Afrika 1978

 

Eine „Sommerferienfahrt“  quer durch die Sahara von Köln über Genua – Tunis – Algerien – Niger – Nigeria nach Kamerun

Der Entschluß zur diesjährigen „großen Ferienfahrt“ kam eigentlich recht schnell; mein Nachbar, ein nigerianischer Medizinstudent, hatte die Idee, mit dem Wagen durch die Wüste Sahara nach Nigeria zu fahren; ein Kollege aus der Schule schlug vor, dazu einen alten Paketwagen der Post zu ersteigern... Und es klappte so im letzten Moment alles! Für etwa 2.500,00 DM ersteigerte ich einen Mercedes 406 Diesel (mit schriftlichem Gebot, das ging damals noch), den mir zwei meiner Kfz.-Mechaniker für etwa 1.000,00 DM reparierten, denn das Getriebe war defekt. Von der Sekretärin meiner Schule bekam ich zwei Gesundheitsbettrahmen geschenkt, die passenden Matratzen fand ich auf dem Sperrmüll (nagelneue – die ehemaligen Besitzer freuten sich offensichtlich, als sie erfuhren, wofür ich  sie brauchte), 50 Plastikkanister à 11 Liter kaufte ich günstig bei einer Verpackungsmaterialfabrik in Köln-Marsdorf, bei der ich auf dem Schulweg mit meinem Rad immer vorbeikomme – und damit war die Ausrüstung für den langen Weg in etwa schon komplett. Mit den Impfungen (Cholera, Typhus, Gelbfieber) war es in Köln zwar nicht billig, aber einfach, die Zollpapiere bekam ich (damals noch) günstig und problemlos über den ADAC und auch mit der Buchung der Schiffspassage übers Mittelmeer und der Rückflüge lief alles problemlos – lediglich mit der Visumbeschaffung hatte ich etwas Ärger, was aber an der Zeitkalkulation lag.

Ziel der Fahrt ist Kamerun, wo man derartige Wagen angeblich gut verkaufen und von wo man anschließend mit dem Flugzeug zurückfliegen kann.

Mein Gefährte war ein ehemaliger Schüler (Conny H.); als ich ihm auf dem Schulhof von den Reiseplänen erzählte, wollte er spontan mitkommen. Am 2. Juli geht’s in Köln los. Die erste Nacht verbringen wir in Günzburg bei Ulm auf einem Hof inmitten von alten Verwaltungsgebäuden. In Österreich versuchen wir, auf Schleichwegen den (damals auf jeden Fall noch) „umsonstenen“  Teil der österreichischen Brennerautobahn zu erreichen, was auch gelingt, müssen jedoch bald wieder von der Autobahn runter, weil die Grenze auf der Autobahn durch protestierende LKW blockiert ist. Inder Nähe von Trient wollen wir einen Freund besuchen, der jedoch mit seiner Familie an der Adria sein soll. Am Gardasee entlang geht’s dann über Mantua und Parma – wunderbaren Städten mit alten Kathedralen, Rathäusern, Plätzen – nach Genua. Kurz vor Genua in der Nähe von Rapallo können wir noch einen Badetag einlegen, währenddessen ich auf dem Dach ein Kojak-Horn (Sirene) mit auf- und abschwellendem Horn montiere, das als Alarmanlage dienen soll und mit dem wir dann später bisweilen großen Spaß haben. Als weiteren Gag habe ich übrigens in Köln mir die Reklamefolie eines Pelzgeschäftes („Heinz Landen macht Traumpelze“) besorgt, um irgend etwas Kölnisches am Wagen zu haben...

 

Nordafrika

Die Fähre nach von Genua nach Tunis („Habib“ = „Liebling“?)  ist fast neu, ich unterhalte mich sehr nett mit zwei Technikern von der Rendsburger Werft, die noch zur Kontrolle mitfahren. Als besonderen Service der Linie empfinden wir, daß die Paß- und Zollabfertigung papiermäßig schon auf dem Schiff stattfindet, lediglich die Überprüfung des Wagens ist dann noch im Hafen von Tunis. In Tunis bekommt Conny zunächst einmal einen Schock: Gemüse zum Verkauf auf der Straße ausgebreitet, dazwischen Fleischhändler, dazwischen Abfall, dazwischen Katzen und Hunde... Ich habe das Gefühl, daß Conny nur noch von unseren Aldi-Vorräten für die ganz schlimmen Reisetage essen möchte. Mir selbst macht das natürlich alles Spaß! Nach einem Tag in Tunesien am Meer bei Tabarka – herrlicher einsamer Strand – geht’s dann wider Erwarten ganz unproblematisch nach Algerien. Die erste Freude: Dank unseres bereist hier eingetauschten algerischen Geldes erhalten wir den Tank voll Diesel (50 Liter) für 6,50 DM! Halb so teuer wie das Heizöl bei uns! Und auch das Essen ist eine Überraschung (etwa französich-orientalische Küche) und nicht teuer. Im Norden sind zunächst viele Wälder, bei El Oued tauchen dann die ersten Sanddünen auf, die so wie bei uns bisweilen die Schneewehen im Winter wenigstens teilweise bis auf die Straße reichen. In der Oase El Oued haben die Einwohner die Palmen in tiefe Löcher gepflanzt, damit die Bäume noch ans Grundwasser kommen. Trotzdem sollen jährlich einige Tausend Palmen zugrunde gehen. In El Golea einer weiteren Oase, besichtigen wir auf einer Anhöhe eine eindrucksvolle Taregg-Burgruine. Bis Salah ist die Straße einspurig; wenn ein anderes Auto entgegenkommt, so muß man aufs Bankett ausweichen, aber es kommt ja sehr selten etwas entgegen... „In Salah“, wieder eine Oase, ist ein wahrer „Ofen“ (hier soll der heißeste Ort der Sahara sein), daß ich mir spontan bei einem Schneider ein Tuaregg-Gewand schneidern lasse... Während der Zeit, in der an dem Gewand gearbeitet wird, vertreiben wir uns die Zeit in einem Verteilungsbecken einer Bewässerungsanlage zusammen mit anderen Touristen und Einheimischen. Die Leute haben Spaß daran, daß ich zwar Haare auf Kinn und Brust habe, aber weniger auf dem Kopf... bei den hier wohnenden schon dunklen Leuten ist es umgekehrt!

Seit dem 19. Juni 1978 ist die Asphaltstraße bis Tamanrasset durchgehend, d.h. der bisher schwierigste Teil der Sahara vor Tamanrasset ist entschärft. Dennoch fahren wir von der Straße ab und machen einen Umweg durchs Hoggar-Gebirge. Wir lernen die ersten Sandpisten kennen – später dann auch Stein- und Geröllwege, die man in Österreich nur in festen Bergschuhen betreten dürfte... Erfrischung finden wir in einer Guelta, einem großen Wasserloch mit gutem Wasser – herrlich! Ziel im Hoggar-Gebirge ist der Assekrem (knapp 3000 m), der höchste Berg des Ahaggar-Gebirges mit einem riesigen Gipfelplateau und einem großartigen Ausblick auf die ringsum verstreuten Bergkegel in den bizarrsten Formen. Charles de Foucauld hatte hier um die Jahrhundertwende eine Einsiedelei gegründet, da er die Tuaregg missionieren wollte. Die wissenschaftliche Leistung des Père Foucauld war ein Tuaregg-Wörterbuch. Gegen Ende unserer Gebirgstour (234 km!) kommen wir durch ein Tuaregg-Dorf, in dem sich bei unserem Auftauchen aus den einzeln stehenden Hütten Männer in eindrucksvoller, malerischer Kleidung lösen und von überall auf uns zukommen. Einem Tuaregg, der uns Magenschmerzen andeutet, geben wir von unseren Magentropfen. Wir werden aufgefordert zu bleiben, da bereits Dämmerung ist, doch haben wir uns in Tamanrasset, von wo aus die Wüstenpiste losgeht, mit zwei Sauerländern in einem VW-Bus, die wir in In Salah trafen, verabredet. Durch die nichtasphaltierten Teile der algerischen Sahara darf man nämlich nur im Konvoi, d.h. zu mindestens zwei Fahrzeugen, fahren – aus Sicherheitsgründen: zudem ist eine Mindestausrüstung an Sandblechen, Wasser, Ersatzteilen vorgeschrieben. Da Freitag ist, haben die Behörden, die uns abfertigen müssen, geschlossen, und wir verbringen den Tag bei einem kleinen Campingplatz mit einer richtigen kohlesäurehaltigen Mineralquelle. Natürlich werden einige unserer Kanister mit Mineralwasser gefüllt. Etwa 30 Kanister füllen wir noch mit dem billigen algerischen Dieselkraftstoff (und brauchen dadurch im Niger, wo der Diesel 7-mal so teuer ist, überhaupt nicht zu tanken). Inzwischen haben wir auch die Sonne „unterfahren“, d.h. sie steht jetzt nördlich von uns, wenigstens theoretisch, denn uns erscheint sie wenigstens mittags absolut senkrecht!

 

Die Piste

Zunächst ist die Piste frustrierend: Wellblech! Durch schwere Lastwagen, die von Algerien nach Nigeria fahren, weil dort die Häfen für Schiffsfracht überlastet sind, haben sich im Abstand von knapp 2 Metern (?) Wellenbuckel auf der Straße gebildet, die man entweder langsam überfahren oder ganz schnell „überfliegen“ kann (so daß die Stöße von den Federn aufgefangen werden und der Wagen selbst ziemlich ruhig fährt), doch sicherheitshalber fahren wir alle lieber langsam. Und ein Peugeot 404, der uns zunächst im schnellen Verfahren rasant überholt hatte, steht auch einige Kilometer weiter schon mit Achsenbruch da... er war mit 4 Personen, entsprechendem Benzin und viel Gepäck auch reichlich überladen!

