Japaner schließen kann, und ob sogar eine weitere Beziehung gerade zu unserem Alten Testament besteht, ob das, was uns hier begegnet, nicht durchaus auch zu dem gehörte, was die alten Juden vor Augen hatten, wenn sie so gegen die heidnischen Religionen wetterten. Nach meiner Meinung sind wir hier mitten in der Umwelt des Alten Testaments, von diesem Blickwinkel läßt sich sehr vieles in der Bibel erklären! Leider ist es nach meiner Erfahrung selbst anhand von Bildern, wie ich sie hier machen kann, sehr schwer, heutigen jungen Menschen den wirklich wesentlichen Gegensatz von heidnischem Götzenkult einerseits und jüdisch-christlichem Menschenbild andererseits zu erklären. Zu sehr hat sich - offenbar durchaus auch als Folge unserer Inkulturationsbemühungen - bei ihnen die Vorstellung verfestigt, daß der Unterschied zwischen einem heidnischen Kult und unser christlichen Lebenseinstellung im Grunde nur im unterschiedlichen Kultobjekt besteht. Daß schon bereits die Verehrung eines Kultobjekts ins Heidnische tendiert, können sie sich kaum vorstellen, wie sollen sie dann auch noch weitere Details einordnen, selbst wenn man es ihnen noch so anschaulich nahe zu bringen versucht wie nur irgend möglich?

Besuch bei der Ur-Ur-Ur-...-Großmutter der japanischen Kaiser in Ise.

Eine weitere Variante der japanischen Götterverehrung erleben wir am folgenden Tag beim Besuch des berühmten Kultortes Ise.

Die Tempel von Ise - es gibt einen "äußeren" Schrein unmittelbar in Ise, und einen "inneren" Schrein etwa 4 km Entfernung außerhalb - sind sozusagen die bedeutendsten Staatstempel. Der Kaiser besucht sie hin und wieder selbst, um Opfer darzubringen, zumal der Schrein des inneren Tempels stets als Wohnung für seine Urahne, die Sonnengöttin Amaterasu, hergerichtet ist. Damit die Sonnengöttin auch nicht in einem "verwohnten" Anwesen wohnen muß, wird alles, was mit den Tempeln von Ise zusammenhängt, alle zwanzig Jahre komplett erneuert. Wir selbst konnten sehen, wie auf dem eigens dafür freigelassenen Platz neben dem jetzigen Tempel ein neuer Tempel errichtet wird. Und alles wird natürlich vom feinsten Zedernholz mit bester handwerklicher Arbeit gemacht. Schon jetzt sind die Bäume gepflanzt, damit in hundert Jahren wieder genügend heilige Zedern für die dann fälligen Neubauten nachgewachsen sind. Die Tempel selbst wirken zunächst eher enttäuschend, eher so wie die Häuser, die wir aus unserer Steinzeit kennen, also im Grunde Häuser von ganz schlichter Bauweise völlig aus Holz und mit einer Art Reetdach, allerdings etwas feudaler. Diese Bauweise läßt darauf schließen, daß wir es mit einem uralten Kult zu tun haben, der wahrscheinlich ursprünglicher ist als alles das, was ich bei meinen Reisen bisher gesehen habe und was ich etwa auch von Indien kenne. Denn wenn sich die Bauten nicht verändert haben, dann hat sich eben wahrscheinlich der Kult auch nicht verändert. Somit dürfte auch das, was wir in den Tempeln am Tag zuvor (und auch sonst) gesehen haben, auch zu den Kennzeichen wirklich alter und ursprünglicher Religionen gehören.

Und noch etwas ist typisch für die alten Religionen: In dem Buch "Religionen" v. H.-J. Schoeps, Gütersloh las ich, daß gleich neben den Tempeln überall die "öffentlichen Häuser" stehen, "bei denen die Feiernden ohne Scham ein- und ausgehen. Selbst von den Tempeln von Ise sagt man im Sprichwort: 'Nach Ise nimmt man die Frau nicht mit.' Daß dieses wilder Treiben den Fremden dennoch gebändigt erscheint, liegt an der Zucht des Benehmens, die alle Äußerungen der Leidenschaft in Japan niederhält." Wir haben davon nichts bemerkt, allerdings haben wir darauf auch nicht geachtet. Doch ich glaube sicher, daß es stimmt. Vielleicht sollte der Theologe Drewermann, der ja zur Zeit mit seinen tiefenpsychologischen Deutungen so aneckt, doch einmal zur Information über wirkliche alte Mythen nach Japan fahren! (Und wenn Sie einmal wissen wollen, wie derartige japanische „Traditionen“ mit unserem Weihnachtsfest verknüpft werden, dann klicken Sie bitte HIER!)

