26. Erfahrungen und Torschlusspanik

 

Martina: Weißt du, was mich an dir langsam stört: Jeder will doch seine Erfahrungen selber machen - und du meinst, einem die alle ausreden zu müssen.

Beatrix: Was meinst du hier mit Erfahrungen?

Martina: Ach, laß mich in Ruhe, das geht dich gar nichts an, so wie du redest, fühlt man sich ja gar nicht mehr richtig frei. Ich weiß schließlich, was ich tue und ich übernehme dafür auch die volle Verantwortung.

Beatrix: Immer dasselbe. Wenn Leute für etwas keine Argumente mehr haben, dann fangen sie mit solchen Leerbegriffen an. Wenn ich schon das Argument von den “Erfahrungen" höre, die man angeblich haben muß! Aus dem, was man bei anderen beobachten kann, kann man doch selbst eine Lehre ziehen. Doch die einen haben's eben im Kopf und die anderen müssen Erfahrungen machen, ja, manche brauchen die sicher. Allerdings wird man aus Erfahrungen klug, aber nicht reich. Wer für alles seine eigenen Erfahrungen braucht, sollte sich einmal auf seinen Intelligenzquotienten überprüfen lassen.

Du kannst natürlich versuchen, Erfahrungen zu sammeln, indem du mit Hundertmarkscheinen heizt, die brennen ja schließlich auch, du kannst aber auch diese Erfahrungen nur in deiner Vorstellungskraft machen und dich dann beraten lassen und so einen Ofen und Kohlen kaufen und mit denen heizen, das gibt dagegen wirkliche und lange Wärme und Gemütlichkeit.

Martina: Das ist doch etwas ganz anderes.

Beatrix: Du kannst natürlich auch mit einem aufgespannten Regenschirm vom Kölner Dom springen, um dann die Erfahrung zu machen, daß er eben doch kein Fallschirm ist. Doch diese Erfahrung macht man nur einmal.

Das verstehe wer will, was du da mit deinen Erfahrungen meinst, ich kann es nicht. Dabei bin ich ja gar nicht gegen sinnvolle Erfahrungen nicht nur in der Vorstellungskraft sondern auch in der Wirklichkeit. Es ist schon komisch, daß du dich jedoch genau gegen diese Erfahrungen, zu denen ich dich motivieren möchte und bei denen wirklich nichts nachkommt, mit aller Macht stemmst, doch diejenigen Erfahrungen, die vermutlich Probleme bringen, voll akzeptierst und sogar richtig geil drauf zu sein scheinst.

Ich möchte bloß einmal wissen, wer dir solche Kaputtheit eingeredet hat. Vermutlich sind das genau dieselben Leute, die das Jungfernhäutchen für überflüssig erklären und die Selbstbefriedigung für normal und die Scham für Kennzeichen von Ehre und Moral halten.

Martina: Na und?

Beatrix: Oder hast du am Ende Angst, keinen mehr abzukriegen, oder Komplexe, daß dich keiner will, also Torschlußpanik?

Martina: Quatsch.

Beatrix: Na hoffentlich, aber es stimmt schon, langweilige Menschen, die nichts mit sich anfangen können und “kein Interesse für nichts" haben, die haben eigentlich immer schnell Torschlußpanik, klar, womit sollen sie sonst ihren Tag herumkriegen? Die leben ja nur davon, daß irgendwann einmal etwas Spannendes kommt. Und so treffen die dann natürlich entweder auf diejenigen, die mal in ihrem Trott eine amüsante Affäre brauchen oder die selbst langweilig sind und nichts Besseres zu tun haben. Und es herrscht ja die allgemeine Auffassung, daß man langweilige Menschen ruhig verarschen darf, denn die haben's ja nicht besser verdient.

 

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