Dann kommt der Sand! Zumeist ist die Oberfläche hart – festgewehter grobkörniger Sand – da geht’s drüber wie über eine Autobahn! Den Weg erkennt man an Steinhäufchen oder gefüllten Tonnen mit einer Stange drauf. Oft auch an liegengebliebenen Autowracks, bei den alles Demontierbare demontiert ist. Wir fahren mindestens an 30 solcher Wracks vorbei – zu unserem Trost können wir keinen Bundespostpaketwagen darunter entdecken, also scheinen solche Mercedesse, wie einen haben, normalerweise gut durchzukommen! Solange der Sand hart ist, ist´s gut, doch wehe den Weichsandstellen! Mit viel Schwung werden die kurzen, die man an den tiefeingeschnittenen Sandspuren erkennt, genommen. Und die längeren? Da graben sich die Räder halt irgendwann schnell und tief ein, und es helfen nur noch Wagenheber, Schaufel und Sandbleche, um den Wagen wieder flott zu bekommen. Etwa 15-mal haben wir diese Prozedur entweder in glühender Sonne oder in leichtem Sandsturm durchgeführt. Gut, daß ich von meinem täglichen Schulweg per Rad da einige Kondition habe! Gut auch, daß unsere Konvoi-Kameraden vernünftige Sandbleche haben, die Bohlen, die wir mithaben, sind nur bedingt verwendbar.

Die erste Nacht mitten in der Sahara ist  herrlich – zunächst einmal freie Sicht ringsum, völlige Stille, kein Wind, sternenklarer Himmel. Nur einmal donnern sechs riesige Lastzüge in Formation vorbei auf ihrem Weg nach Nigeria. Diese Lastwagen haben wohl sechs Achsen und Allradantrieb – für sie gibt es keine Hindernisse. Auch kennen die Fahrer die Strecke natürlich so gut, daß sie nachts fahren können. Und da es nicht kalt ist, hole ich die Matratzen aus dem Auto und wir schlafen unter freiem Himmel – herrlich! Am Abend war noch eine algerische Militärstreife vorbeigekommen, und der eine Soldat fragt mich, ob wir denn keine Angst vor Skorpionen hätten. Da frage ich ihn, wie lange er schon hier in der Wüste Dienst macht und wie viele Skorpione er gesehen hätte. Zwei Jahre meint er da – und einen Skorpion. Na und, entgegne ich, „da soll uns jetzt ausgerechnet ein Skorpion auflauern – das wäre doch wohl ein zu großer Zufall“, wobei er mir nun auch wieder zustimmte.

Die Grenzposten im Niger verlangen fürs Auto außer dem Carnet noch die „carte grise“ – bis heute habe ich nicht herausbekommen, was damit gemeint ist, denn auch in Kamerun wurde diese „carte“ verlangt, und ich habe immer etwas anderes, auf dem Autonummer und polizeiliches Kennzeichen draufstand, vorgezeigt... Überhaupt kann man so ziemlich alles vorzeigen, was offiziell aussieht, wenn man mal kontrolliert wird. Hauptsache der Reisepass ist in Ordnung. Im Niger muß man ihn in jeder größeren Stadt bei der Polizei vorzeigen, die dann auch immer einen dicken Stempel in den Paß drückt. Nach der ersten Stadt im Niger, Arlit, erleben wir die schlechteste Piste überhaupt. Nach zwei Stunden macht der Motor ein fremdes Geräusch; wir stoppen sofort und stellen fest, daß die Kühlertemperatur auf über 110° C angestiegen ist. Die Panne: mein Conny hatte sein Hemd, mit dem er die Kanister nach dem letzten Tanken abgewischt hatte und das eben nach Diesel stank, vorne an die Stoßstange gebunden – und dieses Hemd hatte sich nun im Ventilator verfangen und etwa vier Kühlerrippen zerstört – und das mitten in der Savanne! Dank meiner Einstellung, daß grundsätzlich alles in Afrika repariert werden kann, gelingt es dem einen Sauerländer, der Kfz.-Mechaniker ist, die Löcher mit Kombizange, Dichtungsmasse und Draht abzudichten. Er hat das so gut gemacht, daß ich sicher damit noch bis Kamerun gekommen wäre (wenn ich´s repariert hätte, hätte es ganz bestimmt nicht so weit gehalten), aber auch so lasse ich den Kühler in der nächsten Stadt Agadez richtig löten. Die Werkstatt dort ist übrigens einmalig – alles findet auf der Erde statt – dazu riesiges Durcheinander! Außerdem repariere ich dort noch auf dem schönen Campingplatz mit Schwimmbecken unter dichten Bäumen die Motoraufhängung, die sich in irgendeinem Schlagloch gelöst hatte, indem ich den Motor mit so einem kleinen Hydraulikwagenheber hochdrücke und den verloren gegangenen Gummiklotz durch entsprechend zugeschnittene Scheibchen aus einem der Schläuche, die wir mitgenommen hatten, geschickt ersetze – diese Reparatur hält natürlich bis zum Schluß! In Agadez treffen wir übrigens auch die letzten richtigen Touristen, u.a. einen Lehrer aus Wuppertal mit seiner Frau, die mit ihrem Landrover in ein Regengebiet geraten und in einer Furt abgetrieben worden waren, und die, als wir ankommen, gerade sechs Schubkarren Schlamm aus Auto, Motor und Ausrüstung herausgeholt hatten. Lediglich Schlafsäcke und Fotoausrüstung hatten sie noch rechtzeitig aus dem versinkenden Auto retten können.

Nach der letzten Nacht im Niger auf einer großen Weide stehen Kinder um unser Auto. Sie haben alles, das was wir weggeworfen haben (heute – im Jahre 2000, wo ich diesen Bericht fürs Internet fertig mache, würden wir das natürlich nicht mehr tun!), also leere Bierdosen, Plastikteller und -löffel, sonstige Konservendosen in Händen, wohl um es als Kostbarkeiten nach Hause mitzunehmen. Ein wenig schäme ich mich schon und entferne jeweils mit einem Dosenöffner die Deckel aus den Bierbüchsen, damit sie wenigstens als Trinkgefäße zu verwenden sind. Andere Kinder sammeln die herausgeschnittenen Deckel auf... Und da kommt auch der erste Hirte. Er deutet uns an, daß er Magenschmerzen hat. Ich zähle ihm von meinen Magentropfen (gegen Magensäureverstimmung) 40 Tropfen in einen Plastikbecher mit Wasser, den er auch gleich austrinkt. Während wir uns zur Abfahrt fertig machen, kommen noch drei andere Hirten mit Magenschmerzen... Für mich fällt wenigstens eine Aufnahme ab, die mich auf einem Hirtenpferd zeigt.

In einem Dort steige ich aus, um mir anzusehen, wie Mädchen in malerischer Kleidung Hirse stampfen; nach dem Geschenk einiger Plastikteller darf ich alle ausgiebig fotografieren – alle haben großen Spaß. Conny bleibt leider dabei im Auto sitzen, er meint, ihn interessiere das nicht. Schade. Etwas später weise ich den einen Sauerländer, der gerade mein Auto fährt, an, von der Piste runter zu fahren in die Nähe einer Stelle, wo Mädchen an einem Brunnen Wasser holen – hoffentlich sind die Aufnahmen der überraschten Frauen und Mädchen aus dem fahrenden Auto was geworden!

Natürlich halten wir auch an einem Markt, der da gerade neben der Piste stattfindet. Besonders Conny hat nicht viel Interesse, ach was ist das schon, irgendein Plunder. Immerhin schaue ich mir doch mal an, was es da so alles gibt, handgeschmiedete Pfeilspitzen, Scheren, Messer, unbekannte Gewürze,  Maniokknollen, Brennholz und vieles noch. Wieder zuhause entdecke ich im Rautenstrauch-Joest-Museum (dem Kölner „Völkerkundemuseum“) eine Ausstellung „Märkte in der Sahara“ und sehe sie mir natürlich an. Ja, genauso war´s, hier sind die Sachen, die wir so nebenbei erlebt haben, eine offizielle Ausstellung wert! Ein wenig ist mir das Lehre für die Zukunft: Alles (?) auch mal unter dem Gesichtspunkt der Zeitlosigkeit oder eben der Ewigkeit zu sehen...

 

Nigeria

Kurz vor der Grenze nach Nigeria treffen wir dann in Zinder nach 1400 km Sand, Geröll, Staub und sonstigen „Feldwegen“ wieder auf asphaltierte Straße. Die erste Stadt in Nigeria, Kano, macht einen völlig aus den Fugen geratenen Eindruck auf uns. Riesige Schlaglöcher in der Ausfallstraße und unwahrscheinlich wilder Verkehr! Alles scheint aus den Nähten zu platzen – wohl infolge des vielen plötzlichen Geldes durch das Erdöl. An einer Kreuzung wende ich unvorschriftsmäßig und bekomme riesigen Ärger mit zwei Polizisten. Großes Geschrei, denn sie wollen mich ins „office“ mitnehmen oder mir 200,00 DM Strafe abknöpfen! Ich werde bewußt heftig und beschuldige sie, Fremde wie Feinde zu behandeln, während man ihnen bei uns in ähnlicher Situation helfen würde... (währenddessen brodelt um uns der Verkehr weiter, den sie nun nicht mehr regeln). Drauf meint der eine, daß wir doch alle „human beings“ seien, worauf ich antworte, daß ich davon aber nichts merke. Am Schluß der Diskussion lassen sie ihre Verkehrsregelung ganz bleiben, der eine steigt zu mir, der andere zu den Sauerländern ins Auto, sie zeigen uns ein Lokal, in dem wir alles zusammen billig nigerianisch essen, dann weiter die Post und eine Werkstatt, wo die Sauerländer für ihren VW neue Stoßdämpfer bekommen. Jedenfalls sind die beiden – Augustinus und Ezechiel – auf einmal große Klasse. Schließlich bringe ich sie nach Hause – besonders Ezechiel wohnt in einem schaurigen Slum. In Kano trennen sich Conny und ich dann, Conny fährt mit den Sauerländern in Richtung Togo, da er etwa 14 Tage vor mir zurück sein muß und es von Kamerun aus schlechtere Flugverbindungen gibt als von Lagos, von wo er bereits in Deutschland gebucht hat.

Ab jetzt nehme ich auch immer Anhalter mit, mit denen ich am Ende ihrer Lifts auch immer mitgehe und fotografiere. Zunächst einer mit langem arabischem Gewand, mit ihm lande ich auf einem interessanten Wochenmarkt, wo von Kamelen bis zum Gemüse alles verkauft wird. Irgendein Typ mit Krawatte weist mich zurecht, da ich fotografiert hätte, ohne die Leute zu fragen. Ich antwortete, daß ich Kamele fotografiert hätte, und die könnte man ja nicht fragen... Worauf die Umstehenden lachen und der Typ sauer abdreht. Bei der Weiterfahrt hält mich kurz darauf ein älterer Mann an, jedoch nicht er, sondern zwei junge Frauen in malerischen Gewändern, die eine mit Kind auf dem Rücken, steigen ein. Es bestehen offensichtlich keine Bedenken, Frauen einem „Weißen“ anzuvertrauen. (Inzwischen, im Jahre 2000, sehe ich das anders und erzähle davon auch meinen jungen Leuten: Ich war hier zu einer Art Taxi- oder Busdienst eingespannt worden, schließlich bekam ich ja auch etwas Geld für meine „Dienstleistung“. Natürlich, ich war kein offizieller Bus, doch „man“ wusste ja, bei wem die jungen Damen eingestiegen waren, und hätte mich daher, wenn denen etwas passiert wäre, gewiß ausfindig machen können... Eines der Probleme des Anhalterfahrens junger Damen bei uns, das weitgehend deswegen so problematisch ist, weil die Mitnehmenden anonym bleiben und daher wenig Risiko eingehen, wenn sie sich „nicht gut benehmen“, ist damit schon einmal gelöst.