Interessant in Ise ist auch, daß das Amt des Oberpriesters von der Schwester des jetzigen Tenno ausgeübt ist, ansonsten gibt es noch hundert ausschließlich männliche Priester. Wenn ich mir das alles mit dem zusammenreime, was ich so aus dem alten Vorderen Orient weiß (und bisweilen hier auch erwähnt habe)...

Übrigens haben wir die Nacht vor dem Besuch der Ise-Tempel recht feudal verbracht: Irgendwie fanden wir spät abends wieder einmal kein Quartier und ich war schon dran, einen Zeltplatz zu suchen, als in kurzer Abwesenheit von mir Marlene vor dem Stadtplan auf dem Bahnhofsvorplatz einen Herrn bat, ihr zu helfen und Auskunft über ein Hotel zu geben. Natürlich (!) rief der Herr sofort bei dem Hotel an, fragte offensichtlich, ob etwas frei sei, und teilte uns auch den Preis mit, knapp 60 DM. Also hin unter der Führung des Herrn, das Hotel war auch ganz in der Nähe. Dort stellte es sich heraus, daß das Hotel jedoch nicht um die 60 DM, sondern knapp das Doppelte kostete - und der Herr zückte - ohne, daß wir etwas machen konnten, sein Portemonnaie und zahlte! Und dann ging er mit uns auch noch in ein kleines typisches Restaurant (in der Nähe des Tagatajinja-Schreins am Tag davor waren wir in einem ähnlichen Restaurant), wo der Tresen aus einem Blech besteht, das durch Gasbrenner von unten erhitzt wird und auf dem vor uns das unfertige Rohmaterial für eine Art Paella oder Pfannkuchen ausgekippt wird und wir dann anfangen zu essen, wenn wir meinen, daß das Gericht fertig ist. Auch hier gibt es keine Chance zu bezahlen - und, so müde wir sind, in eine Bar werden wir auch noch eingeladen (nein, nicht geschleppt, denn der Herr ist sehr nett, schade, daß wir außer Danke und Auf Wiedersehen keine japanischen Worte können!). Wir haben das Gefühl, einem Menschen begegnet zu sein, der kein Vergnügen an Pachinko oder sonstigem Stumpfsinn (mehr?) hat und dem es einfach Freude macht, anderen Freude zu machen.

Nach den Isetempeln geht's noch einmal ans Meer, nach Toba an der nördlichen Flanke der Ise-Halbinsel, das durch seine Perlenzucht berühmt ist. Doch wir setzen uns von dem ganzen (einheimischen) Touristenrummel ab und fahren schon einmal mit unseren Rädern ein paar Kilometer zurück zu einem kleineren Bahnhof auf der Strecke. Dabei finden wir auch eine kleine Bucht zum Baden, leider ist es Marlene dafür schon wieder zu kühl. (Ansonsten war das Wetter während der ganzen Fahrt eigentlich stets sehr heiß oder sogar schwül, lediglich im Norden war es angenehmer. Mir schien jedoch, daß es gegen Ende unseres Japanaufenthalts überall angenehmer wurde.)

Noch mal Tokio und wieder per Schiff und Bahn über Shanghai und Kanton zurück nach Hongkong - diesmal über (noch portugiesisch) Macao. Kirchen in Japan und China.

Der Rest von Japan ist kurz erzählt: Die Nachtfahrten mit dem Bus von Nagoya nach Tokyo und zurück (da hatten wir bis Kyoto gelöst) klappen vorzüglich. Die Bahnbusse, die allerdings nur in diesem Bereich verkehren, können wirklich als Gelegenheit angesehen werden, einmal eine oder zwei Nächte zu verbringen. In Tokyo sind wir erst einmal leider allzulange damit beschäftigt, für Marlene ein deutsches Visum zu besorgen, was schließlich dann ganz einfach ist. Erstaunlich, daß es auch noch billiger als in Peru ist, auch interessieren den Beamten - anders als bei der Beantragung des Visums in Peru - irgend welche Angaben zu meiner Person oder irgendwelche Bürgschaften von mir überhaupt nicht.