Ein andermal lade ich zwei Jungen ein, die vom Fischen kommen, mit und lande mit ihnen in einer Reisig- und Grashütte inmitten eines kleinen Dorfs, wo mich die barbusige Großmutter mit rot angemalten Zähnen auf Knien begrüßt und dabei mir meine Hände küßt. Ich komme mir wie der Papst vor und habe allerdings damit zu tun, die Großmutter zum Aufstehen zu bewegen, denn so recht ist mir doch nicht, wenn da jemand, und dazu noch eine alte Frau, vor mir niederkniet. Die Leute haben großen Spaß an meinem Besuch und ich besichtige und fotografiere eingehend alles. In der Wohn- und Schlafhütte fallen mir besonders an einer Wand viele bunte Plastik- und Blechteller auf. An der Grenze erkundige ich mich, wie ich wieder nach Nigeria komme, wenn ich auf dem Rückweg bin. Man sagt mir, daß ich dazu eine erneute Aufenthaltsgenehmigung brauche, die ich in der letzten nigerianischen Stadt, in Maiduguri, bei der Einwanderungsbehörde erhielte. Also fahre ich 100 km zurück. Gleichzeitig lerne ich jetzt dort den Schwarzmarkt für nigerianisches Geld kennen. Offiziell darf man nur an der Bank tauschen und muß für einen Naira, so das dortige Geld, so um die 3.40 DM bezahlen, doch jeder, den ich frage, schickt mich aber zum „big market“, wo richtige Geldwechsler sitzen, bei denen der Naira nur 1 US Dollar kostet.. Mit DM kennen sie sich nicht so aus, doch ich habe noch genügend Dollar. Auch lasse ich einen Blechschaden hier reparieren, denn ich war bei Dunkelheit gegen eine als Baustellenmarkierung dienende Tonne (glücklicherweise leer!) gedonnert – der rechte Kotflügel war ganz schön zerbeult – Reparatur 56,00 DM!

 

Im Grenzgebiet nach Kamerun

Es ist übrigens interessant, daß es in Nigerien, einem vergleichsweise reichem Land, auf dem Schwarzmarkt fast doppelt soviel Geld gibt wie in der Bank, während Kamerun, arm gegenüber Nigeria, eine harte Währung ohne Schwarzmarkt hat (den CFA, der damals von Frankreich gestützt wurde), die sogar in Nigeria begehrt ist. Kurz vor Kamerun beginnt dann wieder typischer „Feldweg“ mit einer Oberfläche aus festem Lehm. Ich kampiere etwas abseits der Straße zwischen halbzerfallenen Termitenhügeln und denke mir nichts, als es nachts regnet, d.h. ich halte es für besser, den Wagen von der Wiese auf die Straße zu fahren. Am Morgen sehe ich dann die Bescherung: die Straße ist eine einzige Schlammpartie! Also halte ich an und warte, denn jegliche Fahrerei bringt kaum etwas an Fortkommen und ich mache außerdem doch nur die Straße noch mehr kaputt. Doch als gegen Mittag ein Auto daherkommt (oder besser daherschwimmt), mache ich mich auch auf weiterzufahren – eigentlich macht es Spaß, doch es ist wie auf Glatteis. Für die 5 km bis zur Grenze brauche ich über eine Stunde, komme jedoch wenigstens heil an. Die Grenze bildet ein ziemlich breiter, durch den nächtlichen Regen ganz schön angeschwollener Fluß mit einer Furt. Ich stürze mich mit meinem Paketwagen in die lehmfarbenen Fluten und – bleibe nach 10 m in einem Loch stecken! Etwa 80 Kinder und vor allem junge Männer haben bei mir auf diesen Augenblick gewartet – und ich handle mit einem der Männer 40,00 DM fürs Rausschieben aus. Doch die ersten Versuche, den Wagen durch rohe Kraft von der Stelle zu bringen, scheitern. Es hilft nichts, ich muß auch ins Wasser, und in erfahrener Wüstentechnik – diesmal unter Wasser – gelingt es mir, mit meinem Wagenheber das völlig in den Fluten verschwundene rechte Hinterrad hochzuheben, damit erst einmal ein Lochblech darunter geschoben werden kann. Nach 40-minütiger Arbeit ruft der Anführer wieder einmal „fire“, ich gebe Gas, und mit Ziehen und Schieben von bald 50 Männern bewegt sich der Wagen. Unter ohrenbetäubendem afrikanischen Gejohle geht’s dann dem kamerunesischen Ufer zu – das allein war schon die 40,00 DM wert. Im Rückspiegel sehe ich, daß es eine Schreierei gibt, wegen der Verteilung der „Beute“, die ich natürlich erst nach erfolgreicher Arbeit herausgerückt habe..

Nach einer halben Stunde wieder eine Furt, der Fluß ist hier so angeschwollen, daß sogar die großen Lastwagen, die zumeist mit Menschen überfüllt sind, warten. Mitten in der Nacht ist auf einmal Aufbruchstimmung: der Fluß ist soweit gefallen, daß es los geht. Ich versuche, mich von meinem Vordermann für um die zehn Mark durch das Wasser ziehen zu lassen, doch das Seil reißt, ohne daß sich mein Auto bewegt hätte, und ich ziehe es vor, bis zum Morgen zu warten. Obwohl die Furt schwieriger erscheint als die vorherige, geht es doch sehr gut, vor allem auch, da es auf einem Betonpodest entlanggeht, das zwar unter den braunen Fluten versteckt ist, doch an dessen Kanten Pfähle zur Kennzeichnung der Fahrbahn aus dem Wasser ragen.

Bei der nächsten Furt, wieder etwa eine halbe Stunde weiter, sind diese Pfähle weitgehend zerstört, das Podest ist hier eigentlich nur an der unterschiedlichen Strömung zu erkennen. Und ich sehe auch gleich die Bescherung: alle Lastwagen, die in der Nacht an mir vorbeigefahren waren, stehen hier und warten, denn einer von ihnen ist vom Podest abgekommen und hängt mit einem Rad im Wasser... Zwei Stunden sind viele Leute beschäftigt, den Wagen wieder flott zu machen. Und dann geht’s weiter – aber nur für 5 Minuten. Dann hängt der nächste im tiefen Wasser... Bis zum Abend passiert das so etwa 5 Lastwagen... So warte ich halt von morgens bis abends – Zeit spielt keine Rolle! Aber es ist ein schöner Urlaubstag, ich wasche meine Wäsche in dem schmutzigen Flußwasser (wie andere), koche die letzten Kartoffeln vom Markt in Maiduguri in meinem Dampftopf (hätte ich mich doch auf Wartezeiten besser vorbereitet und mehr eingekauft!), dusche in einem Regenschauer und unterhalte mich mit anderen Wartenden, darunter einem Peace-Corps-Studenten, zwei Holländern, Deutschen. Einziger weißer Fahrer in meiner Richtung bin ich. Ihr könnt Euch vorstellen, wie aufgeregt ich bin, als ich in der Autoschlange schließlich in den Fluß fahre. Ich habe das Gefühl, jetzt die ganze weiße Rasse zu vertreten... wenn ich jetzt auch vom Podest herunterfalle, heißt es natürlich: die dummen Weißen! Aber ich schaffe es! Selten solches Herzklopfen gehabt! Und ich habe das Gefühl, die Zuschauer freuen sich auch! (Heute, im Jahre 2000, würde ich sagen, ich komme mir vor wie Schumi bei einem seiner Siege...)

Erste Stadt in Kamerun: Marua. Gut daß es ab 30 km hinter der Grenze auch hier wieder asphaltierte Straßen gibt. Allerdings nehme ich mit dem Studenten vom Peace-Corps, den ich zufällig wieder treffe, von hier aus nicht den direkten Weg in den Süden, sondern wir machen einen Umweg durch das malerische Rhumski-Gebirge in Nordkamerun. Leider haben wir kein Glück mit dem Wetter und daher auch nicht mit den „Feldwegen“, die durch Regengüsse so aufgeweicht sind, daß sie durch „Regenschranken“ für den Lastwagenverkehr gesperrt sind. Allerdings werden die „barrieres de pluie“ immer recht schnell geöffnet, sobald mein Mitfahrer seinen Peace-Corps-Ausweis vorzeigt, „denn schließlich sind wir ja dienstlich unterwegs“ (er arbeitet irgendwo für sein Peace-Corps in der Elfenbeinküste und macht Urlaub genau wie ich; doch Hauptsache, wir haben etwas Amtliches!).

Die Schwierigkeit ist hier immer, etwas zu essen zu bekommen, denn es gibt keine oder nur wenige Restaurants oder was man als Restaurant bezeichnen kann. Als wir einmal bei dem Haus einer Großfamilie halten, können wir Erdnussbutter kaufen, die wir dann später zum kochen verwenden, und werden auch gleich zum Essen eingeladen. In der Hütte sitzen auf der einen Seite Frauen, Mädchen und Kinder ums Feuer (hier sind auch mal hübsche Mädchen „oben ohne“, während man sonst „so“ nur die älteren Frauen sieht...), und wir auf der anderen Seite in einer Ecke mit den Männern, mit denen wir mit den Fingern in den Kalebassenschüsseln herummanschen – es gibt Maisbrei und Gemüse. Da das Essen so heiß ist, benutze ich auch die linke Hand, worüber sich vor allem die Mädchen offensichtlich köstlich amüsieren, denn die linke Hand gilt wohl auch hier als unrein (sie wird für die „Hygiene“ benutzt). Jedenfalls finde ich es wunderbar hier – so mag es bei uns vor 5000 Jahren auch gewesen sein; herrlich dieses Familienleben, mit gemeinsamer Unterhaltung, Essen, rauchverqualmt – ohne elektrisches Licht, ohne Einzelbeschäftigung, ohne Fernsehen... Mit dem Essen habe ich überhaupt wenig Probleme. Nach dem Motto, daß man das, was eine Hausfrau zubereitet, auf der ganzen Welt essen kann, verfahre auch ich hier, und ich bemerke auch keine Krankheiten. Außerdem schmeckt auch alles. In den Lokalen ist das Essen dagegen extrem scharf gewürzt, man merkt es, der Pfeffer wächst im Urwald umsonst!