Da in meinem deutschen Reiseführer die katholische St. Marienkathedrale (ich erinnere mich noch an die Sammlungen in unseren Kirchen) sehr empfohlen ist, wollen wir natürlich auch dort hin. Leider vertrödelen wir viel Zeit, weil wir keinen guten Stadtplan haben und sie nicht finden, und dann behindert uns da noch ein wirklich heftiger Regenschauer. Sehenswert ist die Kathedrale schon, zumal hier geschickt christliche Symbolik mit altjapanischen Elementen verknüpft ist. Mit dem Besuch der Gokokuji-Tempelanlage in der Nähe verbrauchen wir wieder viel Zeit - das kennen wir doch schon! Sinnvoll dagegen scheint uns der Besuch des Asakusa-Kannon-Tempels, also des Tempels der Göttin der Gnade, der der beliebteste und meistbesuchte Tempel Tokyos sein soll. Im Tempel, der im Krieg sehr zerstört war, befindet sich als Sonnengottheitszeichen inmitten jeder Menge Goldflitter ein rundes "verkehrtes" Hakenkreuz, vor dem Tempel stehen vor allem ein riesiges Rauchfaß, dessen Rauch angeblich Heilwirkung haben soll, eine endlos lange Schrankwand mit unzähligen Fächern voller Zettel mit Horoskopen für wohl alle Lebensfragen und dann ist da vor allem eine ausgiebige Tempeleinkaufsstraße. In den letzten anvisierten Tempel, den Meji-Schrein, kommen wir nicht mehr hinein, zu spät... Immerhin können wir noch in einem Nebenpark ein wenig spazieren gehen.

Eigentlich wollen wir noch am folgenden Morgen - nach Ankunft unseres Busses in Kyoto sind wir schließlich mit dem Shinkansen sehr schnell gegen acht Uhr in Kobe - noch schnell einen kleinen Ausflug nach Okayama machen, um von dort über die riesige Brücke, unter der wir bei der Hinfahrt durchgefahren waren, wenigstens kurz auf die letzte der großen japanischen Inseln, die wir noch nicht betreten hatten, Shikoko, zu fahren, doch fehlt uns für die damit verbunden 380 Kilometer leider etwa eine knappe Stunde.

Denn unser Schiff geht ja um 12 Uhr (und pünktlich). Immerhin haben wir so noch etwas über zwei Stunden Zeit für einen letzten Einkaufsbummel - und in einem Kaufhaus entdecken wir auch genau die Fahrräder (Marke DAHON), die wir in Hongkong für etwa 350 DM gekauft hatten, im Sonderangebot für ca. DM 450, herabgesetzt von ca DM 650. (Ein Kollege hat ähnliche (Marke BORSA) hier in einem Katalog der Firma Berger, Postfach 1160, 8430 Neumarkt, für ab DM 875 + DM 98 für die Tasche entdeckt; sie mögen vielleicht besser sein, dafür sind sie verpackt allerdings auch erheblich größer: 85 x 60 x 22.) Diesmal ist es auf unserem Schiff - demselben wie auf der Hinfahrt - voller, offensichtlich zumeist Chinesen und Japaner. Wie immer in chinesischen Einrichtungen, sind alle "Westeners" "zusammengefaßt", hier hat man uns in eine große mit Vorhängen abgetrennte Abteilung des "Zwischendecks" verfrachtet. In unserer Abteilung ist sogar ein älteres peruanisches Ehepaar mit ihrem aufgeweckten etwa zehnjährigen Enkel.

In Shanghai ist das Xinguo-Daxia-Hotel, in das die meisten Schiffspassagiere strömen, sehr schnell belegt, schließlich werden wir in das etwas außerhalb gelegene Hai Jia Hotel in der Jiang Pu Road geschickt, leider in vom Stadtzentrum völlig entgegengesetzter Richtung.