In Garua trennt sich mein Peace-Corps-Freund von mir, und ich will eigentlich schon hier meinen Wagen verkaufen. Dazu beschließe ich, abends immer an der „Reconnaissance-Bar“ an einem sehr belebten Platz zu sein, wo es leckeres Guinness (Cameroun) und auch anderes Bier gibt (überhaupt ist Bier in Kamerun ziemlich gut und bald so billig wie das Dosen-Aldi-Bier bei uns ... warm 0,71 DM – 90, kalt 5 Pfennig mehr...). Ein junger Mann spricht mich an und schleppt mich zu einer richtigen schwarzafrikanischen Hochzeit mit toller Xylophon-Musik. Bald jedoch muß ich mit ihm nach Hause gehen, und ich begrüße seine Frau Therese, die er, wie er mir gesteht, für 2.000,00 DM gekauft hat. Die Frau macht auch einen entsprechenden Eindruck. Dabei sieht sie wirklich gut aus und ist auch sehr nett zu mir. Die Leute verdienen beide, und für die Verhältnisse dort gar nicht mal schlecht. Sie wohnen in einem Raum, der so groß wie das Wohnzimmer meiner Eltern in Köln ist; der Raum hier ist allerdings durch einen Vorhang getrennt, mit Wellblechdach abgedeckt und mit Löchern im Zementfußboden. Aber einen Hausdiener haben sie, der auch meine Wäsche wäscht.

Am nächsten Tag – Sonntag – gehe ich in die nahe Kathedrale – volle Kirche, toller Gesang, teilweise mit Trommeln und Xylophon. Danach bin ich bei Jean und seiner Frau, so die Leute vom Vorabend, zum Essen eingeladen. Sie geben sich sehr viel Mühe, und mir schmeckt es auch. Das Töchterchen (3) ist recht schüchtern und taut erst auf, als das gleichaltrige Nachbarsmädchen auf mich zukommt, mich mit offenem Mund bestaunt, mein Hemd hochhebt ... und es offenbar nicht fassen kann, daß alles weiß ist... Am Nachmittag lade ich die Familie zu einem Ausflug in meinem Paketwagen in den "Busch" ein (einfach so herumfahren), die Leute freuen sich! Das einjährige Söhnchen wird den ganzen Tag unkompliziert während der Fahrt gestillt, so wie auch am nächsten Tag, als ich mit der Frau allein esse, da der Mann im Betrieb ißt. Montag abends revanchiere ich mich dann mit dem Essen und koche Leber mit irgendwelchen Hülsenfrüchten und mir unbekannten Gewürzen vom Markt in meinem Dampftopf. Bis auf die Würze sind alle zufrieden mit meinem Essen, zu dem ich natürlich auch die dazugehörigen Plastikteller und Löffel liefere. Wir haben auch dabei viel Spaß!

Am ersten Abend in Garua hatte mich in der Reconnaissance-Bar ein Afrikaner angesprochen, der sich als Arzt ausgab  und der den Wagen für eine Ambulanz kaufen wollte. Da er sagte, daß er eine deutsche Frau aus Dresden habe, erkundige ich mich nun nach ihm und lande beim Frauenarzt des Hospitals. Er ist es zwar nicht, den ich suche, aber er merkt gleich, daß ich Deutscher bin, und als erfährt, daß ich aus Köln komme, läuft er gleich zum Telefon und ruft seine (deutsche) Frau (aus Hamburg) an, wann ich zum Essen eingeladen werden könnte. Also am Dienstagabend. Bei meinen Leuten mache ich mich vorher entsprechend ordentlich, packe 4 Flaschen Gereons-Kölsch ein und fahre mit dem Paketwagen vor. Das Haus des Arztes liegt an einer Ausfallstraße in einem schönen Garten. Der Hausdiener macht mir auch gleich das Tor auf, damit ich meinen Paketwagen auf das Grundstück fahren kann, und ich werde freundlich empfangen. Die Frau ist sehr nett, sie haben 2 Mädchen um 12 Jahre, die eher wie Jungen aussehen, wenn sie nicht Ohrringe hätten. Außer mir ist noch ein Österreicher eingeladen, der irgend etwas an der Ecole de Faune in der Nähe (Tierschutzschule o. ä.) leitet. Wir essen im Garten – alles was das Herz begehrt! Alles gibt es was es so zu kaufen gibt, so auch Wild und seltenere Sorten Gemüse. Mich stört auch nicht, daß alles ein wenig europäisch zubereitet ist. Das kamerunesische Bier schmeckt sehr gut dazu – der Hausherr hat sich übrigens über mein Kölsch sehr gefreut, er bedauerte, nicht gleich davon trinken zu können, da er ständig erwarte, zu der Niederkunft einer Europäerin gerufen zu werden, die sich allerdings sehr zimtig anstelle. So geht er auch früher zu Bett, und der Österreicher und ich unterhalten uns noch ein wenig mit seiner Frau. Vor allem gibt der Österreicher mir den Tip, noch durch den Urwald mit meinem Wagen bis zur Küste zu fahren und den Wagen dann in Douala, der Hafen- und größten Stadt Kameruns zu verkaufen, da dort solche Wagen eher gesucht seien. Obwohl ich damit noch mehr als 1.500 km – davon 1.000 km Erdstraße – vor mir habe, breche ich auf. Ein Bett mit Matratzen schenke ich noch meinen Tagesgastgebern (für die Nächte bin ich immer ein Stück in die Landschaft gefahren) die sich natürlich sehr darüber freuen, und dann geht’s los durch immer üppiger werdende Vegetation. Irgendwo sehe ich auch einmal eine Pavianherde, die jedoch Reißaus nimmt, als ich anhalte, um zu fotografieren. Ansonsten finde ich nur kleine Tiere, vor allem so eine Art Eichhörnchen, die vor meinem Auto in ihre Löcher am Straßenrand fliehen.

Nach 300 km – teilweise herrlicher Landschaft – ist in Ngabundere wieder die Asphaltstraße vorbei und die Lehmstraße führt durch eine Landschaft mit immer hoher werdenden Gräsern rechts und links. Dazwischen immer mehr Bäume. Nachts unterbreche ich zweimal meinen Schlaf und fahre einige zig-Kilometer, wenn es gerade einmal nicht regnet, Schließlich habe ich ja auch Angst, daß ich nicht mehr weiter komme, wenn alles erst einmal so richtig aufgeweicht ist. Doch ich habe Glück, das Wetter wird wieder besser. Irgendwann an einem Vormittag höre ich wieder einmal ein „fremdes Klappern“ an meinem Wagen – alle Teile des Auspuffs hängen lose herum. Auf einem kurzen Stück Asphaltstraße repariere ich den Schaden. Vor und hinter mir auf der Straße reiben Frauen Maniokwurzeln (Maniok schmeckt wie leicht angefrorene Kartoffeln) und trocknen das flockige Ergebnis  auf dem Asphalt auf der einen Seite der Straße.

Etwas weiter dann begegnen mir zwischen hohem Gras zwei große Bundeswehr-LKWs und ein Unimog – mit deutschem Zollkennzeichen. Natürlich halten wir alle gleich an; ich pflaume sie an, ob sie ihre Wagen nicht für 3.000,00 DM in Douala hätten verkaufen können (so etwas hatte ich von anderen Leuten schon unterwegs gehört), jedenfalls laden sie mich trotz meiner Eile ein, mit ihnen – zwei Pärchen mit entsprechendem „Dienstpersonal“ - und anderen den Nachmittag und Abend zu verbringen und 3 kg Fleisch zu grillen. Wir machen so ein richtiges Camp zwischen dem hohen Gras, unterhalten uns über Gott und die Welt und fangen an zu grillen. Ich erfahre auch, daß sie – Studenten aus Aachen, eine Zahnarzthelferin ist auch drunter – schon 5 Monate unterwegs sind; einen Senegalneger haben sie in Douala aufgegabelt, der mit ihnen nach Zentralafrika will. Sie hoffen, ihre LKW´s „bei Bokassa“ verkaufen zu können. Da nach 4 Stunden das Fleisch immer noch nicht richtig gar und vor allem weich ist (meine Zähne machen Probleme) stelle ich meinen Dampfdrucktopf zu Verfügung. Das Ergebnis ist allgemeine Anerkennung! Zum Abschluß des Abends verplombt die Zahnarzthelferin noch meine Zähne behelfsmäßig in einem der Bundeswehr-LKW´s. Ihr Freund reicht ihr Besteck und Füllmasse  (leider ist das Zeug doch zu weich und wäscht sich bald wieder aus dem problematischen Zahnloch) – ansonsten eben richtig wie beim Zahnarzt! Wenigstens einige Tage kann ich jetzt einigermaßen vernünftig essen!

 

Durch den tropischen Urwald

Am nächsten Morgen hält mich ein Afrikaner mit einem R 4 an, der nicht anspringt. Wir versuchen, seinen Wagen wieder flott zu machen – es klappt nicht. Ein Abschleppen über eine weitere Strecke erweist sich als unmöglich. Also lassen wir den R 4 stehen und ich lade den Fahrer – Luke, er ist in Garua, wo auch ich ja gerade herkomme, Deutschlehrer – samt seiner ganzen Habe in meinem Paketwagen. Sehr schnell verstehen wir uns sehr gut. Am Straßenrand liegen große Bananenstauden – wir kaufen eine mit etwa 60 Bananen für 1,35 DM – leider sind sie noch grün und reifen doch nicht so schnell, daher kaufen wir kurze Zeit später noch eine weitere Staude , diesmal mit gelben Bananen. Hinter Bertoua kommt dann richtiger Urwald – phantastisch! Riesige Bäume die sich hoch über der Straße berühren, blühende Bäume dazwischen, hohe Palmen und auch Palmengestrüpp, das so dicht ist, daß man wirklich nicht von der Straße herunter kann. Hin und wieder sind unter den hohen Bäumen Kakaoplantagen. Die Früchte werden nach der Ernte nicht im Lande weiterverarbeitet, sondern ausschließlich exportiert. Die Dörfer sind entlang der Straße gebaut, immer wieder werden Bananen angeboten, dazwischen auch frische Ananas – 6 kleine für 1 DM! Ich esse zwei Ananas hintereinander und meine dann, dass ich Brennnesseln gegessen hätte, so scharf ist der Nachgeschmack auf der Zunge  dieser frischen und eher wilden Früchte.

Wir fahren gerade so schön in den Abend hinein, als wir halten müssen: Die Straße ist durch einen quer gestellten Anhänger blockiert. Wir sehen die Bescherung: Der Zugwagen steht zwar noch vernünftig auf der einen Seite der Straße, doch ist bei ihm die Kardanwelle gebrochen, damit kann auch der Anhänger nicht mehr fortbewegt werden. Mir schwant Schlimmes: wie viele Tage werden wir wohl hier warten müssen, bis die Straße wieder frei ist – und das, wo mein Flugzeug in einer Woche von Douala abgeht... Doch außer uns warten noch einige überfüllte Kleinbusse. Und die Passagiere sind findig. Ich höre sie vom „Gold Kameruns“ sprechen und sehe sie bald darauf aus dem Urwald mit etwa 2 m langen Baumteilen kommen, die sich ein Bauer geschlagen hatte. Damit wird der Straßengraben aufgefüllt, um eine „Umleitung“ um den Anhänger zu bauen. Ich mache natürlich mit und stelle meinen Klappspaten zur Verfügung – zunächst einziges Werkzeug für die Erdarbeiten. Und zusehends nimmt die Umleitung Gestalt an! Da plötzlich erscheint der Bauer, dem das Holz gehört, auf der Bildfläche und fängt an zu kassieren – zunächst will er von mir 8,00 DM, dann fünf, dann zwei. Ich weigere mich, denn das eine sei unser Schicksal, das andere seines, und außerdem passiere dem Holz ja nichts. Daß jemand anderes für mich bezahlt, ist mir natürlich peinlich, aber der will das Geld nicht zurück. Mit Hängen und Abstützen kommt der erste Kleinbus am Anhänger vorbei, dann einige PKW´s, dann ich. Mit meinem Fotoapparat jage ich hinter dem Bauern zum Gaudi aller her (Spaß ist hier immer wichtig!), „um ihn für die Zeitung in Deutschland zu fotografieren“ (ein verwackeltes Bild ist mir gelungen). Ich sehe kurz vor der Weiterfahrt noch, daß der Bauer vor jedem Auto eine Bohle aus dem Damm nimmt und sie erst wieder hinlegt, wenn er „Straßenzoll“ erhalten hat – ein gutes Geschäft , wenn der Anhänger vielleicht noch 2 Tage daliegt... (Die Afrikaner machen übrigens aus allem ein „Geschäft“, besonders gegenüber anderen Afrikanern sind sie dabei sehr hart). In einem kleinen Dorf vor einer Adventistenkirche machen wir halt, von einem Bauern kaufen wir einen Liter Palmwein. Palmwein schmeckt etwa nach Apfelmost, dazu leicht harzig. Er sieht leicht milchig aus.

Am nächsten Tag gegen Mittag halte ich vor einer Brücke ohne Geländer (alles gebrochen und in den Fluß gefallen bis auf ein Paar Pfeiler) wie elektrisiert – die behauenen Steine sehen denen unserer Hohenzollernbrücke oder auch der alten Kanalbrücken mit dem kaiserlichen Wappen in der Nähe von Münster frappierend ähnlich! Mein Beifahrer bestätigt es mir – die Brücken hier in der Gegend sind alle noch aus deutscher Zeit!

Kurz vor Yaunde, der Hauptstadt Kameruns, nehme ich nach einem Essen in einem afrikanischen Lokal (es gibt leckeres Wild aus dem Busch) noch einen Anhalter und eine Anhalterin mit. Die Anhalterin sitzt links neben mir auf dem Fahrersitz, als wir von einem Polizisten kontrolliert werden, derartige Kontrollen sind häufiger. Der Polizist fragt mich, ob das meine Frau sei, jedenfalls hindere sie mich beim Fahren. Ich demonstriere, daß ich einwandfrei lenken kann. Er meint, das Mädchen behindere mich beim Rückwärtsschauen aus dem Fenster. Ich meine, dafür hätte ich den Rückspiegel – er: der sei doch zerbrochen – ich: das sei doch gerade gut, da könne ich doch alle Autos hinter mir fünffach sehen... Wir lachen alle, doch das Mädchen muß sich zu den anderen auf den Beifahrersitz quetschen. Ich glaube, hier in Deutschland wäre ich um eine Strafe nicht herumgekommen, in ganz Afrika tut´s meist auch irgendein Verhandeln, Hauptsache, es ist irgendein Spaß dabei. Mir ist übrigens nicht ganz klar, was die bei den Polizeikontrollen sehen wollen, ich zeige immer den Reisepaß und für das Auto irgendein anderes Papier, auf dem die Nummer draufsteht – es wird alles akzeptiert. Einmal gibt uns der Polizist die Papiere mit der Bemerkung zurück, daß er ohnehin nicht schlau draus werde...

In Yaounde bekomme ich vor und in der Kathedrale den Einzug eines Brautpaares und den Anfang einer Brautmesse mit – Aufwand, Brautzug mit ca. 20 Brautjungfern und Meßgestaltung sind sehr effektvoll. Interessanterweise sind sehr viele Frauen gleich gekleidet (zwei verschiedene Muster jeweils), offenbar ist das hier etwas Besonderes. Eine Frau hat Lockenwickler – offenbar ist das auch etwas Besonderes hier... Die Kirche ist zeltförmig, sehr groß, innen sieht man die Dachkonstruktion, hinter dem Hochaltar steht eine stilisierte schwarze Muttergottes mit schwarzem Jesuskind an der Wand.

Da bei der Weiterfahrt durch Yaounde ein Herr in einem Taxi auf unser „à vendre“ (zum Verkauf), das ich mit einer Bananenschale in den Schmutz der Karosserie geschrieben habe, reagiert und nach kurzem Verhandeln 700 000 CFA (6.300,00 DM) für den Wagen geben will, wenn wir ihn am übernächsten Tag, meinem letzten Ferienmontag, am Zollamt von Yaounde treffen, fahre ich mit meinem Lukas beruhigt und zufrieden in sein Heimatdorf, um einen richtigen Urwaldsonntag zu erleben. Seine Frau, seine Mutter und die sonstige Verwandtschaft freuen sich offensichtlich über meinen Besuch. Eigentlich sollte ich ja meinen Freund Lukas gleich nach der Ankunft „zu seiner Freundin“ fahren, doch da protestiere ich, weil ich ja in diesem katholischen Haus nicht auch noch so etwas unterstützen würde, er gehöre doch eigentlich zu seiner Frau... Als ich in der Familie äußere, daß ich gerne etwas Palmwein trinken würde, wird auch von irgendwoher welcher besorgt. Jedenfalls ist der Abend sehr gemütlich. Am Sonntagmorgen macht ein Cousin von Lukas, Blasius, genannt Blaise, mit mir einen kleinen Spaziergang durch den Urwald und zeigt und erklärt mir alles. Auf einem Nachbargrundstück steht eine Art Mausoleum eines Afrikaners, der vor 10 Jahren starb und noch zur Zeit der Deutschen Gummibäume für den Export von Gummi nach Deutschland gepflanzt hatte, doch sei es zu dem Export wegen des ersten Weltkrieges nicht mehr gekommen. Dieser Nachbar sei auch Deutschlehrer gewesen und hätte viele deutsche Bücher besessen, die sein Sohn, ein Filmschauspieler, den ich auch kurz kennen lerne, jedoch heute in der Stadt hätte. Wir können immerhin die inzwischen riesigen ungenutzten Gummibäume anschauen. Blaise erklärt mir, daß man bei einer Fahrradpanne ganz einfach mit einem Buschmesser (Machete) einen Hieb in einen Gummibaum haue und mit dem weißen Saft das Loch im Schlauch zuschmiere – und fertig sei die Reparatur... Wir gehen weiter auf einem Pfad durch den „Busch“ vorbei an riesigen Bambusstauden mit armdicken Bambusrohren und anderen exotischen Gewächsen. Dazwischen zeigt mein Führer  mir auch eine wildwachsende, noch unreife Ananas. An einer Quelle überzeuge ich mich, daß eigentlich keine Bedenken bestehen, das hier aus dem Urwaldboden quellende Wasser zu trinken, das sei wirklich sauber. Aus dem ganzen Dorf werde hier Wasser geholt, erklärt er mir.

Nach dem Frühstück fahren wir nach dem 4 km entfernten Akone zur Kirche. Die Kirche scheint mir um die 20er Jahre gebaut zu sein in irgendeinem undefinierbaren spätromanischen französischen Stil, sie ist riesig. Sie ist knapp halbvoll, die Gottesdienstgestaltung etwas einförmig, seltsam ist die endlose Predigt; der Missionar sagt immer einen Satz französisch, ein Lektor liest darauf (wohl) in dem Ortsdialekt die Übersetzung vor. Ich habe das Gefühl, alle schlafen. Viel lieber wäre ich ja mit der Mutter und den anderen Frauen in die Dorfkirche gegangen, aber man wollte mir halt was bieten.

Nachmittags kommt dann der Höhepunkt der ganzen Reise: eine „Palmweinparty“ im Busch! Ich ziehe mir meine Halbschuhe an und zu fünfen ziehen wir los! So richtig mit Machete quer durch die Wildnis! Hin und wieder kommen wir an frisch gerodeten Stellen vorbei, hier wird Maniok angebaut. Dann wieder eine Kakaoplantage. Und dann liegt da die erste gefällte Palme. Die Spitze ist abgehauen und die Wunde des Baums ist mit großen Blättern zugebunden (einer der Cousins von Luke und Blaise war schon morgens losgezogen und hatte alles vorbereitet). In einen alten Batteriekasten ist der Saft geleitet, der mit Hilfe eines kleinen Bündels einer bestimmten Rinde schon vergoren war: Palmwein. Und er schmeckt!

So ein Baum gibt, wenn er nach etwa 17 Jahren gefällt wird, pro Tag etwa 2 Liter Saft, und das etwa 4 bis 6 Wochen lang. Beim ersten Baum trinken wir etwa 2 Honiggläser, der Rest kommt in den mitgebrachten 5-Liter-Glasballon. Beim zweiten Baum trinken wir schon mehr – und es schmeckt immer noch – und so weiter! Beim fünften Baum schließlich ist der Glasballon voll, und wir müssen beim sechsten gleich alles an Ort und Stelle trinken, auch gut! Und hier ist auch ein Bild von dieser Party!