Genauer als bei der Hinfahrt erleben wir jetzt Shanghai! Vor der kommunistischen Machtergreifung war es ja wegen Glücksspiel, Rauschgift und Prostitution verrufen, doch ist auch heute noch eine wirklich eindrucksvolle und faszinierende Stadt. Auf der einen Seite absolut modern, und gleich ein paar Seitenstraßen weiter ein ursprüngliches China, wie ich es sonst auch bei meiner Fahrt vor zwei Jahren kaum erlebt habe. Und ein Handel und Wandel, wie man ihn selbst bei uns in Europa kaum erlebt. Die Hauptstraßen haben zwar abgesperrte Fahrbahnen für Fahrräder, doch sind da tagsüber Fahrräder nicht zugelassen, da alles voller Fußgänger ist. Die Geschäfte sind voll, vor allem voller Textilien, und wie es aussieht, sind die Läden wohl auch zum großen Teil privat. Nur mit den Restaurants haben wir etwas unsere Probleme, da scheint es erheblich weniger als in Kanton zu geben, vor allem auch nicht das, was wir so suchen. Anders als in Kanton emfiehlt es sich nach unserem Führer auch vor der Bestellung nach dem Preis zu fragen, Fremde sollen schon ganz schön ausgebeutet worden sein! (Wir sind einmal so gerade drumherum gekommen!)

In einem supermondänen Hotel (mir werden von livriertem Personal alle Türen weit aufgerissen) erkundige ich mich nach kulturellen Veranstaltungen und erfahre dabei durch die ausliegenden amerikanischen und Hongkong-chinesischen Zeitungen von dem Putsch in Moskau und von dessen glimpflichem Ausgang. Also, wie in den Zeitungen über den Kommunismus hergezogen wird - und keinen scheint das zu stören! Es gibt auch ein Konzert für uns - in einem anderen noch moderneren Hotelkomplex, in den die Konzerthalle gleich miteingebaut ist. Unter anderem gibt es zwei Stücke von Dvorak, allerdings ist das Ganze wirklich nur für die Leute, die Geld haben, denn wer von den Normalverdienern kann sich schon den Eintritt leisten (wir kaufen im letzten Moment vor der schon geschlossenen Kasse zwei der "schlechtesten" Karten für je 12 Yuan, bei einem Durchschnittslohn von monatlich 100 Yuan (ca 30 DM) dürfte das für die meisten Chinesen unerschwinglich sein. Das wichtigste für uns ist eigentlich das Erlebnis, europäische Musik in China. Manches klingt ja auch ein wenig chinesisch!

Nicht nur deswegen, sondern auch aus wirklichem Bedürfnis gehen wir auch am Sonntag in die 7 30-Uhr-Messe in einer katholischen Kirche, die wir mit ihrem an die St-Louis-Kathedrale von New Orleans in Amerika erinnernden Turm entdeckt haben. Die Kirche selbst wird noch gerade renoviert, die Messe findet in einem großen Saal im Gemeindehaus (?) neben der Kirche statt, der für die anwesenden Gläubigen wirklich zu klein ist. Eine Kollekte wird nicht durchgeführt, auch sonst wird nicht um Spenden gebeten, daher schließe ich darauf, daß die Renovierung der eigentlichen Kirche aus Staatsmitteln geschieht, sicher war diese Kirche ja auch in der Kulturrevolution zerstört worden. Da die offizielle katholische Kirche in China ja "patriotisch" ist, also nicht den Papst anerkennt, sind auch die "Neuerungen" des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht bis China durchgedrungen, daher ist auch die Messe wie bei uns früher: Der zelebrierende Priester betet seine Texte leise am Altar lateinisch und ein Diakon übersetzt gleichzeitig die Texte des Priesters in die Landessprache. Der Gottesdienst ist würdig, allerdings nicht so intellektuell "unterkühlt" wie der in Hiroshima. Bemerkenswertes Lokalkolorit ist ein Spucknapf hiner einer Säule, den auch ein älterer Mann geräuschvoll "benutzt".

Für ca. DM 54 schicken wir am 25. August ein Paket mit genau 19,98 kg mit unserem "superfluos lugguage" (überflüssigem Gepäck) mit normaler Post ab, das der Zöllner im Hauptpostamt nur ganz oberflächlich kontrolliert und das auch ungeöffnet nach knapp vier Wochen hier in "meinem Dorf" eintrifft. Schließlich wollen wir ja noch einige Mitbringsel mehr gerade von China, aber auch von Hongkong mitnehmen - und mit unseren Klapprädern haben wir ja schon jede Menge Ballast für unser Fluggepäck.