Irgendwo taucht während unserer Party Lukas´ Mutter  auf  („was will die denn hier...“) und Lukas spricht kurz mit ihr und erklärt mir, daß sie eigens zu uns gekommen sei, um mir zu sagen, daß sie am Abend für mich ein Schweinchen schlachten würde...

Und der Abend ist dann auch sehr nett. Um zu verhindern, daß das Schweinchen so zäh ist, daß ich es mit meinen Zahnproblemen nicht essen kann, koche ich es in meinem Dampftopf – und alle sind sehr zufrieden. Die Leute diskutieren heftig, und Blaise erklärt mir, daß es seinem Vater gefällt, daß ich so alles mitmache und auch alles esse, war mir vorgesetzt wird. Andere Weiße hätten da wohl ihre Probleme. Aber wie gesagt: Was die Hausfrau kocht, kann man in der ganzen Welt essen.

Montagvormittag sortiere ich meine Habe und packe schon mal meinen Koffer. Einen großen Teil der Sachen und des Inventars bringe ich den Nonnen der Missionskrankenstation in Akono, mit denen ich mich schon am Sonntag unterhalten hatte. Die Schwestern, eine von der Mosel und drei vom Elsaß, freuen sich sehr, als ich ihnen das restliche Bett mit Matratzen, den Dampftopf, einen Spritkocher, 24 Kanister, Medikamente, Verbandskasten und alles andere bringe - und stellen mir natürlich auch eine Spendenquittung aus! Schwester Materna holt sogar ihren Fotoapparat und fotografiert als wir – Lukas hilft mir – ausladen -, das hat es noch nicht gegeben, daß ein Paketwagen der Bundespost etwas nach Akono bringt! In Yaounde suchen wir beim Zollamt vergeblich nach unserem Interessenten für den Wagen, und ich fahre allein 280 km – zumeist über Lehmpiste durch Urwald – nach Douala. Für die Strecke soll man 4 ½ Stunden brauchen, doch ich bin froh, als ich sie in über 7 Stunden hinter mir habe, denn es regnet und nieselt, die Straße ist so glatt, daß ich einmal sogar an einem Berg hängen bleibe, weil die Räder durchdrehen. Zum Glück entdecken ein Anhalter und ich eine Umleitung, die nicht so steil ist. So gerade schaffen wir hier einige Stellen mit den typischen „Eisenbahnrillen“, d.h. die Stellen, wo schwere Lastwagen tiefe Rillen in die Fahrbahn eingeschnitten haben. Gegen Mitternacht bin ich in Douala und fahre morgens gleich zum Postamt, wo ich – am 8. August – einen Brief von zuhause vom 12. Juli vorfinde. Immerhin eine Nachricht!

 

Autoverkauf

Ich denke mir, daß der Platz vor dem Postamt von Douala eine gute Stelle für den Verkauf des Wagens sei. Denn da es vermutlich hier keine Briefträger gibt, müssen die Leute, die Post erhalten, und auf alle Fälle gehören diejenigen, die für den Autokauf infrage kommen, zu diesen, irgendwann ja einmal hier vorbeikommen. Ich schreibe in den Dreck die wichtigen Angaben wie Alter des Fahrzeugs und des Motors usw. Einige Interessenten sprechen mich auch an fragen auch nach Einzelheiten. Ein Gemüsehändler zeigt sich interessiert. Die meisten fragen mich auch, wie schnell ich das Auto verkaufen will, und ich sage, daß ich noch lange Urlaub hätte, daß dieser Urlaub aber sehr wertvoll für mich sei, dass ich noch etwas von Kamerun sehen und daher den Urlaub nicht im Regen sitzend vor dem Postamt von Douala verbringen wollte. Schließlich kann ich ja nicht sagen, daß in wenigen Tagen bereits mein Flugzeug geht, denn dann halten mich die möglichen Kunden so lange hin, bis ich „in Not“ ganz billig verkaufen muß. Am zweiten Tag zweifelt ein Kunde, ob man auch Ersatzteile für das Auto erhalten könne. Ich erkläre mich sofort bereit, mit ihm zur nahegelegenen Mercedes-Vertretung zu fahren, damit er sich erkundigen kann. Der Ersatzteilverkäufer lacht nur bei der Frage meines Interessenten, und zeigt ihm mehrere Folien, auf denen die Ersatzteile gerade für meinen Wagentyp vermerkt sind, und dass die alle vorrätig seien. Mein Freund ist etwas skeptisch, der Verkäufer scheint ihm offensichtlich von mir für diesen Fall vorbereitet und bestochen. Bei einer anschließenden Probefahrt (beide, Verkäufer und Monteur sind vom Zustand von Motor und Getriebe und auch dem übrigen sichtlich angetan) taut der Interessent ein wenig auf und bietet mir umgerechnet 4730,00 DM. Ich zögere mit der Zustimmung, und der Interessent will es sich noch über die Mittagspause überlegen. In der Zwischenzeit nun kommt ein Schuhimporteur, der sehr schnell 430,00 DM mehr bietet plus Verzollung, ohne den Wagen richtig gesehen und gehört zu haben, und da er mit mir gleich zur Bank fährt, stimme ich zu. Ab da unterhalten wir uns über alles Mögliche, nur nicht mehr über Auto und Verkauf. Die Verzollung klappt auch in einer halben Stunde, ich muß dem Schuhhändler noch 430,00 DM stunden, da er zuwenig mit hat (ich erhalte sogar einen Schuldschein, und zwei Tage liegt tatsächlich das Geld für mich bereit), und ich fahre den Wagen vor sein Kontor. Ein Angestellter fährt mich mit meinem restlichen Kram in ein kirchliches Gästehaus, wo ich die Sachen unterstellen kann, und der Autoverkauf ist glücklich überstanden!

 

Am Kamerunberg

Mit Linientaxis fahre ich nun nach Viktoria, einem Badeort am Fuß des Mont Kameruns. Das Gebiet um den Mont Kamerun soll das regenreichste Gebiet der Erde  sein (9500mm Jahresmittel), und danach ist das Wetter auch, als ich ankomme! Ich habe das Gefühl, dass das Wasser wie unter einem Wasserfall vom Himmel schüttet. Das sei noch gar nichts, sagt mir mein Taxifahrer, jetzt könne er ja noch fahren, letztlich war der Regen viel stärker, da hätte er gar nicht mehr fahren können. In einem Hotel finde ich ein Kellerzimmer mit dem Versprechen, daß ich am nächsten Tag ein besseres Zimmer erhielte. Als es am nächsten Tag um ½ 11 Uhr aufhört zu regnen, mache ich eine kleine Wanderung durch Urwald, vorbei an intakten Gummi- und Pfefferplantagen, zu einer abgelegenen Bucht des Meeres. Zwei Jungen begleiten mich und erklären mir alles. Im Angesicht der Insel Fernando Poo (d.h. wegen des diesigen Wetters ahnen wir sie bloß) kommen wir zu einer Diskussion über Rassendiskriminierungen. Als ich ihn darauf hinweise, daß in Äquatorial-Guinea eine der schlimmsten Diktaturen der Welt existiert – junge Männer werden z.B. auf offener Straße von der Miliz „gekidnappt“ und zu Zwangsarbeit auf die Insel Fernando Poo verschleppt – und alles unter afrikanischer Regierung, allerdings von Moskaus Gnaden, wird unser Gespräch etwas sachlicher.

Sehr nett komme ich dann noch ins Gespräch mit dem Sanitäter in einer elenden Kautschukarbeiter-Siedlung. Am nächsten Tag, als ich wiederkomme, zeigt mir der Sanitäter seine Ordination – da war die Missionskrankenstation der moseldeutschen Schwestern, in der ich meine Ausrüstung hinterlassen hatte, noch ultramodern und luxuriös ausgerüstet. Unbeschreiblich, unter welchen Bedingungen der Mann hier arbeitet. Er holt einen Prospekt von Berchtesgaden heraus und ich erkläre ihm die Bilder. So werde ich gefragt, ob auf einem Bild ein Mann eine Frau schlagen will, und ich erkläre, daß das nur Schifahrer mit ihren Stöcken sind... Da ich ein Transistorradio verschenke, das ich zuviel habe, werde ich irgendwo bei einem Höheren zum Essen eingeladen und auch zum Buschschnaps, der irgendwo schwarz gebrannt wird, und der sehr gut schmeckt – nun habe ich auch so etwas getrunken. Anschließend nimmt mich der, bei dem ich eingeladen war, auf seinem Mofa etwa 5 km nach Viktoria mit zurück. Auf dem Markt kaufe ich einen großen Fisch – frisch aus dem Golf von Biafra – , den ich mir dann in meinem Hotel für ein paar Mark zubereiten lasse. Schließlich ist Freitag und ich will wenigstens einmal Fisch essen! Der Fisch, den ich zur Hälfte kriege, die andere schenke ich dem Koch, schmeckt wirklich sehr gut.

Abends bin ich wieder mit Taxis in Douala, wo ich in dem kirchlichen Gästehaus angemeldet bin. Das Abendessen ist typisch französisch und sehr gut. Seit langem trinke ich wieder einmal Rotwein, und zum erstenmal esse ich eine Orange mit grüner Schale, wie sie hier wachsen. Nach dem Essen gehe ich mit den restlichen Sachen, die ich noch verschenken oder verkaufen will, ins deutsche Seemannsheim, das von einem evangelischen Pfarrer betreut wird. Vor dem Essen war ich schon kurz einmal dort und hatte mich mit einem Matrosen aus Bremerhaven angefreundet, der in Nordirland verheiratet ist. Er erzählt mir laufend von seiner Tante, die Nonne ist. Einige (afrikanische) Angestellte des Heims interessieren sich besonders für meine „Ausrüstungsgegenstände, die ich noch habe. Recht erbarmungslos verscherbelt mein Matrose alles (einen Radiorecorder, ein Nylonzelt u.a.), so daß es mir schließlich sogar peinlich ist und ich froh bin, als der Pfarrer einschreitet und für das eine und andere einen vernünftigen Preis ausmacht. Um mich meines „Gewinns“ auch danach nicht schämen zu müssen, mache ich ihm noch eine Spende für die Weihnachtsfeier des Hauses...