Bei der Besorgung der Fahrkarten für die Weiterfahrt nach Kanton haben wir einige Probleme: Zuerst fallen wir auf einige junge Leute herein, die uns Fahrkarten für Chinesen wie auf der Hinfahrt besorgen wollen, die etwa ein Drittel von dem kosten, wie die für Ausländer bestimmten Fahrkarten in derselben Klasse. Sie wollen schließlich aber fast denselben Preis wie den der Ausländerkarten. Da machen wir natürlich nicht mit, denn schließlich haben wir ja das Risiko, nachzahlen zu müssen, wenn der Schaffner solche Karten bei uns nicht akzeptieren sollte. Unser Zug hat den Nachteil, daß er morgens abfährt und am folgenden Tag abends ankommt, wir verlieren also zwei Tage, ob jedoch ein Zug auch abends abfährt, der dann am übernächsten Tag morgens ankommt, und mit dem wir nur einen Tag verloren hätten, habe ich leider nicht überprüft.

Unterkunft finden wir in Kanton wieder in unserer Jugendherberge.

Da wir als Mitbringsel wieder ein paar Seidenstoffe mehr mitnehmen wollen, als wie wir sie schon in Shanghai besorgt haben, suchen wir nach einem geeigneten Laden, doch wir finden eigentlich gar nichts. In Shanghai war da viel mehr, offenbar sitzt das Geld hier doch nicht so locker für so etwas, anders als in Shanghai. Immerhin entdecken wir ein Klaviergeschäft, da gibt es die in einer Kantoner Fabrik hergestellten "Pearl-River-Klaviere" ab DM 1350, warum sollen wir uns nicht ein Klavier mitbringen? Doch die Sache ist zu kompliziert, die Klaviersendungen nach Europa werden per Container über eine Partnerfirma durchgeführt - und es ist kaum möglich, ein einzelnes Klavier zu verschicken. Schade, auf diese Weise wären wir an ein neues Klavier für etwa 2000 DM gekommen... (Leichter transportable Geigen gibt es in China schon um die 20 DM, doch Marlene wollte keine.)

Wie ich allein vor zwei Jahren fuhr, so fahren wir jetzt zu zweit über Macao zurück, da mir dieser Umweg nach Hongkong noch in guter Erinnerung ist. Doch jetzt wird uns dieser Umweg etwas vermiest: Für das Visum für Marlene müssen bei der Ausschiffung an der Anlegestelle (mehr ist das ja nicht) unseres Nachtschiffes aus Kanton über DM 40 hingeblättert werden, während ich gar nichts bezahlen muß. 

Unser Hotel (Cantao) in Macao befindet sich gleich bei der Anlegestelle und ist trotz seiner Lage (Balkons vor unserem Zimmer nach drei Seiten) und seiner wundervollen Patina nicht zu empfehlen. Immerhin finden wir bei den diversen Bummeln durch Macao an Mitbringseln alles das, was wir vor allem in Kanton vergeblich gesucht hatten. Und nicht nur das, dank der Klappräder finden wir auch viele der Kirchen, an deren Besichtigung ich vor zwei Jahren gar nicht erst gedacht hatte. Ein sehr netter Jesuitenpater (H. Rios de Santos) verschafft uns sogar Eintritt zur einzigen Kuppelkirche Macaos, der "Seminarskirche" und zu dem kleinen Museum im dem Kloster daneben. Die vielen kirchlichen Einrichtungen in Macao "an allen Ecken" erklären sich dadurch, daß Macao besonders von den Jesuiten und Franziskanern seit mehreren Jahrhunderten als Sprungbrett zur "geistlichen Eroberung" Chinas für den katholischen Glauben gedacht war. Der Pater erzählte uns, daß die Vorstellung einer solchen Eroberung auch heute nicht ganz abwegig sei, besonders bei den Chinesen sei der Bedarf nach wirklicher Religion groß. Oft zeige sich der Erfolg einer "Missionierung" nicht in Macao selbst, doch kürzlich hätten sich etwa 500 chinesische Emigranten, die in Macao ihre erste Begegnung mit dem christlichen Glauben hatten, nach ihrer Weiterfahrt nach Amerika dort taufen lassen. (Auch ich meine ja, den Bedarf nach christlicher Religion in China festgestellt zu haben. Ein Mädchen, mit dem ich im Anschluß an meine Fahrt nach China vor zwei Jahren korrespondierte und dem ich eine englischsprachige Ausarbeitung über unseren Glauben, allerdings so wie ich ihn sehe, zugeschickt hatte, hatte diese übersetzt und zu einem "Magazin" zum Abdruck gebracht - allerdings ohne Erfolg.)