Der Pfarrer ist hocherfreut darüber – immerhin. Er hat übrigens eine katholische Theologin zur Frau, die teilweise die selben Leute kennt wie ich. Das Heim macht einen sehr guten Eindruck; in dem Gastraum verkehren Leute aus aller Herren Länder. An unserem Tisch sitzen so nicht nur der Matrose aus Deutschland/Irland, sondern auch zwei Rostocker Matrosen, ein Kieler Lotse, der nach Douala abkommandiert ist, zwei Inder, ein Türke ... Ich frage die Rostocker, ob sie denn keinen Ärger bekommen, wenn sie hier auf westdeutschem Boden sind, ach, sagen sie, eigentlich gebe es ja tatsächlich ein Verbot, doch sie hätten ihrem Kapitän gesagt, wo sie denn hingehen sollten für das Geld, das sie bekämen...

Es ist ein richtig schöner Abschlußabend von Kamerun. Im Garten des Heims haben einige Händler ihr Angebot an einheimischer Kunst aufgebaut, und ich erstehe noch ein hübsches holzgeschnitztes Kästchen und ein Riesenschildkrötenschild. Zunächst will der Händler dafür etwa 100,00 DM haben – schließlich bekommt er etwa 27,00 DM und ist´s zufrieden.

Am nächsten Tag habe  ich natürlich dann auch seltsames Fluggepäck – besonders auffallend sind das Riesenschildkrötenschild (heute – im Jahre 2000 - würde ich das natürlich nicht mehr kaufen, doch ich habe es natürlich noch!) und ein mit Ziegenfell bespanntes Banjo an meinem Handgepäck. Das hat zur Folge, daß sich bei Start und Landung die extrem hübschen Stewardessen von Air Afrique neben mich setzen und sich für meine Souvenirs interessieren und dann auch für meine Reise.

 

Bei der Familie von Freunden in Nigeria

Von Douala fliege ich nach Lagos, der Hauptstadt Nigerias, von wo ich ja einen Flug über Kairo nach Frankfurt einen Tag später gebucht hatte. Am Flugplatz werde ich von einigen Taxifahrern regelrecht „überfallen“, die mich für sehr viel Geld samt meinem Gepäck in die Stadt bringen wollen. Da will ich nicht mitmachen. Eine Gepäckaufgabe gibt es in Lagos am Flugplatz nicht, doch kann ich mein Gelumpe  in eine andere Ecke der Ankunftshalle unter die Augen von Zollbeamten zu anderem Gepäck stellen – und als ich zwei Tage später das Gepäck wegnehme, fehlt in dieser Stadt, in der angeblich alles und jedes gestohlen wird, gar nichts! Dabei hatte ich sogar schon einmal alles geholt, als die Ankunftshalle voll von Menschen war und die Zollbeamten wirklich nicht richtig aufpassen konnten – jeder andere hätte sich genauso selbstverständlich bedienen können! Vielleicht habe ich auch nur Glück gehabt, da meine Sachen so „edel“ aussahen! Der Koffer hatte bei dem Gerüttel in der Sahara usw. so ziemlich den Rest bekommen – so mußte er jetzt durch zusätzlichen Bindfaden zusammengehalten werden.

Glücklicherweise entdecke ich, daß auch Busse in die Stadt fahren, denn die Taxifahrer wollen zunächst 24,00 DM, später dann 8,00 DM haben – und im Bus für 0,30 DM ist es viel interessanter. Passagiere zeigen mir den Weg zum Yaba-Technik-Kolleg, wo der Vater meines Nachbarn John eine Art technischer Direktor ist. Ich werde sehr nett aufgenommen und dann gegen Abend von einem Cousin John´s durch Lagos geführt. Spät abends finden wir ein Hotel für 50,00 DM, es gibt nur Doppelzimmer... Ich soll 100,00 DM Sicherheit hinterlegen (die ich gar nicht in nigerianischem Geld – in Naira habe), und es gibt eine heiße Diskussion an der Rezeption – irgendwie bin ich aggressiv aufgelegt. Als ich dann später von einem Bier mit Duke (so John´s Cousin) zurückkehre, lachen der Typ an der Rezeption und ich – in Afrika ist alles nicht so ernst gemeint.

Am nächsten Morgen gehe  ich in die nahe gelegene St. Dominics-Church. Ich komme gerade, als die Gemeinde mit dem lateinischen, gregorianischen Credo beginnt – alles wird von allen einfach durchgesungen mit einigen afrikanischen Schnörkeln - und unheimlich eindrucksvoll. Die Kirche ist  bis auf den letzten Platz besetzt, und vor den Türen rings steheen noch viele weitere Gläubige. Nach dem Credo gibt es dann wieder richtige afrikanische Kirchenmusik, bei der alle mitmachen. Der Gottesdienst ist nicht nur ein Erlebnis für Seele und Ohren, auch für die Augen: alle Frauen tragen farbenprächtigste Kleider, je älter, je größer und höher sind die auch meist aus demselben Stoff wie das Kleid gebundenen und gesteckten Kopftuchgebilde. Einige Frauen sind barfuß, viele tragen Kinder auf dem Rücken. Angeführt wird die Musik und der Gesang von einer Schola  aus allen Altersstufen, alle in braunen Talaren mit dazu passenden „Doktorhüten“. Richtig brueghelsch mutet der Auszug der Schola am Ende des Gottesdienstes an, vorneweg die Kinder, dahinter die älteren, alle singen und machen Musik während des Auszugs, dazu Kindergeschrei und leichtes Stimmengewirr in der Kirche – so richtig schön, wie der Zug dann in einen Quergang biegt  und die Kirche verläßt!

Über einige Slums – dazwischen überall Handel in jeder Form und mit allem (hier sehe ich auch zum erstenmal in meinem Leben Verkehrszeichen, auf denen eine handelnde Frau dargestellt ist, die durchgestrichen ist: „Straßenhandel verboten“; niemand hält sich daran) – fahre ich nach Viktoria Island zum Strand. Lagos steht – ähnlich wie Venedig – hinter einer Lagune auf Inseln (wohl daher auch Lagos – Lagune). Der Strand ist offenbar Treffpunkt aller Weißen, an denen zahllose Händler mit allem Möglichen, Körben, Lampen, Holzschnitzereien, Früchten, Kokosnüssen, Schmuck vorbeiziehen. Ich erhandele mir einen schönen Korb für mein Handgepäck für 5,00 DM, zuerst will der Händler 14 haben, doch ale er bei meinem Preis ist, muß ich den Korb nehmen....

Das Meer ist wunderbar, zimmerhohe Wellen, unter denen ich hertauche und von denen ich dann ganz schön herumgewirbelt werde, so daß ich doch recht außer Atem bin. Viele Leute sind nicht im Wasser, fast alle nur bis Nabeltiefe. Am Ufer erfahre ich dann warum – im Juni sollen 7 Leute ertrunken sein -, da werde ich dann auch vorsichtiger. Bei der Rückfahrt bemerke ich so gerade noch an der Bushaltestelle, wie mir einige Scheine aus meiner Hosentasche gezogen werden, die ich natürlich wieder der fremden Hand im Gewühle wegnehme. Leider fällt mir nicht ein, den mutmaßliche Eigentümer der Hand zu fotografieren, das hätte die Umstehenden sicher mehr belustigt, als meine Schläge, die der verhinderte Taschendieb stoisch ertrug.

In einem der Busse, die ich benutze, bin ich der erste Fahrgast, der stehen eigentlich muß. Darauf macht mir ein Mann ganz vorne mit einem weißen Gewand Platz. Ich lehne zunächst ab, doch erfahre ich schnell den Grund des Platzmachens: der Mann ist ein „Busprediger“. Sobald alle Sitzplätze besetzt sind, geht´s los mit der Predigt, während des Kassierens, während der Fahrt. Ich verstehe nichts, da die Sprache irgendein Eingeborenendialekt ist. Die Leute verhalten sich sehr ruhig und nehmen alles ohne Kommentar – jedenfalls ohne lauten – hin. In einem anderen Bus war einmal der Kommentar eines Nachbarn zu mir: "alles Quatsch". Jedenfalls kommt hier der Prediger nach etwa 10 Minuten zu seinem Ende und verteilt noch irgendwelche Zettel. Das ist Meinungs- und Redefreiheit in Lagos!

 

Abschied von Afrika

Am späten Nachmittag bin ich bei John`s Familie eingeladen, ich fühle mich hier dann schon bald wie zuhause. Abends werde ich dann von John´s Vater zum Flughafen gebracht. Dort erfahre ich gegen Mitternacht, daß mein Platz und etwa 30 andere doppelt gebucht sind und wir erst am Mittwoch weiterfliegen können... Um vier Uhr werden schließlich die letzten Wartenden mit einem Kleinbus auf Kosten der tollen Fluggesellschaft „Egypt Air“ in ein Hotel (Riviera) gebracht. Wenigstens drei Stunden Schlaf .. An und für sich beginnt ja heute die Schule wieder und ich bin immer noch hier... Da ich erfahren habe, daß abends eine Sabena-Maschine nach Brüssel fliegt, fahre ich gleich früh zum Sabena-Büro, wo man mir sagt, daß die Maschine zwar  „voll“, aber nicht „zu voll“ sei. Doch bevor ich neu buche, gehe ich zum Büro von „Egypt Air“ und verlange, daß mein Ticket als „nicht benutzt“ gestempelt wird. Und siehe, man bucht es um auf den Sabena-Flug – Frankfurt über Brüssel. Den Nachmittag verbringe ich wieder bei John´s Familie, im Fernsehen gibt es in der „religiösen Stunde“ eine Sendung eines einheimischen Kultes (etwas seltsam, so etwas im Fernsehen); am Vortage hatte es einen Film von der Beerdigung des Papstes Paul VI. gegeben

Da ich nicht fest gebucht bin für den Flug, sondern nur „on request“, bin ich schon um 21.00 Uhr auf dem Flugplatz, obwohl das Flugzeug um Mitternacht gehen soll. Und um ½ 10 bin ich dann der erste, der von den „on request“-Wartenden eingescheckt wird – Alleluja! Bis drei Uhr warten wir noch, denn die von Kinshasa kommende Maschine hat Verspätung. Die Stewardessen nehmen mir gleich die sperrigsten Stücke meines Handgepäcks ab und verstauen sie irgendwo, ebenso den Deckel meines Korbes und den Daunenschlafsack, den ich nicht mehr in meinem Koffer unterbekam. So habe ich auf meinem Palmstrohkorb eine schöne Fußablage für die Nacht. Das Essen ist vorzüglich. Um 10.00 Uhr vormittags landen wir in Brüssel. Statt eines Weiterfluges nach Frankfurt (was soll ich dort eigentlich?) kann ich nach kurzer Verhandlung meine Weiterflugkarte in eine Bahnfahrkarte 1.Klasse umtauschen und fahre mit dem Zug bis Köln.