Und ehrlich, was da an chinesischer Religion vorhanden ist -  in Macao hat sich das ja ganz anders erhalten als in Rot- China -, wirkt auf uns schon merkwürdig: Wir beobachten so zum Beispiel in einem Seitenraum des verqualmten und verrußten Kun-Iam-Tong-Tempels, wie ein Ehepaar - offenbar vor Gedenktafeln der Eltern oder anderer verstorbener Ahnen - große gefüllte kissenförmige und mit (chinesischen) Schriftzeichen versehene Papierumschläge verbrennt. Sonderlich andachtsvoll wirkt das alles nicht, im Gegenteil, die beiden Erwachsenen schimpfen mit ihren kleinen Kindern, die offensichtlich nörgeln, weil sie nicht mitkokeln dürfen. (Hier klappt dann auch vielleicht die "Inkulturation" nicht ganz so leicht!) In Hongkong dann - diesmal gibt es dorthin anders als bei meinem Trip vor zwei Jahren nur die teureren Schnellboote - werde ich beim Kauf eines der günstigen und bei uns nicht zugelassenen schnurlosen Telefone preislich sehr stark gebeutelt - schon toll, wie der Verkäufer mir den Kauf mit der Kreditkarte schmackhaft macht! Dabei hätte ich von derselben Marke eine bessere Ausführung in meinem indischen Geschäft vom letzten Mal - allerdings ohne Kreditkarte - günstiger haben können... Aber was macht das schon, genauso werden wir beim Abflug mit der Flughafengebühr ausgenommen, pro Person um die 35 DM...

Für längere Flüge ist Business-Class wirklich von Vorteil...

Beim Einschecken erfahren wir von einem kleinen Problem, denn Marlene kann nicht mit mir in Amsterdam aussteigen, wo ja mein Auto steht, sondern sie muß nach Düsseldorf weiterfliegen, da sie kein holländisches Transitvisum hat (wir haben es "draufankommen" lassen, das haben wir nun davon). Immerhin trifft uns das Schicksal günstig: Beim Betreten der Maschine werden wir nicht nach rechts in die Touristenklasse geschickt, sondern nach links in die "businessclass", was sich für den langen Heimflug wirklich als Wohltat erweisen sollte! Irgendwann hat man halt auch einmal Glück! In Amsterdam dann bemüht sich eine Dame von der KLM sehr nett, daß Marlene doch ein - an und für sich unmögliches - Transitvisum für Holland bekommt, da der wohl einzige Flug nach Düsseldorf an dem Sonntag, an dem wir um 8 Uhr früh ankommen, ausgebucht ist und es nur noch einen KLM-Bus nach Düsseldorf gibt, für dessen Benutzung sie allerdings eben den Transitbereich des Flughafens verlassen muß. Für 30 Gulden klappt das auch nach zwei Stunden, und da kann sie ja auch gleich mit mir mitfahren.

Da wir trotz aller Hemmnisse (wir müssen auch erst einmal an Marlenes Klapprad kommen, das sich beim Transitgepäck nach Düsseldorf befindet) ungefähr um 11 Uhr vormittags bei unserem Auto sind (das auch gleich anspringt), beschließen wir, erst einmal an die Nordsee zu fahren. Da bekommt Marlene dann gleich eine weitere Erfahrung mit, wie in verschiedenen Ländern unterschiedliche Vorstellung von "Moral" und "Jugendgefährdung" bestehen - sie wundert sich, daß gleich vorn am Strand kleine Kinder nackt und Frauen wenigstens größtenteils oben ohne sind und etwas weiter abseits eigentlich dann auch die meisten erwachsenen Badegäste ohne jegliche Textilien auskommen. In Japan wäre das alles undenkbar! Dafür gibt es dort eben die "merkwürdigen" Tempel mit den wundersamen Dauerlutschern, die man sich nun wieder hier nicht vorstellen kann!