Überall bewundern die Leute mein Gepäck, besonders natürlich das Schildkrötenschild mit seinen 60 mal 60 cm, sogar Zöllner und Schaffner. Ich bin ja wohl auch der interessanteste 1-Klasse-Fahrgast im Zug...

Von Brüssel aus hatte ich schon zu Hause angerufen, daß ich wieder in Europa bin, meine Eltern hatten daraufhin die Schule benachrichtigt. Ob ich dort nun Ärger hatte - ? Ich hatte eher den Eindruck, die waren froh, daß ich wieder da war.

Beunruhigend nur war, daß Conny immer noch nicht daheim war. Seine Eltern waren in hellster Aufregung, so daß ich gleich zu ihnen fuhr. Dort las ich dann auch den letzten Brief von Conny, in dem er aus Lome/Togo schrieb, daß er nicht nach Nigeria hineingekommen sei, da sein Visum nur für eine einmalige Einreise gegolten habe (eigentlich war das ja klar; er sollte sich ja auch erkundigen bei der Ausreise aus Nigeria, wie er wieder zu seinem Flugzeug am Lagos zurück könne), und er bis zu einem Flug der Swissair im Seemannsheim von Lome bei Swimming-Pool und Volleyball warte. Da verstand ich nun die Aufregung von Connys Eltern nicht, denn das war doch genau der Urlaub, den Conny sich vorgestellt hatte... Schön, daß er auf diese Weise noch auf seine Kosten kam. Und munter und fidel kam er auch einen Tag später als ich zurück, allerdings hatte er auch trotz eines Telegramms von unterwegs seine Kündigung auf dem Tisch (er hat inzwischen eine andere Lehrstelle).

Und ich – ob ich noch einmal so eine Fahrt machen würde? Am liebsten sofort! Jedenfalls ganz sicher irgendwann, denn ich habe ja dem Frauenarzt von Garua versprochen, bei meinem nächsten Besuch ein Fäßchen Kölsch mitzubringen (denn er hatte ja in Köln studiert und hier seine ersten Eindrücke von Deutschland bekommen).

Was ich beim nächsten Mal besser mache: vernünftigeres Werkzeug, vernünftigere Sandbleche, einen zweiten Wagenheber (sicherheitshalber), noch mehr Bier (zu Geschenkzwecken), etwas mehr Konserven, mehr alte Kleidung (zum Verschenken und Tauschen von allem Möglichem), viele Streichhölzer und Nadeln (auch zu Geschenkzwecken), ebenso Plastik-Teller und –Löffel. Was gut war: die vielen Kanister für Öl und Wasser - ich hatte am Ende der Fahrt noch drei Kanister besten Trinkwassers), die drei Ersatzreifen (alle wurden gebraucht), die Geschenke, die ich mithatte, vor allem eben die 124 Dosen Bier, die bequemen Betten, der Dampftopf....

 

Rückblick

Und jetzt (wieder im Jahre 2000) noch ein Rückblick: Nun, ich bin seitdem nicht wieder in Schwarzafrika gewesen, es gab noch so viel anderes. Eigentlich möchte ich ja noch einmal hinfahren, auch vielleicht wieder mit einem Auto durch die Sahara, wenn auch gerade diese Tour jetzt sehr viel komplizierter sein soll. So braucht mehr Visa als damals und auch die Zollpapiere sind nicht mehr so billig zu haben wie damals (heute muß wohl eine Bürgschaft über 30 000 DM hinterlegt werden).

Freunde frage mich manchmal, was denn meine Eindrücke gewesen seien zu den brennenden Problemen Afrikas, etwa zur katastrophalen Situation der AIDS-Seuche, die ja gerade in Afrika besonders grassiert. Also, AIDS gab es damals ja noch nicht, aber andere Krankheiten und das Problem der Promiskuität, durch die ja die Geschlechtskrankheiten vor allem verbreitet werden, gab es ja schon längst. Meinen ersten Eindruck „davon“ bekam ich in der „Reconnaissance-Bar“ in Garua in Nordkamerun, wo ich auf Kunden für mein Auto hoffte. Um mich herum waren da viele verhärmte altere (so genau kann ich das allerdings nicht mehr sagen) Frauen, die die Männer ansprachen: offensichtlich Prostituierte. Doch mich sprach niemand an, ich kam für sie offensichtlich ohnehin nicht infrage... Zu meinem Auto allerdings kam schon immer einmal ein Mädchen und lungerte herum, doch sprang ich auch auf sie ohnehin nicht an und mein neuer Freund scheuchte sie verächtlich fort. „Ernst“ wurde es dann am Ziel der Autofahrt, als ich  in Douala ankam und in der ersten Wirtschaft am Stadtrand ein Guinness trank. Da warf mir ein Mädchen den Kronkorken einer Bierflasche zu, den ich auch gleich zurück warf. Ach ja, das war wohl hier ein Zeichen.... Und so kamen wir ins Gespräch und bummelten auch gemeinsam ein wenig durch die tristen Straßen. Ein Polizist hielt uns an, und beschimpfte mich, was ich „mit seiner Schwester“ wollte. Aber ich „wollte“ ja gar nichts, und so gingen wir freundschaftlich auseinander. Doch das war jetzt wohl das Zeichen für das wieder einmal bildhübsche siebzehn Jahre alte schwarze Mädchen: Sie ging ran „wie Blücher an der Katzbach...“ Ich konnte mich kaum erwehren, alles, was ich dachte, war, dass ich hier doch nicht machen könne, gegen was ich ja auch sonst bin, und schließlich: wie würde ich vor meinen jungen Leuten hier in Deutschland dastehen, schließlich ist dieses Mädchen doch im Grunde eine von ihnen, sie erzählte mir, dass sie Sekretärin an einer Schule oder Sekretärinnenschülerin sei... Nein verbergen könnte ich als Lehrer nach meiner Rückkehr so etwas gewiß nicht, zumindest könnte ich dann genauso wenig unbefangen „über das alles“ reden wie andere... Das Mädchen verstand mich überhaupt nicht, denn ganz offensichtlich war ich ja doch „normal“... Sie drängte mich, dass wir nach hinten in mein großes Auto gingen und, als ich das nicht wollte, nahm sie mich über die morastige Straße mit in ihr Zimmer im „Haus“ ihres Bruders und ihrer Schwägerin. Ach Gott, war das hier alles erbärmlich, die mit Illustriertenbildern tapezierten Lehmwände, das Wellblechdach darüber und ihre aus dem Schlaf aufgeschreckten Verwandten guckten auch komisch, als sie mich sahen. Ich „konnte einfach nicht...“

Als wir dann wieder im Auto saßen, um uns vor dem Regen zu schützen, sagte das Mädchen  immer wieder „m´emmêne“, „nimm mich mit“ und schrieb mir ihre Adresse in ein Buch (das ich allerdings dann am nächsten Tag im Seemannsheim einem der Matrosen gegeben hatte und weswegen ihre Adresse mir verloren gegangen ist). Immerhin stand das Mädchen dann auch morgens in ihrem dünnen Kleidchen vor meinem Auto als ich wegfuhr...“m´emmêne“...

Ich muß sagen, dass sich mir die Begegnung mit diesem schwarzen Mädchen intensivst eingebrannt hat , zunächst litt ich darunter eher direkt („was habe ich da verpasst?)  schließlich bin ich ja wohl auch irgendwo „Mann“...  Nein aber „so etwas“ war ja wirklich nicht gegangen...

Recht bald arbeiteten in mir die Fragen: „Was war da falsch gelaufen?“, „Was habe ich falsch gemacht?“, „Was läuft da grundsätzlich falsch?“ „Wie hätte das Mädchen kommen müssen, damit ich sie mitgenommen hätte, ja damit ich ihr sogar nachgelaufen wäre, weil das eine wunderbare Beziehung hätte werden können?“

Also, sie wie das damals gelaufen war, trifft mich wohl keine Schuld, ich habe nichts falsch gemacht. Eine engere Beziehung mit dem Mädchen hätte ganz gewiß nichts gegeben, so wie sie sich verhielt, hätte ich ihr irgendwann sowieso nicht genügt und ich hätte bei meinem Haus die rote Lampe heraushängen können... Aber wie hätte es denn etwas geben können? Also: Wenn das Mädchen etwa gesagt hätte, dass sie ihren Glauben und ihre Moral ernst nehme (sie war ja auch katholisch), dass sie bei dem sexuellen Durcheinander da in ihrem Land und ihrem ganzen Kontinent nicht mitmachen wollte, bei dem ja sowieso die Liebe längst in einem Meer von Promiskuität und Prostitution untergegangen sei, dass sie jemanden suche, mit dem sie zu der unbefangenen und unschuldigen Nacktheit ihres Landes zurückkehren könne, doch dabei wirkliche Liebe und Achtung suche, ja dass sie sich am liebsten in den Problemen ihres Kontinents engagieren würde, damit wirkliche Liebe wieder zur Geltung käme, und dass sie nur noch nicht wisse wie ...  Da gibt es in Afrika ja nicht nur das, da gibt es ja auch die Beschneidung der Mädchen, die sonstige Ausnutzung und Verachtung...  Und die Kirche, so wie sie ist, ändert ja auch nichts, dabei könnte sie vielleicht... Ja, das wäre vielleicht ein Ansatz für eine Beziehung gewesen! Doch von diesem Ansatz war nun wirklich nichts zu spüren gewesen....

Und da stehe ich jetzt! Was soll ich anders machen, als was ich hier mache, nicht nur in meinem Unterricht hier bei uns, auch jetzt im Internet... Afrika werde ich erst einmal nicht erreichen, doch irgendwo müssen ja Ideen anfangen. Das ist doch ein legitimer Versuch der Aufarbeitung... Und wenn ich selbst auch vermutlich nicht die Früchte meines Engagements erleben kann, dann aber vielleicht andere... Wenn ich ein religiöser Mensch sein will, dann darf ich ohnehin nicht nur immer an mich selbst denken, sondern muß mich kümmern, dass ganz allgemein etwas besser wird. Gott hat schließlich keine anderen Hände als unsere - und weiß nicht Gott von allein, was ich brauche?

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