 Das war's dann also!

 Ich nehme an, meine Leser haben gemerkt, daß ich mit meinem Fahrtziel, konkreten Hintergrund der Antike heute zu erleben, voll auf meine Kosten gekommen bin. Irgendwie war so manches noch faszinierender als auf meiner Indienfahrt vor vier Jahren. So kann ich auch die höheren Kosten verschmerzen.

Ach ja, zu den Kosten! Die waren natürlich diesmal aus den bekannten Gründen schon von vornherein doppelt so hoch wie sonst. So haben schon erst einmal die Flüge zusammen 3500 DM, die Netzkarten in Japan 1500, die Schiffspassagen 1100, die Fahrten zwischen Hongkong und Shanghai 450, die Klappräder 700 DM gekostet, zusammen also DM 7250,-- für alles, was mit "Transport" zusammenhängt. Wenn wir dann zusammen mit einigen wenigen Souvenirs auf knapp über 10 000 DM gekommen sind, so dürfte das dann wohl bald die unterste Grenze für eine solche Fahrt gewesen sein. Wie bereits dargelegt, könnte eine günstigere Variante einer Fahrt nach Japan per Zelt, Klapprad und Personenzuggutscheinfahrkarten neben den günstigeren Kosten (ab 3000 DM pro Person) auch sonst ihre Vorzüge haben, schließlich könnte man sich auf einer solchen Reise eher den Details widmen, woran wir ja bei unserer Fahrt mit dem Hintergrund einer Bahnnetzkarte und den damit gegebenen Hetze doch sehr "gehindert" waren. Ganz ehrlich, ich würde eine solche Fahrt auch gern einmal machen - am besten natürlich während der Zeit, in der auch einige der von mir erwähnten Prozessionen stattfinden, und dann auch genau an diesen Orten! Denn ich bin mir bewußt, daß wir bei unserer Fahrt Japan nur gerade eben "angeritzt" haben, vielleicht könnte man allerdings durch eine etwas "gemütlichere, aber trotzdem unkonventionelle Gangart" auf Menschen stoßen, bei denen gegenseitiges Interesse besteht, sich über Feinheiten unserer Kulturen zu informieren.

Da ich leider vor der Fahrt etwas wenig Travellerschecks besorgt und mich darüberhinaus auf meine Kreditkarte verlassen hatte, die jedoch für uns nur selten zu brauchen war, war bei uns leider das Bargeld recht knapp. Daher bitte ich, meine "Schreibfaulheit" während der Fahrt zu entschuldigen, wenn es Briefmarken auf Kreditkarte gegeben hätte, hätte ich sicher mehr geschrieben!

Und wie geht es mit uns, Marlene und mir, weiter? Was soll ich darüber groß schreiben? Sie hat inzwischen mit ihrer fröhlichen Aufgeschlossenheit zwei Deutschkurse, einen für Asylanten hier in der Nähe und einen intensiveren beim Spanischen Zentrum in Köln begonnen, die ihr auch ganz offensichtlich Freude machen. Und was es sonst noch gibt? Da wird sich ja irgendwann eine Gelegenheit ergeben, daß meine Leser sich auch mit ihr selbst darüber unterhalten können.

Zur Vorbereitung auf eine Japanreise empfehle ich unbedingt, sich die kostenlosen Informationen beim Japanischen Touristenamt, Kaiserstr. 11, 6000 Frankfurt/M, zu besorgen. Sehr schön in einer der Broschüren die Ablaufsplanungen für die bedeutendsten Touren, die bis auf die Minute ausgearbeitet sind! Für Tokyo ist vor allem die englischsprachige Karte, die es beim Tourist Information Center (TIC) in Tokyo gibt, wichtig.

Und die nächste große Fahrt? Am liebsten mit dem eigenen Auto über die baltischen Länder nach Leningrad und Moskau - und über die Türkei zurück. (Anmerkung später: daraus wurde nichts...)

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